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Olympische Sommerspiele, München 1972

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Ferdinand Kramer

Logo der Olympischen Spiele von München 1972. (Wikimedia Commons)
Blick auf das Olympiastadion vom Olympiaberg während der Spiele 1972. Foto von Joachim Kankel (1921-1984).(Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv kank-000270)
Blick auf das Olympiagelände während der Spiele 1972. Im Vordergrund ist die Spielstraße zuerkennen. Foto von Joachim Kankel (1921-1984). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv kank-000268)

Die Olympischen Spiele von München 1972 (26. August bis 11. September 1972) führten 7.147 Sportlerinnen und Sportler sowie zahlreiche Sportfunktionäre, Vertreter von Medien, Politik und Zuschauer der Wettbewerbe aus aller Welt in der bayerischen Landeshauptstadt zusammen. Die Vorbereitungen hatten 1965 mit der dann 1966 erfolgreichen Bewerbung begonnen. In sechs Jahren wurden neue Sportstätten in München errichtet und die Infrastruktur der Stadt ausgebaut. Die Spiele avancierten zu einem Symbol für einen weitreichenden Transformations- und Modernisierungsprozess und die neue internationale Positionierung Münchens und Bayerns sowie der Bundesrepublik Deutschland. Nach gelungenem Auftakt brachen in die Atmosphäre der "heiteren Spiele" palästinensische Terroristen ein, die elf israelische Sportler und einen bayerischen Polizisten ermordeten. Die Tragik der Olympischen Spiele von München hat diese im globalen Gedächtnis stark verankert.

Sport

Athleten aus 122 Staaten, 5.848 Männer und 1.299 Frauen, nahmen in 21 Sportarten an den 17 Tage dauernden Olympischen Spielen von München teil. In allen diesen Kategorien übertraf München die seit 1896 in der Regel im Vierjahresabstand veranstalteten Olympischen Spiele der Neuzeit, zuletzt die in Tokyo 1964 und Mexiko City 1968 deutlich. Unter den sportlichen Leistungen ragten Weltrekorde in 13 Disziplinen hervor. Der Schwimmer Mark Spitz (geb. 1950) errang sieben Goldmedaillen, die Schwimmerin Shane Gould (geb. 1956) drei Gold- und je eine Silber- und Bronzemedaille. Außerdem taten sich der Kunstturner Sawao Kato (geb. 1946) mit drei Gold- und einer Silbermedaille, in Weltrekordzeit und Gold im 400 Meter Hürdenlauf John Akii-Bua (1949-1997) und als Publikumsliebling die Turnerin Olga Korbut (geb. 1955) mit drei Gold- und einer Silbermedaille hervor. Unter den vor heimischem Publikum gefeierten Medaillengewinnern ragten heraus: Heide Rosendahl (geb. 1947) mit zwei Gold- (Weitsprung, 4 x 100 Meter) und mit einer Silbermedaille (Fünfkampf) sowie jeweils mit einer Goldmedaille die Läuferin Hildegard Falck (geb. 1949), die Hochspringerin Ulrike Meyfarth (geb. 1956), der Speerwerfer Klaus Wolfermann (geb. 1946), der Geher Bernd Kannenberg (1942–2021), der Boxer Dieter Kottysch (1943–2017), die Dressurreiterin Liselott Linsenhoff (1927–1999) und im Skeetschießen Konrad Wirnhier (1937-2002). Den Medaillenspiegel nach teilnehmenden Nationen führten am Ende der Spiele die UdSSR an, gefolgt von den USA, der DDR und der BRD.


Spitzensport und Olympische Spiele standen 1972 insofern in einem Spannungsverhältnis, als das Olympische Reglement nur Amateure zuließ. Das geriet zunehmend in Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen, zumal eine wachsende Zahl der Sportlerinnen und Sportlern als Armeeangehörige oder als College-Studierende den Schein des Amateurstatus aufrecht erhielt, während sie sich, von Streitkräften oder Universitäten alimentiert, faktisch weitgehend dem Leistungssport widmen konnte. Auch andere Hilfskonstruktionen fanden Anwendung. So unterzeichneten die Bundesliga-Fußballspieler Bernd Nickel (1949-2021) von Eintracht Frankfurt und der seit 1970 beim FC Bayern München spielende Uli Hoeneß (geb. 1952) erst nach den Olympischen Spielen Profiverträge, um zuvor als vermeintliche Amateure die bundesdeutsche Fußballmannschaft beim Olympischen Turnier verstärken zu können.

In Zusammenhang mit den Spielen von München entwickelten sich auch Impulse für den Breitensport insbesondere durch die "Trimm-Dich-Bewegung", die der Deutsche Sportbund (später Deutscher Olympischer Sportbund) seit 1970 bundesweit erfolgreich propagierte. Im Mittelpunkt von „Trimm-Dich“ stand der Zusammenhang von Breitensport und Gesundheit. Nach den olympischen Wettkämpfen stand ein großer Teil der eigens für Olympia errichteten Anlagen in München dem Hochschul- und Breiten- bzw. Freizeitsport zur Verfügung.

Bewerbung

Der Vorschlag, in der bayerischen Landeshauptstadt Olympische Spiele auszutragen, ging vom Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees, Willi Daume (1913–1996), aus, der damit im Oktober 1965 an den Oberbürgermeister von München, Hans-Jochen Vogel (SPD, 1926–2020, Oberbürgermeister 1960-1972), herantrat. Vogel holte die Zustimmung und Unterstützung des bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel (CSU, 1905–1991, Ministerpräsident 1962–1978) ein. Gemeinsam konnten sie am 29. November 1965 auch den aus dem bayerischen Fürth stammenden und in Gmund a.T. (Lkr. Miesbach) lebenden Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU, 1897–1977, Bundeskanzler 1963–1966) gewinnen. In wenigen Wochen wurden die Bewerbungsunterlagen ausgearbeitet und am 31. Dezember 1965 beim Olympischen Komitee eingereicht. Dieses entschied sich nach kurzen Präsentationen durch Willi Daume und Hans-Jochen Vogel am 26. April 1966 in Rom für München, vor den Bewerbungen aus Detroit, Madrid und Montreal. München warb mit neu zu errichtenden Sportstätten auf dem zentrumsnahen Oberwiesenfeld im Norden der Stadt, mit Spielen der kurzen Wege und im Grünen, mit einem vielfältigen begleitenden Kunst- und Kulturprogramm sowie mit einem plausiblen Konzept für die Nachnutzung der für die Spiele errichteten Gebäude und Infrastrukturen.

Politischer Kontext

Besichtigung der Schatzkammer der Münchner Residenz durch den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle (1890-1970, Präsident 1959-1969) anlässlich seines Staatsbesuchs am 8. September 1962. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv walz-0932)

Die Chancen für eine erfolgreiche Bewerbung Münchens ergaben sich aus dem Umstand, dass das Internationale Olympische Komitee 1965 auf seiner 63. Sitzung in Madrid konträr zum politischen Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik Deutschland eine eigene Mannschaft der Deutschen Demokratischen Republik für Olympische Spiele zugelassen hatte. Insofern schien eine Kompensation für die Bundesrepublik möglich. Durch Westbindung im Ost-West-Gegensatz und durch die Anfänge der europäischen Integration, dann nach dem Mauerbau in Berlin 1961, hatte die Bundesrepublik zunehmend internationale Anerkennung gewonnen, wie etwa aufwändige, vor aller Welt öffentlichkeitswirksame Staatsbesuche des französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle (1890–1970, franz. Staatspräsident 1959–1969) 1962, von US-Präsident John F. Kennedy (1917–1963, US-Präsident 1961–1963) 1963 und schließlich von Königin Elisabeth II. (geb. 1926, Königin von Großbritannien und Nordirland seit 1952) 1965 in Westdeutschland demonstrierten, wobei De Gaulle und Elisabeth II. auch in München bejubelt werden konnten. Nach den Olympischen Spielen nahmen die Vereinten Nationen am 18. September 1973 die Bundesrepublik und die DDR in ihre Reihen auf.

Trotz vielerlei Bemühungen des Internationalen Olympischen Komitees gelang es nicht, Politik von den Spielen fernzuhalten. Der Ost-West-Konflikt und die Spannungen zwischen den beiden deutschen Staaten, die erstmals mit getrennten Mannschaften antraten, aber auch die Bemühungen im Rahmen der Entspannungspolitik wirkten auf die Spiele ein. Im Vorfeld der Spiele erregten die Dekolonisierung mit neuen Staaten in Afrika und auf deren Druck der Ausschluss der Mannschaft aus dem von weißer Vorherrschaft geprägten Rhodesien international Aufmerksamkeit. Mit dem Terroranschlag palästinensischer Attentäter auf die israelische Olympiamannschaft wurde der Nah-Ost-Konflikt in München präsent und rückte einmal mehr weltweit in das öffentliche Bewusstsein.

München und die Olympischen Spiele

Plakat für die Olympischen Sommerspiele 1972. Gestaltung von Otl Aicher (1922–1991). Als Motiv werden hier die stilisierten Zeltdächer des Olympiaparks gezeigt. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Plakatsammlung 28728)

Schon vor der Bewerbung um die Olympischen Spiele war die Entwicklung Münchens von einer starken Dynamik geprägt. Im Jahr 1958 hatte die Stadt den 800. Geburtstag gefeiert und im Jahr zuvor die symbolträchtige Grenze von einer Million Einwohner überschritten, deren Zahl bis 1972 auf 1,33 Mio. wachsen sollte. Gleichsam symbolisch für die überdurchschnittlich junge Bevölkerung stand Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, der 1960 im Alter von nur 34 Jahren ins Amt gewählt worden war. Im selben Jahr trug München den Eucharistischen Weltkongress der Katholischen Kirche aus, das bis dahin größte internationale Ereignis in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Der SPIEGEL betitelte die Stadt als "heimliche Hauptstadt Deutschlands" (Der SPIEGEL, 23.9.1964). Die Stadt selbst wählte für sich Anfang der 1960er Jahre den Slogan "Weltstadt mit Herz" und demonstrierte damit schon vor der Olympia-Bewerbung, dass sie sich auch international neu positionieren wollte. Im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen entdeckte München auch die Vielfalt der städtischen Gesellschaft neu. Menschen aus anderen Herkunftsländern, sogenannte Gastarbeiter, an den vielen Baustellen oder Hostessen mit interkultureller und Fremdsprachenkompetenz erfuhren eine neue Wertschätzung.

Infolge eines starken Zuzugs und mit der zunehmenden Motorisierung war München Anfang der 1960er Jahre an die Kapazitätsgrenzen seiner öffentlichen Infrastrukturen gekommen. Ein 1963 verabschiedeter Stadtentwicklungsplan sollte Abhilfe schaffen. Dann boten die Olympischen Spiele unerwartet eine Chance, darin projektierte städtebauliche Vorhaben beschleunigt zu realisieren, was in den Jahren der Vorbereitung der Spiele zu zahlreichen Baustellen für Sportstätten und Verkehrsvorhaben (Mittlerer Ring, Altstadtring, S- und U-Bahn, Fußgängerzone) in der Stadt führte. Der Olympia-Boom trug zu einem starken Anstieg der Lebenshaltungskosten bei, insbesondere bei Mieten und Immobilien. Dies wurde Anlass für eine wachsende Olympiakritik, zum Teil mit neomarxistischem Impetus in Folge der 68er-Bewegung, wie sie etwa Franz Xaver Kroetz (geb. 1946) im 1972 uraufgeführten Bühnenstück "Globales Interesse. Eine satirische Komödie" zum Ausdruck brachte. Kritik kam auch von konservativer Seite, unter anderem wegen der Eingriffe in historische Ensembles der Stadt, insbesondere im Bereich der Maximilianstraße beim Bau des Altstadtringes. Angesichts des beschleunigten Wandels entfaltete sich in München ein facettenreicher Diskurs um die Identität der Stadt, wie er etwa vom Schriftsteller Wolfgang J. Bekh (1925–2010) oder dann vom Regisseur Helmut Dietl (1944–2015) in der Fernsehserie „Münchner Geschichten“ (1974) zum Ausdruck gebracht wurde.

Nach den Spielen propagierte der seit Juni 1972 amtierende neue Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD, 1928–2016, Münchner Oberbürgermeister 1972–1978, 1984–1993) eine Mäßigung des Wachstums der Stadt; tatsächlich reduzierte sich die Einwohnerzahl zeitweise. Im internationalen Vergleich mit Städten der gleichen Größenordnung verfügte München infolge des durch Olympia beschleunigten Ausbaus über eine großzügige öffentliche Infrastruktur, die für rund ein Vierteljahrhundert den Bedarf zufriedenstellend deckte. Die für Olympia ausgebauten Sendetechnologien stärkten die Entwicklung des Medienstandortes München. Dank des modernen, annähernd 80.000 Besucher fassenden Olympiastadions rückte die Stadt in den Mittelpunkt der Fußballweltmeisterschaft 1974 und der FC Bayern München konnte zu einem europäischen Spitzenclub aufsteigen. Erst in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre stießen die in Zusammenhang mit Olympia ausgebauten Infrastrukturen dann wieder an Grenzen. Der Mittlere Ring für den Autoverkehr sollte über weite Strecken untertunnelt werden, die Planungen für eine zweite Stammstrecke der S-Bahn begannen. 2001 fiel die Entscheidung gegen einen Umbau des Olympiastadions und für neues Fußballstadium im Norden Münchens (Allianz-Arena), das 2005 eröffnet wurde. Der Olympiapark wurde 1998 in die bayerische Denkmalliste aufgenommen. Seit 2018 bemüht sich die Stadt München um die Aufnahme des Olympiaparks in das UNESCO-Weltkulturerbe.

Bayern und die Olympischen Spiele

Der bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU, 1905-1991, Ministerpräsident 1962-1978) und der damalige Bundesfinanzminister Franz Joseph Strauß (CSU, 1915-1988, Bundesfinanzminister 1966-1969, bayerischer Ministerpräsident 1978-1988) während der Grundsteinlegung des Olympiastadions am 14. Juni 1969. Foto von Georg Fruhstorfer (1915-2003). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv fruh-05262)

In Bayern war Anfang der 1960er Jahre der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg im Wesentlichen bewältigt. Nach der Erneuerung der Staatlichkeit des Landes 1946 und der Gründung der Bundesrepublik 1949 hatte sich im föderalen System eine im Wesentlichen kooperative Verfassungswirklichkeit zwischen Land und Bund entwickelt, die auch bei Vorbereitung und Abwicklung der Spiele fortentwickelt wurde. Wirtschaftlich lag das Land zwar weiter hinter dem Bundesdurchschnitt, doch holte es mit höheren Wachstumsraten und einer dynamischen Außenwirtschaft sowie dann auch infolge eines "Olympiabooms" spürbar auf. Seit Ende der 1950er Jahre erfuhr das Land Wanderungsgewinne in der Bevölkerungsbewegung und die finanzielle Leistungskraft nahm stark zu, so dass die absehbaren hohen Investitionen für die Spiele gewagt werden konnten. Der Freistaat leitete, beschleunigt seit Mitte der 1960er Jahre, in Infrastruktur, Wirtschaft, Technologie, Bildung und Wissenschaft sowie Gesellschaft einen umfassenden Modernisierungsprozess ein, der unter anderem in den Anfängen einer integrierten Landesplanung (Bayerisches Landesplanungsgesetz 1973) Ausdruck fand. Das Olympia-Projekt bot die Chance, diesem Prozess weitere Impulse zu geben.

Zu einer Herausforderung wurde der Umstand, dass mit den Spielen ab 1966 in hohem Maße Finanzmittel in die Landeshauptstadt flossen. Dies löste in der Landespolitik und im Landtag zum Teil heftige Kritik aus, da gleichzeitig im ländlichen Raum noch hoher Modernisierungs- und Investitionsbedarf für Schulen, Krankenhäuser, Asphaltierung von Straßen etc. bestand und Abwanderungsprozesse in die Städte unverkennbar waren, die man durch die Landesplanung und -entwicklung hatte mindern wollen. Entsprechend meldeten sich jüngere, aber schon einflussreiche Landespolitiker der mit absoluter Mehrheit in Bayern regierenden CSU wie Max Streibl (CSU, 1932–1998, MdL 1962-1984, Generalsekretär der CSU 1967-1971) oder Josef Deimer zu Wort (CSU, geb. 1936, MdL 1966-1970) und zwischen Finanzstaatssekretär Anton Jaumann (CSU, 1927–1994, MdL 1958-1990, Finanzstaatssekretär 1966–1970) und Oberbürgermeister Vogel kam es 1967 zu einer heftigen, öffentlich ausgetragenen Kontroverse. Im inneren regionalen Gefüge Bayerns machten sich kritische Stimmen aus allen Landesteilen bemerkbar.

Da neben den Statuten des IOC auch die Sportverbände, zumal der Randsportarten, drängten, Wettbewerbe im Mittelpunkt des Geschehens der Spiele auszutragen, waren die Sportveranstaltungen in der Tat auf München zu konzentrieren, was nicht nur in der Landespolitik Kritik hervorrief. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass zwischen dem Organisationskomitee in München und dem IOC darum gerungen wurde, einzelne Wettbewerbe nach Möglichkeit auch außerhalb Münchens durchzuführen. Schließlich wurde die Kanustrecke nicht wie zunächst angedacht an der Isar, sondern in Augsburg gebaut. Vorrundenspiele des erstmals bei Olympia vertretenen Fußballturniers richteten die Veranstalter in Augsburg, Ingolstadt, Nürnberg, Passau und Regensburg aus. Dort wurden vorab die Stadien erweitert und modernisiert. Ähnliches geschah beim Handball mit den Vorrundenspielen in Augsburg sowie in Ulm (Baden-Württemberg), Böblingen (Baden-Württemberg) und Göppingen (Baden-Württemberg), wo man zum Teil auf neu errichtete Hallen zurückgreifen konnte. Schließlich wurden die Segelwettbewerbe nicht wie ursprünglich geplant auf den im Münchner Süden gelegenen Voralpenseen oder am Bodensee ausgetragen, sondern stattdessen in Kiel (Schleswig-Holstein). Die dezentralen Elemente der Spiele trugen dazu bei, die in Meinungsumfragen bestätigte hohe Zustimmung für die Spiele in der Bevölkerung zu erhalten und in Bayern für die Rolle Münchens als Landeshauptstadt und „Tor zur Welt“ neue Akzeptanz zu gewinnen.


Da die Spiele nach Olympischem Reglement an die Stadt München vergeben wurden und sich medial die internationale Aufmerksamkeit vielfach damit verbunden auf die Bundesrepublik Deutschland richtete, stand die bayerische Politik zudem vor dem Problem, sich ihren Interessen entsprechend sichtbar zu positionieren, zumal sie doch einen erheblichen Finanzanteil für die Spiele trug. In dem Zusammenhang wurden in der Münchner Presse vereinzelt auch Vorbehalte artikuliert, dass zu viele "Preußen" in den Gremien zur Vorbereitung und Durchführung der Spiele beteiligt seien. Bei der visuellen Gestaltung der Spiele und in das begleitende Kulturprogramm nahmen die Organisatoren verschiedentlich bayerische Elemente auf, etwa mit modernisierten weiß-hellblauen Dirndln für die Hostessen, in den Leitfarben (hellblau, hellgrün, orange) der Spiele, die als Ausdruck einer frühlingshaften Atmosphäre in Bayern interpretiert wurden oder mit Trachtengruppen bei der vielfach gelobten Eröffnungsfeier, zu der der britische Observer dann schrieb: "How well the Bavarians did it. Not a touch of militarism, not a hint of bombast; no solemn Germanic grandeur". (The Observer, 27.08.1972, 1).

Organisationsstruktur

Zur Vorbereitung und Austragung der Spiele wurde am 3. Juli 1966 das "Organisationskomitee der XX. Olympischen Spiele München 1972" als eingetragener Verein in München gegründet. Unter der Präsidentschaft von Willi Daume sowie seiner Stellvertreter, des bayerischen Kultusministers, ab 1972 Finanzministers Ludwig Huber (CSU, 1928–2003, Kultusminister 1964–1972, Finanzminister 1972–1977), des Bundesinnenministers Hans-Dietrich Genscher (FDP, 1927–2016, Bundesinnenminister 1969–1974) und des Münchner Oberbürgermeisters Vogel, gehörten ihm vor allem die Präsidenten der Sportverbände in der Bundesrepublik an, die häufig auch Spitzenämter in Politik und Wirtschaft inne hatten.

Das Organisationskomitee berief 14 Ausschüsse mit Experten, u. a. für Finanzen, Verkehr, Kunst, visuelle Gestaltung, für Presse, Protokoll oder die Segelwettbewerbe in Kiel. Die Geschäftsführung bzw. das Generalsekretariat, das seinen Sitz in der Münchner Saarstraße nahe dem Olympiagelände bezog, oblag von 1967 bis 1974 dem Münchner Rechtsanwalt Herbert Kunze (1908–2007), gleichzeitig Schatzmeister des Deutschen Sportbundes und Vizepräsident des NOK. Als Schatzmeister fungierte der vormalige bayerische Finanzminister Rudolf Eberhard (CSU, 1914–1998, Finanzminister 1957–1964). Die Stadt München schuf 1966 ein eigenes "Investitionsplanungs- und Olympiareferat". Der Freistaat beschloss am 29. April 1966 die Einrichtung einer Olympiakommission der Staatsregierung unter der Federführung des für Sport zuständigen Kultusministeriums. Am 10. Juli 1967 schlossen Stadt, Freistaat und Bund Konsortialverträge zur Bestreitung der Investitionskosten, außerdem zur "Gründung der Olympia-Baugesellschaft mbH München", die fortan als Bauherr fungierte und in deren Aufsichtsrat als Vertreter des Bundes unter anderem bis Oktober 1969 Bundesfinanzminister Franz Joseph Strauß (CSU, 1915–1988, Bundesfinanzminister 1966–1969, CSU-Vorsitzender 1961–1988) Mitglied war.

Im Mai 1968 vereinbarten die Rundfunk- und Fernsehanstalten ARD und ZDF die Gründung einer eigenen Gesellschaft, das Deutsche Olympia-Zentrum Radio und Television (DOZ), das unter Federführung des Bayerischen Rundfunks (BR) und ab Januar 1969 unter der Leitung von Robert Lembke (1913–1989) als Geschäftsführer für die Berichterstattung der Spiele verantwortlich war und mehr als eine Milliarde Menschen in aller Welt auch mit dem neuen Farbfernsehen erreichen sollte. Der 1955 gegründete Verein "Fördergesellschaft Münchner Stadion" wandelte sich 1966 zum "Verein zur Förderung der Olympischen Spiele 1972 in München". Sein Präsident, der Vorsitzende des Bayerischen Landessportverbandes, Rudolf Sedlmayer (1905–1974), sammelte mit Hilfe der Vizepräsidenten und Industriellen Werner von Linde (1904–1975) und Otto Betz (1906-1987) von der Siemens AG Sach- und Geldspenden aus Industrie und Wirtschaft.

Vorbereitung

Der Architekt Günther Behnisch (1922-2010) entwarf zusammen mit Frei Otto (1925-2015) die Sportstätten am Oberwiesenfeld in München. Foto von Felicitas Timpe (1923-2006), 1987. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv timp-008071)

Die konkreten Planungen für die Olympischen Spiele und für die notwendigen Baumaßnahmen begannen 1966. Am 1. Februar 1967 schrieb die Olympia-Baugesellschaft einen Architektenwettbewerb für die Sportstätten auf dem Oberwiesenfeld aus, den das Büro Behnisch & Partner gewann. Den Auftrag für das Olympische Dorf mit Wohnungen für ca. 15.000 Athleten und ihre Betreuer erhielt am 1. März 1967 das Architekturbüro Heinle, Wischer und Partner. Für die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen konnte München auf den Stadtentwicklungsplan von 1963 zurückgreifen, der die Zukunft Münchens für die kommenden 30 Jahre vorbereitet hatte. Am 10. Mai 1967 begann der Bau der 4 km langen U-Bahnstrecke von der Station Münchner Freiheit bis zum künftigen Olympiapark auf dem Oberwiesenfeld, der damit an die Innenstadt angebunden wurde. Parallel verlief seit 1966 der Ausbau des S- und U-Bahnsystems, was 1971 in den Münchner Verkehrsverbund (MVV) für den öffentlichen Nahverkehr in Stadt und Umland mündete. Zur Bündelung des Autoverkehrs wurden der Altstadtring und der Mittlere Ring gebaut, auch um das Zentrum der Stadt vom Marienplatz bis zum Karlsplatz (Stachus) zur Fußgängerzone umwandeln und diese dann 1972 rechtzeitig zu den Spielen eröffnen zu können. Da für die Athleten neben den Wettkampfarenen auch Trainingsmöglichkeiten bereit zu stellen waren, wurden zahlreiche städtische Sportanlagen modernisiert, insgesamt 22 Bezirkssportstätten, zwölf Hallen- und Schwimmbänder sowie die Stadien an der Grünwalder-Straße und an der Dante-Straße.

Finanzierung

In den ersten Schätzungen von 1965 ging die Stadt München von Kosten für die Olympischen Spiele in der Höhe von 496 Millionen DM aus. Trotz der schon in den Anfängen artikulierten Skepsis gegenüber dieser Kalkulation gingen die Verantwortlichen in Politik und Organisationskomitee damit die Bewerbung, Vorbereitungen und Planungen an. Stadt, Land und Bund kamen früh zu der Vereinbarung, die Kosten zu je einem Drittel zu tragen. Der Bund wollte aus den für Bayern ohnehin vorgesehenen Investitionen entsprechend Mittel umleiten und seinen Finanzierungsanteil limitieren, was die Risiken für Kostensteigerungen auf Land und Stadt verlagert hätte.

Die Finanzierung der Spiele kam vor allem in Bayern seit 1967 in die öffentliche Kritik, als die spektakuläre Planung für das Zeltdach des Olympiastadions viele Fragen etwa nach den Materialien und vor allem nach den nicht überschaubaren Kosten aufwarf. Die damit ausgelösten politischen Implikationen, die sich 1968/69 mit den Kontroversen zwischen Freistaat und Bund um die Grundgesetzänderung zur Etablierung von sogenannten Gemeinschaftsaufgaben überschnitten, trugen schließlich dazu bei, dass ein neues Finanzierungsmodell ausgehandelt wurde. Die Staatsregierung argumentierte, dass mit dem geplanten Anteil von Stadt und Freistaat zwei Drittel der Kosten letztlich in Bayern aufzubringen seien, obwohl die Spiele doch in hohem Maße der bundesdeutschen Repräsentation dienten.

Politisch umstritten, zumal der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß bis 1969 Bundesfinanzminister war, erklärte sich der Bund schließlich bereit, 50 % der Kosten für die Spiele zu tragen, was mit einer Vereinbarung vom 17. Dezember 1969 nun schon von der neuen sozial-liberalen Bundesregierung unter Kanzler Willy Brandt (SPD, 1913-1992, Bundeskanzler 1969-1974) bestätigt wurde. Für Land und Stadt blieben noch jeweils 25 % des Finanzierungsaufwandes. Die Kosten für die Spiele übertrafen die ursprüngliche Kalkulation fast um das Vierfache und beliefen sich auf 1.967 Mrd. DM. Allerdings konnten durch Maßnahmen wie die Lotterie Glücksspirale, den Verkauf einer Olympiamünze, der Fernsehrechte und der Eintrittskarten sowie durch die Verwertung des Emblems und anderes 1,332 Mrd. DM an Einnahmen erzielt werden, so dass die öffentlichen Haushalte letztlich mit 635 Mio. DM belastet wurden, davon mit 154 Mio. DM die Stadt München, mit 154 Mio. der Freistaat Bayern und mit 311,7 Mio. der Bund sowie mit je 7,7 Mio. DM die Stadt Kiel und das Land Schleswig-Holstein. Damit war es trotz der gewaltigen Mehrausgaben gelungen, fast den ursprünglich angenommenen Kostenrahmen für die öffentlichen Kassen einzuhalten. Bayern, insbesondere die Landeshauptstadt München, bekam dafür einen breit angelegten Modernisierungsschub und ein nachhaltig wirkendes internationales Standing.

Bau von Olympiapark, Sportstätten unter dem Zeltdach und Olympiadorf

Die Umsetzung der von Günter Behnisch (1922–2010) geplanten Bauten auf dem späteren Olympiagelände war insofern erleichtert, als das großräumige Gebiet des Oberwiesenfeldes, das bis 1939 als Flughafen und nach dem Krieg als Flugschule, Lagerplatz und Schuttberg für den Abraum der Ruinen aus dem Bombenkrieg diente, im Flächennutzungsplan der Stadt München von 1965 als Erholungszone ausgewiesen war. Im Bau befanden sich seit 1965 bereits eine Eissporthalle und ein Fernsehturm der Bundespost, der später als Olympiaturm bezeichnet wurde. Das weiträumige Gelände, nahe dem Stadtzentrum, bot entsprechend großzügige Gestaltungsmöglichkeiten.

Mit den Bauten von Behnisch und der Ausstattung des sie umgebenden Parks durch den Landschaftsarchitekten Günther Grzimek (1915–1996) entwickelten sich zwei von der Stadtautobahn Mittlerer Ring getrennte Hauptkomplexe: Landschaftlich durch den begrünten Schutt- bzw. Olympiaberg und den Olympiasee eingebunden, durch das bewegte Zeltdach zusammenhängend, bildeten das einem Amphitheater nachempfundene Stadion für 80.000 Besucher und die Sport- sowie die Schwimmhalle im Süden das Zentrum. Dieses verbindet sich mit nahtloser Überbrückung über den Mittleren Ring mit dem von den Architekten Erwin Heinle (1917–2002) und Robert Wischer (1930–2007) geplanten Olympischen Dorf und dazu gehörigen Sportplätzen für Trainingszwecke im Nordwesten. Optisch abgerundet wurde das Ensemble durch den zeitgleich errichteten und 1972 in Dienst genommenen sog. Vierzylinder-Turm, die Konzernzentrale des Münchner Autoherstellers BMW. Aufsehen erregte das Zeltdach schon in der Planungsphase, als es im Modell des Architekturbüros durch einen Damenstrumpf abgebildet wurde. Unklar blieben bis auf weiteres das Material für das Zeltdach sowie die Statik und entsprechend die Kosten, so dass sich die Debatte um das Zeltdach zu einem Katalysator für eine an Breite gewinnende Olympia-Kritik entwickelte. Die letztlich gefundenen, lichtdurchlässigen Materialien (Plexiglas) wurden mit dem 74.800 Quadratmeter umfassenden Zeltdach bald als Symbol für Transparenz, Leichtigkeit und Weltoffenheit gedeutet.

Kultur

Plakat des Künstlers Friedensreich Hundertwasser (1928-2000) für das Mappenwerk "Edition Olympia". (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Plakatsammlung 28780)

Die Bewerbung aus München hatte mit der Ankündigung eines breit angelegten Kulturprogrammes Aufmerksamkeit gewonnen. Das Organisationskomitee etablierte einen Kunstausschuss unter der Leitung des Münchener Kulturreferenten Herbert Hohenemser (1915–1992), der versuchte, herausragende Kulturschaffende aus aller Welt und über ideologische Grenzen hinweg zu gewinnen, manchmal vergeblich, wie bei Salvador Dalí (1904–1989) oder Pablo Picasso (1881–1973). Für das Mappenwerk "Edition Olympia" konnte man Beiträge u. a. von Oskar Kokoschka (1886–1980), Eduardo Chillida (1924–2002), Serge Poliakoff (1899/1900–1969) und Victor Vasarely (1906–1997) einwerben. Der Architekt Werner Ruhnau (1922–2015) inszenierte die Spielstraße auf dem Olympiagelände, in der, für jedermann zugänglich, internationale Künstler aus Schauspiel, bildender Kunst, Musik und Film sowie das Publikum bei Pantomimen, Puppentheater, Musik, Tanz, Multimedia oder am Theatron auf der Seebühne mitwirkten. Im Stadtzentrum boten Bayerische Staatsoper, Nationaltheater und andere Bühnen, Museen, Kinos, Bibliotheken vielfältige Aufführungen und Ausstellungen an, auch internationale Ensembles von der Scala aus Mailand und dem New York City Ballet bis zur Royal Shakespeare Company aus London. Das Berliner Ensemble aus der DDR führte in den Münchner Kammerspielen Stücke von Bertolt Brecht (1898–1956) auf. Neben den Münchner Philharmonikern und dem Orchester des Bayerischen Rundfunks gaben die Wiener, Berliner und Moskauer Philharmoniker, das NHK Orchester Tokyo sowie das Leipziger Gewandhausorchester Konzerte im Herkulessaal der Residenz und im Kongresssaal des Deutschen Museums.

Das Deutsche Museum zeigte eine Ausstellung "100 Jahre Deutsche Ausgrabung in Olympia" sowie "Olympia und Technik". Das Haus der Kunst widmete sich dem Thema "Weltkulturen und moderne Kunst". Im Münchner Stadtmuseum wurde "Bayern – Kunst und Kultur" als Selbstdarstellung der Geschichte des Freistaates mit seinen Vernetzungen in Europa und der Welt präsentiert, die ein Initiativkreis für ein künftiges Haus der Bayerischen Geschichte angestoßen und an deren Konzeption der Landeshistoriker Karl Bosl (1908–1993) mitgearbeitet hatte. Der Volkskundler Günther Kapfhammer (1937-1993) und der Bezirksheimatpfleger der Oberpfalz, Adolf Eichenseer (1934–2015), inszenierten eine Veranstaltung unter dem Titel "Vita Bavarica", die traditionelle Lebensformen und Brauchtum aus allen Regionen Bayerns präsentierte. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete die kulturellen Vorhaben für die Spiele als "Weltprogramm mit weißblauen Akzenten" (SZ 1.10.1969). In der Spielstraße auf dem Olympia-Gelände wurden rund 1,2 Mio. Besucher gezählt, während die Resonanz auf die Kulturangebote in der Stadtmitte mit rund 650.000 Besuchern, davon über 300.000 für die musikalischen Darbietungen, hinter den Erwartungen zurückblieb. Bis zum Abbruch der Spielstraße in Folge des Attentats war dort die Idee von den "heiteren Spielen" von München besonders lebendig.

Imagepolitik und visuelle Gestaltung

Mit den Olympischen Spielen sahen die Verantwortlichen, von Anfang an Willi Daume, die Chance, das Image der Bundesrepublik Deutschland in der Welt positiv zu gestalten. Das war insofern eine Herausforderung, als Olympia in Deutschland die Weltöffentlichkeit an die Spiele 1936 in Berlin und Garmisch-Partenkirchen erinnern musste, die zwar von der Weimarer Republik eingeworben, dann aber 1936 unter der Herrschaft der Nationalsozialisten durchgeführt und nach innen sowie außen propagandistisch missbraucht worden waren. Nicht zuletzt war München von den Nationalsozialisten als "Hauptstadt der Bewegung" etikettiert worden. Die Erinnerung an die NS-Zeit wurde durch eine kleine Veranstaltung vor Beginn der Spiele nach Dachau verlagert. Einer Symbolfigur für die Spiele von 1936, Leni Riefenstahl (1902–2003), verweigerte man zunächst die Presse-Akkreditierung, die sie dann doch für eine internationale Zeitung erhielt.

Insgesamt sollte die Erinnerung an die Berliner Spiele 1936 und NS-Deutschland durch die Gestaltung der Spiele von 1972 überlagert werden. Die Organisatoren wollten der Welt ein weltoffenes, modernes München und Bayern sowie die Bundesrepublik Deutschland demonstrieren. Diese Leitidee durchzog die Vorbereitungen und Durchführung der Spiele. Hans „Johnny“ Klein (1931–1996), ein international erfahrener Diplomat und vormaliger Pressereferent von Bundeskanzler Erhard, setzte die Idee ab 1968 als Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Spiele um. Otto „Otl“ Aicher (1922–1991) entwarf das visuelle Konzept der Spiele. Die von ihm entwickelten, gleichermaßen modern und egalitär anmutenden Piktogramme als Lenkungs- und Orientierungssystem der Spiele avancierten zu einer globalen Bildsprache. Bei den Farben vermied er Anklänge an Schwarz, Rot und Gold. Nationales trat in den Hintergrund, die Farbsymbole für Bayern in den Vordergrund, wie etwa im hellen Blau als einer Leitfarbe der Spiele. Die Stadion-Architekten wollten Monumentalität vermeiden, indem sie die Bauten in die gestaltete Landschaft des Olympiaparks einbetteten. Im Sicherheitskonzept sollten Polizisten und unterstützende Bundeswehrsoldaten möglichst keine Uniformen und (sichtbare) Waffen tragen. Das Kulturprogramm insbesondere in der Spielstraße veranschaulichte eine demokratische, weltoffene und vielfältige Gesellschaft. Spätestens bei der internationalen Medienresonanz auf die gelungene Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele am 26. August 1972 und dann auch durch die Atmosphäre bei den ersten Wettbewerben und selbst nach dem Attentat zeigte sich, dass das Konzept der Organisatoren Wirkung entfaltete.

Attentat auf die israelische Mannschaft

Die „heiteren Spiele“ erlebten einen abrupten Bruch durch die Ermordung von elf israelischen Sportlern in Folge eines Attentats mit Geiselnahme durch die palästinensische Terrorgruppe Schwarzer September, die am Morgen des 5. September mit Waffengewalt im Olympischen Dorf in das Quartier der israelischen Mannschaft einbrach und ultimativ die Freilassung von palästinensischen Gefangenen aus Gefängnissen in Israel verlangte. Dies lehnte die israelische Regierung unter Ministerpräsidentin Golda Meir (1898–1978, israel. Ministerpräsidentin 1969–1974) ab. Nach vergeblichen Verhandlungen eines eilig einberufenen Krisenstabes unter Leitung des Münchner Polizeipräsidenten Manfred Schreiber (1926–2015), des bayerischen Innenministers Bruno Merk (CSU, 1922–2013, Innenminister 1966–1977) und von Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP, 1927–2016, Bundesinnenminister 1969–1974) mit den Attentätern scheiterten Versuche der von Ausmaß und Dynamik des Attentats überforderten Polizei, die Geiseln gewaltsam zu befreien. Am Militärflughafen in Fürstenfeldbruck, von wo aus die Attentäter mit den Geiseln in der Nacht in ein arabisches Land ausgeflogen werden wollten, eröffnete die Polizei das Feuer auf die Terroristen. Bei der folgenden Schießerei wurden alle israelischen Geiseln ermordet und ein bayerischer Polizist kam ums Leben. Fünf Attentäter wurden getötet, drei weitere gefangen genommen, allerdings wenige Monate später mittels einer Flugzeugentführung freigepresst.


Die Spiele wurden für einen Tag unterbrochen, dann aber in völlig veränderter Atmosphäre zu Ende geführt. Die Olympische Idee sollte dem Terror nicht zum Opfer fallen, was der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Avery Brundage (1887–1975, Präsident des IOC 1952–1972), bei der Trauerfeier im voll besetzten Olympiastadion affirmativ artikulierte mit den Worten "The games must go on". Die Abschlußveranstaltung der Spiele am 11. September 1972 im Olympiastadion verzichtete auf alle geplanten Elemente einer freudigen Schluß-Feier.

Erinnerung an die Spiele

Die vielfältige Erinnerung an die Olympischen Spiele ist international in hohem Maße geprägt von der Tragik der Ereignisse: Eine euphorische Stimmung nach dem Auftakt der heiteren Spiele - abrupt zerstört durch das Attentat. Das Bemühen, in Abgrenzung zur NS-Zeit ein anderes Deutschland zu zeigen auch mit dem überaus freundlichen Empfang für die israelische Mannschaft durch das Münchener Publikum bei der Eröffnungsfeier – dann der gewaltsame Tod von Juden in Deutschland. In Israel wirkte das Trauma des Holocaust nach. Ein Dokumentarfilm über das Attentat („One day in september“, von Kevin Macdonald [geb. 1967], 1999) fand durch die Auszeichnung mit einem Oscar große internationale Resonanz. Die Hollywood-Verfilmung ("Munich" von Steven Spielberg [geb. 1946], 2005) der geheimen, von der israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir in Auftrag gegebenen, schließlich doch bekannt gewordenen Vergeltungsmaßnahmen gegen die überlebenden Attentäter und Hintermänner, hielt weltweit die Erinnerung an die Münchener Spiele wach. Gleiches gilt für die Vorwürfe, vergeblichen juristischen Schritte und erst nach Jahrzehnten anerkannten Forderungen auf Öffnung sämtlicher Akten und Entschädigung der Angehörigen der Opfer.


In Teilen des arabischen Raumes wurden die Attentäter als Helden gefeiert und erinnert, obwohl der Terror dem Anliegen der Palästinenser in der Welt geschadet hat. An das Attentat wurde in München zunächst zurückhaltend mit einer Gedenktafel am Olympiagelände und im Olympischen Dorf sowie am Flughafen Fürstenfeldbruck (1999) erinnert, außerdem durch eine Skulptur von Fritz Koenig (1924–2017) im Olympiapark (1995). Auf Betreiben des bayerischen Kultusministers Ludwig Spaenle (CSU, geb. 1961, Kultusminister 2008–2018) errichtete der Freistaat einen multimedial gestalteten Ort der Erinnerung an das Attentat und die israelischen Sportler, der in Beisein des israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin (geb. 1939, israel. Staatspräsident seit 2014), von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD, geb. 1956, Bundespräsident seit 2017) sowie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU, geb. 1949, Ministerpräsident 2008–2018) 2017 eröffnet wurde.

In München und Bayern blieben die Spiele als Symbol eines umfassenden Modernisierungs- und Transformationsprozesses und durch die vielfältige Nachnutzung der Anlagen im Umfeld des Olympiaparks und der öffentlichen Verkehrsverbindungen in Erinnerung. Dazu trug auch die Bewerbung um Olympische Winterspiele bei, die 2013 an örtlichen Bürgerbegehren scheiterte.

Forschung

Die historische Forschung zu den Spielen konzentrierte sich bislang stark auf die Imagepolitik der Bundesrepublik und Münchens sowie Bayerns (Egger, Gajek, Kurzhals, Large, Jehle, Schiller/Young), auf die Umstände des Attentats (Dahlke, Fox, Kellerhoff, Oberloskamp) und vereinzelt auf die Bedeutung der Spiele für die Stadt- und Landesentwicklung (Geipel/Helbrecht/Pohl, Kramer).

Literatur

  • Tobias Blasius, Olympische Bewegung, Kalter Krieg und Deutschlandpolitik 1949 – 1972, Frankfurt/Main 2001.
  • Matthias Dahlke, Der Anschlag auf Olympia '72. Die politische Reaktion auf den internationalen Terrorismus in Deutschland, München 2006.
  • Matthias Dahlke, Demokratischer Staat und transnationaler Terrorismus. Drei Wege zur Unnachgiebigkeit in Westeuropa 1972-1975, München 2011.
  • Roman Deininger/Uwe Ritzer, Die Spiele des Jahrhunderts. Olympia 1972, der Terror und das neue Deutschland, München 2021.
  • Egon Dheus, Die Olympiastadt München – Entwicklung und Struktur, Stuttgart 1972.
  • Simone Egger: „München wird moderner“. Stadt und Atmosphäre in den langen 1960er Jahren, Bielefeld 2013.
  • Eva Maria Gajek, Imagepolitik im Olympischen Wettstreit. Die Spiele von Rom 1960 und München 1972, Göttingen 2013.
  • Robert Geipel/Ilse Helbrecht/Jürgen Pohl, Die Münchner Olympischen Spiele von 1972 als Instrument der Stadtentwicklungspolitik, in: Hartmut Häußermann/Walter Siebel (Hg.), Festivalisierung der Stadtpolitik. Stadtentwicklung durch große Projekte, Opladen 1993, 278-304.
  • Matthias Hell, München '72: Olympia-Architektur damals und heute. Wie die Olympischen Spiele das Stadtbild präg(t)en, München 2012.
  • Sven Felix Kellerhof, Anschlag auf Olymia. Was 1972 in München wirklich geschah, Darmstadt 2022.
  • Anna Kurzhals, "Millionendorf" und "Weltstadt mit Herz". Selbstdarstellung der Stadt München 1945–1978, München 2018.
  • Ferdinand Kramer, München und die olympischen Spiele von 1972, in: Koller, Christian (Hg.): Sport als städtisches Ereignis, Ostfildern 2008, 239-252.
  • Ferdinand Kramer: Das Attentat von München, in: Alois Schmid/Katharina Weigand (Hg.), Bayern nach Jahr und Tag. 24 Tage aus der Bayerischen Geschichte, München 2007, 400–414.
  • Juliane Lanz, Zwischen Politik, Protokoll und Pragmatismus. Die deutsche Olympiageschichte von 1952 bis 1972, Berlin 2011.
  • David Clay Large, Munich 1972. Tragedy, Terror, Triumph at the Olympic Games, 2012.
  • Eva Maria Modrey, Das Publikum und die Medien: Die Eröffnungsfeier der olympischen Spiele 1972, in: Frank Bösch/Patrick Schmidt (Hg.): Medialisierte Ereignisse. Performanz, Inszenierung und Medien seit dem 18. Jahrhundert, Frankfurt/Main 2010, 243-275.
  • Holger Preuss, The Economics of staging the Olympics. A Comparison of the Games 1972 – 2008, Cheltenham 2004.
  • Simon Reeve, Ein Tag im September. Die Geschichte des Geiseldramas bei den Olympischen Spielen in München 1972, München 2006.
  • Kay Schiller/Christopher Young, The 1972 Munich Olympics and the Making of Modern Germany, Berkeley 2010 (dt. München 1972, Olympische Spiele im Zeichen des modernen Deutschland, 2012).
  • Angelika Schuster-Fox, Olympia-Attentat 1972. Begleitheft zur Errichtung der Gedenkstätte für die ermordeten israelischen Sportler und den deutschen Polizeibeamten am 5. September 1999 in Fürstenfeldbruck, Fürstenfeldbruck 2016.

Quellen

  • Hans-Dietrich Genscher, Erinnerungen, Berlin 1995.
  • Bruno Merk, Klarstellungen (Heimatkundliche Schriftenreihe für den Landkreis Günzburg 18), hg. vom Historischen Verein Günzburg e. V., Günzburg 1996.
  • München aktuell. Sämtliche Daten und Fakten für alle Besucher der Spiele der XX. Olympiade München 1972 in deutsch, englisch, französisch, hg. v. W. Gloss u. H. Kettgen, Stuttgart [1972].
  • Münchner Merkur, 1965-1974
  • Olympische Bauten in München. Die Verwirklichung einer Idee (Bauen und Wohnen 7), München Juli 1972.
  • Süddeutsche Zeitung, 1965-1974.
  • Hans-Jochen Vogel, Die Amtskette. Meine 12 Münchner Jahre. Ein Erlebnisbericht, München 1972.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel

20. Olympiade, Sommerolympiade, Olympia 1972

Empfohlene Zitierweise

Ferdinand Kramer, Olympische Sommerspiele, München 1972, publiziert am 26.8.2022 in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Olympische_Sommerspiele,_München_1972> (28.03.2024)