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Reparationen (Weimarer Republik)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Plakat einer Ausstellung der Kulturliga 1922. (aus: Walther Croll, Deutschland und der Friedensvertrag in Wort, Bild und Zahl, Berlin 1922, Tafel XV)
Gläubiger-Versammlung, Karikatur von Erich Schilling (1885-1945). (aus: Simplicissimus 36 Nr. 46 vom 16.2.1932, 543)
Versailler Friede - Deutscher Bürgerkrieg, Karikatur von Erich Schilling (1885-1945). (aus: Simplicissimus 27 Nr. 18 vom 2.8.1922, 265)

von Helmut Braun

Als Wiedergutmachung für die im Krieg entstandenen Schäden forderten die Siegermächte des Ersten Weltkriegs schon beim Waffenstillstand vom 11. November 1918 Reparationsleistungen des Deutschen Reichs. Der Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 schrieb diese Ansprüche fest, deren Höhe bis 1921 präzisiert werden sollte. Dies misslang, und die Reparationsfrage wurde Anlass wachsender außenpolitischer Spannungen, die in der französisch-belgischen Ruhrbesetzung 1923 mit ihren verheerenden innenpolitischen Folgen ("Ruhrkampf", Hyperinflation etc.) gipfelten. Ab 1924 gelang schrittweise die Lösung auf dem Konferenzweg, zunächst mit dem Dawes-Plan (1924), dann mit dem Young-Plan (25. April 1929). Da wegen der kurz danach einsetzenden Weltwirtschaftskrise auch der Young-Plan undurchführbar war, einigte sich die Konferenz von Lausanne (9. Juli 1932) auf ein Ende der deutschen Zahlungsverpflichtungen.

Allgemeiner Ausgangspunkt

Die Auferlegung von Reparationsverpflichtungen durch die Siegermacht bzw. Siegermächte an die in einem Krieg unterlegene Seite hat lange Tradition. Spektakulär waren die vom neu gegründeten Deutschen Reich nach dem Krieg von 1870/71 dem damals unterlegenen Frankreich auferlegten Zahlungsverpflichtungen. Dass das Deutsche Reich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges an die alliierten Siegermächte, zu denen auch Frankreich gehörte, nun Reparationen zu leisten hatte, war somit im Grunde klar. Streitpunkt konnte nur die Höhe, die Art und die Verteilung der Leistungen sein.

Grundlage der Reparationsforderungen

Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson (1856-1924) forderte in seinem "14-Punkte-Programm" am 8. Januar 1918, also schon deutlich vor Kriegsende, die Räumung der von den deutschen Truppen besetzten Gebiete sowie deren Wiederherstellung. Am 5. November 1918 erfolgte dann eine Präzisierung des Begriffs Wiederherstellung dahingehend, dass ein Ersatz für die von Deutschland im Krieg verursachten Schäden an der Zivilbevölkerung der Alliierten und an ihrem Eigentum verlangt werden würde. Diese Interpretation erlaubte den Alliierten nunmehr eine Berechnung der Reparationshöhe in beliebiger Höhe, ohne auf die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft oder auf die Rückwirkungen auf die Weltwirtschaft Rücksicht zu nehmen. Der Schadenersatzanspruch wurde so zu einem machtpolitischen Mittel gegenüber dem besiegten Deutschen Reich, dem die Hauptschuld für den Krieg gegeben wurde.

Der Waffenstillstand und die ersten Reparationsforderungen

Gemäß dem Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918 mussten Sachgüter wie Kohle und Betriebsmaterial in den von Deutschland zu räumenden Gebieten verbleiben; daneben waren 5.000 Lastkraftwagen, 5.000 gebrauchsfertige Lokomotiven und 150.000 Eisenbahnwaggons sofort abzugeben. Russisches und rumänisches Gold sowie belgische Wertpapiere mussten sofort zurückerstattet werden und in Deutschland durften keinerlei öffentliche Werte beseitigt werden, welche später als Reparationsleistungen dienen konnten.

Der Friedensvertrag von Versailles (28. Juli 1919) enthielt in seinem VIII. Abschnitt Bestimmungen über die Wiedergutmachung. Zur Begründung der Reparationen musste Deutschland mit Artikel 231 anerkennen, dass es zusammen mit seinen Verbündeten als Urheber des Krieges für alle Verluste und Schäden der Alliierten verantwortlich sei. Dies rief besonders heftige und lang haltende Reaktionen in der deutschen Öffentlichkeit hervor ("Kriegsschuldlüge"). Artikel 233 legte fest, dass bis zum 1. Mai 1921 ein Wiedergutmachungsausschuss den Gesamtreparationsbetrag sowie die Bezahlungsmodalitäten für eine so genannte Reparationsperiode von 30 Jahren festlegen sollte. Bis dahin hatte Deutschland bereits Devisen und Sachwerte in Höhe von 20 Mrd. Goldmark zu entrichten. Daneben mussten alle sich im Bau befindlichen sowie die vorhandenen Luftschiffe abgeliefert werden, ebenso die Handelsflotte.

Die Reparationsgläubiger und ihre Interessen

Anfang Juli 1920 einigten sich die Alliierten über die Aufteilung der deutschen Reparationsleistungen: Frankreich sollte 52, Britannien 22, Italien 10, Belgien 8 und Serbien 5 % erhalten, Rumänien, Portugal und Japan den Rest.

Obgleich damit ein wesentlicher Streitpunkt innerhalb der alliierten Siegermächte scheinbar geklärt war, gab es heftige Differenzen über die Höhe der Zahlungen. Dem deutschen Angebot von 100 Mrd. Goldmark standen weit höhere Forderungen der Alliierten gegenüber (Juli 1921: 269 Mrd. Goldmark, zahlbar in 42 Annuitäten).

Die Höhe des Reparationsbetrages war auch unter den Alliierten und Sachverständigen äußerst umstritten: Die "Falken" auf französischer Seite verfolgten mit der Reparationspolitik nicht nur eine Kompensation der umfassenden Kriegsschäden, sondern insbesondere eine Beseitigung jeglicher zukünftiger Bedrohungen Frankreichs durch Deutschland. Ziel der englischen Politik war dagegen eher eine Befriedung und Stabilisierung auf dem europäischen Kontinent.

Am Beispiel der Behandlung der deutschen Zeppeline wird zudem deutlich, dass im Rahmen der Reparationsleistungen auch ein Technologietransfer zu den Siegermächten stattfand.

Die Zeit der verhärteten Fronten: 1920-1923

Auf diversen internationalen Konferenzen, an denen, soweit sie nicht den Kreis der Alliierten allein betrafen, ab Juli 1920 auch Deutschland wieder teilnehmen durfte, gab es verschiedene Vorschläge über die Höhe und Art der Befriedigung der Reparationsansprüche. Deutschland versuchte demgegenüber mit der "Erfüllungspolitik" zu zeigen, dass es zwar gewillt sei, den Reparationsansprüchen nachzukommen, diese aber überzogen und nicht realisierbar seien.

Frankreich als Hauptreparationsgläubiger setzte aber zusehends auf massive Machtdemonstration, die 1923 in die von den angelsächsischen Alliierten abgelehnte französische Besetzung des Ruhrgebietes mündete. Als Grund für diese Sanktion gab Frankreich deutsche Verfehlungen bei den Reparationsleistungen durch unvollständige Holz- und Kohleablieferungen an. Durch den von der Reichsregierung ausgerufenen passiven Widerstand gegen die Ruhrbesetzung und dessen Finanzierung durch die Notenpresse mit der Folge einer Hyperinflation in Deutschland stellte sich die auf Drohungen und Sanktionen aufgebaute französische Reparationspolitik bald als Irrweg heraus.

Der Dawes-Plan als kooperativer Ansatz zur Lösung der Reparationsfrage

Unter dem Vorsitz des amerikanischen Bankiers Charles G. Dawes (1856-1951) begann nun ab Januar 1924 eine von alliierter und deutscher Seite gemeinsam auf dem Konferenzwege getragene, durch die Delegation auf Sachverständige entpolitisierte Suche nach einer tragfähigen Lösung der Reparationsfrage. Der Dawes-Plan sollte der Wandlung der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ebenso Rechnung tragen wie dem Ausgleich des deutschen Staatshaushaltes und der Stabilität der neuen deutschen Reichsmark-Währung.

Vorgesehen war für das Jahr 1924/25 eine Reparationszahlung in Höhe von einer Mrd. Reichsmark, bis 1928/29 sollte der Betrag auf 2,5 Mrd. Reichsmark anwachsen. Finanziert wurden die Beträge aus dem Reichshaushalt und handelbare Obligationen; hinzu kam eine insbesondere von den USA gezeichnete Anleihe in Höhe von 800 Millionen Reichsmark. Zur Überwachung der Stabilität der neuen Mark saßen im Reichsbankdirektorium ausländische Vertreter. Anstelle der vorherigen Alliierten Reparationskommission versuchte ein neu errichtetes Transfer-Komitee die Probleme bei der Übertragung der Reparationsleistungen zu beseitigen. Die deutschen Handelsbilanzüberschüsse, die notwendig gewesen wären, um die Reparationen nicht auf Kosten der Substanz zu finanzieren, blieben aber aus. Damit blieb das Transferproblem faktisch bestehen und konnte von deutscher Seite nur durch die massive Verschuldung im Ausland verdeckt werden. Aufgrund des hohen deutschen Zinsniveaus legten insbesondere amerikanische Gläubiger gerne ihr Geld in Deutschland an, jedoch auf der Grundlage kurzfristiger Kreditengagements. Der zentrale Mangel des Dawes-Plan bestand aber darin, dass keine endgültige Gesamthöhe der Reparationszahlungen festgelegt wurde.

Der Young-Plan, die Weltwirtschaftskrise und das Lausanner Abkommen

Angesichts der Abhängigkeit von ausländischen Krediten zielte die ohnehin bereits von innenpolitischen Problemen belastete Reichsregierung auf eine Verringerung der jährlichen Reparationslasten ab. Zudem war eine endgültige Reparationsregelung auch im Interesse der Stabilität des internationalen Finanzwesens. Trotz heftiger Probleme innerhalb der Reparationsgläubiger über den interalliierten Schuldenausgleich mündete die Suche nach einer endgültigen Reparationslösung in den Young-Plan von 1929, den eine internationale Sachverständigengruppe unter dem amerikanischen Industriellen und Politiker Owen Young (1874-1962) ausgearbeitet hatte. Danach sollte Deutschland bis 1988 Reparationen leisten, bis 1966 jährlich rund 2 Mrd. Reichsmark, die letzten 22 Annuitäten waren zur Deckung interallierter Schulden vorgesehen. Sowohl das Transfer-Komitee des Dawes-Plans als auch die alliierten Kontrolleure in der Reichsbank und bei der Reichsbahn sollten entfallen.

Dieser am 12. Dezember 1930 vom Reichstag angenommene Plan stieß in der bereits polarisierten deutschen Innenpolitik auf teils massive Ablehnung, mit den Nationalsozialisten an der polemischen Spitze. Da die 2 Mrd. jährliche Reparationszahlungen in Devisen aufzubringen waren, musste letztlich ein Außenhandelsüberschuss erwirtschaftet werden – mit Auslandskrediten war dies auf Dauer nicht finanzierbar. Unmöglich wurde dies im Gefolge der sich in Deutschland nun bereits massiv auswirkenden Weltwirtschaftskrise, die mit dem Abzug der kurzfristig vergebenen US-amerikanischen Kredite schnell extrem verschärft wurde; die Folgen der Weltwirtschaftskrise waren jedoch bei der Annahme des hohe Lasten für Deutschland bedeutenden Young-Planes noch vollkommen unbekannt.

Der am 30. März 1930 ernannte Reichskanzler Heinrich Brüning (Zentrum, 1885-1970) konnte daher nur ein Ziel haben, dem andere wirtschaftspolitische Ziele und Maßnahmen zu dienen hatten: Eine Demonstration des deutschen "Wollens" der Erfüllung des Young-Plans, gepaart mit einem objektivierbaren "Nicht-Könnens" der Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen. Brünings Ziel bestand darin, damit eine endgültige Streichung der Reparationen aufgrund der Demonstration der Unmöglichkeit ihrer finanziellen Erbringung trotz extremer Opferbereitschaft zu erreichen. Da eine deutsche Devisenerwirtschaftung durch eine egoistische Abschottungs- und Abwertungspolitik der ebenso von der Weltwirtschaftskrise gebeutelten Alliierten blockiert wurden, blieb Brüning für eine glaubwürdige Demonstration der Zahlungsunfähigkeit Deutschlands daher nur eine extrem scharfe Deflationspolitik übrig.

Als mit der Lausanner Konferenz am 9. Juli 1932 gegen eine bescheidene Zahlung die Reparationsfrage ihr juristisches Ende gefunden hatte, war Brüning wegen seiner Demission am 31. Mai 1932 schon nicht mehr im Amt. Nun konnten sich seine Nachfolger, Reichskanzler Franz von Papen (1879-1969) und Kurt von Schleicher (1882-1934), den Erfolg Brünings in der Beseitigung der Reparationsfrage unberechtigterweise an ihre Fahnen heften. Die vereinbarte Restzahlung von drei Mrd. Reichsmark wurde von deutscher Seite nie geleistet.

Jedoch ist anzumerken, dass die vom Deutschen Reich zuerst zur Finanzierung des Dawes- und dann des Young-Planes aufgenommenen Anleihen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Rahmen des Londoner Auslandsschuldenabkommens im Jahr 1953 wieder ein Verhandlungsgegenstand waren. Diese Anleihen werden seither wieder bedient, wobei die Tilgung noch bis zum Jahre 2010 andauert.

Der Einfluss der Reparationsfrage auf die bayerische Politik und Wirtschaft

Obwohl die Reparationsfrage und deren Lösung ein originäres Problem des Deutschen Reiches darstellte, strahlten die Folgen auch auf die bayerische Politik und Wirtschaft aus. Die Verpflichtung der Waffenstillstandsvereinbarung, Lokomotiven und Eisenbahnwaggons abzuliefern, betraf neben der Reichsbahn auch die noch selbständige bayerische Staatsbahn. Die Ablieferung von Kohle und der Wegfall der Kohleförderung in den abzutretenden Gebieten sowie die verkehrstechnischen Probleme durch die Abgabe der Eisenbahnen hatten in Bayern, insbesondere in München, einen massiven Kohlemangel zur Folge. Durch diesen Rohstoffmangel sank die Produktion ebenso rapide wie infolgedessen die Arbeitslosigkeit anstieg.

Einen weiteren Einschnitt markierte mit Inkrafttreten des Versailler Vertrages die dortige Verpflichtung der Ablieferung sämtlicher Flugapparate und Flugmotoren. Dadurch wurden beispielsweise die Bayerische Flugzeugwerke AG (BFW) als bekannter Flugzeugmotorenhersteller gezwungen, ihre Produktpalette vollkommen umzugestalten. Ab 1922 nannte sich die Firma Bayerischen Motoren Werke (BMW).

Von den deutsch-französischen Spannungen 1920-1923 war besonders die seit Kriegsende besetzte Pfalz betroffen. Gleichzeitig wurde die "Ordnungszelle Bayern" unter Ministerpräsident Gustav von Kahr (BVP, 1862-1934) Sammelbecken radikaler Nationalisten, die gegen die "Erfüllungspolitik" der Reichsregierung hetzten. Die Einstellung des passiven Widerstands gegen die - mit Rückständen bei Reparationszahlung begründete - Ruhrbesetzung am 26. September 1923 war dann eine entscheidende Etappe auf dem Weg zum Hitlerputsch am 8./9. November 1923.

Weitere politische Turbulenzen gab es im Rahmen der Annahme des Young-Plans durch das Reich: Obwohl die demokratischen Parteien dem Young-Plan zustimmten, lehnte ihn aus primär innenpolitischen Gründen, insbesondere im Zusammenhang mit einer Erhöhung der Biersteuer zur Finanzierung des Reichshaushaltsdefizits, die Bayerische Volkspartei (BVP) ab. Damit aber spielte die BVP der Agitation der Deutschnationalen, der Nationalsozialisten und des Stahlhelms in die Hände.

Literatur

  • Fritz Blaich, Der Schwarze Freitag. Inflation und Wirtschaftskrise, München 3. Auflage 1994.
  • Winfried Glashagen, Die Reparationspolitik Heinrich Brünings 1930-1931. Studien zum wirtschafts- und außenpolitischen Entscheidungsprozeß in der Auflösungsphase der Weimarer Republik, Diss. Bonn 1980.
  • Bruce Kent, The Spoils of War. The Politics, Economics and Diplomacy of Reparations 1918-1932, Oxford 1989.
  • Gerd Meyer, Die Reparationspolitik. Ihre außen- und innenpolitischen Rückwirkungen, in: Karl Dietrich Bracher/Manfred Funke/Hans-Adolf Jacobsen (Hg.), Die Weimarer Republik 1918-1933 (Studien zur Geschichte und Politik 251), Bonn 1987, 327-342.
  • Hermann Josef Rupieper, The Cuno Government and Reparations 1922-1923. Politics and Economics, Den Haag/Boston/London 1979.

Quellen

  • Die Sachverständigen-Gutachten, Die Berichte der von der Reparationskommission eingesetzten beiden Sachverständigenkomitees vom 9. April 1924 nebst allen Beilagen, Berlin 1924.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Reparationszahlungen

Empfohlene Zitierweise

Helmut Braun, Reparationen (Weimarer Republik), publiziert am 31.01.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reparationen_(Weimarer_Republik) (19.03.2024)