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Staatsgebiet (19./20. Jahrhundert)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Thomas Paringer

Die Gesamtfläche Bayerns umfasst im Jahr 2015 rund 70.550 km². Damit ist Bayern mit Abstand das flächenmäßig größte Land der Bundesrepublik Deutschland (vor Niedersachsen mit rund 47.600 km²). Diese Entwicklung war um 1800 nicht absehbar. Damals setzte ein etwa zwei Jahrzehnte währender Zeitabschnitt ein, in dem sich die Wandlung Bayerns von einem dynastischen Mittelstaat hin zu einem im deutschen Rahmen großen Flächenstaat vollzog. Weite Teile des jetzigen bayerischen Gebietsstandes (Stand: 2016) gründen in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts von 1799 bis 1819. Sie stellen damit nicht nur aus territorialer Perspektive eine gewaltige Umbruchzeit für das Land dar. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts sollten sich allerdings am bayerischen Staatsgebiet noch weitere Veränderungen ergeben. Zu den wichtigsten Veränderungen zählten die Aufnahme Coburgs ins Staatsgebiet sowie die Wiedereingliederung des Kreises Lindau nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch der endgültige Verlust der Pfalz Mitte der 1950er Jahre.

Territoriale Entwicklung Bayerns 1799 bis 1805

Die 1799 mit dem Tod Kurfürst Karl Theodors (1724-1799, reg. in Bayern 1777-1799) erloschene kurpfalzbayerische Linie wurde von der letzten verbliebenen wittelsbachischen Seitenlinie, den Herzögen von Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld, beerbt. Neuer bayerischer Kurfürst wurde Maximilian IV. Joseph (1756-1825, reg. 1799-1825). Er hatte nun sämtliche wittelsbachischen Lande - das aus der Vereinigung der Kurfürstentümer von der Pfalz und Bayern 1777 hervorgegangene Kurpfalzbayern sowie das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken - in seiner Hand vereinigt. Allerdings waren die Besitzungen links des Rheins, darunter sein eigenes Stammland Pfalz-Zweibrücken, seit 1791 von Frankreich besetzt. Die politischen Umstände sollten zudem bald dazu führen, dass diese Besatzung faktisch zu einer Gebietsabtretung wurde: Der nach der Niederlage des Reiches und seiner Alliierten gegen Frankreich im 2. Koalitionskrieg 1801 geschlossene Friede von Lunéville (Frankreich) besiegelte die Abtretung des linken Rheinufers endgültig. Für das Kurfürstentum Pfalzbayern gingen damit die Herzogtümer Jülich, Pfalz-Zweibrücken und Pfalz-Simmern, die Fürstentümer Lautern und Veldenz, das Marquisat Bergopzoom, die Herrschaft Ravenstein sowie die übrigen in Belgien und im Elsass gelegenen wittelsbachischen Besitzungen verloren; von der Kurpfalz verblieben nur noch die rechtsrheinischen Gebietsanteile mit Mannheim (Baden-Württemberg) und Heidelberg (Baden-Württemberg).

Habsburg hatte bereits im Frieden von Campo Formio 1797 auf seine linksrheinischen Gebiete Verzicht leisten müssen; die Entwicklung war für die Reichsfürsten somit längst absehbar. Dementsprechend hatten diese auch bereits Strategien entwickelt, wie sie für diese Gebietsverluste entschädigt werden könnten. Spätestens seit dem Frieden von Lunéville standen daher Säkularisationen und Mediatisierungen im Raum – die Enteignung kleinerer, insbesondere geistlicher Reichsstände und die staatsrechtliche Einverleibung von deren Territorien in die großen Reichsfürstentümer. Die jahrhundertealte Rechtsordnung des Alten Reiches, die jedem Reichsstand sein Existenzrecht garantiert hatte, brach somit unter den von Napoleon Bonaparte (1769-1821, franz. 1. Konsul 1799-1804, franz. Kaiser 1804-1814) verursachten realpolitischen Veränderungen des Machtgefüges zusammen.

Die Verhandlungen über eine Entschädigung der großen Reichsstände fanden im Rahmen einer Reichsdeputation statt, deren Ergebnis im Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 niedergelegt wurde. Bayern erhielt den Zugriff auf umliegende geistliche Reichsstände sowie benachbarte Reichsstädte.

Da sich die bayerischen Interessensgebiete mit den österreichischen überschnitten, wogegen Preußen zugunsten von Territorialgewinnen im Norden und Westen des Reiches auf eine Expansion nach Süddeutschland verzichtete, blieb die Stoßrichtung der bayerischen Erwerbungen zunächst nach Westen über den Lech ins Schwäbische sowie nach Norden und Nordwesten ins Fränkische begrenzt; eine Expansion nach Süden und Osten in Richtung des österreichischen Nachbarn war nicht möglich. Lediglich unmittelbar an das Kurfürstentum Bayern grenzende oder ohnehin als Enklaven umschlossene Gebiete wie das Hochstift Passau oder das salzburgische Mühldorf konnten in dieser Richtung von Bayern erworben werden.

Im Einzelnen gelangten durch den Reichsdeputationshauptschluss folgende Territorien an Bayern: Die Hochstifte Augsburg, Bamberg und Freising in ihrer Gesamtheit, das Hochstift Würzburg mit einigen Ausnahmen, dazu einzelne Ämter des Hochstifts Eichstätt, das Hochstift Passau links des Inns bzw. der Ilz mit der ehemals passauischen Grafschaft Neuburg (links des Inns) und der Stadt Passau sowie die bisher zum Erzstift Salzburg gehörige Stadt Mühldorf. Hinzu kamen die Territorien der Fürstpropstei Kempten und der zwölf Reichsabteien Waldsassen, Ebrach, Irsee, Wengen, Söflingen, Elchingen, Ursberg, Roggenburg, Wettenhausen, Ottobeuren, Kaisheim und St. Ulrich und Afra in Augsburg, ferner die Gebiete der 15 Reichsstädte Rothenburg ob der Tauber, Weißenburg, Windsheim, Schweinfurt, Kempten, Kaufbeuren, Memmingen, Dinkelsbühl, Nördlingen, Ulm, Bopfingen, Buchhorn, Wangen, Leutkirch und Ravensburg, die beiden Reichsdörfer Gochsheim und Sennfeld sowie das Landgericht der Freien Leute auf der Leutkircher Heide (von der bisherigen Landvogtei in Schwaben). Im Gegenzug musste Bayern die noch verbliebenen rechtsrheinischen Teile der Kurpfalz um Mannheim und Heidelberg an Baden abtreten.

Ebenfalls 1803 wurde zur Vereinfachung der Verwaltung in den herrschaftsmäßig teils äußerst zersplitterten fränkischen Hochstifts- und Reichsstadtterritorien verschiedene Tauschverträge, insbesondere der sogenannte Hauptlandesvergleich vom 30. Juni 1803 mit Preußen, abgeschlossen. Im Tausch für bisher eingestreute preußische Besitzungen in den ehemaligen Hochstiften Bamberg, Würzburg und einigen reichsstädtischen Gebieten wurden verschiedene bayerisch gewordene Anteile des ehemaligen Würzburger, Bamberger und Eichstätter Hochstiftsgebiets sowie die Territorien der drei Reichsstädte Weißenburg, Windsheim und Dinkelsbühl an Preußen abgegeben. Damit war von dem wittelsbachisch beherrschten Territorialkomplex am Mittel- und Niederrhein zum Ende des Alten Reiches nur mehr das Herzogtum Berg verblieben. Der Schwerpunkt lag nun ganz auf dem Stammland, das sich Ende 1803 nach Westen und Norden erweitert und durch die Beseitigung verschiedener Enklaven bereits territorial konsolidiert präsentierte.

Bayern auf Seiten Frankreichs (1805-1812)

Durch den Wechsel Bayerns auf die Seite Frankreichs 1805 ergaben sich weitere Expansionsmöglichkeiten – diesmal sogar in Richtung Süden und Südosten, also in den Einflussbereich des weiterhin im Lager der Gegner Frankreichs stehenden Österreichs. Die erste Territorialveränderung nach dem Bündniswechsel hatte jedoch damit noch nichts zu tun: Durch einen Vertrag zwischen Bayern und den Grafen von Ortenburg wurde deren kleines reichsunmittelbares Gebiet in Niederbayern westlich von Passau gegen ein Territorium an der Grenze zum Herzogtum Sachsen-Coburg um Tambach (spätere Grafschaft Ortenburg-Tambach) und Seßlach eingetauscht und damit eine weitere Enklave im altbayerischen Stammland beseitigt.

Der nach dem dritten Koalitionskrieg geschlossene Friede von Preßburg (heute: Bratislava, Slowakei) vom 26. Dezember 1805, dessen Bayern betreffende Regelungen auf dem Vertrag von Brünn (heute: Brno, Tschechien) vom 10. Dezember 1805 und dem geheimen Zusatzvertrag von Schönbrunn (Österreich) vom 16. Dezember 1805 basierten, gestand Bayern folgende Gebietsgewinne zu: Die Reste der bislang nur teilweise an Bayern gelangten Hochstifte Eichstätt und Passau, die Markgrafschaft Burgau, die Grafschaft Tirol mit den Hochstiften Brixen und Trient, die sieben Herrschaften in Vorarlberg, die im bretzenheimischen Fürstentum Lindau mit dem ehemals gefürsteten Damenstift Lindau vereinigte ehemalige Reichsstadt Lindau, die Reichsstadt Augsburg, die Grafschaften Hohenems, Königsegg-Rothenfels, Tettnang und Argen sowie Bregenz und Wasserburg. Im Gegenzug musste Bayern das Fürstentum Würzburg an den Erzherzog von Toskana abtreten. Damit expandierte Bayern erstmals in Richtung Süden und Südwesten, während die nordwestliche Expansion rückgängig gemacht wurde.

Allerdings konnte Bayern als französischer Bündnispartner weiterhin auf territoriale Gewinne hoffen. In einem Tauschvertrag mit Frankreich profitierte Bayern von dem Versuch Preußens, sich an Frankreich anzunähern, dem es das preußische Fürstentum Brandenburg-Ansbach zur Verfügung stellte. Im Gegenzug zur Abtretung des Herzogtums Berg an Frankreich erhielt Bayern im Rahmen eines Ringtausches nun das bislang preußische Fürstentum Ansbach, womit der Lückenschluss zwischen den schwäbischen und den oberfränkischen Neuerwerbungen angestoßen wurde. Mit Ansbach gelangten im Übrigen auch die beim Hauptlandesvergleich mit Preußen eingetauschten ehemaligen Reichsstädte Dinkelsbühl und Weißenburg endgültig an Bayern. Mit der im Gegenzug erfolgten Abtretung des Herzogtums Berg rund um die Hauptstadt Düsseldorf dagegen gab Bayern sein letztes Territorium am Rhein endgültig auf.

Die Expansion Bayerns, seit 1806 Königreich, war im Kielwasser der militärischen Erfolge Napoleons erst richtig in Fahrt gekommen. Als sich 1806 unter französischem Protektorat eine größere Zahl süddeutscher Reichsfürsten zum Rheinbund zusammenschloss und in ihren Territorien die Mediatisierung der kleineren Reichsfürsten und Reichsgrafen, der Reichsritterschaften und der letzten Reichsstädte vereinbarte, war auch das Königreich Bayern beteiligt.

Die Rheinische Bundesakte vom 12. Juli 1806, die das Ende des Alten Reiches besiegelte, brachte Bayern folgende Territorialzuwächse: Die Reichsstadt Nürnberg, die Fürstentümer Fugger-Babenhausen, Hohenlohe-Kirchberg, Hohenlohe-Schillingsfürst, Oettingen-Spielberg, Oettingen-Wallerstein, Schwarzenberg sowie Thurn und Taxis, die beiden gefürsteten Grafschaften Edelstetten (die frühere Abtei gelangte 1803 als Grafschaft an den Fürsten Ligne) und Störnstein, die Grafschaften Castell, Fugger, Pappenheim, Rechberg und Thannhausen, ferner die Herrschaften Buxheim (die frühere Karthause gelangte 1803 als Herrschaft an den Grafen Ostein), Pleß, Speckfeld und Wiesentheid sowie die Burggrafschaft Winterrieden (1803 aus einem Gebiet der Abtei Ochsenhausen als Burggrafschaft an den Grafen von Sinzendorf), schließlich die Deutschordenskommenden Rohr und Waldstetten und die reichsritterschaftlichen Besitzungen in Franken und Schwaben. Als einzige Gegenleistung trat Bayern die Herrschaft Wiesensteig an Württemberg ab. Damit waren praktisch ganz Schwaben, Mittelfranken und Oberfranken (mit Ausnahme des Fürstentums Brandenburg-Bayreuth) bayerisch geworden. Ein 1807 zwischen Bayern und Würzburg geschlossener Aufteilungsvertrag diente nur der eindeutigen Abgrenzung verschiedener ehemaliger Reichsritterbesitzungen.

Nachdem sich Österreich 1809 vergeblich gegen Napoleon erhoben und schließlich in der Schlacht von Wagram unterlegen war, fielen im Frieden von Schönbrunn im Oktober 1809 große Gebietsteile Österreichs (u. a. Salzburg, Tirol, Illyrien, West-Galizien) an Frankreich, das diese in der Folge an seine Verbündeten, darunter auch an Bayern, übertragen sollte. Zudem wurde die Säkularisation der letzten geistlichen Herrschaft beschlossen, was Bayern die noch übrigen Besitzungen des Deutschen Ordens innerhalb seines Territoriums einbrachte, insbesondere die Ordenskomtureien Oettingen, Donauwörth, Ellingen, Virnsberg und Nürnberg, dann einige Besitzungen des Meistertums Mergentheim sowie die Ordenskomtureien Blumenthal und Gangkofen.

In den Pariser Verträgen zwischen Frankreich u. a. mit Württemberg, Würzburg und Bayern im Jahr 1810 gelang Bayern mit dem Gewinn der bisher habsburgischen Fürstentümer Salzburg und Berchtesgaden und der Abtretung des Inn- und Hausruckviertels vom Erzherzogtum Österreich endlich die ersehnte Ausdehnung nach Südosten; mit dem erst 1779 im Frieden von Teschen (Polen, heute: Cieszyn) an Österreich abgetretenen Innviertel erhielt es zudem altbayerisches Stammland zurück. Auch die übrigen Gewinne – das Fürstentum Brandenburg-Bayreuth mit der ehemaligen Reichsstadt Windsheim und der Exklave Kaulsdorf, das bis dahin dalbergische Fürstentum Regensburg (gebildet aus den fünf ehemaligen Reichsständen der Reichsstadt und des Hochstifts Regensburg sowie der ehemaligen Reichsstifte St. Emmeram, Obermünster und Niedermünster) und schließlich die Ämter Seßlach und Schlüsselfeld – stellten einen hochbedeutenden Zugewinn dar, schlossen sie doch die letzten verbliebenen territorialen Lücken in Franken (Bayreuth) und in Altbayern (Regensburg). Allerdings musste sich Bayern im Gegenzug an einer großen Gebietsbereinigung zwischen den südwestdeutschen Staaten beteiligen.

Nur gegen erhebliche Widerstände trat das Königreich Bayern Teile von Franken und Schwaben ab, darunter Ulm und Schweinfurt, aber auch Tettnang (Baden-Württemberg), Wangen (Baden-Württemberg), Ravensburg (Baden-Württemberg), Leutkirch (Baden-Württemberg), Söflingen (Baden-Württemberg), Geislingen (Baden-Württemberg), Albeck (Baden-Württemberg), Crailsheim (Baden-Württemberg), Bopfingen (Baden-Württemberg), Gerabronn (Baden-Württemberg), Marktbreit (Lkr. Kitzingen) und andere kleine Besitzungen. Insbesondere die von Napoleon verfügte Herausgabe der südlichen Teile Tirols inklusive Brixens und Trients, die an das Königreich Italien abgetreten werden mussten, traf Bayern hart. Die von Frankreich gezeigte Härte bei der Abtretungsforderung an Bayern – erstmals wurden nun mit der Grafschaft Oettingen im Ries, mit dem Gebiet der Reichsstadt Ulm (Baden-Württemberg) und insbesondere mit der Abtrennung Südtirols auch alte Territorialeinheiten geteilt – erklärt sich auch durch die im Jahr 1805 praktizierte bayerische Unnachgiebigkeit bei der Herausgabe des Fürstentums Würzburg, als an den Grenzsäumen so viel als möglich zurückbehalten worden war.

Dennoch hatte es Bayern als Verbündeter Napoleons geschafft, ein großer Flächenstaat zu werden, dessen Territorium nicht nur eine starke Erweiterung erfuhr, sondern auch Geschlossenheit erreichen konnte: Rund um das altbayerische und oberpfälzische Stammland wies das Königreich Erweiterungen nach Ober- und Mittelfranken, nach Schwaben und Vorarlberg bis Tirol und Salzburg auf. Lediglich nach Osten in Richtung des habsburgischen Böhmens war der ursprüngliche Grenzverlauf unverändert geblieben.

Neuerlicher Bündniswechsel (1813-1819)

Das Königreich Bayern nach dem Wiener Kongress und dessen Folgeverträgen. (aus: Max Spindler [Hg.], Bayerischer Geschichtsatlas, München 1969, 36)

Nach der Niederlage Frankreichs im Winterfeldzug 1813 gegen Russland, an dem sich das Königreich Bayern mit 30.000 Soldaten hatte beteiligen müssen, schwenkte König Maximilian I. Joseph ins Lager der europäischen Verbündeten um - gerade noch so rechtzeitig, dass sich Bayern bei der endgültigen Niederlage Napoleons wiederum auf Seiten der Sieger wiederfand. Österreich hatte dem Königreich Bayern zur Erleichterung des Bündniswechsels im Vertrag von Ried (Österreich) vom 8. Oktober 1813 den Besitzstand garantiert. Die Neuordnung Europas in den Jahren 1814/15 und die auf dem Wiener Kongress bzw. in den Folgeverträgen geschlossenen Vereinbarungen mit den Nachbarstaaten sollten die bisherigen Gebietsgewinne Bayerns endgültig regeln und damit zu einer vorläufig abschließenden Gestaltung Bayerns als Teil des Deutschen Bundes führen.

Gemäß dem neuen Kräfteverhältnis konnte Bayern die südlichen Gebietsgewinne, die in der habsburgischen Interessenzone lagen, nicht dauerhaft behalten. Als einzige Alternative bestand einmal mehr die Erweiterung nach Nordwesten: Bereits in der Pariser Konvention vom 3. Juni 1814 mit Österreich erklärte sich Bayern bereit, im Gegenzug für die nun endgültige Übertragung des Großherzogtums Würzburg sowie des Fürstentums Aschaffenburg die verbliebenen Teile Tirols (ohne das Amt Vils bei Füssen) und Vorarlberg (ohne Weiler) an Österreich abzutreten.

Eines der wichtigsten Verhandlungsziele Bayerns war die Wiedergewinnung der Pfalz – jenes Territoriums, das seit dem frühen 13. Jahrhundert unter wittelsbachischer Herrschaft gestanden und sich damit über viele Jahrhunderte zumindest in einer dynastischen Verbindung mit den bayerischen Stammlanden befunden hatte. Das auf dem Wiener Kongress geschaffene und dem Königreich Bayern zugesprochene territoriale Gebilde "Pfalz", das auch als "Rheinkreis" bzw. "Bayern links des Rheins" bezeichnet wurde, hatte jedoch mit den historischen Herrschaftsstrukturen der alten Kurpfalz nur wenig gemein. Zusammengesetzt aus 43 ehemaligen Territorien, von denen etwa ein Flächenanteil von 60 % den beiden wittelsbachischen Linien der Kurfürsten von der Pfalz und der Herzöge von Zweibrücken unterstanden hatte, blieben die kurpfälzischen Stammlande rechts des Rheins um Mannheim und Heidelberg ausgenommen. Den neuen Zentralort bildete die ehemalige Reichs- und Bischofsstadt Speyer.

Die bayerischen Pläne zielten jedoch nicht nur auf eine Wiedergewinnung der Pfalz, sondern eigentlich sogar auf eine Landverbindung zwischen der rechts- und der linksrheinischen Landmasse und damit auf einen großen Querriegel um Main und Neckar, der westlich an Mittel- und Unterfranken anschließen und letztlich bis ans rechte Rheinufer reichen sollte. Zwar konnte Bayern beim Wiener Kongress von Österreich die Zusage weiterer Gebietsteile sowie die Unterstützung bei den entsprechenden Austauschverhandlungen mit den betroffenen Staaten erlangen; die konkrete Umsetzung der Pläne wurde jedoch verzögert und schließlich zu keinem Abschluss mehr gebracht. Hingegen verlor Bayern im Münchner Vertrag vom 14. April 1816 das ehemalige Erzstift Salzburg (ohne Mühldorf, Laufen und die Orte südlich bzw. östlich von Salzach und Saalach) sowie endgültig das Innviertel und das Hausruckviertel an Österreich.

Im Gegenzug erhielt Bayern nur das kleine, ehemals im Südosten der Markgrafschaft Brandenburg-Bayreuth gelegene habsburgische Amt Redwitz. Allerdings erhielt Bayern mit habsburgischer Unterstützung auf der vertraglichen Grundlage des Territorialrezesses vom 7. Juli 1816 und des Ausgleichvertrages vom 29. Januar 1817 mit dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt sowie des Frankfurter Generalrezesses vom 20. Juli 1819 neben der linksrheinischen Pfalz noch die ehemals fuldischen Ämter Hammelburg und Brückenau, die hessisch-darmstädtischen Ämter Alzenau, Miltenberg und Amorbach sowie Wertheim und Steinfeld vom Großherzogtum Baden. Diese Gebietszuwächse im äußersten Nordwesten des Königreichs dienten jedoch mehr dem Lückenschluss bzw. der Gebietsabrundung zwischen den neugewonnenen Großterritorien Würzburg und Aschaffenburg und stellten noch keinen echten Schritt hin zu einer Landverbindung Richtung Rhein dar.

Nachdem Bayern auf Druck der Großmächte mit Österreich 1816 den Münchner Vertrag geschlossen und damit der Herausgabe der bislang noch bei Bayern verbliebenen Interessensgebiete der Habsburger zugestimmt hatte, verblieb lediglich die vage Hoffnung auf einen Erbfall in Baden, im Zuge dessen die Habsburger das badische Neckar- und Taubergebiet an Bayern versprochen hatten. Da der Erbfall jedoch nicht eintrat, konnte der Erweiterungsplan nie mehr in die Tat umgesetzt werden. Als finanzielle Entschädigung zahlte Österreich daher bis 1918 eine jährliche sogenannte Kontiguitätsabgabe an das Königreich Bayern.

Dagegen kam mit dem Wiener Kongress und seinen Folgeverträgen die Phase der dauernden Gebietsveränderungen endgültig zum Abschluss. Bayern hatte weitgehend seine endgültige Form gefunden. Die im Südosten bereits 1779 vorübergehend etablierte natürliche Außengrenze Bayerns zu Österreich entlang des Inns wurde nun endgültig. Der Inn bildet damit zusammen mit der Donau (zwischen Obernzell und Passau), der Salzach (oberhalb Braunaus bis etwa Freilassing) und der Saalach (zwischen Freilassing bis nahe an Bad Reichenhall) die längste Flussgrenze Bayerns – deutlich länger als die ebenfalls als Außengrenzen fungierenden Flussabschnitte der Iller (etwa ab Höhe Memmingen bis zur Donaumündung bei Ulm), des Mains (bei Stadtprozelten und Kreuzwertheim bzw. bei Kahl), der Ranna (bei Wegscheid), der Sächsischen Saale (nordöstlich von Lichtenberg) oder des Inns (bei Kiefersfelden und Oberaudorf).

Weitere Gebietsveränderungen nach 1820-1918

Nach der territorialen Stabilisierung der deutschen Staaten im Zuge des Wiener Kongresses und seiner Folgevereinbarungen folgte auch für das Königreich Bayern eine Phase der Stagnation, die nur durch die Korrektur bzw. endgültige vertragliche Regelung von bislang ungeklärten oder unklaren Grenzverläufen und Zuständigkeiten gekennzeichnet war. So wurde 1825 in einem Grenzvertrag zwischen Bayern und Frankreich die gemeinsame Grenze in der Pfalz bereinigt.

Eine ähnliche Grenzbereinigung fand 1846 mit Österreich für den sogenannten Fraischbezirk südöstlich von Waldsassen (Lkr. Tirschenreuth) an der bayerisch-böhmischen Grenze statt. Schließlich wurden in einem Staatsvertrag mit dem Kurfürstentum Hessen-Kassel vom 18. Oktober 1860 die bayerischen Kondominatsanteile an Züntersbach gegen die bisher hessischen Kondominatsanteile in Mittelsinn und Obersinn eingetauscht. Einen Gebietsverlust erlitt Bayern im Deutschen Krieg 1866, als es im Berliner Friedensvertrag mit dem Königreich Preußen vom 22. August 1866 das bis dahin unterfränkische Gericht Orb und das Bezirksamt Gersfeld sowie die im thüringischen Gebiet gelegene, zu Oberfranken zählende Exklave Kaulsdorf (Thüringen) an Preußen abgeben musste. Mit diesem territorialen Zuschnitt wurde das Königreich Bayern 1871 Teil des Deutschen Reiches.

Ende Erster Weltkrieg bis Ende Zweiter Weltkrieg

Physische Karte Bayerns 1920 (aus: Freistaat Bayern. Gratisbeilage zu Diercke, Schulatlas für höhere Lehranstalten, Braunschweig 1920). (Bayerische Staatsbibliothek, Mapp. XI,20 b)

Die Revolution vom November 1918 besiegelte auch in Bayern das Ende der Monarchie. Im Versailler Vertrag musste das Deutsche Reich als Verlierer des Ersten Weltkriegs neben Reparationsleistungen auch große Gebietsverluste hinnehmen, von denen auch Bayern betroffen war: In seinen linksrheinischen Gebieten trat es die sogenannte Saarpfalz – den westlichsten Anteil der Pfalz um die Städte St. Ingbert (Saarland), Homburg (Saarland) und Blieskastel (Saarland) – an das unter Völkerbundsverwaltung stehende Saargebiet ab; die übrige Pfalz sollte für fünfzehn Jahre von alliierten Truppen besetzt werden. Damit setzte mit der Umsetzung des Versailler Vertrages die schleichende Abtrennung des achten bayerischen Regierungsbezirks vom rechtsrheinischen Bayern ein.

Als entfernte Folge der Revolution erfuhr der Freistaat Bayern im Jahr 1920 einen unerwarteten Gebietszuwachs in Oberfranken. Das Herzogtum Sachsen-Coburg (bis dahin in Personalunion mit Sachsen-Gotha verbunden, aber rechtlich eigenständig) hatte sich 1918 im Rahmen der Revolution zum Freistaat erklärt. Die Weimarer Reichsverfassung befähigte die thüringischen Kleinfürstentümer zur eigenständigen territorialen Neugliederung; in Volksabstimmungen schlossen sich diese zu einem gemeinsamen Staat zusammen. Lediglich der Freistaat Coburg votierte Ende November 1919 mit großer Mehrheit u. a. aus wirtschaftlichen Gründen für den Anschluss an Bayern. Dieser wurde durch Staatsvertrag mit Stichtag 1. Juli 1920 vollzogen.

Nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurden die bis dahin zu Vorarlberg gehörige Gemeinde Mittelberg und damit das Kleinwalsertal, dessen Verkehrsanbindung ausschließlich über bayerisches Staatsgebiet erfolgt, sowie die bis dahin zu Tirol gehörige Gemeinde Jungholz an den bayerischen Landkreis Sonthofen angegliedert. Mit der deutschen Kapitulation am 8./9. Mai 1945 bzw. der Proklamation Nr. 2 der US-Militärregierung vom 19. September 1945 wurden die beiden Gemeinden wieder an die österreichischen Bundesländer zurückgegliedert.

Als Folge des Münchner Abkommens von 1938 verleibte sich das Deutsche Reich Teile des im Böhmerwald gelegenen sogenannten Sudetenlandes ein, die an den damaligen Regierungsbezirk Niederbayern-Oberpfalz grenzten. Formal erfolgte die Angliederung der drei Landkreise Bergreichenstein, Markt Eisenstein und Prachatitz durch Gesetz vom 25. März 1939. Die Maßnahme, die ohne Beteiligung des gleichgeschalteten Bayerns auf Reichsebene erfolgt war, wurde formal mit der deutschen Kapitulation 1945 gegenstandslos.

Gebietsveränderungen seit 1945

Bestimmung des bayerischen Staatsgebiets in der Nachkriegszeit in der "Proklamation Nr. 2, An das Deutsche Volk in der Amerikanischen Zone!" (Hauptstaatsarchiv Stuttgart J 151 Nr 2647)


Die sogenannten Sudetengebiete im Böhmerwald stellten wiederum den ersten Gebietsverlust Bayerns dar, der mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eintreten sollte. Auch die im NS-Reich faktisch bereits von Bayern getrennte Pfalz wurde nun durch die Aufteilung Deutschlands in verschiedene Besatzungszonen auch juristisch vollzogen. Auch die vorübergehende Abtrennung von Stadt und Landkreis Lindau an die französische Besatzungszone und damit auch die staatsrechtliche Trennung dieses kleinen Gebietes hing mit dieser Entwicklung zusammen.

Dagegen verhalf die amerikanische Besatzungsmacht, in deren Zone sich das übrige bayerische Staatsgebiet geschlossen wiederfand, dem Freistaat zum einzigen echten Gebietszuwachs seit dem Anfall Coburgs: durch Verwaltungsanordnung wurde die bisherige Exklave Ostheim vor der Rhön, die bis dahin zu Thüringen gehört hatte und vollständig von bayerischem Staatsgebiet umschlossen war, in den Freistaat eingegliedert. 1955 schließlich erfolgte infolge der Aufhebung des Besatzungsstatutes die Wiedereingliederung des Landkreises und der Stadt Lindau nach Bayern. Damit war die bisherige territoriale Ausgestaltung zumindest für das früher als Bayern rechts des Rheins bezeichnete bayerische Stammland wiederhergestellt worden.

Der von allen bayerischen Nachkriegsregierungen aufrechterhaltene Anspruch auf die Wiedergewinnung der Pfalz, der mit großem Aufwand betrieben wurde, fand seinen Höhepunkt in einem Anfang 1956 durchgeführten Volksbegehren zur Wiedergewinnung der Pfalz, das allerdings bereits an den Hürden zur Durchführung eines Volksentscheides scheiterte. Bis auf einige durch Grundstückstauschaktionen und Grenzregulierungen mit den benachbarten Staaten und Ländern durchgeführte unwesentliche, da unbewohntes Gebiet betreffende Modifikationen hat der Freistaat Bayern seit der Wiedergewinnung Lindaus seine äußere Form, die er vor allem den Gebietsgewinnen der beiden ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts verdankt, unverändert beibehalten.

Literatur

  • Max Spindler/Gertrud Diepolder, Bayerischer Geschichtsatlas, München 1969.
  • Max Spindler (Begr.)/Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 4. Band: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart, München 2003.
  • Wilhelm Volkert, Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte, 1799-1980, München 1983.

Quellen

Weiterführende Recherchen

Grenzziehung, Landesgrenzen, Staatsgrenze, Gebietsstand, Grenzen

Weiterführende Artikel

Empfohlene Zitierweise

Thomas Paringer, Staatsgebiet (19./20. Jahrhundert), publiziert am 25.07.2016; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Staatsgebiet_(19./20._Jahrhundert)> (7.10.2024)