Eucharistischer Weltkongress in München, 31. Juli bis 7. August 1960
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Der Eucharistische Weltkongress des Jahres 1960 fand in München statt. Es war das erste international bedeutende Großereignis im Nachkriegsdeutschland. Zahlreiche größere und kleinere Gottesdienste begleitete ein buntes Rahmenprogramm, das auch in Funk und Fernsehen übertragen wurde. Neue liturgische Strömungen, die in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils fester Bestandteil der Liturgie werden sollten, fanden in München bereits ebenso Raum wie Gespräche zwischen Katholiken und anderen Glaubensgemeinschaften.
Die Tradition der Eucharistischen Weltkongresse
Die Veranstaltungsform eines Eucharistischen Kongresses geht auf französische Wurzeln zurück. Sie sollte dazu dienen, sich der Wirkmächtigkeit des katholischen Glaubensanspruches zu vergewissern und war Antwort auf zwei Tendenzen: auf den Jansenismus, eine wegen ihrer abweichenden Gnadenlehre von Rom verurteilte Richtung innerhalb des französischen Katholizismus, und zunehmende atheistische Tendenzen im Frankreich des 19. Jahrhunderts. Der erste Kongress, an dem bereits Teilnehmer aus acht Ländern zusammenkamen, fand 1883 in Lille (Frankreich) statt. Im Mittelpunkt der folgenden Kongresse stand jeweils die feierliche Prozession durch den Austragungsort, begleitet von Rahmenveranstaltungen zu einer jeweils vorab bestimmten Thematik. In ein- oder zweijährigen Intervallen fanden bis ins erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts nahezu alle Kongresse in Frankreich selbst oder in frankophoner Nachbarschaft statt. Darauf folgte eine Ausweitung in den gesamteuropäischen Raum, ab den 1920er Jahren auch nach Übersee (Chicago 1926, Sydney 1928, Buenos Aires 1934). In Deutschland fand erstmals ein Eucharistischer Weltkongress in Köln im Jahre 1909 statt.
Die Vorbereitungsphase auf den Weltkongress in München
1955 nahm der Münchner Kardinal Joseph Wendel (1901-1960, Erzbischof 1953-1960) von der Erzdiözese München und Freising persönlich am 36. Eucharistischen Weltkongress in Rio de Janeiro teil. Schon im Vorfeld hatte der Münchner Kardinal den Heiligen Stuhl wissen lassen, dass man gerne bereit sei, den nächstfolgenden Weltkongress zu veranstalten. Die Konzentration der Kräfte auf dieses Ereignis schien sich ideal in die forcierten Anstrengungen der Diözesanleitung seit Beginn der 1950er Jahre einzupassen, verlorengegangenes Terrain in der Großstadt München für den Glauben zurückzuerobern.
Nach dem Zuschlag im Januar 1956 machte man sich daran, eine tragfähige Organisationsstruktur aufzubauen. Leiter des am 26. Februar 1959 konstituierten Lokalkomitees war Wendel selbst, von dem auch die Losung des Kongresses "Pro Mundi Vita – Für das Leben der Welt" stammte. Dieses Motto fand sich auch auf einer von der Deutschen Bundespost zum Kongress herausgegebenen 20-Pfennig-Briefmarke wieder. Neben dem Lokalkomitee wurde ein Generalsekretariat eingerichtet, dem Weihbischof Johannes Neuhäusler (1888-1973, Weihbischof seit 1947) vorstand. Dessen Stellvertreter waren Domkapitular Monsignore Anton Maier (1906-1998) und Pater Franz von Tattenbach SJ (1910-1992). Außerdem wurden die Vorsitzenden und Stellvertreter von 23 untergeordneten Kommissionen ernannt (Programm, Festplatz, Verkehr, Wohnung, Presse, Kunst, Liturgie, Finanzen, Gesundheit, Gäste, Rundfunk, Kunstausstellung, orientalische Riten, Caritas, Jugend, Verpflegung, Fernsehen, Musik, Zelebration, Agape, Sonderveranstaltungen, Film, Mission).
Wie seit dem achten Kongress von 1893 in Jerusalem üblich, stand der Weltkongress dann selbst unter der formellen Leitung eines päpstlichen Legaten, hier Kardinal Gustavo Testa (1886-1968). Dieser weilte während der Festwoche in der Münchner Residenz. Unmittelbar voraus ging dem Kongress im Frühjahr 1960 die Münchner Stadtmission. Im Kern an die Tradition der Volksmission anknüpfend, fand sich hier der Anspruch, ganze Regionen wieder dem Glauben zuzuführen. Obwohl mit riesigem organisatorischem Aufwand betrieben, blieb gerade die Münchner Mission in ihrer Wirkung begrenzt.
Der Ablauf des Weltkongresses
Unter dem Stichwort von der "Einheit in der Mannigfaltigkeit" präsentierte sich in München eine Gesamtschau der katholischen Glaubensgemeinschaft. Eingerahmt von barock gestalteter bayerischer Festlichkeit mischte sich in vielerlei Facetten Vertrautes und Bekanntes mit noch nie Gesehenem und staunenswert Exotischem: "Vom Eskimo bis zum Chinesen, vom Feuerländer bis zu den Nachkommen der Kopfjäger, alle Rassen, viele Nationen waren vertreten. Neben den roten und violetten Gewändern der zahlreichen kirchlichen Würdenträger formten die weißen Kleider zierlicher Vietnamesinnen, die bunten Sahiris der Inderinnen, die Tracht der Gauchos und die Kopfbedeckungen arabischer Fellachen ein Bild der Völkerverständigung und Einheit im Glauben." (Zit. nach: Otto Pirner, Bericht über den 37. Eucharistischen Weltkongreß, in: Statio Orbis. 1. Band, 37).
Zum Auftakt des Eucharistischen Weltkongresses versammelten sich am 31. Juli 1960 rund 80.000 Gläubige auf dem Münchner Odeonsplatz. Programmatisch nahm Kardinal Wendel beim Gottesdienst Elemente der Liturgischen Bewegung auf, indem er nicht wie im Tridentinischen Ritus üblich mit dem Rücken zum Volk, sondern mit dem Blick auf die zur Messe Versammelten zelebrierte und das Evangelium auf Deutsch und nicht in Latein vortrug. Auch bei den vielen Gottesdiensten in den folgenden Tagen war die seit den 1920er Jahren durch die Liturgische Bewegung geförderte mitfeiernde Form der "Bet-Sing-Messe" maßgeblich. Neben einer Vielzahl von Agape-Feiern – u. a. im Hofbräuhaus – und Priesterweihen war vor allem der 5. August ein symbolträchtiger Tag. Auf Betreiben von Weihbischof Neuhäusler – einem ehemaligen Lagerinsassen – wurde im Beisein von 40.000 Gläubigen die Todesangst-Christi-Kapelle auf dem ehemaligen KZ-Gelände von Dachau eingeweiht. Dies war ein wichtiger Schritt zur heutigen Gestalt nicht nur als musealer Erinnerungsort, sondern auch zu einer Stätte des stillen Gebetes.
Neben den vielen Verweisen auf eine zukünftige Gestalt der Kirche bot der Kongress auch Räume zur Vergewisserung historischer Wirkmächtigkeit. Am prägnantesten trat dies in der im Stadtmuseum präsentierten Ausstellung "Bairische Frömmigkeit - 1400 Jahre bairische Geschichte" hervor. Der Abschlussgottesdienst auf der Theresienwiese am Sonntag, 7. August 1960, wurde von der Eurovision live in sechs Nachbarländer übertragen und stellte einen letzten Höhepunkt der Festwoche dar. Hier kam auch nochmals die große Altarinsel mit ihrem nach allen Seiten offenen Zeltdach zur Geltung, die in ihrer Gestalt sehr deutlich die Öffnung der katholischen Kirche und den Brückenbau Richtung Moderne symbolisierte.
Theologische und kirchengeschichtliche Dimension
Im Gegensatz zu den vorangegangenen Weltkongressen stellt München insofern einen Einschnitt dar, als die festliche Prozession mit der Monstranz, die bis dahin im Mittelpunkt gestanden hatte, zugunsten einer stärkeren Konzentration auf die Messe und den Kommunionempfang zurücktrat. Die Weltkirche sollte sich bewusst an einer Statio, das heißt einem Standort, einfinden - deshalb auch das Kongress-Motto "Statio Orbis" und die prägnante Altarinsel auf der Theresienwiese.
Die Außengrenzen des Katholizismus wurden in München sanfter markiert als noch in den 1950er Jahren. Beruhigend stellte Kardinal Wendel fest, in den öffentlichen Feiern katholischer Gottesdienste richte man sich "gegen niemand, weder gegen einen politischen Gegner noch gegen religiös Andersdenkende, sondern betet und opfert für alle, für das Leben der Welt" ("Hirtenwort zur Vorbereitung des Eucharistischen Weltkongresses in München vom 31. Juli bis zum 7. August 1960", in: Münchener Katholische Kirchenzeitung, Nr. 44, 1. November 1959). Parallel zu den katholischen Großveranstaltungen wurden deshalb auf einer Vielzahl von Nebenschauplätzen intensive Gespräche sowohl mit anderen Religionsgemeinschaften als auch mit Vertretern der protestantischen Kirche geführt. Diese beinhalteten keine harten dogmatischen Grundsatzdebatten, sondern sollten ein waches Interesse für das Differente wie für das Gemeinsame bekunden. Der Blickwinkel hatte sich in München also zum einen auf die eigene Mannigfaltigkeit und deren gemeinsames Fundament gerichtet, zum anderen aber nach außen geweitet. Somit war für die folgenden Botschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) einer neuen Standortbestimmung in der Moderne, von Dialogbereitschaft und einer Öffnung zur Welt, ein fruchtbarer Resonanzboden bereitet worden.
Die Bedeutung des Weltkongresses für Bayern und München
Die intensiven Vorbereitungen auf den Eucharistischen Weltkongress und Fragen der Organisation wurden von Seiten der bayerischen Landesregierung unter Hans Ehard (CSU, 1887–1980, Ministerpräsident 1946–1954 und 1960-1962) und der Münchner Kommunalverwaltung unter Hans-Jochen Vogel (SPD, 1926-2020, Oberbürgermeister von München 1960-1972) tatkräftig unterstützt. Man war sich sehr wohl bewusst, welch hohes Potential diese Großveranstaltung zu einer positiven Selbstdarstellung von Stadt und Land bot. Neben ökonomischen Erwägungen, etwa der Ankurbelung des Tourismus, war durch den Kongress auch die Möglichkeit gegeben, den durch die nationalsozialistische Zeit schwer beschädigten Ruf Münchens als "Hauptstadt der Bewegung" neu zu akzentuieren. Dieses Potential versuchte man auf vielfältige Weise durch Broschüren, Sonderausstellungen, Radio- und Fernsehübertragungen auszuschöpfen. Nicht weniger wichtig war, dass die Bürger Münchens in den Tagen des Kongresses ihre Toleranz und Weltoffenheit unter Beweis stellten. Dies kam vor allem in der "Aktion Silbermöwe" zum Ausdruck, die die Münchner Bürger und Bewohner der angrenzenden Landkreise dazu bewegte, Tausenden von ausländischen Festbesuchern Unterkunft im eigenen Heim zu bieten. Insgesamt wurden in der Festwoche - mit ca. einer Mio. Teilnehmenden die bis dahin größte Massenveranstaltung im Nachkriegsdeutschland - wichtige persönliche und organisatorische Erfahrungswerte gesammelt, auf die man einige Jahre später hinsichtlich der Ausrichtung der XX. Olympischen Sommerspiele 1972 zurückgreifen konnte.
Literatur
- Michael Fellner, Katholische Kirche in Bayern 1945-1960. Religion, Gesellschaft und Modernisierung in der Erzdiözese München und Freising (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte B 111), Paderborn u. a. 2008.
- Roland Götz/Guido Treffler, Gemeinschaft erleben - Eucharistie feiern. Der Eucharistische Weltkongress 1960 in München (Ausstellungen im Archiv des Erzbistums München und Freising 10), München 2010.
- Julia M. Gruber, Präsentation auf internationaler Bühne. Der Eucharistische Weltkongress in München 1960, unveröffentlichte Zulassungsarbeit München 2008.
- Susanne Kornacker, Pro mundi vita - Für das Leben der Welt. Kardinal Joseph Wendel und der 37. Eucharistische Weltkongreß 1960 in München, in: Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte 45 (2000), 405-431.
- Peter Pfister (Hg.)/Guido Treffler (Red.), Für das Leben der Welt. Der Eucharistische Weltkongress 1960 in München, Regensburg 2010.
Quellen
- Richard Egenter (Hg.), Statio orbis. Eucharistischer Weltkongreß 1960 in München, München 1960.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Empfohlene Zitierweise
Michael Fellner, Eucharistischer Weltkongress in München, 31. Juli bis 7. August 1960, publiziert am 23.04.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Eucharistischer_Weltkongress_in_München,_31._Juli_bis_7._August_1960> (3.12.2024)