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Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerbe

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Verordnung über die Staatsministerien, 30. Juli 1928. (Gesetz- und Verordnungsblatt für den Freistaat Bayern 1928, 361)
Das Palais Montgelas war bis 1927 als Sitz des Ministeriums für Handel, Industrie und Gewerbe. Holzschnitt 1845. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-003850)
Die Herzog-Maxburg in München. Ab 1934 Sitz der Abteilung für Handel, Industrie und Gewerbe des 1933 geschaffenen Wirtschaftsministeriums (aus: Weese, Artur: München - eine Anregung zum Sehen, Leipzig 1906, 82)
Wilhelm Ritter von Meinel war von 1922 bis 1927 Staatsminister für Handel, Industrie und Gewerbe. Zuvor war bereits von 1911-1919 Leiter der Handelsabteilung im Außenministerium. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-024503)

von Michael Unger

Eigene Ministerien für den Handel entstanden in Bayern jeweils nach den Revolutionen von 1848 und 1918. Beide Gründungen waren politisch nur von geringer Bedeutung. Sie bestanden nicht lange und wurden 1872 bzw. 1928 anderen Ministerien als Abteilung eingegliedert. Erst dem 1933 begründeten Wirtschaftsministerium war eine dauerhafte Existenz bis heute beschieden.

Hintergrund: Die fortschreitende Industrialisierung im 19. Jahrhundert

Eine eigenständige Zentralbehörde für die Belange der gewerblichen Wirtschaft gehört zu den jüngeren Einrichtungen in der Ministerialstruktur Bayerns. Infolge der fortschreitenden Ökonomisierung der Gesellschaft seit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert ergab sich für den Staat die Notwendigkeit, die Verwaltung anzupassen. Für Bayern gilt dies in gleichem Maße wie für die übrigen deutschen Staaten und das Reich.

Staatsministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten 1848-1872

Die Errichtung des Handelsministeriums 1848 war eine Reaktion König Maximilians II. (1811-1864, reg. 1848-1864) auf zentralistische wirtschaftspolitische Tendenzen bei den Verhandlungen der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt. Trotz weit reichender Kompetenzen, die den Ressorts des Innern und der Finanzen entnommen waren, hatte das Handelsministerium verhältnismäßig geringes politisches Gewicht und blieb bis 1865 in Personalunion mit dem Außen- bzw. Finanzministerium verbunden.

Im Zuge der Integration Bayerns in das Deutsche Reich wurde das Handelsministerium gegen Proteste aus Wirtschaftskreisen zum 1. Januar 1872 aufgehoben und seine Aufgabenbereiche auf verschiedene Ressorts aufgeteilt. Im Hinblick auf die Industrialisierung Bayerns und die wirtschaftspolitischen Weichenstellungen während seines Bestehens verdient dieses erste bayerische Handelsministerium besondere Beachtung der historischen Forschung.

Wirtschaftsverwaltung 1872-1919

Im Kaiserreich spielte die wirtschaftliche Zentralbehörde Bayerns in institutioneller Hinsicht eine untergeordnete Rolle. Das aufgelöste Handelsministerium war zunächst in einer Abteilung für Landwirtschaft, Handel und Gewerbe beim Innenministerium zusammengefasst worden. Bei Errichtung eines eigenen Verkehrsministeriums 1904 wechselten dann die Zuständigkeiten für die gewerbliche Wirtschaft (unter Belassung der Landwirtschaft beim Innenressort) zum Staatsministerium des Äußern als Ausgleich für den Verlust der Verkehrsverwaltung. Seit 1907 waren die einschlägigen Kompetenzen in einer von zwei Abteilungen des Außenministeriums gebündelt.

Da sich die wirtschaftspolitischen Anforderungen an den Staat durch die Hochindustrialisierung und den Ersten Weltkrieg stark ausweiteten, stieg die Geschäftstätigkeit in der Wirtschaftsabteilung des Außenministeriums stark an. Diese wurde in den Jahren 1917/18 organisatorisch und personell ausgebaut (u. a. Staatliche Bayerische Wirtschaftsstelle in Berlin, Handelsabteilungen an den Gesandtschaften Wien und Bern).

Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerbe 1919-1928

Die Wirtschaftsabteilung des Außenministeriums bildete den Kern des am 3. April 1919 errichteten Staatsministeriums für Handel, Industrie und Gewerbe. Damit setzte die Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann (1867-1930) eine ältere Forderung der Liberalen und aus Wirtschaftskreisen um. Im Vordergrund standen zunächst allerdings die bereits von Kurt Eisner (1867-1919) initiierten Planungen zur Sozialisierung wichtiger bayerischer Wirtschaftszweige. Nach dem raschen Rücktritt des ersten Ressortchefs Josef Simon (USPD, 1865-1949) am 7. April 1919 und dem Ende der Münchner Räterepubliken (Mai 1919) rückten unter den Ministern Eduard Hamm (DDP, 1879-1944), Wilhelm von Meinel (parteilos,1865-1927) und Heinrich Held (BVP, 1868-1938) wieder Vorstellungen einer traditionellen Wirtschaftsförderung in den Mittelpunkt wirtschaftspolitischer Zielsetzung.

Zu den Geschäftsaufgaben des Ministeriums zählten sämtliche Angelegenheiten von Handel, Industrie und Gewerbe, das gewerbliche Genossenschafts- und Kreditwesen, die Förderung gewerblicher Ausstellungen, das Währungs-, Bank- und Börsenwesen sowie das Bergwesen. Dazu kamen nach der Aufhebung des bayerischen Verkehrsministeriums 1920/23 die verbliebenen Landeskompetenzen im Post-, Telegrafen- und Verkehrswesen.

Versuche, andere wirtschaftspolitisch relevante Aufgabenbereiche, etwa das Bauwesen, die Elektrizitäts- und Wasserkraftnutzung oder das gewerbliche Schulwesen dem Handelsressort anzugliedern und es so zu einem umfassenden Wirtschaftsministerium auszubauen, blieben im Ansatz stecken.

Zum verhältnismäßig kleinen administrativen Unterbau zählten die Bergbehörden, die Landesgewerbeanstalten in Nürnberg und Kaiserslautern, die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern.

In seiner Funktion als Lenkungs- und Regulierungsbehörde waren dem Handelsministerium bis zum schrittweisen Abbau der Zwangswirtschaft einige kurzlebige, teilweise noch während des Ersten Weltkriegs errichtete Sonderbehörden unterstellt (Staatliche Vermittlungsstelle für militärische Lieferungen, Verwertungsstelle für Heeresgerät, Landesstelle für Textilwirtschaft, Außenhandelsstelle, Rohstoffwirtschaftsstelle, Landeskohlenstelle). Im Zuge der Übernahme verbliebener Landesaufgaben im Verkehrswesen übernahm das Handelsministerium zudem 1923 vom Reichsverkehrsministerium, Zweigstelle Bayern, die damalige Schifffahrtsgruppe Süd als Schifffahrtsstelle in sein Ressort. Die Aufgaben dieser teils auch vom Reich beanspruchten und alimentierten Landesstelle lagen auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt auf den in Bayern gelegenen Wasserstraßen.

Entsprechend der wirtschaftspolitischen Dominanz des Reichs und der geringen Höhe eigener Haushaltsmittel war die Geschäftstätigkeit des Handelsministeriums stark auf die Vertretung bayerischer Wirtschaftsinteressen gegenüber Berlin bezogen. Der Handlungsspielraum blieb verhältnismäßig begrenzt. Nach der Stabilisierung der Währung 1923/24 bildeten die Mittelstandsförderung, die Verkehrsentwicklung und Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung in der Pfalz Schwerpunkte der Geschäftstätigkeit.

In Bezug auf Personalausstattung und Etat war das Handelsministerium eines der kleinsten bayerischen Ministerien. Im Verhältnis zu den Reinausgaben der bayerischen Staatsverwaltung fiel das Handelsministerium mit einem durchschnittlichen Anteil von 0,4% kaum ins Gewicht. Sein Personalstand lag bei rund 50 Beamten und einer im Lauf der Jahre abnehmenden Zahl von Angestellten, für die zuletzt 11 Stellen im Haushalt vorgesehen waren. Bereits unmittelbar nach seiner Errichtung geriet das Handelsministerium zusammen mit den beiden anderen "Revolutionsministerien" für Soziale Fürsorge und für Landwirtschaft in die Diskussion um die Vereinfachung der Staatsverwaltung.

Organisatorische Entwicklung 1928-1945

Aus Anlass der Regierungsneubildung des Kabinetts Held II wurde das Handelsministerium mit Verordnung vom 30. Juli 1928 aufgelöst. Entsprechend dem Zustand vor 1919 ging das Handelsressort erneut als Abteilung an das Außenministerium über. Erleichtert wurde diese verwaltungsorganisatorische Maßnahme durch den Umstand, dass das Handelsministerium noch immer im selben Dienstgebäude, dem Palais Montgelas am Promenadeplatz 22 (heute: Promenadeplatz 2) in München, untergebracht war. Mit der Errichtung des Wirtschaftsministeriums am 24. April 1933 wechselte der Verwaltungsbereich des ehemaligen Handelsministeriums mit weitgehend unverändertem Zuschnitt und Personalstamm als Abteilung für Handel, Industrie und Gewerbe in dieses Ressort. Ab 1934 residierte die Abteilung in der Herzog-Maxburg am Lenbachplatz 7, nach deren Zerstörung im Herbst 1944 zuletzt in den vormaligen Räumlichkeiten der Bayerischen Berg-, Hütten- und Salzwerke AG in der Ludwigstraße 16 (heute: Ludwigstraße 27).

Die Neuorganisation der Staatsverwaltung ab 1945 führte erneut zu einer grundlegenden Neuformierung auch der Wirtschaftsverwaltung. Anders als während der Weimarer Republik bildet seitdem ein institutionell eigenständiges Wirtschaftsministerium einen festen Bestandteil der Staatsregierung.

Die Minister des Handels und der öffentlichen Arbeiten 1848-1872
Staatsminister Lebensdaten Amtszeit Besonderheiten
Otto Graf von Bray-Steinburg 17.5.1807 - 9.1.1899 1.12.1848 - 18.4.1849 Gleichzeitig Außenminister, erneut 1870/71.
Ludwig Freiherr von der Pfordten 11.9.1811 - 18.8.1880 18.4.1849 - 1.5.1859 Gleichzeitig Außenminister und Vorsitzender im Ministerrat.
Karl Freiherr von Schrenck-Notzing 17.8.1806 - 10.9.1884 1.5.1859 - 5.10.1864 Gleichzeitig Außenminister und Vorsitzender im Ministerrat.
Benno Ritter von Pfeufer 21.8.1804 - 10.2.1871 5.10.1864 - 1.1.1865 Gleichzeitig Finanzminister, früher Beamter im Handelsministerium.
Adolph Freiherr von Pfretzschner 15.8.1820 - 27.4.1901 1.1.1865 - 1.8.1866 Später 1866-1872 Finanz- und 1872-1880 Außenminister und Vorsitzender im Ministerrat.
Gustav Ritter von Schlör 4.4.1820 - 25.9.1883 1.8.1866 - 23.8.1871 Früher Eisenbahnunternehmer.
Die Minister für Handel, Industrie und Gewerbe 1919-1928
Staatsminister Lebensdaten Amtszeit Besonderheiten
Josef Simon, USPD 23.5.1865 - 1.4.1949 17.3.1919 - 7.4.1919 Rücktritt infolge der Ausrufung der Räterepublik
Martin Segitz, SPD 26.7.1853 - 31.7.1927 12.4.1919 - 31.5.1919 Gleichzeitig Innenminister, führte das Handelsministerium während der Rätezeit provisorisch von Bamberg aus.
Eduard Hamm, DDP 16.10.1879 - 23.9.1944 31.5.1919 - 24.7.1922 Zuvor 1918/19 Beamter der Abteilung II (Handelsabteilung) im Außenministerium bzw. im Handelsministerium. Später Staatssekretär in der Reichskanzlei (1922/23) und Reichswirtschaftsminister (1923 - 1925).
Hugo Graf von Lerchenfeld-Köfering, BVP 21.8.1871 - 13.4.1944 24.7.1922 - 2.11.1922 Gleichzeitig Ministerpräsident und Minister des Äußeren, übernahm das Amt provisorisch und ließ sich von Staatsrat Wilhelm v. Meinel vertreten
Wilhelm Ritter von Meinel, parteilos 24.11.1865 - 23.3.1927 15.11.1922 - 8.2.1927 Zuvor 1911 bis 1919 Leiter der Abteilung II (Handelsabteilung) im Außenministerium und 1919 bis 1922 Staatsrat im Handelsministerium.
Heinrich Held, BVP 6.6.1868 - 4.8.1938 31.3.1927 - 30.7.1928 Gleichzeitig Ministerpräsident und Minister des Äußeren, als solcher nach der Aufhebung des Handelsministeriums bis 1933 Ressortchef für Wirtschaftsangelegenheiten.

Dokumente

Literatur

  • Knut Borchardt, Zur Geschichte des bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 34), Wiesbaden 1987.
  • Michael Unger, Das Bayerische Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerbe: Organisation, Geschäftsbereiche, archivalische Überlieferung, in: Archivalische Zeitschrift 87 (2005), 39-79.
  • Michael Unger, Das bayerische Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerbe. Organisation, Personal und Mittelstandspolitik des Wirtschaftsressorts 1919-1933 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 137), München 2009.
  • Wilhelm Volkert (Hg.), Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, München 1983, 234-238.
  • Wilhelm Volkert, Die Staats- und Kommunalverwaltung, in: Max Spindler (Begr.)/Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Vierter Band: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. Zweiter Teilband: Die innere und kulturelle Entwicklung, München 2. Auflage 2007, 72-153, hier 122-125.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Michael Unger, Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerbe, publiziert am 02.06.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Staatsministerium_für_Handel_Industrie_und_Gewerbe> (19.03.2024)