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Machtergreifung in Bayern, 9. März 1933

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Walter Ziegler

Mit der Ernennung Adolf Hitlers (NSDAP, 1889-1945) zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 war die nationalsozialistische Diktatur noch keineswegs errichtet. Ein wichtiger Schritt dazu war die Machtübernahme in den einzelnen deutschen Ländern. Nachdem das größte Land, Preußen, schon seit Mitte 1932 vom Reich regiert wurde, war der wichtigste Fall jetzt Bayern, das am meisten Beharrungskraft gegenüber dem Regime zu haben schien. Gleichwohl erfolgte auch hier die NS-Machtergreifung, und zwar am 9. März 1933.

Begriff und Bedeutung

Zwar ist "Machtergreifung" keine spezifische NS-Vokabel – die Nationalsozialisten sprachen meist von "Machtübernahme", "nationaler Erhebung" oder "nationaler Revolution" –, doch ist dieser spätere Begriff kongenial, denn er umschreibt die feste Überzeugung Adolf Hitlers (1889-1945) und seiner Anhänger, die erstrebte umfassende Macht, wenn sie erreicht wäre, nie wieder aus der Hand zu geben. Obwohl die Nationalsozialisten auch durch den Begriff "Machtübernahme", stets die Rechtsförmigkeit des Regierungswechsels betonten, war der Vorgang gegenüber der Verfassung der Republik in der Sache durchaus illegal: er bedeutete die Vernichtung der Demokratie in Deutschland. Es handelte sich also bei Hitlers Machtübernahme im Reich, die zwar formaljuristisch legal erfolgt war, nicht um einen der früher häufigen Regierungswechsel (obwohl diese Sicht weit verbreitet war: nicht wenige seiner Gegner meinten, Hitler werde schnell scheitern und einer neuen Regierung Platz machen), sondern tatsächlich um einen säkularen Vorgang, der durch die Umgestaltung des Staates auch tief ins gesellschaftliche Leben eingriff.

Machtergreifung und deutsche Länder

Die süddeutschen Regierungschefs am 12. Juni 1932 anlässlich des Empfangs bei Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847-1934). Von rechts nach links: Heinrich Held (Bayern, 1868-1938), Reichskanzler Franz von Papen (1879-1969) sowie die Staatspräsidenten Eugen Bolz (Württemberg, 1881-1945) und Josef Schmitt (Baden, 1874-1939). (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Bildersammlung Personen 2153)

Obwohl die Machtübernahme im Reich (Ernennung Hitlers zum Reichskanzler einer Präsidialregierung am 30. Januar 1933) entscheidend war, konnte eine wirkliche Diktatur ohne die Macht in den Ländern nicht errichtet werden, denn diese waren trotz der relativ zentralistischen Weimarer Verfassung doch eigene Einheiten, denen der größte Teil der Verwaltung, besonders aber die Polizei (es gab keine Reichspolizei), unterstand.

Für die Erringung der Macht in den Ländern waren die Wahlergebnisse zu den Landtagen zwar wichtig, aber nicht entscheidend. Länder, die bald große NSDAP-Fraktionen oder auch NS-Minister hatten (z. B. Thüringen Januar 1930 bis April 1931 Innenminister Wilhelm Frick [1877-1946], Oldenburg absolute NSDAP-Mehrheit im Landtag seit Mai 1932), spielten für die endgültige Aufrichtung der NS-Herrschaft nur eine geringe Rolle.

Dagegen waren die Regierungsverhältnisse in den Ländern, insbesondere in den beiden größten, Preußen und Bayern, von hoher Bedeutung. Zu beachten ist, dass auch hier, wie in der Mehrzahl der deutschen Länder, nur noch geschäftsführende Regierungen ohne parlamentarische Mehrheit amtierten: in Bayern seit 1. August 1930 die Kabinette Held III und IV (Heinrich Held, 1868-1938, BVP, seit 1924 Ministerpräsident), in Preußen seit 24. April 1932 (Otto Braun, 1872-1955, SPD, seit 1920 Ministerpräsident); das brachte eine deutliche Schwächung der politischen Führung mit sich. Entscheidend war dann die Absetzung der preußischen Regierung am 20. Juli 1932 („Preußenschlag“) durch Reichskanzler Franz von Papen (1879-1969, Reichskanzler 1932), der nun als Reichskommissar Preußen regierte. Da Papen auch unter Hitler preußischer Reichskommissar blieb und Hermann Göring (NSDAP, 1893-1946) unter ihm Innenminister wurde, war im größten deutschen Land 1933 eine eigene Machtergreifung nicht mehr nötig: Preußen fiel zusammen mit dem Reich in Hitlers Hand.

Während einige norddeutsche Länder schon vor 1933 NS-geführte Regierungen etablierten (z.B. 1932 Oldenburg, Mecklenburg-Schwerin), blieben die süddeutschen Länder, wenn auch meist mit Minderheitsregierungen, dem Nationalsozialismus gegenüber resistent. Bayern schien dabei für Hitler der schwierigste Fall zu sein, da er hier mit dem Widerstand besonders von katholischen und monarchistischen Kräften rechnete.

Bayern vor 1933

In Bayern amtierte auch nach der Landtagswahl vom 24. April 1932 die 1930 gestürzte Regierung Held weiter; sie war nach der Verfassung nur ablösbar, wenn sich für eine neue Regierung eine Mehrheit fand. Da im Landtag die BVP 45 und die NSDAP 43 Sitze hatte (SPD 20, Bayerischer Bauernbund 9, KPD 8), BVP und SPD aber nicht zusammenfanden, mit den Nationalsozialisten aber vorerst keine Partei zusammenarbeiten wollte, blieb es bei der geschäftsführenden Regierung. Bayern litt wie ganz Deutschland unter der Weltwirtschaftskrise; dies trug dazu bei, die schon seit 1918 aufgewühlte Gesellschaft (Revolution, Versailler Vertrag, Hitlerputsch, Nationalismus) weiter zu verunsichern. Bisher stabilisierende Faktoren wie die starke Bayerische Volkspartei (Ministerpräsident Held, Fritz Schäffer, 1888-1967, seit 1929 Parteivorsitzender), die Kirchen (besonders Kardinal Michael Faulhaber, 1869-1952, Erzbischof von München und Freisingseit 1917), die ältere Beamtenschaft (etwa Karl Stützel, 1872-1944, Innenminister seit 1924) und die angestammten Traditionen, speziell auch der Wittelsbacher Monarchie (Kronprinz Rupprecht, 1869-1955), verloren zusehends an Kraft.

Die NSDAP hatte in Bayern zwar um 1923 beachtlichen Einfluss gehabt, war aber nach dem Hitlerputsch von der Staatsregierung stark zurückgedrängt worden, so dass Bayern nach 1930 zu den Ländern mit den niedrigsten Wahlerfolgen Hitlers gehörte. Immerhin war die Reichsleitung seiner Partei in München ansässig. Von den Führern der NSDAP in Bayern (seit 1928 sechs Gauleiter) waren Hitler gegenüber nur wenige von eigenem Gewicht (besonders Adolf Wagner, 1890-1944, seit 1930 Gauleiter von München-Oberbayern); die Anwesenheit des mächtigen SA-Chefs Ernst Röhm (1887-1934) und die persönliche Verbundenheit Hitlers mit München waren aber besonders in Rechnung zu stellen. Sympathien hatte die Partei vor allem im Bürgertum gewonnen, bei den Arbeitern und auf dem Land, so weit nicht geschlossene Milieus des Sozialismus und des Katholizismus gegeben waren (dagegen war auch in Bayern der Protestantismus, der traditionell den nationalen Parteien nahe gewesen war, zu erheblichen Teilen der NSDAP gefolgt).

Für die bayerische Regierung stand 1932/33 nicht die Frage einer Hitler-Regierung im Vordergrund, sondern das Verhältnis zum Reich. Der "Preußenschlag" hatte gezeigt, dass mit einem Reichskommissar jederzeit die Eigenständigkeit eines Landes ausgelöscht werden konnte; Bayern protestierte deshalb scharf dagegen und stellte sich strikt gegen von Papens Politik. Im Reich arbeitete Bayern für die Wiederherstellung geordneter Regierungsverhältnisse, was aber nur über eine Koalition von Zentrum/BVP mit der NSDAP möglich gewesen wäre. Eine solche wurde nach der Landtagswahl 1932 auch in Bayern erwogen, vor allem vom Parteivorsitzenden Schäffer. Die BVP war jedoch nicht bereit, der NSDAP ungesetzlichen Einfluss zuzugestehen (weiterhin staatliche Uniformverbote, scharfes Vorgehen gegen NS-Kampfmethoden), überdies lehnte Ministerpräsident Held persönlich jedes Zusammengehen mit der Hitlerpartei ab. Eine Koalition von BVP und SPD, die man sich retrospektiv als Bollwerk der Demokratie gewünscht haben möchte, wurde angesichts des feindlichen Gegenübers dieser Parteien von keiner Seite ernsthaft ins Auge gefasst.

Nach dem 30. Januar 1933

Obwohl die Regierungsübernahme Hitlers im Reich am 30. Januar 1933 für die Länder (außer Preußen) formal keine direkten Folgen hatte, war sie doch in der Sache von großer Bedeutung. Der Jubel der NS-Anhänger, die ihre Herrschaft gekommen sahen, ließ befürchten, dass die neue Berliner Regierung bald irgendwie eingreifen werde, und machte klar, dass man die Stimmung der NS-Wähler auch in Bayern bedenken musste. Sodann entmachtete die Regierung Hitler endgültig die 1932 abgedrängte preußische Regierung und versuchte, den Reichsrat lahmzulegen. Soweit auf Grund der Notverordnungen das Reich eingreifen konnte, etwa bei Zeitungsverboten, wurde dies rigoros gehandhabt. Den Schlusspunkt setzte die Notverordnung vom 28. Februar 1933 ("Reichstagsbrandverordnung"), mit der praktisch die Diktatur errichtet wurde. Der Wahlfeldzug der NSDAP zur Reichstagwahl am 5. März 1933 übertraf dann auch alle bisherigen öffentlichen Demonstrationen und Einschüchterungen.

Die bayerische Regierung und die BVP versuchten sich gegen diesen Trend zu wehren: durch Kontakte zu Paul von Hindenburg (1847-1934, Reichspräsident seit 1925), der versicherte, für Bayern sei kein Reichskommissar vorgesehen, durch die Aktivierung des 1930 gegründeten Selbstschutzverbandes „Bayernwacht“ und durch eigenes scharfes Vorgehen gegen kommunistische Bestrebungen, um Hitler die Argumentation für ein Eingreifen zu nehmen. Enge Vertraute von Ministerpräsident Held waren dabei in München der BVP-Fraktionsvorsitzende Georg Wohlmuth (1865-1952), in Berlin der Leiter der Bayerischen Gesandtschaft Franz Sperr (1878-1945), der gerade in den Märztagen 1933 immer neu zu vermitteln versuchte; er nahm später eine wichtige Rolle im bayerischen Widerstand ein. Die interessanteste Initiative war der Versuch monarchistischer Gruppen und auch konservativer Kreise der BVP (Fritz Schäffer; Alois Hundhammer, 1900-1974, maßgeblich im Christlichen Bauernverein) im Februar 1933, den immer noch sehr populären Königsgedanken zu benutzen, um Bayern gegen eine NS-Machtergreifung zu sichern: Würde an der Spitze Bayerns wieder das angestammte Königshaus stehen, so der Gedankengang, wäre hier die Novemberrevolution beendet; einen König könnte man auch kaum beiseite schieben. Der Reichsverfassung nach vielleicht nicht unmöglich, wäre in Bayern dazu allerdings entweder eine Verfassungsänderung nötig gewesen, was nicht erreichbar war, oder die Ernennung des Kronprinzen Rupprecht zum Generalstaatskommissar durch den Ministerpräsidenten. Letzteres war für die Monarchisten, die einen König wollten, wenig attraktiv und Held stellte auch dafür so hohe Bedingungen, dass es einer Ablehnung gleich kam. Insgesamt war das Vorgehen durch die (auch untereinander uneinigen) monarchistischen Kreise schlecht vorbereitet. In Berlin hätte beim Reichspräsidenten nur die Restauration der Hohenzollern Interesse gefunden, und Hitler drohte am 1. März Held bei einer Unterredung, dass eine Restauration zu einer ganz schweren Katastrophe führen werde. Eine ernsthafte Chance, mit einer Restauration der Monarchie die heraufziehende Diktatur aufzuhalten, wie man dies nach 1945 oft behauptet hat, bestand also nicht.

Nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933

Prozentualer Stimmenanteil der NSDAP bei der Reichstagswahl vom 5.3.1933 in Bayern. (Gestaltung: Stefan Schnupp)

Auf Reichsebene erreichte Hitler am 5. März für seine Regierungskoalition die absolute Mehrheit (NSDAP 43,9 %, Kampffront Schwarz-Weiß-Rot 8,0 %); damit konnte nun in Berlin, erstmals seit 1930, eine reguläre parlamentarische Regierung gebildet werden. Die bayerischen Ergebnisse waren für Hitler schlechter, doch fiel gegenüber den 43,1 % für die NSDAP die BVP mit nur noch 27, 2 (4,2 % Verlust) deutlich abgeschlagen auf den zweiten Platz (SPD 15,5; KPD 6,3). Dass die NSDAP als Kanzlerpartei dabei erstmals auch in katholischen Gebieten erfolgreich war, zeigte eine Veränderung des bisherigen milieubedingten Wahlverhaltens an. Obwohl die Reichstagswahl für das Land an sich nichts besagte, war der Druck der "nationalen Erhebung" so stark, dass nun auch die bayerische Regierung neu gestaltet werden musste. Denkbar waren – wenn man den rein illegalen Umsturz ausschloss - Neuwahlen, eine Mehrheitsregierung von NSDAP und BVP im bisherigen Landtag oder die Einsetzung eines Reichskommissars. Während Neuwahlen nur in der Presse diskutiert wurden, sind die beiden anderen Möglichkeiten politisch ernsthaft erwogen und wenigstens ansatzweise begonnen worden: Der Ministerrat gab grünes Licht für eine Koalition von BVP und NSDAP, die auch Hitler befürwortete (als Regierungschef stand im Raum der NS-Fraktionsvorsitzende im Landtag Dr. Rudolf Buttmann, 1885-1947), und die Möglichkeit eines Reichskommissars war stets gleichzeitig präsent. Aber auch die gewalttätige Komponente fehlte nicht, sowohl durch Übergriffe der hier besonders starken SA wie durch lokales Vorpreschen zu einer regellosen Machtdurchsetzung, etwa durch Aufmärsche und Hissen von Hakenkreuzfahnen (z. B. 7. März Neustadt/Pfalz, 8. März Nürnberg). Hitler selbst plante in diesen Tagen in Berlin mit Röhm und Wagner das Vorgehen in Bayern.

Der Tag der "Machtergreifung": 9. März 1933

In der Rückschau wirkt dieser Tag wie ein geplantes Zusammenspiel von Massenaufmarsch der SA in München, von Initiativen führender NS-Kräfte in Bayern und von einer gezielten Unterstützung durch die Reichsbehörden in Berlin – die Einzelheiten harren jedoch noch der Untersuchung. Am Mittag des 9. März erschienen Röhm, Wagner und Heinrich Himmler (1900-1945, seit 1929 Reichsführer SS) bei Ministerpräsident Held (Regierungssitz im Montgelas-Palais am Promenadeplatz) und verlangten die Einsetzung des Reichstagsabgeordneten Franz Xaver Ritter von Epp (1868-1947, 1927 BVP-Mitglied, seit 1928) als Generalstaatskommissar, um die angeblich unruhige Situation zu meistern. Held und das sofort einberufene Kabinett konnten sich dazu nicht entschließen, boten aber die Bildung einer BVP-NSDAP-Regierung an. Mehrfache Versuche, in Berlin Hilfe zu finden oder die Reichswehr in München zum Eingreifen zu veranlassen, scheiterten. Als die NS-Delegation, nun zusammen mit Epp, nachmittags wieder erschien, wurde ihnen die Weigerung mitgeteilt, was den Abbruch der Verhandlungen bedeutete. Parallel und noch vor diesem Bescheid hatte aber der neue Reichsinnenminister Wilhelm Frick von Berlin aus (angeblich ohne Wissen von Reichskanzler und Reichspräsident) die Einsetzung Epps als Reichskommissar auf Grund der Notverordnung vom 28. Februar verfügt. Obwohl im Braunen Haus (NSDAP-Zentrale in München) bereits nachmittags bekannt, erfolgte die offizielle Mitteilung an die Regierung telegraphisch erst um 20.45 Uhr. Held protestierte dagegen, die bayerischen Nationalsozialisten aber feierten die Ernennung Epps noch an diesem Abend als entscheidenden Sieg. Er wurde auch in Berlin als reichsweit wichtig gedeutet. Hitler erklärte am 15. März bei einer Ministerbesprechung, dass sich der Reichsgedanke überall in Süddeutschland überraschend stark erwiesen habe: "Der Umsturz in Bayern sei vielleicht am gründlichsten" (Minuth, Akten der Reichskanzlei, I).

Die neue NS-Regierung in Bayern

Die Befugnisse des Reichskommissars waren offiziell ganz eng (Erhaltung der öffentlichen Ordnung) und setzten die Regierung nicht ab. Deshalb gingen die Verhandlungen über eine Regierungsbildung, auch unter Teilnahme Hitlers, noch einige Zeit weiter. Faktisch aber wurde der Reichskommissar als Garant der NS-Macht in Bayern verstanden; er ernannte sofort Kommissare für die verschiedenen Ministerien, nahm also alle Regierungsrechte wahr. Das Kabinett Held versuchte weiter zu amtieren, wurde aber systematisch aus dem Amt gedrängt. Als Held am 15. März aus Gesundheitsgründen zu seinem Bruder in die Schweiz reiste und – in nicht recht klaren Schreiben – die Geschäfte vorläufig niederlegte, übernahm Epp ohne formaljuristische Rücksichten einfach als kommissarischer Ministerpräsident am 16. März die Regierung und setzte kommissarische Minister ein: für das Innenressort Gauleiter Adolf Wagner, für Finanzen den Oberbürgermeister von Lindau Ludwig Siebert (1874-1942), für Justiz den Rechtsanwalt Hans Frank (1900-1946), für Kultus den Lehrer Hans Schemm (1891-1935), Gauleiter der "Bayerischen Ostmark". Gleichzeitig wurde die Einrichtung von SA-Sonderkommissaren für alle Regierungen und Bezirksbehörden, teilweise auch auf der Ebene der Kommunen, unter Kommissar Röhm verfügt und Himmler zum Leiter der Bayerischen Politischen Polizei, der Vorläuferin der Gestapo, ernannt. Als am 12. April 1933 Epp aufgrund des Ersten Reichsstatthaltergesetzes rückwirkend zum 10. April zum Reichsstatthalter in Bayern ernannt wurde, erhielt Siebert neben dem Finanzressort das Amt des Ministerpräsidenten, die bisherigen Kommissare wurden als Minister bestätigt. Dass gerade der langjährige Bürgermeister von Rothenburg ob der Tauber und Lindau, Ludwig Siebert zum Ministerpräsidenten und damit zum zweiten Repräsentanten des Landes ausgewählt wurde, obwohl er bisher wenig bekannt und auch kein spezifischer Parteimann war, mag zuerst als Verlegenheitslösung wirken; dies entsprach aber dem Wunsch Hitlers nach einem eher konservativen Vertreter in den Geschäften der Staatsverwaltung, hatte zudem den Vorteil, dass man damit andere Aspiranten auf das Amt, vor allem den in der Partei wenig beliebten Buttmann, ausschalten konnte (Rittenauer, Amt).

"Gleichschaltung"

Die nächsten Monate und Jahre verfolgten das Ziel der "Gleichschaltung", zuerst des Landes mit dem Reich, dann der Gesellschaft mit dem Regime. Der Landtag sowie die Gemeinde-, Kreis- und Bezirksräte wurden Anfang April 1933 nach den Reichstagswahlergebnissen neu gebildet; die NSDAP verfügte nun zusammen mit den Deutschnationalen über 56 Sitze (BVP 30, SPD 17). Am 28./29. April gelang in einer pomphaften Sitzung auch hier die Verabschiedung eines Ermächtigungsgesetzes (Gesetz zur Behebung der Not des bayerischen Volkes und Staates) durch die Mitwirkung der Bürgerlichen (gegen die SPD). Es war die letzte Sitzung des Landtags, und nach dem Verbot der Parteien (außer der NSDAP) im Juli 1933 war das unabhängige politische Leben beendet.

Ein Jahr nach Hitlers Amtsantritt, am 30. Januar 1934, wurden die Länder ihrer Hoheit beraubt, die Landtage und wenig später auch der Reichsrat aufgehoben – Bayern blieb wie alle Länder zwar bestehen, aber als nachgeordnete Verwaltungseinheit. Gegenüber den staatlichen Institutionen traten immer stärker die der Partei hervor, sowohl die Gauleiter mit ihren Gauämtern als auch die Gliederungen der Partei (z. B. SA, SS, HJ) und die angeschlossenen Verbände (z. B. NSLB, NSV). Die Gewerkschaften wurden am 2. Mai 1933 aufgelöst und durch die Deutsche Arbeitsfront (DAF) ersetzt, Vereinigungen wie Sportvereine oder Lehrerverbände, später auch die Wirtschaftsverbände und landwirtschaftlichen Vereine, dem Führerprinzip unterworfen und mit NS-Personal infiltriert. Die Zensur der Presse gelang schnell, die Theater und andere kulturelle Einrichtungen ordneten sich ein. Die größte Resistenzkraft zeigten die Kirchen, vor allem die katholische, die zwar durch das Reichskonkordat 1933 gewissermaßen ruhig gestellt, aber nicht gleichgeschaltet werden konnte. Nicht wenige dieser Entwicklungen wurden von der Bevölkerung bejaht, weil sie scheinbar einer ersehnten Einheit der Gesellschaft ("Volksgemeinschaft") dienten; zudem verbanden sie sich in den ersten Jahren mit einem deutlichen wirtschaftlichen Aufstieg und einem eindrucksvollen mentalen Aufbruch (z. B. Erntedankfeiern, Ehrung von Müttern, Sportfeste, Olympiade in Berlin und Garmisch-Partenkirchen 1936).

Die Opfer der Machtergreifung

In Straubing wurden am 30. Juni 1933 18 Sozialdemokraten verhaftet. Auf dem Bild ist zu sehen, wie 16 der Häftlinge am Hauptpostgebäude vorbei Richtung Bahnhof abgeführt werden, um im Konzentrationslager Dachau interniert zu werden. (Stadtarchiv Straubing, Fotosammlung Helene Joringer, Fotograf Karl Götz)

Mit dem März 1933 endete zwar nicht die bayerische Geschichte, doch wurde Bayerns eigenständige staatliche Organisation, wie sie seit dem späten Mittelalter bestanden hatte, gewaltsam und gegen den Willen einer immer noch gegebenen Mehrheit seiner Bewohner aufgehoben. Das Volk wurde seiner demokratischen Rechte, wie sie besonders seit 1918 ausgebaut worden waren, beraubt. Die inhumane nationalsozialistische Ideologie breitete sich mit Hilfe der Staatsgewalt ständig aus und beeinflusste auch ihr eher fernstehende Menschen. Wer anders dachte und handelte, wurde ausgeschaltet oder bestraft. Nicht nur am 9. März selbst gab es gewaltsame Übergriffe (gegen frühere Minister, gegen die SPD und Gewerkschaften, gegen Juden), schon im März 1933 errichtete Himmler das KZ Dachau und setzte damit ein Signal für staatlich organisierten Terror. Mit voller Wucht traf die Verfolgung sogleich die Kommunisten und Sozialisten, doch hatten bald auch viele andere, besonders kirchlich Gebundene, zu leiden. Auch in Bayern erfolgte ein Exodus der Künstler und Gelehrten. Die ständig sich steigernde Ausgrenzung der Juden begann ebenfalls schon 1933.

Weiterführende Fragen

Die Machtergreifung in den deutschen Ländern ist noch nicht grundlegend bearbeitet; dabei könnte gerade ein Vergleich der unterschiedlichen Vorgänge vertiefte Einsicht in die (vielfältigen) Methoden der Machtdurchsetzung bieten. Für Bayern ist fast allein die Frage diskutiert, ob der Freistaat durch innere Schwäche und Hinneigung zum Faschismus zusammenbrach oder durch äußeren Angriff aus Berlin überwältigt wurde; sie wird kontrovers beantwortet (Wiesemann – Schwend). Dagegen harren mehrere andere Fragen der Bearbeitung. So wären etwa die Vorgänge in München am 9. März näher zu bestimmen: Warum wollte man zuerst einen Generalstaatskommissar, wenn in Berlin schon der Reichskommissar vorbereitet wurde – gab es da verschiedene Konzepte? Weiter ist nach dem Verhalten der Provinz bei diesen Ereignissen zu fragen: War sie Vorreiter (der schwäbische Gauleiter Karl Wahl, 1892-1981, hat dies für Augsburg stets behauptet) oder folgte sie den Ereignissen in München nach? Wie vollzogen sich dann konkret Machtübernahme und Gleichschaltung in den einzelnen Städten und Regionen, welche Kompromisse mit den dortigen Eliten musste man teilweise eingehen und welche Folgen hatte das? Dafür liegen einige Untersuchungen vor (z.B. Gehringer; Hoser; Hoth; Kuropka), auch hier wären Vergleiche nötig. Sodann ist das Verhältnis der neuen NS-Regierung zu den bayerischen Traditionen zu bestimmen – wohl nicht zufällig ernannte Hitler den ehemaligen Kommandeur des kgl. Leibregiments, dann Freikorpsführer und Katholiken Franz von Epp, der angeblich 1919 München von der Räteherrschaft befreit hatte, hier zum Reichsstatthalter (sonst erhielten dieses Amt nur Gauleiter). Inwieweit pflegten Partei und Regierung die überlieferte Volkskultur in den einzelnen Regionen? Schließlich bleibt die Frage nach der Leichtigkeit der Übernahme Bayerns und nach der letztlich fehlenden Gegenwehr virulent: Held gab zwar nicht nach (anders als 1932 die preußische Regierung), er ließ aber auch die Polizei nicht auf die SA-Demonstranten schießen, so wie es 1923 beim Hitlerputsch geschehen war.

Literatur

  • Otto Altendorfer, Fritz Schäffer als Politiker der bayerischen Volkspartei 1888-1945, 2 Teile (Untersuchungen und Quellen zur Zeitgeschichte 3), München 1993.
  • Karl Otmar von Aretin, Die bayerische Regierung und die Politik der bayerischen Monarchisten in der Krise der Weimarer Republik 1930-1933 (1971), in: Ders. (Hg.), Nation, Staat und Demokratie in Deutschland, Mainz 1993, 65-93.
  • Richard Bauer u. a. (Hg.), München - Hauptstadt der Bewegung. Bayerns Metropole und der Nationalsozialismus, Neuauflage Wolfratshausen 2002.
  • Winfried Becker, The Nazi Seizure of Power in Bavaria and the Demise of the Bavarian People's Party, in: Hermann Beck/Larry Eugene Jones (Hg.), From Weimar to Hitler. Studies in the dissolution of the Weimar Republic and the establishment of the Third Reich, 1932-1934, New York 2019, 111-140 [Erweiterte Fassung abgedruckt in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 81 (2018), 657-744].
  • Michael Cramer-Fürtig/Bernhard Gotto (Hg.), "Machtergreifung" in Augsburg. Anfänge der NS-Diktatur 1933-1937. Ausstellung (Beiträge zur Geschichte der Stadt Augsburg 4), Augsburg 2008.
  • Ortwin Domröse, Der NS-Staat in Bayern von der Machtergreifung bis zum Röhm-Putsch, München 1974.
  • Martin Faatz, Vom Staatsschutz zum Gestapoterror. Politische Polizei in Bayern in der Endphase der Weimarer Republik und der Anfangsphase der nationalsozialistischen Diktatur, Würzburg 1995.
  • Thomas Fürst, Karl Stützel. Ein Lebensweg in Umbrüchen: Vom Königlichen Beamten zum Bayerischen Innenminister der Weimarer Zeit (1924-1933), Frankfurt 2007.
  • Horst Gehringer, Die nationalsozialistische Machtübernahme in der Provinz am Beispiel der Ereignisse in und um Bamberg, in: Historischer Verein Bamberg 152 (2016), 297-320.
  • Berndt Hamm u.a. (Hg.), Spielräume des Handelns und der Erinnerung. Lutherische Kirche in Bayern und der Nationalsozialismus, Göttingen 2010.
  • Paul Hoser, Die Machtergreifung in Freising. – Die „Gleichschaltung“ in Freising seit 1933, in: Amperland 51 (2015), 449-455 bzw. 52 (2016), 28-33.
  • Christiane Hoth/Theres Knöferl, Die "Machtergreifung", in: Christiane Hoth/Markus Raasch (Hg.), Eichstätt im Nationalsozialismus, München 2017, 29-56.
  • Johann Kirchinger, Die agrarischen Interessenverbände Bayerns und ihre Eliten im Horizont der nationalsozialistischen Machtergreifung im Frühjahr/Sommer 1933, in: Birgit Angerer u. a. (Hg.), Volk, Heimat, Dorf. Ideologie und Wirklichkeit im ländlichen Bayern der 1930er und 1940er Jahre, Petersberg 2016, 191-208.
  • Jochen Klenner, Verhältnis von Partei und Staat 1933-1945. Dargestellt am Beispiel Bayerns, München 1974.
  • Joachim Kuropka (Hg.), Grenzen des katholischen Milieus. Stabilität und Gefährdung katholischer Milieus in der Endphase der Weimarer Republik und in der NS-Zeit, Münster 2013 [für Bayern:Bayerischer Wald; Oberpfalz; Passau; Pfalz; Bayerisch Schwaben;Unterfranken].
  • Manuel Limbach, Bürger gegen Hitler. Vorgeschichte, Aufbau und Wirken des bayerischen "Sperr-Kreises" (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 102), Göttingen 2019.
  • Horst Möller u. a. (Hg.), Nationalsozialismus in der Region, München 1996.
  • Daniel Rittenauer, Das Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten in der NS-Zeit (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 169), München 2018.
  • Hermann Rumschöttel/Walter Ziegler (Hg.), Staat und Gaue in der NS-Zeit. Bayern 1933-1945 (Beihefte der Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte B 21), München 2004.
  • Karl Schwend, Bayern zwischen Monarchie und Diktatur. Beiträge zur bayerischen Frage in der Zeit von 1918 bis 1933, München 1954.
  • Susanne Wanninger, Nationalsozialistische Pläne zur Regierungsbildung in Bayern. Eine Denkschrift von Rudolf Buttmann vom März 1933, in: Andreas Wirsching (Hg.), Das Jahr 1933. Die nationalsozialistische Machteroberung und die deutsche Gesellschaft, Göttingen 2009, 92-109.
  • Peter Weidisch, Die Machtergreifung in Würzburg 1933, Würzburg 1990.
  • Falk Wiesemann, Die Vorgeschichte der nationalsozialistischen Machtübernahme in Bayern 1932/1933, Berlin 1975.

Quellen

  • Winfried Becker, Die nationalsozialistische Machtergreifung in Bayern. Ein Dokumentarbericht Heinrich Helds aus dem Jahr 1933, in: Historisches Jahrbuch 112 (1992), 412-435.
  • Wolfgang Benz (Hg.), Politik in Bayern 1919-1933. Berichte des württembergischen Gesandten Carl Moser von Filseck, Stuttgart 1971.
  • Ernst Deuerlein (Hg.), Der Aufstieg der NSDAP in Augenzeugenberichten, München 3. Auflage 1976.
  • Max Domarus, Bayern 1805-1933. Stationen der Staatspolitik, Würzburg 1979.
  • Walter Ziegler (Bearb.), Das Kabinett Held IV (1932/33) (Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1919-1945), München 2010.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Machtübernahme, nationale Erhebung, nationale Revolution

Empfohlene Zitierweise

Walter Ziegler, Machtergreifung in Bayern, 9. März 1933, publiziert am 12.03.2007 (Aktualisierte Version 05.02.2019); in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Machtergreifung_in_Bayern,_9._März_1933 (7.12.2024)