Bundeswehr
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Die Bundeswehr umfasst die Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland, die Bundeswehrverwaltung und weitere Organisationsbereiche. Sie wurde am 12. November 1955 offiziell gegründet, wobei die ersten Truppenkontingente erst im Folgejahr aufgestellt wurden, und untersteht der Befehls- und Kommandogewalt des Bundesverteidigungsministers. Stationierungsschwerpunkte des Heeres im bayerischen Raum lagen bzw. liegen beim Heer in Ostbayern, am Alpenrand und in Unterfranken, bei der Luftwaffe in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben. Neben Großverbänden waren in Bayern zahlreiche Truppenschulen stationiert. Diese sowie der Sitz der Wehrbereichsverwaltung VI (Bayern) trugen dazu bei, dass auch der Großraum München zu einem Stationierungsschwerpunkt der Bundeswehr erwuchs. Maßnahmen der sozialliberalen Koalition zur akademischen Ausbildung militärischer Führungskräfte führten u. a. 1973 zur Gründung der Universität der Bundeswehr in München. Die Bundeswehr wurde im Laufe der Zeit mehrfach umstrukturiert, was Standortschließungen, Umgliederungen und personelle Reduzierungen mit sich brachte, so unter Franz Josef Strauß, nach der Wiedervereinigung bzw. dem Ende des Ost-West-Konfliktes und im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr seit Beginn der Jahrtausendwende. Dies betraf auch die bayerischen Truppenteile. Infolge der Umfangsreduzierungen sind im Jahre 2013 in Bayern 50.700 Soldaten oder zivile Mitarbeiter der Bundeswehr stationiert; diese Zahl soll in den folgenden Jahren auf 31.000 verringert werden. Zählte Bayern bislang zu den Bundesländern mit überdurchschnittlicher Bundeswehrpräsenz, wird diese künftig dem Bundesdurchschnitt entsprechen.
Erste Überlegungen zur westdeutschen "Wiederbewaffnung"
Die westdeutsche Wiederbewaffnung folgte dem vom ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU, 1876-1967, Bundeskanzler 1949-1963) verfochtenen Ziel einer engen Westbindung. Integration war der Preis für den Zuwachs westdeutscher Souveränitätsrechte. Damit verkoppelten sich wachsende Einflussrechte der Bundesrepublik im Rahmen der entstehenden westeuropäischen Staatengemeinschaft und im westlichen Bündnis. Zur Zeit ihrer Gründung im Mai 1949 unterlag die Bundesrepublik noch den alliierten Demilitarisierungsbestimmungen; gleichzeitig belegte die desaströse moralische und materielle Bilanz von NS-Regime und Zweitem Weltkrieg den Wunsch der Bundesbürger nach "Normalität". So erklärte der junge CSU-Generalsekretär Franz Josef Strauß (CSU, 1915-1988, Bundesverteidigungsminister 1956-1962, Ministerpräsident 1978-1988) im Bundestagswahlkampf 1949: "Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen." Diese Meinung spiegelte eine auch in anderen Parteien verbreitete Stimmung im Nachkriegsdeutschland wider.
Mit dem im Juni 1950 ausbrechenden Koreakrieg wuchs demgegenüber das von großen Teilen der westdeutschen Bevölkerung und den westlichen Siegermächten gleichermaßen geteilte Gefühl der sowjetischen Bedrohung sowie die Einsicht, auch Westdeutschland an der Verteidigung "des Westens" zu beteiligen. Die im April 1949 gegründete Nordatlantische Vertragsorganisation (NATO) verfügte anfangs über eine Truppenzahl in Europa, die als viel zu gering bewertet wurde, um ein Gegengewicht zu den sowjetischen Streitkräften und den paramilitärischen Kräften der Kasernierten Volkspolizei in der Sowjetischen Besatzungszone und ab 1949 der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) darzustellen. Daher formulierte insbesondere die US-Regierung die Frage nach einem westdeutschen "Sicherheitsbeitrag". Das bot Bundeskanzler Adenauer die Gelegenheit, geschickt – und weder für die politische noch für die allgemeine Öffentlichkeit transparent – die Frage eines militärischen Beitrags der Bundesrepublik auf die Tagesordnung zu setzen.
Erste konkrete Planungen zu neuen westdeutschen Streitkräften erfolgten auf einer geheimen Tagung, die im Oktober 1950 im Eifelkloster Himmerod (Rheinland-Pfalz) stattfand. Als einflussreiche Mitglieder dieses kleinen Expertenkreises traten hier die Generalleutnante a.D. Hans Speidel (1900–1984) und Adolf Heusinger (1897-1982) hervor. Diese späteren "Gründungsväter" der Bundeswehr prägten bereits in Himmerod Konzepte, die dann in Verhandlungen mit den (prospektiven) Verbündeten und anschließend in die westdeutschen Streitkräfte Eingang finden sollten. Demgemäß sollten eventuelle westdeutsche Streitkräfte vor allem aus zwölf gepanzerten Heeresdivisionen bestehen, davon zwei in Bayern: eine im Raum des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr (Lkr. Neustadt a.d.Waldnaab), eine andere im Raum zwischen Regensburg und München.
Am Sitz der Hohen Kommission auf dem Petersberg bei Bonn (Nordrhein-Westfalen) sowie in Paris erfolgten zwischen 1951 und 1954 parallel laufende Verhandlungen zu einem militärischen Beitrag der Bundesrepublik für das westliche Bündnis. Um das befürchtete Aufleben eines deutschen Militarismus auszuschließen, war die Forderung nach fest ins westliche Bündnis integrierten Streitkräften die Prämisse für jede weitere Planung. Zunächst waren neue westdeutsche Streitkräfte als organisatorisch eng eingebundenes Kontingent in eine multinationale Armee der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) geplant – bis zum Scheitern dieser Pläne im französischen Parlament am 30. August 1950.
Aus bayerischer Sicht trat insbesondere die CSU engagiert in sicherheitspolitischen Fragen hervor. So übernahm Franz Josef Strauß im Juli 1952 den Vorsitz des Bundestagsausschusses, der über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu beraten hatte und der ab 1953 als Ausschuss für Fragen der europäischen Sicherheit firmierte. Der von seinem Fraktionskollegen Richard Jaeger (CSU, 1913-1998) in der prägenden Zeit von 1953 bis 1965 geleitete Ausschuss erhielt am 10. Januar 1956 die seitdem gültige Bezeichnung Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages. Auch später traten mit Friedrich Zimmermann (1925-2012) und Alfred Biehle (1926-2014) CSU-Parteimitglieder als Vorsitzende dieses Ausschusses hervor, wobei letzterer von 1990 bis 1995 auch als Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages amtierte. Zumindest in Teilen der bundesdeutschen Öffentlichkeit heftete sich damit (wenn auch nicht ausschließlich) eine gewisse landsmannschaftliche Konnotation an sicherheitspolitische Fragen: Antipoden fanden die prägenden Sicherheitspolitiker der Union in Fritz Erler (SPD, 1913-1967) und Helmut Schmidt (SPD, 1918-2015, Bundesverteidigungsminister 1969-1972, Bundeskanzler 1974-1982) sowie in der an Militärfragen anfangs hochinteressierten FDP.
Neben der engen Integration in das westliche Bündnis waren ihre Verankerung im demokratischen Rechtsstaat und in der pluralistischen Gesellschaft Prämissen für die Existenz der Bundeswehr. Als dem Primat der Politik unterstehende Parlamentsarmee und mit dem leitenden Konzept vom Staatsbürger in Uniform ("Konzept der Inneren Führung") sollte dieses Integrationsziel verwirklicht werden. Namentlich in der Anfangsphase der Bundeswehr wurde um die Ausgestaltung beider Konzepte heftig gerungen. Das erklärt auch die Verzögerungen beim Erlass der Wehrgesetzgebung, die in wesentlichen Bestimmungen erst im März/April 1956 - nach Aufstellungsbeginn der Streitkräfte - verabschiedet wurde. Das im Juli 1956 verabschiedete Wehrpflichtgesetz berücksichtigte die Forderung seitens der Alliierten wie der deutschen Militärexperten nach der bereits in Himmerod avisierten Kopfstärke von 500.000 Soldaten. Zudem propagierten die Befürworter der Bundeswehr die Wehrpflicht als Verankerung der Streitkräfte in der Bevölkerung und somit als demokratische Institution; dieser Meinung – prominent akzentuiert vom Bundespräsidenten Theodor Heuß (FDP, 1884-1963, Bundespräsident 1949-1959) und von Richard Jaeger – widersprach anfangs die SPD. Neben der Option einer Freiwilligenarmee oder der klassischen – und dann verwirklichten – Wehrpflichtarmee in vollpräsenten Verbänden wurde anfänglich auch über eine Milizlösung nachgedacht; diese Idee favorisierte etwa der bayerische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD, 1887-1980, Ministerpräsident 1945/46 und 1954-1957).
In der Bayerischen Staatskanzlei bestand seit April 1955 ein sog. Wehrreferat, das die Stationierungspläne aus Sicht der Landesregierung begleitete, so namentlich bei der Landbeschaffung für Kasernenneubauten und Übungsplätze. Dessen erster Leiter wurde Franz Pöschl (1917-2011) (bis er 1961 in die Bundeswehr als Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23 eintrat, um später zum Generalleutnant zu avancieren). Vom Ziel des Freistaates, den Aufbau der Bundeswehr mit dem eigenen Ziel der Wirtschaftsförderung, insbesondere im Zonenrandgebiet, zu verbinden, zeugt noch das 1976 verabschiedete Landesentwicklungsprogramm für Bayern.
Ungeachtet anfänglicher Mitsprachewünsche der Länder verankerte die Grundgesetzergänzung vom 26. März 1956 das Verteidigungsressort als ausschließliche Bundessache. Artikel 87 a des Grundgesetzes legt fest, dass der Bund Streitkräfte aufstellt. Artikel 87 b verankert die – von diesen militärischen Angehörigen der Bundeswehr klar getrennte – Bundeswehrverwaltung. Bei letzterer handelte es sich um eine "Bundes-Wehrverwaltung", was sie der Mitwirkung der Länder entzog. Planungen, ein sog. Organisationsgesetz zu verabschieden, in dem bei der Stationierung und der personellen Zusammensetzung auch landsmännische Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien, wurde nicht verwirklicht. Indessen entwickelten sich durchaus enge Verbindungen von Truppen und ihren Stationierungsorten, äußerlich besonders hervortretend – aber nicht nur - bei der Gebirgstruppe. Da die Bundeswehraufstellung massive infrastrukturelle Bau- und Erschließungsvorhaben beinhaltete, erfolgte eine Kooperation der Länder mit dem Bund, wobei die Wehrbereichsverwaltung VI (München) als Koordinationsstelle der Bundeswehrverwaltung auf Landesebene fungierte.
Personell rekrutierte sich ein ausgewählter, doch für die künftige Entwicklung der Bundeswehr entscheidender Personenkreis aus früheren Offizieren der Wehrmacht, die unter Obhut der US-Besatzungsmacht historische, militärische und nachrichtendienstliche Studien anstellten. Um angesichts des heraufziehenden Ost-West-Konflikts die Expertise der Wehrmacht abzugreifen, initiierte die US-Besatzungsmacht eine Aufarbeitung der deutschen militärischen Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Das bot eine der wenigen Beschäftigungsmöglichkeiten für ehemalige Berufssoldaten. Die zunächst im hessischen Lager (Stadt) Allendorf und Neustadt, dann in Karlsruhe ansässige "Operational History (German) Section" unterhielt eine Außenstelle in Garmisch. Zu den höheren Wehrmachtsoffizieren, die Ausarbeitungen über ihre Kampferfahrungen anfertigten, gehörte ein Personenkreis, der die Gestalt der künftigen Bundeswehr maßgeblich mitprägen sollte, so der erste Generalinspekteur Adolf Heusinger (Generalinspekteur 1957 bis 1961). Zudem verflocht sich diese Tätigkeit mit dem Aufbau der US-Nachrichtendienste. Die sog. Org(anisation) Gehlen (benannt nach Reinhard Gehlen, 1902-1979, Präsident des Bundesnachrichtendienstes 1956-1968), die Expertise für den US-Geheimdienst CIA (Central Intelligence Agency) bereitstellte, fand im Dezember 1947 ihren Standort in der ehemaligen "Rudolf-Heß-Siedlung" in Pullach bei München. Dort blieb der Dienstsitz der Behörde, die seit April 1956 als Bundesnachrichtendienst (BND) offiziell in Dienst gestellt wurde. Dabei verfügte sie mit dem "Amt für Militärkunde" stets über einen militärischen Anteil.
Zu seinem Beauftragten für Sicherheitsfragen ernannte der Bundeskanzler den Gewerkschafter Theodor Blank (CDU, 1905-1972, Bundesverteidigungsminister 1955-1956), der die Vor- und Anfangsgeschichte der Bundeswehr von Oktober 1950 bis Oktober 1956 verantwortete. Zu seiner persönlichen Tragik gehörte, dass er während der sehr wechselhaften Vorplanungsphase im "Amt Blank" (dem späteren Bundesministerium der Verteidigung) bis Juni 1955 auf seine Ernennung zum Minister warten musste und diesen Posten kaum 17 Monate später räumen musste. Der Grund hierfür lag in den letztlich unrealistischen Aufstellungsplanungen, die die Bundesregierung im Drang nach Souveränitätsrechten den westlichen Alliierten versprochen hatte, ohne dass die Voraussetzungen hierfür bestanden. Im Oktober 1956 ersetzte Adenauer Blank durch dessen Konkurrenten Strauß. Dieser war seit 1953 als Minister für Besondere Aufgaben im Kabinett vertreten gewesen und hatte im Oktober 1955 das Ressort des Bundesministers für Atomfragen übernommen. Seitdem führte er auch den Vorsitz über den gleichzeitig eingerichteten Bundesverteidigungsrat (ab 1969 Bundessicherheitsrat), der als Kontroll- und Koordinationsgremium des Kabinetts diente und damit wiederholt Gelegenheit zur Kritik an Blank geboten hatte. Nach seiner Amtsübernahme veränderte Strauß die bisherigen Planungen drastisch.
Die offizielle Geburtsstunde der Bundeswehr schlug nach fünfjähriger Vorarbeit am 12. November 1955. Die Truppenteile wurden jedoch erst ab Mitte des folgenden Jahres aufgestellt. Zudem optierten zum 1. Juli 1956 rund 10.000 Männer aus dem Bundesgrenzschutz (BGS) für eine Überführung in die Bundeswehr. Aus dem Personalstamm der "Grenzschutzgruppe Süd" in München ging die 4. Panzergrenadierdivision (zwischenzeitlich als Vierte Jägerdivision bezeichnet) hervor, die ihren Stationierungsraum in Ostbayern erhielt. Die weiteren Stationierungsschwerpunkte des Heeres lagen mit den Verbänden der Gebirgsdivision am Alpenrand sowie in Unterfranken mit der 12. Panzerdivision Veitshöchheim (Lkr. Würzburg). In Oberbayern und in Bayerisch-Schwaben wurden zudem zahlreiche Luftwaffenstandorte eingerichtet.
Die Ära Strauß 1956 bis 1962
Die Infrastrukturlage der Bundeswehr im Aufbau war zunächst prekär. Insbesondere im Süden der Bundesrepublik war die Masse der früheren Wehrmacht-Kasernen in hohem Maße durch Heimatvertriebene oder Displaced Persons (DPs) belegt oder aber sie wurden von den Besatzungstruppen genutzt, deren Stationierungsdichte in der US-Besatzungszone deutlich höher war als im Norden der Bundesrepublik.
Infolge von gesetzlichen, finanziellen, organisatorischen und infrastrukturellen Hemmnissen geriet die auf nur drei bis vier Jahre veranschlagte Aufstellung der Bundeswehr 1956 in eine schwere Krise. Zudem veränderten sich bis zur Mitte der 1950er Jahre die strategischen Rahmenbedingungen. In der ersten Planungsphase zur Gestalt der künftigen westdeutschen Streitkräfte (die erst ab Februar 1956 den Namen "Bundeswehr" erhielten) hatten vor allem Heeresverbände gestanden. Dass diese Ausrichtung bald obsolet wurde, hatte insbesondere für Bayern militärisch-infrastrukturelle Folgen. Mit seinem Regierungsantritt als Präsident der Vereinigten Staaten verfolgte Dwight D. Eisenhower (1890-1969, US-Präsident 1953-1961) seit Anfang 1953 eine zunehmend auf Nuklearwaffen ausgerichtete Abschreckungsstrategie, die auch durch die Gremien der NATO geteilt wurde. Im Rahmen der "Schild-Schwert-Strategie" (gemeinhin als "Massive Vergeltung" bezeichnet) kam der Bundeswehr die Rolle des mit konventionellen Waffen versehenen "Schildes" zu, der freilich kaum mehr als einen Stolperdraht für den Einsatz (vornehmlich US-amerikanischer) luftgestützter Nuklearwaffen dargestellt hätte. Um an dieser strategischen Entwicklung teilzuhaben, stand in den späten 1950er Jahren der Aufbau einer bundesdeutschen Luftwaffe im Vordergrund. Deren Aufgabe war die Befähigung zum nuklearen "Strike", wobei sich die nuklearen Gefechtsköpfe nach wie vor in der Obhut der US-Streitkräfte befanden und nur nach Freigabe des US-Präsidenten bzw. infolge Ermächtigung (pre-delegation) durch den Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) hätten eingesetzt werden dürfen. Die gesamten Verbände jedoch – eines Jagdbombergeschwaders oder Flugkörpergeschwaders – waren personell und materiell auf diese nukleare Rolle vorbereitet, phasenweise in Hauptfunktion.
Die Aufstellungskrise führte im Oktober 1956 zur Ablösung Blanks im Amt des Bundesverteidigungsministers. Ihm folgte Franz Josef Strauß, der bereits zuvor als Bundesminister für Besondere Aufgaben (1953–1955), dann als Bundesminister für Atomfragen (1955–1956) und gleichzeitig als Vorsitzender des Bundesverteidigungsrates (ab 1969 umbenannt in Bundessicherheitsrat) zu den schärfsten Kritikern Blanks gehört hatte.
Mit der Amtszeit Strauß' als Verteidigungsminister verband sich die Förderung der Rüstungsindustrie in der Bundesrepublik. In Bayern bestimmte sie an den Standorten München (z. B. Kraus-Maffei, heute Kraus-Maffei-Wegmann sowie Rüstungskooperationen des Siemens-Konzerns), Ottobrunn (Lkr. München) (Messerschmidt-Bölkow-Blohm, seit 2000 Teil des Konzerns EADS), Nürnberg (Diehl) und an anderen Standorten maßgeblich die Wirtschaftsstruktur des Freistaates mit. Dabei strahlte die Bundeswehr mit ihren Produkten und Dienstleistungen auf dem Hochtechnologiesektor auf den Freistaat insgesamt aus, da sich militärische und zivile Nutzung nicht immer trennscharf abgrenzen ließ.
Die Amtszeit Strauß' als Verteidigungsminister fiel zusammen mit dem personellen Aufwuchs von 67.000 Soldaten im Jahr 1956 auf 120.000 im Folgejahr und auf 390.000 im Jahr 1962. Verbunden damit war eine rasant beschleunigte Beschaffungstätigkeit für Kasernen und militärische Infrastruktur sowie für die Ausstattung der Truppenteile mit Waffen und Gerät. Angesichts der anfangs oft noch unklaren Verhältnisse im Rüstungsgüterbeschaffungswesen geriet die Beschaffungstätigkeit des Verteidigungsministeriums in der Ära Strauß in den Ruch von Skandalen: Zu ihnen gehörte die "Onkel-Aloys-Affäre" zu Provisionen bei Rüstungsgeschäften, die Fibag-Affäre zu Wohnungsbaumaßnahmen für die US-Armee, die HS-30-Affäre über die Beschaffung eines nicht ausgereiften Schützenpanzers in Großserie verbunden mit Bestechungsvorwürfen. Diese vom Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" mit dessen Chefredakteur Rudolf Augstein (1923-2002) publizistisch ausgeschlachteten Affären bereiteten die Spiegel-Affäre vor, die im Oktober eskalierte und letztlich zum Rücktritt Strauß' führte. Im Hintergrund standen hier die auf Betreiben der Bundesregierung eingeschränkte Pressefreiheit hinsichtlich eines Presseartikels, der den Zustand der Bundeswehr – zutreffend – als "bedingt abwehrbereit" beschrieben und dabei explizit auf die nuklearen Planungen verwiesen hatte. Indirekt beschädigte die Affäre auch die Autorität und den Regierungsstil des Kanzlers und leitete somit das Ende der Ära Adenauer ein. Ein weiteres von Strauß mit Hochdruck betriebenes Beschaffungsvorhaben, der Hochleistungsjagdbomber F-104 G "Starfighter", bedeutete für die Luftwaffe eine erhebliche Leistungssteigerung, verband sich aber mit zahlreichen Abstürzen, die sich auf ein komplexes Ursachengeflecht aus technischen und organisatorischen Unzulänglichkeiten innerhalb der Bundeswehr sowie einer geringen Eignung des Flugzeugs für alle ihm zugedachten Einsatzrollen (z. B. als Jagdflugzeug) zurückführen lassen.
Aufbau und Umbau der Bundeswehr, 1956 bis 1970
Strauß veranlasste unmittelbar nach Amtsantritt eine einschneidende Umorganisation der Bundeswehr, die auch deren Präsenz in Bayern bis zur Jahrtausendwende prägte. Die Ende 1956 verordnete radikale Reduktion des Heeresumfangs wirkte sich wiederum auf die Struktur der in Bayern beheimateten Großverbände aus. Zur Kosteneinsparung wurden statt zweier zuvor geplanter, gepanzerter Divisionen nun zwei Großverbände für Gebirgs- und Luftlandetruppen aufgestellt. Die 1. (9.) Luftlandedivision besaß anfangs auch einige Truppenteile in Kempten; die 1. (8.) Gebirgsdivision blieb ausschließlich im Freistaat. Insbesondere sie war nicht zuletzt auf das Betreiben Franz Josef Strauß' hin gebildet worden.
Zum April 1957 wurden die ersten Rekruten auf Basis einer Allgemeinen Wehrpflicht (Wehrpflichtgesetz [WPflG], 21. Juli 1956) eingezogen. Die problematischen Bedingungen für deren Ausbildung verdeutlicht das sog. Iller-Unglück bei Hirschdorf (Lkr. Kempten). Nicht zuletzt auf Ausbildungsmängel und mangelnde Dienstaufsicht war es zurückzuführen, dass am 3. Juni 1957 15 Rekruten der Fallschirmjägertruppe bei einem unvorsichtigen Gewässerübergang in der Iller ertranken. Das Luftlandejägerbataillon 19, dem sie angehörten, wurde 1959 als Fallschirmjägerbataillon 262 nach Bad Bergzabern (Rheinland-Pfalz) verlegt.
Auch anderswo verband sich die Aufbauzeit der Bundeswehr mit hoher organisatorischer Fluktuation. So wurden etwa zwei gepanzerte Brigaden (Kampfgruppen) in Hohenfels (Lkr. Neumarkt i.d. Oberpfalz) und Grafenwöhr (Lkr. Neumarkt i.d. Oberpfalz) aufgestellt, um im März 1957 zur Aufstellung der in Koblenz (Rheinland-Pfalz) und Wetzlar (Hessen) beheimateten 5. Division verlegt zu werden. Den Kern der 4. Panzergrenadierdivision bildeten Infanteriekampfgruppen in Weiden (später: Panzergrenadierbrigade 10) und Bogen (Lkr. Straubing-Bogen, später: Panzergrenadierbrigade 11). Zu ihnen kam später die Panzerbrigade 12 in Amberg. Zwei Gebirgskampfgruppen in Mittenwald (Lkr. Garmisch-Partenkirchen, später: Gebirgsjägerbrigade 22) und Bad Reichenhall (Lkr. Berchtesgadener Land, später: Gebirgsjägerbrigade 23) bildeten zunächst den Kern der 1. (8.) Gebirgsdivision. Zu ihr gehörte ab 1959 auch die Panzerbrigade 24 (zwischenzeitlich Panzergrenadierbrigade). Der Stab der 1956 ins Leben gerufenen Gebirgsdivision lag bis 1960 in Mittenwald, danach in Garmisch-Partenkirchen.
Neben den Großverbänden waren in Bayern zahlreiche Truppenschulen stationiert. Hier erfolgte ein wesentlicher Teil der Unteroffizier- und Fachausbildung der jeweiligen Truppengattungen des Heeres, sodass sie in mancher Hinsicht als die Heimat der Truppengattungen angesehen wurden. Am selben Standort der jeweiligen Schule befand sich zudem auch ein Lehrtruppenteil, meist in Bataillonsgröße. Die "Gebirgs- und Winterkampfschule" besteht seit 1956 in Mittenwald, die Luftlande- und Lufttransportschule wurde 1958 in Altenstadt (Lkr. Weilheim-Schongau) aufgestellt (Ende 2012 aufgelöst). Die ABC-Abwehrschule (also Schule für die Abwehr von nuklearen, chemischen und biologischen Kampfmitteln) existierte seit 1957 in der ehemaligen NS-Ordensburg Sonthofen (Lkr. Oberallgäu), in der ab 1947 eine Schulungsstätte der US-Militärpolizei untergebracht war. Hier zog 1956 die Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr ein; parallel dazu erfolgten in der ersten Aufbauzeit der Bundeswehr Lehrgänge für deren gesamtes Führungspersonal. Im August 1956 wurde die Fernmeldeschule des Heeres in Feldafing (Lkr. Starnberg) errichtet. Die Infanterieschule befindet sich seit 1958 in Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen).
Auch in München wurden Truppenschulen eingerichtet. Sie erweiterten im Laufe der Zeit ihr Profil um ein akademisches. Ab März 1956 nahm hier die Pionierschule ihren Betrieb auf. 1966 erhielt sie die Zusatzbezeichnung "Akademie des Heeres für Ingenieurbau"; 1972 wurde sie zur "Pionierschule und Fachschule des Heeres für Bautechnik". Die 1956 in Degerndorf (Lkr. Rosenheim) aufgestellte "Sanitätstruppenschule des Heeres" wurde im Folgejahr ebenfalls nach München verlegt, wo sie sich 1959 zur "Sanitätsschule der Bundeswehr" erweiterte. Ihr akademisches Profil äußerte sich 1963 in der Umbenennung zur "Akademie des Sanitäts- und Gesundheitswesens der Bundeswehr"; seit 1997 heißt sie "Sanitätsakademie der Bundeswehr". Ebenso in München untergebracht waren von 1958 bis 1974 die "Heeresoffizierschule III" und von 1971 bis 1980 die Fachhochschule des Heeres.
Seit Ende der 1950er Jahre war die Bundeswehr in Bayern auch mit der Luftwaffe vertreten. Große Teile des Luftwaffenausbildungsregiments befanden sich in Roth, während sich die Offizierschule der Luftwaffe von 1958 bis 1977 in Neubiberg (Lkr. München) befand, bevor sie 1977 nach Fürstenfeldbruck verlegt wurde. Am früheren Standort nahm 1973 die "Hochschule der Bundeswehr" (1985 umbenannt in "Universität der Bundeswehr München") ihren Lehrbetrieb auf. Diese Um- und Neugliederungen spiegeln auch die seit Amtsantritt der sozialliberalen Koalition 1969 initiierten Maßnahmen zur akademischen Ausbildung der militärischen Führungskräfte wider.
Der sich Anfang der 1960er Jahre anbahnende Strategiewechsel äußerte sich in der Forderung der US-Regierung seit Amtsantritt des Präsidenten John F. Kennedy (1917-1963, US-Präsident 1961-1963) nach mehr konventionellen Kräften in Mitteleuropa, um die Schwelle für einen möglichen Nukleareinsatz zu heben. Insbesondere an die Bundeswehr richtete sich die Forderung der USA und der NATO, ihre Zusage nach einer 500.000-Mann-Armee einzuhalten. Angesichts der Aufstellungsschwierigkeiten und der mittlerweile infolge der Wehrpflicht angewachsenen Zahl an gedienten Reservisten führte dies zum Aufbau von Heimatschutzverbänden. Diese personalstarken, dafür mobilisierungsabhängigen Heeresverbände gewannen im Laufe der 1960er Jahre an Bedeutung. Hierzu führte der Wehrbereich VI in München mit seinen Verteidigungsbezirkskommandos auf Regierungsbezirksebene die Truppenteile des Territorialheeres. Zu den wichtigsten Heimatschutzverbänden in Bayern gehörte die 56. Heimatschutzbrigade in Neuburg a. d. Donau (Lkr. Neuburg-Schrobenhausen), die hinsichtlich Ausrüstung und Gliederung die Kampfkraft eines Großverbandes des Feldheeres erreichte.
Die Betonung der nuklearen Abschreckung in Strauß' Amtszeit als Verteidigungsminister spiegelt sich in einer verstärkten Bedeutung der Luftwaffe wider. Sowohl die fliegenden Verbände als auch die Luftverteidigung waren bezüglich der Einsatzplanung eng in die NATO integriert. Bis auf zwei deutsche Flugabwehrraketen-Bataillone im Raum München (Rohr und Erding) wurde der vordere Luftverteidigungsgürtel im Süden der Bundesrepublik durch US-amerikanische Flugabwehrverbände geschützt; zum dahinter liegenden Luftverteidigungsgürtel mit weiter reichenden Waffen gehörte ein Bataillon in Lindau.
Aufgrund der geforderten Reaktionszeiten wurden die fliegenden Verbände vorzugsweise in größerer Entfernung zum "Eisernen Vorhang" stationiert. Namentlich im Südwesten Bayerns ergab sich so eine sehr hohe Dichte an fliegenden Verbänden. Die fliegerischen Ausbildungsverbände erwuchsen auf Fliegerhorsten, die zuvor (und anfangs noch parallel) von der U.S. Air Force genutzt wurden; aus diesem Anlehnungsverhältnis ergab sich bereits infrastrukturell eine erhöhte Dichte verfügbarer Fliegerhorste und Ausbildungsstätten für die junge bundesdeutsche Luftwaffe in Bayern. Die "Flugzeugführerschule A" für die fliegerische Erstausbildung nahm ihren Dienst 1956 in Landsberg am Lech auf und bestand bis 1966. Die "Flugzeugführerschule B" für die Schulung auf Strahlflugzeugen bestand vom selben Zeitpunkt an bis 1964 in Fürstenfeldbruck. Ab Mitte der 1960er Jahre wurde die fliegerische Ausbildung vollständig dem Deutschen Luftwaffenkommando USA/Kanada übertragen. Dafür fusionierte die "Flugzeugführerschule B" am Standort Fürstenfeldbruck mit der Waffenschule der Luftwaffe für die Aufklärungsflieger, die ihren Betrieb Anfang 1958 in Erding aufgenommen hatte. Dort wurden zwischen 1959 und 1962 die Aufklärungsgeschwader der Luftwaffe aufgestellt, bis sie auf ihre jeweiligen Fliegerhorste verlegt wurden.
Als Teil der Luftverteidigung wurde 1961 das Jagdgeschwader 74 in Neuburg a.d.Donau aufgestellt. Drei Jagdbombergeschwader befanden sich in Leipheim (Lkr. Günzburg), Lechfeld (Lkr. Landsberg am Lech) und Memmingen. Den letztgenannten Standort bezog 1958 das Jagdbombergeschwader 34. In Lagerlechfeld (Lkr. Augsburg) bestand ab 1958 das Jagdbombergeschwader 32. In den Jahren 1960/61 wurde das Aufklärungsgeschwader 53 nach Leipheim verlegt. In Neubiberg war zunächst das Lufttransportgeschwader 61 stationiert, das dann nach Penzing (Lkr. Landsberg am Lech) überführt wurde. Aufgabe der Jagdbombergeschwader war es, die nukleare Abschreckung durch die Befähigung zum nuklearen "strike" sicherzustellen. Hierzu war auch das mit der Rakete "Pershing 1" ausgerüstete "Flugkörpergeschwader 1" in Kaufbeuren und Landsberg vorgesehen, das seit 1962 aufgestellt wurde. In Kaufbeuren und in Lagerlechfeld befanden sich ab 1956/57 auch die Technische Schule der Luftwaffe I und II. Ferner unterhielt die Luftwaffe Aufklärungsstationen auf dem Schneeberg im Fichtelgebirge, in Burglengenfeld (Lrk. Schwandorf), auf dem Hohen Bogen im Bayerischen Wald und in Freising.
Infrastruktur und Landesentwicklung
Die Bundeswehr benötigte zu ihrem Aufbau zwei Jahrzehnte. Mitte der 1960er Jahre unterhielt sie in Bayern 65 Garnisonen von insgesamt 357 in der gesamten Bundesrepublik. Der personelle Aufwuchs der Bundeswehr verlangsamte sich nach Beendigung der rasanten Aufbauphase ab 1965, vollzog sich jedoch bis Anfang der 1970er Jahre weiter. Im Mai 1978 umfasste die Bundeswehr in Bayern rund 130.000 Personen, davon 97.000 Soldaten. Im Gegensatz zu den Streitkräften (mit Ausnahme einiger weniger weiblicher Sanitätsoffiziere seit 1976) war das Zivilpersonal der Bundeswehr zu einem Viertel weiblich. 1967 besaß die Bundeswehr 170.000 Hektar Land in Westdeutschland, davon 27.306 Hektar in Bayern. Hiervon entfielen (im Bundesdurchschnitt) rund 7,5 % auf die Kasernenanlagen und 74 % auf das Gelände der Übungs- und Schießplätze. Neben dem in deutscher Obhut betriebenen Truppenübungsplatz Hammelburg befanden sich zusätzlich die drei großen Truppenübungsplätze Grafenwöhr, Hohenfels und Wildflecken (Lkr. Bad Kissingen) in Bayern. Diese wurden zwar von der US-Armee betrieben, standen aber auch für Übungsvorhaben der Bundeswehr zur Verfügung. Insgesamt umfassten die 74.360 Hektar militärisch genutzter Fläche 1,054 % der Fläche des Freistaats.
Das Landesentwicklungsprogramm für Bayern von 1976 favorisierte die Ansiedlung von Garnisonen dort, wo man sich eine Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse erwartete, insbesondere in strukturschwachen Gebieten. Das kam den militärisch bedingten Stationierungsanforderungen insofern entgegen, als dass in Ostbayern am Eisernen Vorhang im Rahmen der angestrebten "Vorneverteidigung" die Masse der insgesamt 40 neuen Standorte im Freistaat eingerichtet wurde.
Durch die Bundeswehr veränderten sich die soziodemographischen Verhältnisse: Nur rund ein Viertel der Soldaten stammte aus der näheren Region der Standorte. Das veränderte nicht nur die demographischen, sondern auch die konfessionellen Verhältnisse vor Ort mitunter erheblich. Namentlich in den kleineren Garnisonsstädten führte der rasche Bevölkerungsanstieg zu Anpassungsprozessen, teils auch zu Problemen. Neben der konfessionellen Durchmischung mancher rasch errichteter "Bundeswehrghettos" für Soldatenfamilien abseits der gewachsenen Ortsstrukturen betraf dies den Bedarf für öffentliche Dienstleistungen von Schulplätzen bis zur Infrastruktur für Verkehr, Sport-, Gesundheits- und Schuleinrichtungen, Müll- und Abwasserentsorgung, die seitens der Gemeinden zusätzlich zu errichten waren. Für die Nutzung der örtlichen Infrastruktur durch den Bund und seine Streitkräfte flossen Bundesausgleichszahlungen.
Die Bundeswehr wirkte somit als Wirtschaftsfaktor. Die Stationierung führte gerade bei Konsumgütern zu einem Nachfrageeffekt an den Stationierungsorten; gleichwohl wurde ein erheblicher Teil der Dienstbezüge oder des Wehrsoldes der Wochenendpendler an anderen Orten verbraucht. Bauaufträge förderten die Regionalwirtschaft zumeist nur in der Hochphase des Neubaus; für die lokalen Gemeinden verblieben somit nur die Maßnahmen im Rahmen des kleinen Bauunterhalts der Militärliegenschaften. Die intendierten Ziele der Wirtschaftsförderung wurden demnach nur teilweise verwirklicht. Auch die beabsichtigte Bevorzugung der Zonenrandgebiete relativierte sich somit, obwohl die Präsenz der Bundeswehr durchaus strukturfördernd wirkte, als ein Faktor unter mehreren.
Einsatzszenarien und Übungen
Anders als die taktisch bereits auf niedriger Ebene in die NATO-Führung integrierten Luftwaffenverbände blieben die Heeresgroßverbände bis zur Ebene des Korps (mit jeweils 3 bis 4 Divisionen) in ihrer Führung national-homogen. Besonders auf deutschen Wunsch hin übernahm die NATO das Konzept einer möglichst grenznahen "Vorneverteidigung". In Ermangelung konventioneller Kräfte wäre die Bundesrepublik – bei Versagen der Abschreckung – im Jahr 1957 noch ostwärts des Rheins verteidigt worden, ab 1963 ab der Weser-Lech-Linie. Ab 1969 sahen die "Emergency Defense Plans" (später: General Defense Plans) der Bündnisverteidigung Stellungen rund 30 km westlich (oder südlich) der Grenzen zur DDR und Tschechoslowakei vor.
Im Rahmen der sog. Schichttorte waren die Verbände des in Ulm (Baden-Württemberg) stationierten II. Korps zur Verteidigung Ostbayerns zwischen der Österreichischen Grenze und dem Bayerischen Wald vorgesehen. Zu diesem Großverband gehörten die 1. (8.) Gebirgs- und die 4. Panzergrenadier-/Jägerdivision. Dahinter sollte die in Baden-Württemberg stationierte 10. Panzerdivision als Reserve dienen, so wie auch Teile der Luftlandedivision. Weiter nördlich hatten die beiden US-amerikanischen V. und VII. Korps vorgesehene Verteidigungsräume. Daran schloss sich im Raum Unterfranken/Osthessen das deutsche III. Korps an, zu dem in Friedenszeiten auch die 12. Panzerdivision gehörte. Der Aufbau dieses 1961 in Tauberbischofsheim (Baden-Württemberg) in Dienst gestellten Großverbandes endete im April 1965. Mittlerweile nach Veitshöchheim übersiedelt, wurde sie als letzte der zwölf deutschen Heeresdivisionen der NATO unterstellt, womit das dem westlichen Bündnis versprochene Umfangsziel erfüllt war. Die zunächst nur zwei Brigaden waren in Unterfranken (Panzergrenadierbrigade 35 Hammelburg) sowie im Grenzgebiet zwischen den ostfränkischen Regionen Baden-Württembergs, Unter- und Mittelfranken (Panzerbrigade 36 Bad Mergentheim) stationiert.
Der seit 1961 von der Regierung John F. Kennedys geforderte erneute Strategiewechsel hin zu einer stärkeren Betonung konventioneller Kräfte wurde 1968 als NATO-Strategie der "Flexible Response" verabschiedet. Hierzu wurde das Leipheimer Aufklärungsgeschwader 1965 zum leichten Kampfgeschwader (später Jagdbombergeschwader) 44 umgegliedert. Auch differenzierte die Bundeswehrplanung das Profil zwischen gepanzerten und infanteriestarken Heeresverbänden stärker aus, weshalb die in Regensburg stationierte Division zwischen 1970 und 1980 als 4. Jägerdivision firmierte. Allerdings zeigte sich die nach wie vor auf gepanzerte Kräfte ausgerichtete Konzeption des bundesdeutschen Heeres auch an den Verbänden der Gebirgsdivision. Mit der Heeresstruktur 4 verfügte nur mehr deren Gebirgsbrigade 23 über Gebirgsjäger mit der Befähigung zum Kampf im Hochgebirge. Dagegen wurde die Gebirgsbrigade 22 in Mittenwald zur Panzergrenadierbrigade 22 mit Standort in Murnau (Lkr. Garmisch-Patenkirchen) umgegliedert. Die ebenfalls zur Gebirgsdivision gehörige Panzerbrigade 24 verblieb in Landshut. Neben dem Hauptauftrag einer Verteidigung am Bayerischen Wald hätte die Gebirgsdivision auch den Auftrag gehabt, einen Vorstoß der Truppen des Warschauer-Paktes durch das neutrale Österreich hindurch zu verhindern.
Die Großübungen der Bundeswehr dienten der Einübung von Verfahren und Bewegungsabläufen im Großverbandsrahmen, wobei mehrere zehntausend Soldaten und Fahrzeuge zum Einsatz gelangten. Eine besondere Sensibilität erlangte das Manöver "Schwarzer Löwe", das vom 15. bis 21. September 1968 stattfand. Zunächst sollte es in Ostbayern abgehalten werden, doch aufgrund der unmittelbar vorangehenden Krise, die der Einmarsch von Truppen des Warschauer-Paktes in die Tschechoslowakei am 21. August 1968 ausgelöst hatte, wurde der Schauplatz der Großübung rund 200 km weiter nach Westen verschoben. Als zusätzliche Belastung erwies sich darüber hinaus, dass die Gebirgsdivision (mit einer Brigade der 4. Division) die Beobachtung und Sicherung des östlichen Grenzgebietes übernehmen musste.
Seit 1969 wurde mit den "Reforger-Manövern" (Return of Forces to Germany) eine Verlegung von US-Truppen über den Atlantik nach Deutschland geübt. Diese beinhaltete auch eine Verlegung von den großen Flugplätzen "Ramstein Air Base" und "US Army Airfield AAF Stuttgart" in die vorgesehenen Übungs- und (eventuellen Einsatz-)Räume in Franken und Ostbayern. Die 1987 durchgeführte Großübung "Kecker Spatz" diente auch als Signal für die deutsch-französische Kooperation.
Umbruch nach dem Ende des Ost-West-Konflikts
Die sicherheitspolitischen Umwälzungen im Gefolge des Berliner Mauerfalls von 1989 zogen zwei Jahre später die Auflösung des Warschauer-Paktes sowie umfangreiche Abrüstungsmaßnahmen auf Seiten der Bundeswehr nach sich. Der mit der deutschen Einheit verbundene Zwei-plus-Vier-Vertrag legte als Höchstgrenze für gesamtdeutsche Streitkräfte die Kopfzahl von 370.000 Soldaten fest. Von den zahlreichen Außerdienststellungen und Umgliederungen von Bundeswehrverbänden war auch Bayern betroffen.
Im März 1994 wurden die 12. Panzerdivision in Veitshöchheim und die beiden gepanzerten Brigaden der Gebirgsdivision außer Dienst gestellt. Die historisch mit dem Freistaat eng verbundene Gebirgsdivision selbst wurde am 30. September 2001 aufgelöst. Nach wie vor besteht indessen deren Gebirgsbrigade 23 an ihren Stationierungsschwerpunkten Bad Reichenhall-Bischofswiesen und Mittenwald. Die 2001 aufgelöste 4. Panzergrenadierdivision in Regensburg wurde dagegen zusammen mit der ebenfalls aufgelösten Luftlandedivision in das Konstrukt der "4. Division/Kommando Luftbewegliche Kräfte" umgegliedert und im Jahr 2011 nach Stadtallendorf (Hessen) verlegt.
Die zahlreichen Standortschließungen und Umgliederungen, die sowohl Heer und Luftwaffe als auch die weiteren Organisationsbereiche betrafen, wurden an den Standorten genauso wie der vor Ort oft gepflegte Traditionszusammenhang mit den Garnisonstädten bedauert, teils auch kritisiert. Namentlich die Auflösung der Gebirgsdivision stieß auf deutliche Kritik im Freistaat.
Tradition der Bundeswehr in der Diskussion
Die oft bewusst gepflegten Partnerschaften zwischen Bundeswehr und den Gemeinden boten Anknüpfungspunkte. Über lokale und landsmannschaftliche Verbundenheiten hinweg wurde die Bundeswehr als Vertreterin aller deutschen Streitkräfte wahrgenommen, insbesondere bei der Gebirgs- und Fallschirmjägertruppe sowie bei den Jagdfliegern der Luftwaffe. Noch in der Aufbauzeit der Bundeswehr erschienen den handelnden Personen Namensgebungen mit Verweis auf die Wehrmacht als weitgehend unproblematisch, soweit das NS-Regime als solches nicht in Erscheinung trat. Diese auf rein soldatische Werte rekurrierende Sichtweise geriet seit den 1990er Jahren zunehmend in die Kritik. Zuerst in der geschichtswissenschaftlichen Forschung, dann auch in den Medien, im politisch-parlamentarischen Raum und auch innerhalb der Bundeswehr verstärkte sich die Erkenntnis, in welchem Maße die Wehrmacht für den rassenideologischen Vernichtungskrieg des NS-Regimes instrumentalisiert worden war. Namentlich die vom Hamburger Institut für Sozialforschung entwickelte Wanderausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht" verbreitete zwischen 1995 und 1999 eine pointierte Sichtweise, die - wiewohl später quellenkritisch revidiert - wesentliche Ergebnisse der geschichtswissenschaftlichen Forschung verarbeitete. Gleichzeitig verstärkte sich die Kritik an Namen von Kasernen oder Truppenteilen, die auf Angehörige der Wehrmacht Bezug nahmen ohne mit dem zwischenzeitlich fortentwickelten Traditionsverständnis der Bundeswehr vereinbar zu sein. In diesem Zusammenhang steht die Kritik an der "falschen Glorie", bei der die Bundeswehr unkritisch an die Wehrmacht anknüpft, so etwa hinsichtlich der Gedenkfeiern auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald zu Ehren der Toten der Gebirgstruppe.
Kontrovers diskutiert wurden Namensgebungen der Gebirgstruppe, die Mitte der 1960er Jahre, durchaus im Sinne des damaligen Traditionsverständnisses, erfolgt waren: Im Jahr 1995 wurden auf Beschluss des damaligen Verteidigungsministers Volker Rühe (CDU, geb. 1942, Bundesverteidigungsminister 1992-1998) die "General-Kübler-Kaserne" in Mittenwald (1964 benannt nach Ludwig Kübler [1889-1947], 1947 in Jugoslawien hingerichtet) und die "Generaloberst-Dietl-Kaserne" in Füssen (1964 benannt nach Eduard Dietl [1890-1944]) umbenannt; seitdem heißen sie "Karwendel-Kaserne" beziehungsweise "Allgäu-Kaserne". Auch in jüngerer Zeit wurden Kasernen umbenannt, so etwa 2012 die "General-Konrad-Kaserne" in Bad Reichenhall (1966-2012, benannt nach Rudolf Konrad [1891-1964]) in "Hochstaufen-Kaserne". Im selben Zusammenhang steht die in Kreisen der Luftwaffe hoch umstrittene Entscheidung von 2005, dem Jagdgeschwader 74 in Neuburg a.d.Donau seinen 1973 verliehenen Traditionsnamen "Mölders" abzuerkennen, da ein Bundestagsbeschluss früheren Angehörigen der im Spanischen Bürgerkrieg eingesetzten "Legion Condor" kein weiteres ehrendes Gedenken zubilligt (benannt war sie nach Werner Mölders [1913-1941]). Umgekehrt wurde die Kaserne der Luftlande- und Lufttransportschule in Altenstadt 1993 in "Franz-Josef-Strauß-Kaserne" umbenannt. Auch erhielten Verbände Namenszusätze, die auf die Verbundenheit mit der Region hinwiesen: So führte das Memminger Jagdbombergeschwader von Mai 1992 bis zu seiner Auflösung 2003 den Traditionsnamen "Allgäu", so die Panzerbrigade 36 seit 2000 den Zusatz "Mainfranken", bis auch sie zwei Jahre später außer Dienst gestellt wurde.
Stationierungsplanung seit Oktober 2011
Die "Transformation" der 2000er Jahre, die seit 2010 unter dem Stichwort "Neuausrichtung" weitergeführt wird, verbindet sich mit weiteren Standortschließungen und Umorganisationen. So wurde im Jahre 2002 das Sanitätsamt der Bundeswehr von Bonn nach München verlegt, 2013 als solches aber aufgelöst. Die erforderliche Ausbildung für die Auslandseinsätze der Bundeswehr zeigt sich in Bayern etwa im seit 2006 bestehenden Zentrum für Einsatzausbildung und Übungen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, das als Teil der Sanitätsakademie im niederbayerischen Feldkirchen (Lkr. Straubing-Bogen) eingerichtet wurde. Bereits im Herbst 1999 wurde als Bestandteil der Infanterieschule in Hammelburg das VN-Ausbildungszentrum der Bundeswehr eingerichtet, in dem die zentrale Vorausbildung für UN-Missionen der Bundeswehr erfolgt. Weitere Standortveränderungen ergaben sich Anfang 2009, als die "Pionierschule und Fachschule des Heeres für Bautechnik" von München nach Ingolstadt und die "Schule für Feldjäger und Stabsdienst" von Sonthofen nach Hannover verlegt wurden.
Das veränderte Aufgabenspektrum der Bundeswehr erfordert(e) die Anpassung der Gesamtstruktur der Streitkräfte. In diesem Rahmen kündigte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU, geb. 1971, Bundesverteidigungsminister 2009-2011) in organisatorischer Hinsicht den "größten Umbruch der Bundeswehr" an und leitete eine Bundeswehrumgliederung ein, die von seinem Nachfolger im Amt, Thomas de Maizière (CDU, geb. 1954, Bundesverteidigungsminister 2011-2013), in die Stationierungsplanung vom Oktober 2011 umgesetzt wurde. Demnach werden weitere traditionsreiche Bundeswehrstandorte in Bayern geschlossen: Neben Kaufbeuren sind dies die Fliegerhorste Penzing, Kempten und Fürstenfeldbruck, von wo die Offizierschule der Luftwaffe nach Roth umziehen soll. Die Umsetzung dieser Beschlüsse dauert derzeit (2013/14) noch an. Ferner wurde eine "signifikante Reduzierung" in Aussicht gestellt. Von den größeren Standorten betrifft dies München, Donauwörth (Lkr. Donau-Ries), Erding, Füssen, Hammelburg, Manching (Lkr. Pfaffenhofen an der Ilm), Roth, Sonthofen, Untermeitingen (Lkr. Augsburg), Lagerlechfeld, Volkach (Lkr. Kitzingen) und Wildflecken.
Gemäß diesen Planungen werden von bisher 50.700 im Freistaat stationierten militärischen Dienstposten in 57 Garnisonen noch 31.000 verbleiben. Lag Bayern mit 4 Bundeswehr-Angehörigen pro 1.000 Einwohnern bisher über dem Bundesdurchschnitt, so entspricht die Relation von Bundeswehr-Dienstposten und Gesamtbevölkerung nach der Stationierungsumplanung nunmehr dem Bundesdurchschnitt von 2,4 Bundeswehr-Dienstposten pro 1.000 Einwohner.
Ungeachtet dieser einschneidenden Reduktion hat die Bundeswehr den Freistaat Bayern strukturell mitgeprägt: Von der wirtschaftlichen Erschließung strukturschwacher Regionen und der konfessionellen Durchmischung der Bevölkerung in den Garnisonen auf der lokalen Ebene bis hin zu Effekten, die Bayern und teils ganz Süddeutschland betreffen. Hier führte die Präsenz der Bundeswehr und der mit ihr verbundenen Rüstungsindustrie zu Übertragungs- und Multiplikatoreffekten, die auch auf andere Sektoren von Hochtechnologie, Medizin und Bildung ausstrahlten. Damit hat die Bundeswehr die wirtschaftliche und soziale Struktur Bayerns auch in solchen Sektoren nachhaltig mitgeprägt, die vordergründig kaum mit ihr zu tun haben.
Literatur
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Weiterführende Recherche
Externe Links
Luftwaffe, Heer, Armee, Marine
Empfohlene Zitierweise
Martin Rink, Bundeswehr, publiziert am 14.01.2014; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bundeswehr> (11.10.2024)