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Fußgängerbereiche/Fußgängerzonen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Rolf Monheim

Fußgängerbereiche prägen das Erscheinungsbild fast aller deutschen Innenstädte und werden weitgehend mit diesen gleichgesetzt. Nach Vorläufern in den 1930er Jahren breiteten sie sich seit den 1970er Jahren rasch aus. Die erfolgreicheren entwickelten sich zu Netzen von bis zu 10 km Straßenlänge. Sie trugen wesentlich zur Entwicklung der Innenstädte als Standort für Erlebniseinkauf und urbane Freizeit bei.

Problemlage

Fußgängerbereiche (hier synonym mit Fußgängerzonen verwendet) haben in mehrfacher Hinsicht eine historische Dimension:

  • ihre Ausbreitung und konzeptionelle Entwicklung
  • ihre Auswirkungen auf Struktur und Wahrnehmung historischer (Kern-)Bereiche
  • ihre Wechselwirkungen mit Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft

Sie sind nicht isoliert als verkehrstechnische Maßnahme, sondern nur in ihrer Einbettung in komplexe Zusammenhänge zu verstehen.

Fußgängerbereiche lösen oft starke Emotionen aus. Bürger und Politiker sehen in ihnen die Wiederbelebung der "guten Stube" ihrer Stadt; viele Einzelhändler, Verbandsvertreter und Politiker klagen dagegen, durch eine – vermeintlich – schlechtere Autoerreichbarkeit werde die Innenstadt "zu Tode beruhigt", und sehen darin eine "ideologische" Verblendung. Feuilletonisten behaupten schließlich, mit der Verbannung der Autos sei ein Stück urbanes Lebensgefühl verschwunden. Wo sie eingeführt wurden, war die Zustimmung der Bevölkerung stets so groß wie bei kaum einer anderen Maßnahme, weil sie ein neues Stadterleben ermöglichten und öffentliche Räume zu Begegnungsstätten machten.

Ausbreitung

Die Ausbreitung von Fußgängerbereichen in Deutschland beschränkte sich bis Mitte der 1960er Jahre auf wenige, meist nur kurze Straßenabschnitte (1963: 46 Bereiche). Bis 1990 entstanden zwar in fast allen deutschen Städten Fußgängerbereiche, zum Teil auch in Stadtteilzentren; diese beschränkten sich aber oft auf wenige hundert Meter Länge. Inzwischen umfassen größere Fußgängerbereiche flächenhaft die Innenstadt (5-10 km). Weltweit gehört Deutschland zu den führenden Ländern.

Konzeptionelle Entwicklung

Anfänge

Zu Beginn entstanden Fußgängerstraßen als Verkehrsmaßnahmen: Enge Haupteinkaufsstraßen, in denen die Konflikte zwischen Passanten und Autoverkehr unerträglich geworden waren, wurden für letzteren gesperrt. Vorläufer waren Ende der 1920er Jahre die Limbecker Straße in Essen und die Hohe Straße in Köln. Sie galten bis Anfang der 1970er Jahre als Vorbilder. Als Sonderfälle fanden die beim Wiederaufbau entstandenen Neuanlagen Treppenstraße in Kassel und Lijnbaan in Rotterdam Beachtung.

Modell "Shopping Mall" (Fordismus)

Der Deutsche Städtetag empfahl 1960 die Einrichtung von Fußgängerbereichen. Damals dominierten noch Vorstellungen von einem (auto-)verkehrsgerechten Stadtumbau. Fußgängerstraßen sollten von einem Cityring mit Parkhäusern umgeben sein. Sie bildeten Teile eines "fordistischen" Stadtkonzeptes mit einer Dominanz der für diese Wirtschaftsphase typischen Waren- und Kaufhäuser. Dieses kam auch bei der Errichtung neuer Stadtzentren (z. B. Leverkusen) oder Stadtteilzentren (z. B. Nordweststadt in Frankfurt) zur Anwendung.

Vorbild für die Gestaltung und Straßenmöblierung waren die US-amerikanischen "Shopping Malls". Diese breiteten sich zunächst auch an den Rändern deutscher Ballungsräume aus, stießen aber bald auf den Widerstand der Raumordnung und erlebten erst nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern einen vorübergehenden Boom.

Modell postmoderne Urbanität

Mit der Wiederentdeckung der historischen Identität (so z. B. im Europäischen Jahr des Denkmalschutzes 1975) erhielten Fußgängerbereiche wichtige Impulse. Es ging nun um öffentliche (Frei-)Räume für die städtische Gesellschaft. Damit wurden sogar Nebengeschäftslagen zu Fußgängerbereichen, von denen fordistische Konzepte behauptet hatten, deren Umwandlung würde sich "nicht lohnen". Der 1972 in München eröffnete Fußgängerbereich hatte dabei eine Vorreiterrolle.

Die Orientierung am historischen Stadtbild führte zur Abkehr von der an "Shopping Centern" orientierten Straßenmöblierung. Man wollte nun das überlieferte Bild der Innenstadt zur Geltung bringen.

Die Wertschätzung der öffentlichen Räume hängt damit zusammen, dass Einkaufen in der Innenstadt weniger der Versorgung mit Notwendigem dient als dem Stadterlebnis. Dies erfordert ein angenehmes Umfeld: Der Fußgängerbereich dient gewissermaßen als Bühne, um zu sehen und gesehen zu werden. Dabei bilden Shoppingtouristen eine zunehmend wichtige Besuchergruppe.

Die Attraktivität der Innenstädte als Shoppingdestination führt dazu, dass neue Einkaufszentren ganz überwiegend dort errichtet werden.

Einen Sonderfall inszenierter, auf Shopping zielender "Urbanität" bilden die an nicht integrierten Lagen errichteten Factory Outlet Center (z. B. "Ingolstadt Village").

Anpassung für kleinere Städte und Randlagen

Durch die Fußgängerbereiche erhöhten zunächst die größeren Städte ihre Attraktivität für Besucher. Damit gerieten die kleineren Städte unter den Erwartungsdruck ihrer Bürger, die ebenfalls Fußgängerbereiche wünschten. Auch die Handels-, Städtebau- und Verkehrsgutachter schlugen Fußgängerbereiche vor.

Dabei entstanden abnehmender Stadtgröße angepasste Lösungen - wie verkehrsberuhigte Bereiche, in denen Fußgänger Vorrang haben, Autofahrer aber im Schritttempo zugelassen sind und an ausgewiesenen Stellen parken dürfen. Zum Teil wurden Lagen mit geringerem Passantenaufkommen als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich (Zonengeschwindigkeitsbegrenzung 20 oder 10 Stundenkilometer) ausgewiesen.

Fußgängerbereiche als Katalysatoren einer Renaissance der Innenstädte

Fördernde Faktoren

Die heutigen Fußgängerbereiche sind ein Ergebnis der Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. Die meisten wuchsen schrittweise in einem jahrzehntelangen Lernprozess. Ihr Erfolg beruht auf vielfältigen Faktoren:

  • Verbesserte Erreichbarkeit durch den Ausbau von öffentlichem Verkehr und Parkhäusern
  • Attraktivität der Innenstadt für Investitionen, die sich auch darin zeigt, dass neue Shopping Center in Deutschland fast ausschließlich in Innenstädten errichtet werden
  • Zunehmende Beliebtheit des "Shopping"/"Erlebniseinkaufs"/Einkaufs-Ausflugsverkehrs
  • Steigende Wertschätzung von Urbanität gegenüber suburbanen Lebensstilen (Reurbanisierung)
  • Inbesitznahme öffentlicher Räume für Außengastronomie, Veranstaltungen ("Festivalisierung") und Stadt-Erlebnis (Wachstumsmarkt Städtetourismus).

Fußgängerbereiche bündeln als Katalysatoren allgemeine Entwicklungen. Einerseits geben sie ihnen wichtige Impulse, andererseits verdanken sie ihnen in einem Rückkopplungsprozess ihre weitere Entwicklung.

Anhaltende Bedenken

Trotz des gesellschaftlichen Wandels und der Zustimmung der Bevölkerung sind Fußgängerbereiche bis heute nicht selbstverständlich. Immer noch werden wichtige Einkaufsstraßen und öffentliche Bereiche durch Autos beeinträchtigt. Viele Gegenargumente konservativer Einzelhändler, Politiker und Verbände sind seit Jahrzehnten unverändert: Der Handel würde zu Tode beruhigt, der Parkplatz vor dem Laden sei unverzichtbar. Im Unterschied zur Aufbruchsstimmung in den 1970er Jahren fehlt den Kommunalpolitikern vielfach der Mut zur Entscheidung. Vereinzelt fordern Händler die Öffnung von Fußgängerbereichen zum Parken.

Fußgängerbereiche in Bayern

Ausbreitung

Die heutigen Fußgängerbereiche haben sich schrittweise entsprechend den jeweils gemachten Erfahrungen und den sich wandelnden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen entwickelt. Dabei wechselten Fortschritt und Beharrung.

In Bayern breiteten sich die Fußgängerbereiche mit einer zeitlichen Verzögerung gegenüber dem übrigen Bundesgebiet (alt) aus. Von den 1973 in Bayern eingerichteten 20 Fußgängerbereichen waren nur 55 % vor 1972 errichtet worden - gegenüber 70 % im übrigen Deutschland. Erst Münchens Vorbildwirkung brachte eine breitere Akzeptanz.

Bis 1985 entstanden 83 Fußgängerbereiche. Darunter waren allerdings 30 höchstens 300 m und nur 22 über 1000 m lang. Die Gemeinden mit über 50.000 Einwohnern besaßen 1985 alle, von den Städten mit 20.000–50.000 Einwohnern gut die Hälfte und von den Kleinstädten mit 10.000–20.000 Einwohnern jede Fünfte einen Fußgängerbereich (siehe Monheim, Entwicklungstendenzen, Tab. 1 und 2).

Im Folgenden werden einige bayerische Fußgängerbereiche exemplarisch dargestellt.

München

Rechtzeitig vor der Eröffnung der Sommerspiele konnte die neugestaltete Fußgängerzone in der Münchner Innenstadt am 30. Juni 1972 eröffnet werden und verbannte den Individualverkehr aus Münchens Zentrum. Foto von Max Prugger (1918-2003), Juli 1972. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv pru-000010)

Der 1972 anlässlich der Olympischen Sommerspiele eröffnete Münchner Fußgängerbereich wurde weltweit zu einem Symbol einer Innenstadt als gastlicher Aufenthaltsraum für Bürger und Besucher, dessen dominierende kommerzielle Funktion in der Wahrnehmung in den Hintergrund trat, auch wenn Kritiker dies anders sahen. Seine Gestaltung machte den Wert öffentlicher Räume wieder bewusst. Breiten von bis zu 35 m ermöglichten hier angenehme Aufenthaltszonen. Grundlage war das vom Münchner Professor Bernhard Winkler (1929-2024) entwickelte Gestaltungskonzept. Es zielte auf eine Inszenierung des öffentlichen Raumes ab und setzte damit neue Maßstäbe.

Ein erstes Konzept sah 1965 das am Marienplatz verknüpfte Kreuz der historischen Hauptachsen als Fußgängerbereiche vor (Neuhauser-, Kaufinger Str. – Tal/Sendlinger-, Theatiner Str.). Seine Umsetzung scheiterte im Bereich von Tal und Sendlinger Straße am Widerstand der Einzelhändler. In den folgenden Jahrzehnten näherte man sich schrittweise einer Verkehrsberuhigung der Innenstadt durch Umstellung der Autoerschließung auf ein Sektorensystem und Arrondierung des Fußgängerbereichs, u. a. mit dem Viktualienmarkt. Zahlreiche Passagen knüpften das Netz für Fußgänger noch enger.

Der Erfolg des Fußgängerbereichs beruht auf seiner hervorragenden Erreichbarkeit durch den öffentlichen Verkehr, dem kontinuierlich ausgebauten Einkaufsangebot, der Konzentration von Freizeit- und Kultureinrichtungen, der ansprechenden Gestaltung und dem Image Münchens. Gefährdet ist er durch die Überfüllung der Haupteinkaufsstraßen und die von steigenden Mieten ausgelöste Uniformierung.

Eine Voraussetzung für die flächenhafte Verkehrsberuhigung war in München wie auch in Nürnberg die nach den Kriegszerstörungen getroffene Entscheidung, den Straßengrundriss weitgehend beizubehalten statt ihn entsprechend dem Rat modernistischer Stadtplaner den Erfordernissen des Autoverkehrs anzupassen. Eine in den 1960er Jahren beginnende Straßenerweiterung wurde durch den zunehmenden Widerstand der Bürger nicht fortgesetzt.

Nürnberg

Nürnberg: Verkehrserschließung der Nürnberger Innenstadt (Entwurf: Monheim)
Nürnberg: Anzahl der aufgesuchten Geschäfte im Nürnberger Hauptgeschäftsbereich, 1988-2009. (Grafik: Monheim)

In Nürnberg wurde 1966 die für den Autoverkehr unwichtige Haupteinkaufsstraße Breite Gasse gesperrt und 1970 umgestaltet. Ihr Erfolg zeigte sich an steigenden Passantenzahlen. Dies ermutigte den Stadtrat 1972, ein Stufenkonzept der flächenhaften Verkehrsberuhigung der gesamten Altstadt zu beschließen, wobei der Ausbau der U-Bahn eine wichtige Vorraussetzung bildete. Dieses wurde weitgehend umgesetzt.

Anlässlich der Unterbrechung der letzten Durchgangsstraße in der nördlichen Altstadt kam es zu heftigen Protesten von Einzelhändlern und der CSU-Opposition, die dem Stadtrat ideologische Verblendung vorwarfen. Sie war Teil des am 17. Oktober 1992 probeweise eingeführten "Schleifenkonzeptes", mit dem die Innenstadt gut für Autofahrer erreichbar blieb (einschließlich weiterer Parkkapazitäten), aber nicht mehr durchquert werden konnte. Trotz anhaltender Kontroversen wurde es im Februar 2004 endgültig beschlossen.

In Nürnberg entstand ein etwa 10 km umfassendes Netz von Fußgängerstraßen. Diese sind durch den öffentlichen Verkehr, zahlreiche Parkmöglichkeiten sowie Radwege hervorragend erreichbar. Die Gestaltung animiert, weite Strecken zu gehen und dies als positiven Teil eines Aufenthaltes anzusehen. Dabei werden zunehmend mehr Geschäfte aufgesucht und die Besuchszwecke immer vielfältiger.

Der Fußgängerbereich hat entscheidend dazu beitragen, dass die zu über 80 % zerstörte Innenstadt trotz weitgehend moderner Bebauung als historisches Ensemble erscheint. Alt und neu verschmelzen.

Regensburg

Einen Sonderfall bildet die als "mittelalterliches Wunder" bezeichnete Altstadt von Regensburg. Sie blieb von Kriegszerstörungen nahezu verschont, doch wollten Stadt- und Verkehrsplaner sie bis in die 1960er Jahre durch Straßenverbreiterungen den Erfordernissen einer modernen Geschäftscity anpassen. Einen ersten "Sündenfall" stellte der Durchbruch der zu einer auszubauenden Donaubrücke führenden D.-Martin-Luther-Straße dar (Baulinienplan 1958, Genehmigung durch die Regierung 1962, Beginn der Abbrucharbeiten 1963). Schon bald darauf besann man sich auf den Wert der historischen Altstadt. Man verzichtete auf den Brückenausbau und akzeptierte die Verlagerung wesentlicher überörtlicher Einkaufsfunktionen in das 1967 eröffnete, schrittweise von 22.000 auf 52.000 qm Verkaufsfläche erweiterte "Donau-Einkaufszentrum" jenseits der Donau, rund eineinhalb km von der Innenstadt entfernt.

Da die Nachfrage überregionaler Einzelhandelsfilialisten in der kleinteiligen Altstadt nicht befriedigt werden konnte, genehmigte die Stadt ein weiteres Einkaufszentrum am Bahnhof, ca. 700 m südlich des Haupteinkaufsbereichs, das 2002 eröffnete.

Der Regensburger Fußgängerbereich beschränkte sich zunächst auf den kleinen Haupteinkaufsbereich. Um eine den historischen Gassen und Plätzen entsprechende Verkehrsberuhigung zu ermöglichen und dennoch die Erreichbarkeit für Betriebe und Bewohner sicherzustellen, führte man ab 1982 flächenhaft "Wohnverkehrsstraßen" ein: Sie sind als Fuß- und Radwege ausgeschildert, Liefer-/Handwerkerverkehr, Taxen, Ärzte im Dienst und Zufahrt zu Privatstellplätzen sind frei, Parken ist nicht gestattet.

Mit der Auszeichnung als UNESCO-Weltkulturerbe 2006 fand der Regensburger Weg internationale Anerkennung. In der Politik für den Einzelhandel und das Stadtmarketing setzt Regensburg auf die Verknüpfung mit der Geschichte, z. B. durch Informationstafeln zu historischen Läden. Das Zusammenspiel von gut gestalteten öffentlichen Räumen und historischen Bauten bildet die Grundlage für einen sonst eher in Italien (das im Mittelalter Vorbild war) anzutreffenden Innenstadt-Typus mit ca. 600 meist kleinen und kleinsten, oft hoch spezialisierten Läden.

Bamberg

Entwicklung der Fußgängerbereiche in Bamberg (links) und Regensburg (rechts) 1974-2010. (Grafik: Monheim)

Einen anderen Umgang der Händler mit dem Weltkulturerbe zeigt Bamberg, das diesen Titel bereits 1993 erhielt. Auch hier wurde ein großer Teil des Einzelhandels an den Stadtrand verlagert, doch unterblieb eine Spezialisierung der Innenstadt. Die 1971 als Fußgängerbereich ausgewiesene und 1976 umgestaltete Hauptgeschäftslage blieb eine konventionelle Einkaufsstraße. Die Verkehrserschließung erfolgte über einen inneren Ring, der an zwei Seiten über wichtige historische Achsen (seit 1987 Einbahnstraßen) führt. Diese wurden dadurch zunehmend abgewertet, was auch durch Gestaltungsmaßnahmen nicht aufgehalten werden konnte.

Ein 2008 durch einen neuen Oberbürgermeister veranlasstes Beteiligungsverfahren "Masterplan Innenstadt" ergab ein klares Votum für eine weitgehende Verkehrsberuhigung. Gegen dessen Umsetzung protestierten jedoch Händler, Freiberufler und das Stadtmarketing. Die Rolle als Weltkulturerbe wurde vielfach als störend empfunden ("kein Museum"). Die Entwicklung der Fußgängerbereiche hängt demnach vor allem von den kommunalpolitischen Entscheidungen ab.

Bayreuth

Bayreuth: Planervorschläge für den Fußgängerbereich 1962-1978. (Grafik: Monheim)
Bayreuth-Innenstadt: Einzelhandel und Verkehrserschließung. (Grafik: Monheim)

In Bayreuth zeigte sich, wie externe Gutachter Fußgängerbereiche als Leitbild einbrachten. 1963 wurden im ersten Generalverkehrsplan ein vierspuriger Stadtkernring und der Markt als Fußgängerbereich vorgeschlagen. Die wachstumsorientierte Politik akzeptierte allerdings nur den Straßenbau. Derselbe Gutachter schlug 1974 vor, auch die historischen Gassen vom Autoverkehr zu befreien. Ein Städtebaugutachten ging 1975 sogar darüber hinaus. Tatsächlich wurde jedoch erst 1978 ein für den Autoverkehr nicht relevantes Straßenstück der Maximilianstraße im Rahmen der Stadtsanierung zum Fußgängerbereich. Die Sperrung des Marktplatzes verzögerte sich bis 1985; insgesamt wurden aber schrittweise große Teile der Innenstadt als Fußgängerbereich gestaltet.

Erneut als Maßnahme der Stadtsanierung beschloss man 1999 die weit reichende Umgestaltung des Marktplatzes zu einem Erlebnisbereich. Die Umsetzung begann allerdings erst 2008. Mit ihr soll ein Gegengewicht gegen das 1997 in Fortsetzung der Fußgängerzone errichtete "Rotmain-Center" geschaffen werden.

Kleinstädte

Der Siedlungsstruktur Bayerns entsprechend liegen die meisten Fußgängerbereiche in Kleinstädten. Dort beschränken sie sich meist auf wenige Straßenabschnitte, entwickeln aber durch die städtebauliche Aufwertung markanter Bereiche eine wichtige Signalwirkung. Allerdings besteht ein starker Erwartungsdruck, in der Nähe der Läden parken zu können, zumal wenn der großflächige Handel an den Ortsrand abwandert und reichlich Parkraum bietet. Der Problemdruck auf die alteingesessenen Händler setzt hier den Fußgängerbereichen enge Grenzen. Teilweise werden Kombinationen mit verkehrsberuhigten Bereichen gewählt. Ein Beispiel hierfür ist Günzburg.

In Marktredwitz (Lkr. Wunsiedel im Fichtelgebirge) wechseln die Regelungen tageszeitlich: Montag bis Freitag zwischen sechs bis 13 sowie 16 bis 22 Uhr verkehrsberuhigter Bereich mit 39 Kurzparkplätzen und in der übrigen Zeit Fußgängerbereich. Ein Bürgerentscheid zu Gunsten eines ganztägigen Fußgängerbereichs (1996) wurde auf Druck der Händler nicht umgesetzt; unter ihnen gibt es weiterhin Bestrebungen, den Autoverkehr ganztägig zu gestatten. Sie begründen dies mit geringeren Umsätzen an den Nachmittagen – das Passantenaufkommen liegt dann aber weitaus höher. Ähnliche Auseinandersetzungen gibt es auch in anderen Klein- und Mittelstädten. Aus Sicht der Verwaltung hat sich der Kompromiss in Marktredwitz bewährt.

Kurorte

Als erster Kurort reservierte Bad Wörishofen (Lkr. Unterallgäu) eine zentrale Promenade für Fußgänger in der Kneipp-Straße entlang des Stadtbachs - das früheste Fahrverbot für Autoverkehr wurde bereits in den 1930er Jahren erlassen. Ab Mitte der 1960er Jahre wurden weitere Straßen einbezogen. Ab 1981 wurden flächenhaft im Zentrum "verkehrsberuhigte Bereiche" eingeführt (d. h. Schritttempo und Vorrang für Fußgänger). 2010 wurden versuchsweise "verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche" als Tempo-20-Zonen ausgewiesen. Durch Neuorganisation des Parkens, Ausbau städtischer Buslinien, flächenhafte Tempo-30-Zonen und Verkehrsmanagement betreibt Bad Wörishofen systematisch eine Kurort-gerechte Verkehrsentwicklung.

In Bad Reichenhall (Lkr. Berchtesgadener Land) wurde 1973 bis 1978 die den Kurbereich erschließende Verkehrsachse Ludwigstraße – Salzburger Straße zum "Fußgänger-Garten", was der Stadt 1980 einen Preis von "Europa Nostra" einbrachte. Erst später wurde der Haupteinkaufsbereich autofrei. Ergänzend wurden ruhebedürftige Straßen zum Teil zu verkehrsberuhigten Bereichen. Die Kurgäste legen durchschnittlich 88 % ihrer Wege zu Fuß zurück (in Bad Kissingen sogar 96 %) – ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer stärkeren Berücksichtigung der Fußgänger insbesondere in Kurorten.

Einen Sonderfall bildet die auf einer Insel im Bodensee gelegene Altstadt von Lindau. Schon in den 1930er Jahren wurde das Ufer am Hafen weitgehend Fußgängern vorbehalten. 1973 wurden die Haupteinkaufsstraße und einige Seitengassen Fußgängerbereich, der in den folgenden Jahren schrittweise erweitert wurde. Die übrigen Straßen der Insel wurden - mit Ausnahme der Zufahrt zu Bahnhof und Großparkplatz - 1982 und 1987 als verkehrsberuhigte Bereiche ausgewiesen.

Ausblick

Fußgängerbereiche trugen erheblich zur Behauptung der Innenstädte als Ort des Handels, der Freizeit, des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens bei. Dies kann allerdings auch zu Nachteilen führen:

  • Im Wettbewerb um die attraktiven Hauptgeschäftslagen unterliegen schwächere Nutzungen; Folge: eine zunehmende Vereinheitlichung
  • Nicht einbezogene Nebenlagen verlieren an Attraktivität
  • Zentren kleinerer Städte und Gemeinden verlieren Besucher an die attraktiveren Oberzentren
  • Die Frequentierung der Haupteinkaufsstraßen überschreitet in den Oberzentren zeitweise die Grenzen des Erträglichen

Insgesamt gesehen haben Fußgängerbereiche entscheidend zur Renaissance der europäischen (Innen-)Stadt beigetragen. Sie waren dabei Teil komplexer Transformationsprozesse, die sich in Zukunft fortsetzen werden. Davon profitieren die historischen Stadtzentren Bayerns – nicht zuletzt im Hinblick auf den wachsenden Städtetourismus.

Literatur

  • Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen FGSV (Hg.), "Autoarme Innenstädte". Eine kommentierte Beispielsammlung. FGSV-Arbeitspapier 30, Köln 1993.
  • Alexander Mayer, Die Sperrung des Rathausplatzes in Nürnberg (Beiträge zur Kommunalwissenschaft 31), München 1989.
  • Rolf Monheim, Attraktiv durch Vielfalt – Die Innenstadt, in: Günter Heinritz/Claus-Christian Wiegandt/Dorothea Wiktorin (Hg.), Der München Atlas, Köln 2003, 102-103. (München)
  • Rolf Monheim (Hg.), "Autofreie" Innenstädte - Gefahr oder Chance für den Handel? (Arbeitsmaterialien zur Raumordnung und Raumplanung 134 A und B), Bayreuth 1997. (u. a. Nürnberg)
  • Rolf Monheim, Entwicklungstendenzen von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Einkaufsstraßen (Arbeitsmaterialien zur Raumordnung und Raumplanung 41), Bayreuth 2. erweiterte Auflage 1996. (Beispiele aus kleineren Städten)
  • Rolf Monheim, Fußgängerbereiche. Bestand und Entwicklung (Deutscher Städtetag E 4), Köln 1975. (umfangreicher Karten- und Tabellenteil)
  • Rolf Monheim, Fußgängerbereiche in deutschen Innenstädten. Entwicklungen und Konzepte zwischen Interessen, Leitbildern und Lebensstilen, in: Geographische Rundschau 7/8 (2000), 40-46. (Nürnberg)
  • Rolf Monheim, Fußgängerbereiche und Fußgängerverkehr in Stadtzentren in der Bundesrepublik Deutschland (Bonner Geographische Abhandlungen 64), Bonn 1980.
  • Rolf Monheim, Nutzungen und Verkehr in historischen Innenstädten (Die alte Stadt 25/1), Stuttgart u. a. 1998. (München, Regensburg, Nürnberg, Florenz, DDR)
  • Rolf Monheim, Nutzung und Verkehrserschließung von Innenstädten, in: Institut für Länderkunde, Leipzig (Hg.), Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland. 5. Band: Dörfer und Städte, Heidelberg/Berlin 2002, 132-135. (Innenstadt-Karten für Bayreuth, Nürnberg, München)
  • Rolf Monheim/Monika Popp, Passagen – wieder entdeckte Wege für Flaneure, in: Günter Heinritz/Claus-Christian Wiegandt/Dorothea Wiktorin (Hg.), Der München Atlas, Köln 2003, 106-107.
  • Rolf Monheim/S. Raab, Parkstrategien und Aktionsräume von Parkhausnutzern in Innenstädten mit flächenhaften Fußgängerbereichen – Fallstudie Nürnberg, in: Handbuch der kommunalen Verkehrsplanung, Kap. 3.3.9.7 (52. Ergänzungslieferung), Heidelberg 2008.
  • Bernard Rudofsky, Straßen für Menschen, Salzburg 1995.
  • Johann-Georg Sandmeier, Die Münchner Fußgängerzone. Wiederentdeckung und Inszenierung eines öffentlichen Raumes, in: Die alte Stadt 25 (1998), 11-21.
  • Ulrich Seewer, Fußgängerbereiche im Trend? Strategien zur Einführung grossflächiger Fußgängerbereiche in der Schweiz und in Deutschland im Vergleich in den Innenstädten von Zürich, Bern, Aachen und Nürnberg (Geographica Bernensia G 65), Bern 2000.

Quellen

  • Bernhard Winkler/Rolf Monheim, Der Münchner Fußgängerbereich. Konzept, Erfahrungen und Perspektiven. Ein Interview mit Professor Bernhard Winkler, in: Otto Borst (Hg.), Die alte Stadt 25 (1998), 3-8.

Weiterführende Recherche

Autofreie Städte, Fußgängerbereich

Empfohlene Zitierweise

Rolf Monheim, Fußgängerbereiche/Fußgängerzonen, publiziert am 30.11.2011; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Fußgängerbereiche/Fußgängerzonen> (1.12.2024)