Industrialisierung
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Bei der Entstehung Staatsbayerns zu Beginn des 19. Jahrhunderts kamen zum agrarisch strukturierten Kurbayern die bereits punktuell bedeutende Gewerbeplätze aufweisenden fränkischen und schwäbischen Gebiete hinzu. Heute ist Bayern ein von modernsten Industrien geprägtes Land. Der 200 Jahre währende Industrialisierungsprozess verlief jedoch nicht immer geradlinig, sondern erlebte Entwicklungsschübe und Zeiten der Stagnation, wobei insbesondere nach 1945 ein Zusammenspiel innerer und äußerer Einflüsse wirkmächtig war.
1806-1848: Ausgangsbedingungen und erste vereinzelte Industrialisierungsaktivitäten
Die Ausgangslage für eine gewerblich-industrielle Entwicklung des neuen Königreiches war bescheiden: In Altbayern existierten nur vereinzelt Manufakturen zur Herstellung von Luxusgütern wie Nymphenburger Porzellan und Militärbedarf in der Gewehrmanufaktur Amberg. Dagegen waren in Ober- und Mittelfranken sowie teilweise in Schwaben neben mehreren Manufakturen bereits einige wenige fabrikmäßig organisierte Baumwollspinnereien, zum Beispiel in Augsburg, vorhanden. Obwohl Fabrikgründungen wirtschaftlich riskant waren, entstanden 1817 in Oberzell bei Würzburg eine bedeutende Druckmaschinenbaufabrik und 1820 in Nürnberg eine Tuchfabrik.
Das im Großraum der ehemaligen Reichsstadt Nürnberg vorhandene Gewerbe, das zum Teil bereits Massenprodukte herstellte und im Export tätig war, legte den Grundstein für eine privatwirtschaftliche Pioniertat, den Bau einer Eisenbahnlinie zwischen Nürnberg und Fürth im Jahr 1835, der schnell eine Bahnlinie zwischen Augsburg und München folgte. Dies löste einen Schub beim Bau von staatlich konzessionierten Privatbahnen aus, der seit 1843 durch den Bau von Staatsbahnen zur verkehrsmäßigen Erschließung Bayerns verstärkt wurde. Zu dieser Zeit wurden auch die ersten bayerischen Dampfschifffahrtsgesellschaften gegründet und der Kanalbau (Ludwig-Donau-Main-Kanal) vorangetrieben.
Letztlich entstand damit, sowie mit dem Chausséebau seit dem späten 18. Jahrhundert, eine Verkehrsinfrastruktur, die späteren Industrialisierungsprozessen zugutekommen sollte. Flankierend wirkte die Vergrößerung der Märkte durch die Schaffung einer zunächst innerbayerischen Freihandelszone (1806/07), die nach dem bayerisch-württembergischen Zollverein (1829) in den Deutschen Zollverein von 1834 mündete.
Beispiele für erste Industrialisierungsschritte waren die Gründung der Eisengießerei und Maschinenfabrik Klett & Co. in Nürnberg 1837/42 sowie die Errichtung einzelner Betriebe der Chemie- und Farbenindustrie in Nürnberg, Fürth, Schweinfurt und in Oberfranken. Dort etablierte sich insbesondere die Textilindustrie in Bayreuth, Kulmbach und Hof (Baumwollspinnerei) sowie die Porzellanindustrie in Selb.
1848-1870/71: Punktuelle Industrialisierung
Der Rücktritt von Ludwig I. (1786-1868, reg. 1825-1848) und die Thronbesteigung Maximilians II. (1811-1864, reg. 1848-1864) im Gefolge der Märzrevolution von 1848 bedeuteten eine Aufwertung des "vierten Standes", was sich auch in der Gewerbe- und Industrieförderung manifestierte: Obgleich der neue König dem Fabrikwesen reserviert gegenüberstand, schuf er bereits im Jahr 1848 einen Unterstützungsfond für industrielle Zwecke und mit dem Staatsministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten einen Vorläufer des heutigen Wirtschaftsministeriums.
Die Bedeutung des fortschreitenden Eisenbahnbaues erkannten 1851 zwei belgische Unternehmer und gründeten im an Eisenerz- und Braunkohlevorkommen reichen Haidhof in der Oberpfalz eine Eisenwerkkommanditgesellschaft auf Aktien. Nach wirtschaftlichen Anlaufproblemen entstand bereits 1853 daraus die Eisenwerk-Gesellschaft Maxhütte AG, an der auch Joseph Anton von Maffei (1790-1870) beteiligt war.
Wichtige Verbesserungen der Rahmenbedingungen folgten, als nach der Thronbesteigung von Ludwig II. (1845-1886, reg. 1864-1886) 1864 die bayerische Staatsregierung die wirtschaftliche Liberalisierung vorantrieb und das Banken- und Börsenwesen zunehmend den Kredit- und Kapitalmarkt für industrielle Interessen attraktiv machten. In der Pfalz ragt 1865 die Gründung der BASF heraus. Zwischen 1854 und 1870 entstanden in Bayern insgesamt 111 neue Aktiengesellschaften. Nach wie vor war Bayern aber noch stark agrarisch und handwerklich geprägt.
1870/71-1918: Die erste Industrialisierungswelle in Bayern
Die Einbindung Bayerns in das Kaiserreich bedeuteten für die bayerische Wirtschaft freie, aber auch größere Märkte mit mehr Druck durch mehr (Weltmarkt-) Konkurrenten als zuvor durch den Freihandel im Zollverein, mit Einführung der Mark bald aber auch die Vorteile einer einheitlichen und stabilen Währung. Der Rückgang des Eisenbahnbaus im Gefolge der Gründerkrise und der Wegfall von Schutzzöllen bedeutete zum Beispiel zunächst einen deutlichen Einbruch bei der Maxhütte. Doch die ab 1880 immer schneller werdende Hochindustrialisierung im Deutschen Reich erfasste nun auch die bisher nur punktuell vorhandenen industriellen Kerngebiete Bayerns, obgleich das Land eine rohstoffarme Randlage hatte: Neben der privat getragenen Maxhütte errichtete der bayerische Staat 1882/83 einen Eisenerzbergbau mit Verhüttungswerk, die ab 1911 so benannte Luitpoldhütte.
Eine markante Expansion zeigte der Maschinenbau: Die von Linde 1878 entworfene Ammoniak-Eismaschine wurde in der Augsburger Maschinenfabrik erbaut; dort entwickelte Rudolf Diesel (1858-1913) zwischen 1893 und 1897 seinen Motor, der dann wesentlicher Bestandteil des Produktionsprogramms wurde. Die Klett'sche Maschinenfabrik in Nürnberg wurde 1873 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und fusionierte 1898 mit der Augsburger Maschinenfabrik zur Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg Aktiengesellschaft (MAN). 1913 war die MAN der größte industrielle Arbeitgeber in Bayern.
Bereits seit 1873 fertigte Siegmund Schuckert in Nürnberg Bogenlampen und stieg 1893 mit seiner Elektrizitäts-AG in die elektrische Eisenbahntechnik ein. Mit Hilfe rheinischen Kapitals wurde 1899 das Aktienkapital auf 42 Mio. Mark erhöht; 25 Auslandsniederlassungen zeigten Präsenz in Europa, Asien und Amerika. Dieses kapitalstärkste bayerische Industrieunternehmen fusionierte 1903 mit dem innovativen Berliner Siemens-Konzern und hatte dann als Siemens-Schuckert AG Hauptsitze in Berlin und Nürnberg. Ab 1886 expandierte ebenfalls in Nürnberg die Fahrradfertigung; in Schweinfurt blühte die industrielle Kugellagerfertigung auf.
Die im pfälzischen Ludwigshafen angesiedelte BASF wurde mit ihrer synthetischen Farbstoff-, ab 1910 mit der Ammoniakdüngerproduktion zu einem weltweit führenden Unternehmen der Chemieindustrie; bereits 1904 trat die BASF der IG-Farben bei und vollzog 1925 den Schritt zur vollen Fusion. Die industrielle Produktion künstlichen Düngers nahmen ab 1908 auch die Bayerischen Stickstoffwerke in Trostberg auf. Auf der Basis von Wasserkraft arbeiteten die 1914 gegründeten elektrochemischen Werke Wacker in Burghausen. Daneben kam es zu arbeitsteiligen, industriellen Betriebsformen bei der Granit- und Holzbearbeitung, bei der Papier-, Porzellan- und Glaserzeugung, bei einigen Nahrungs- und Genussmittelherstellern, seit 1872/73 bei den Kulmbacher, Nürnberger und Münchner Großbrauereien sowie in der Bauwirtschaft. Zusammen mit dem Staat und den Kommunen wurden Großkraftwerke, Überlandwerke und weitere Versorgungsunternehmen, oft in der Form der Aktiengesellschaft, gegründet, die einerseits selbst Industrien darstellten, andererseits einer weiteren Industrialisierung die benötigte Infrastruktur boten.
Einen weiteren Industrialisierungsschub brachte der Erste Weltkrieg: Trotz der Einziehung von Beschäftigten expandierte die MAN durch den Bau von U-Boot-Dieseln, Kältemaschinen, Lastkraftwagen, Eisenbahnwaggons und Stahlbrücken. Im Zuge der Rüstungsproduktion entstanden neue Industrieunternehmen wie Zündapp, die bayerischen Geschützwerke von Krupp in München, die Bayerischen Motorenwerke (BMW). Staatlicherseits wurden 1917 das Innwerk und die Töginger Reichsaluminiumhütte gegründet.
1919-1945: Industrialisierungsschübe und Stagnation
Während der Inflationszeit kam es vielfach zu Fusionen, die auch die bayerische Industrie betraf; so wurde die MAN in den Ruhrkonzern Gutehoffnungshütte eingegliedert und die Ph. Rosenthal AG verlegte im Rahmen einer Konzernbildung den Firmensitz nach Berlin. Aber es entstanden während der Weimarer Zeit auch neue Industriebetriebe, zum Beispiel Motorrad- und Radiofabriken in Nürnberg oder Fabriken für Zivilflugzeuge durch Willi Messerschmitt in Bamberg. Erst 1938 siedelte Messerschmitt nach Augsburg um, fusionierte mit den Bayerischen Flugzeugwerken und baute dort, später auch bei Regensburg, Jagdflugzeuge.
Speziell in Nürnberg zeigten die Maschinenbauindustrie und die elektrotechnische Industrie mit den Großbetrieben der Siemens-Schuckert AG, dem AEG-Konzern, der Kabel- und Metallwerk Neumeyer AG, der Süddeutschen Telefonapparate sowie mit der Kabel- und Drahtwerke AG eine überdurchschnittliche Entwicklung. Weitere neue Standorte der elektrotechnischen Industrie wurden Erlangen, Bamberg und Würzburg. In Erlangen und Würzburg sowie in Aschaffenburg war auch die Bekleidungsindustrie überdurchschnittlich vertreten. Doch auch das Reich selbst trat nun industriepolitisch auf, zum Beispiel durch die Verschmelzung der Stickstoffwerke Trostberg und der Töginger Innwerke zur Vereinigte Industrie-Unternehmen Aktiengesellschaft (VIAG). Flankiert wurde dieser Industrialisierungsprozess durch einen weiteren staatlichen Ausbau der Energieversorgung und der Verkehrswege.
Die 1930er Jahre brachten Bayern einen zweiten Industrialisierungsschub, der aber ebenfalls noch auf die großen und größeren Städte begrenzt blieb. Da die Nationalsozialisten Rüstungsaufträge bevorzugt an bestehende Großbetriebe vergaben, entstanden - von den Messerschmitt-Werken abgesehen - kaum größere Industriebetriebe neu, insbesondere in strukturschwachen Gebieten. Im Gefolge der Rüstungsaufträge wuchsen jedoch vorhandene Großbetriebe wie zum Beispiel die Nürnberger Zündapp-Werke, die Bamberger Krupp-Werke oder die Schweinfurter Kugellagerindustrie enorm. In den letzten Kriegsjahren waren dann diese Industrieanballungen bevorzugte Ziele der alliierten Luftangriffe, was teilweise massive Zerstörungen zur Folge hatte.
1945-1980: Die industrielle Durchdringung
Während die amerikanische Besatzungsmacht in Bayern bald nach Kriegsende auf marktwirtschaftliche Bedingungen hinarbeitete, führte die Sowjetunion in ihrer Besatzungszone eine strikte Demontage durch und steuerte einen klaren Kurs in Richtung Planwirtschaft. Bald verlagerten daher namhafte Berliner Industrieunternehmen wie die Siemens und Halske AG, Osram, Agfa ihre Firmensitze nach Bayern, bevorzugt nach München. Zusätzlich ließ sich die Siemens-Schuckert AG in Nürnberg und die Auto Union (heute: AUDI) in Ingolstadt nieder. Durch diese Firmenverlagerungen nach Bayern erfuhren die elektrotechnische Industrie und die Fahrzeugbauindustrie einen bis heute wirkenden Schub.
Einen weiteren Impuls von außen stellten Firmengründungen durch Heimatvertriebene dar, die, wie die Glas- und Schmuckwarenindustrie in Kaufbeuren-Neugablonz, neue Branchen nach Bayern brachten und, wie auch die Getränkeabfüllanlagen herstellende Firma Krones in Neutraubling, ganze Orte prägten und prägen.
Neben den bereits bestehenden Industriebetrieben, zum Beispiel der Kugellagerproduktion in Schweinfurt und der während der 1950er Jahre boomende Bau von Motorrädern und Mopeds in Schweinfurt, Nürnberg sowie bei BMW in München und bei der MAN als Schwerfahrzeughersteller und Maschinenbauer, entstanden in der Zeit auch neue und innovative Unternehmen, die in jungen Industriebranchen wie der Unterhaltungselektronik zu weltweit bekannten Herstellern wurden. Zu nennen sind hier die Firmen Grundig in Fürth, Metz in Zirndorf und die aus Berlin übergesiedelte Firma Loewe Opta in Kronach.
Neben diesen Neugründungen in kleineren Städten expandierten auch die in bayerische Großstädte umgezogenen elektrotechnischen Unternehmen des Siemens-Konzerns an ihren Produktionsstandorten München, Erlangen, Nürnberg und Regensburg sowie die Osram-Werke in Augsburg und Regensburg. Doch auch die bereits seit längerer Zeit in Bayern ansässigen anderen Industriebranchen blühten während der 1950er Jahre: Zulieferer sowie Spezialhersteller in der Fahrzeugindustrie ebenso wie die mit Schwerpunkten in Augsburg sowie im Raum Erlangen-Bamberg ansässige Textilindustrie, zu der sich neue und bald weltweit etablierte Sportartikel- und Sportbekleidungshersteller wie Adidas und Puma gesellten. Daneben fassten Unternehmen der feinkeramischen Industrie, der Spielwarenindustrie, Großbrauereien sowie die Kunststoffindustrie, die Holzverarbeitungsindustrie und die Zellstoff- und Papierindustrie auf den deutschen und internationalen Märkten Fuß.
Erste gravierende Probleme ergaben sich jedoch, als im Gefolge des "Wirtschaftswunders" einige Hersteller von Motorrädern und Mopeds den Übergang zur Massenmotorisierung mit Automobilen verpassten. Nur die Auto Union (die spätere Audi AG) und BMW schafften unter teilweise heftigen wirtschaftlichen Verwerfungen den umfassenden Wechsel hin zur Automobilproduktion und konnten sich seit etwa Mitte der 1960er Jahre zu weltweit begehrten Premiumherstellern entwickeln. Damit einher gingen markante Kapazitätserweiterungen, zum Beispiel bei BMW durch den Bau vollkommen neuer Fabriken in Dingolfing, Landshut und Regensburg.
In Verbindung mit beispielsweise der Sanierung der Messerschmittwerke durch die Gründung der Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH (MBB) 1968 mit Standorten in Ottobrunn bei München, Augsburg, Manching, Donauwörth und anderen bayerischen Orten, zeigte die Industrialisierung Bayerns nach dem Zweiten Weltkrieg neue Entwicklungen:
- Die Industrialisierung, die bis dahin weitgehend auf die großen Städte und Agglomerationsräume beschränkt war, griff nun auch auf kleinere Städte über.
- Industrialisierung war nun kein Phänomen mehr, welches sich in Mittelfranken, Oberfranken, Schwaben, punktuell auch in Unterfranken (Schweinfurt, Aschaffenburg), in der Oberpfalz sowie in der Landeshauptstadt München und deren Peripherie abspielte. Es entstanden nun zusätzlich auch industrielle Kerne in Niederbayern und neben der dortigen Montanindustrie in der Oberpfalz.
Die Bayerische Staatsregierung förderte Industrieansiedlung nicht nur direkt, sondern schuf durch einen nochmals forcierten Ausbau der Infrastruktur in den Bereichen Verkehr und Energieversorgung sowie im Bildungswesen attraktive Rahmenbedingungen. Die Ansiedlung von Großforschungseinrichtungen (Fraunhofer-Institute, das sogenannte "Atomei" in Garching bei München oder das kleine Versuchskernkraftwerk in Kahl am Main) etablierten schließlich Bayern als Standort für Forschung und Entwicklung, was die weitere Ansiedlung von High-Tech-Industrien attraktiv macht.
Ab 1980: Neue Herausforderungen: Strukturwandel, Globalisierungszwänge und -chancen durch Innovationen
Den Folgen der zweiten Ölkrise 1980 und der allgemeinen Stagflation in der Binnen- und Weltwirtschaft in Verbindung mit sich wandelnden Märkten konnte sich auch die bayerische Industrie nicht entziehen. Der bereits in den 1970er Jahren einsetzende Wandel führte zum Verlust zahlreicher Arbeitsplätze in den arbeitsintensiven, kaum mehr rationalisierbaren Industrien wie der Porzellan- sowie der Textil- und Bekleidungsindustrie in Nordostbayern. Hier war der Druck höherer Produktionskosten im Vergleich zu ausländischen Konkurrenten, insbesondere aus Fernost, ebenso spürbar wie bei der Fertigung von Unterhaltungselektronik: Die Zeiten von Unternehmenspersönlichkeiten wie Max Grundig (1908-1989) gingen ebenso schnell zu Ende wie die von schwerindustriellen Firmenkolossen: Nach langjähriger Agonie und vielfachen Eigentümerwechseln wurde die Maxhütte schrittweise stillgelegt.
Dennoch konnten sich viele etablierte, aber auch neue und oft mittelständische Industrieunternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus, der Automobilzulieferer, der Elektro- und Steuerungstechnik sowie der Verbrauchsgüterindustrie, etwa im Bereich der Spielwaren, im Weltmarkt hervorragend positionieren; einzelne davon werden sogar als "hidden champions", als heimliche Weltmarktführer, bezeichnet. Wegen seiner günstigen Rahmenbedingungen erwies sich Bayern auch als attraktiv für die Ansiedlung von Industriebetrieben in neu entstehenden Branchen: Dazu gehörten in einer ersten Welle Gründungen von Unternehmen oder die Stärkung von Unternehmensteilen vorhandener Konzerne in den wachsenden Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnik, der Umwelt- und Energietechnik, der Automatisierungs- und Medizintechnik. Dafür stehen als bekannte Namen Siemens, MAN, MAN-Roland, der Industrieroboterbauer KUKA oder die Wacker-Chemie, die Reinstsilizium herstellte. In einer sich noch im Verlauf befindlichen Welle entstehen zum Teil jetzt noch kleine Betriebe in den Bereichen Umwelt- und Biotechnologien, die Potentiale für eine industrielle Fertigung aufweisen; als "Inkubatoren" wirkten hier in vielen Fällen nahe gelegene Universitäten und wissenschaftliche Einrichtungen.
Trotz dieser Erfolge neuer Industrien und etablierter Industrien ist auch in Bayern eine weitere Tertiarisierung der Wirtschaft zu erwarten. Die Dienstleistungs-"Industrie" wird stärker wachsen als die produzierende Industrie. Verstärkt wird dieser Trend durch die Verlagerung traditioneller industrieller Fertigung nach Osteuropa, wo Produktionskosten deutlich niedriger sind als in Deutschland, und durch Importe industriell aus den wirtschaftlich immer mehr aufstrebenden Staaten des Fernen Ostens.
Literatur
- Stephan Deutinger Vom Agrarland zum High-Tech-Staat, München 2001.
- Otmar Emminger, Die bayerische Industrie, München 1947.
- Paul Erker, Keine Sehnsucht nach der Ruhr. Grundzüge der Industrialisierung in Bayern 1900-1970, in: Geschichte und Gesellschaft 17 (1991), 480-511.
- Alfons Frey, Die industrielle Entwicklung Bayerns von 1925 bis 1975. Eine vergleichende Untersuchung über die Rolle städtischer Agglomerationen im Industrialisierungsprozess, Berlin 2003.
- Rainer Gömmel, Gewerbe, Handel und Verkehr, in: Max Spindler (Begr.)/Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Vierter Band: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. Zweiter Teilband: Die innere und kulturelle Entwicklung, München 2. Auflage 2007, 216-299.
- Dirk Götschmann, Wirtschaftsgeschichte Bayerns. 19. und 20. Jahrhundert, Regensburg 2010.
- Claus Grimm u. a. (Hg.), Aufbruch ins Industriezeitalter. 4 Bände (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 3-6), München 1985.
- Hermann Simon, Hidden Champions. Die heimlichen Gewinner, Frankfurt am Main/New York 5. Auflage 1998.
- Ernst Moritz Spilker, Bayerns Gewerbe 1815-1965, München 1985.
- Ariane Weidlich (Hg.), Moderne Zeiten? Industrialisierung im ländlichen Oberbayern. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Freilichtmuseum Glentleiten, Großweil, 2. Juli 2006-4. November 2007 (Schriften des Freilichtmuseums des Bezirks Oberbayern an der Glentleiten 30), Petersberg 2006.
- K.-H. Willenborg, Bayerns Wirtschaft in den Nachkriegsjahren. Industrialisierungsschub als Kriegsfolge, in: Wolfgang Benz (Hg.), Neuanfang in Bayern 1945-1948, München 1988, 121-142.
- Harald Winkel, Wirtschaft im Aufbruch. Der Wirtschaftsraum München-Oberbayern und seine Industrie- und Handelskammer im Wandel der Zeit, München 1990.
- Wolfgang Zorn, Bayerns Gewerbe, Handel und Verkehr (1806-1970), in: Max Spindler (Hg.), Handbuch der Bayerischen Geschichte. Band IV/2, München 1979, 781-845.
Quellen
Max Amthor, Industriegeographie des Königreichs Bayern, 1881.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Verwandte Artikel
- Konfessionsstruktur (19./20. Jahrhundert)
- Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (MAN)
- Weltwirtschaftskrise, 1929
- Wirtschaft (Weimarer Republik)
Industrie
Empfohlene Zitierweise
Helmut Braun, Industrialisierung, publiziert am 22.01.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Industrialisierung> (10.11.2024)