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Braunes Haus, München

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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"Braunes Haus" vor 1933. (Stadtarchiv München)
Areal zwischen Karolinenplatz und Königsplatz, Luftbild, um 1932. (Stadtarchiv München)
Braunes Haus, Brienner Straße 45, Innenansicht Senatorensaal. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-7117)
Braunes Haus, Brienner Straße 45, Büste Bismarcks vor den Fahnen in der Fahnenhalle. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-7129)
Braunes Haus, Brienner Straße 45, Ansicht mit Fahne auf dem Dach. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-7130)
Braunes Haus, Brienner Straße 45, Innenansicht Arbeitszimmer Hitlers, Porträt von Friedrich dem Großen an der Wand. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-7131)
Haupteingang des Braunen Hauses, Brienner Str. 45, mit der Aufschrift "Deutschland erwache"; Dezember 1931. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-7128)

von Ulrike Grammbitter

Das klassizistische Palais Barlow in der Münchner Briennerstraße wurde im Mai 1930 von der NSDAP erworben. Der Architekt Paul Ludwig Troost (1878-1934) baute die Stadtvilla zum Bürogebäude um. Es war zwischen 1931 und 1937 die Reichshauptgeschäftsstelle der NSDAP in München und wurde im Volksmund nach der Farbe der Parteiuniformen "Braunes Haus" genannt. Die NSDAP übernahm diese Bezeichnung. Hitler nannte das Gebäude auch "Parteiheim". 1944 wurde das "Braune Haus" zerstört, das Gelände blieb bis 2011 unbebaut. Seitdem entstand dort das NS-Dokumenationszentrum als zentrale Gedenkstätte für die Opfer des NS-Regimes, das am 30. April 2015 eröffnet wurde.

Geschäftsstellen der NSDAP in München bis zum Erwerb des "Braunen Hauses"

Die erste Geschäftsstelle der NSDAP wurde 1920 in einem Nebenzimmer des Münchner Sterneckerbräus am Isartor eingerichtet. 1921 zog die Partei in die Räume eines ehemaligen Wirtshauses in der Corneliusstraße 12. Nachdem die Mitgliederzahl von 3.000 zu Beginn des Jahres 1921 auf 55.000 Ende des Jahres 1923 gestiegen war, wuchs auch der Raumbedarf der Geschäftsstelle. Allerdings löste sich dieses Problem zunächst unerwartet, da die NSDAP im November 1923 nach dem Hitlerputsch verboten wurde.

Im Februar 1925 überließ Max Amann (1891–1957), der damalige Leiter des Zentralverlages der NSDAP, Franz Eher Nachfolger, der neu gegründeten NSDAP ein Zimmer in den Räumen des Verlages in der Thierschstraße 15.

Noch im Jahr 1925 übersiedelte das Parteibüro in das Rückgebäude Schellingstraße 50 und nannte sich nun Reichshauptgeschäftsstelle. Die Räume vermittelte Heinrich Hoffmann (1885–1957), der spätere Leibphotograph Adolf Hitlers (1889-1945) und "Reichsbildberichterstatter" der NSDAP. Bis 1930 wurde das ganze Hinterhaus in Besitz genommen. Von vier Angestellten 1925 erhöhte sich die Zahl bis 1930 auf 56. Hitler ordnete an, dass neue, größere Räumlichkeiten gesucht werden sollten und traf 1930 die Entscheidung, ein Gebäude zu kaufen.

Die städtebauliche Situation des "Braunen Hauses" in der Maxvorstadt

Bald fand sich ein großes Palais in einem weitläufigen Grundstück in der Maxvorstadt, einem vornehmen Villenviertel mit großen Gartenanlagen an der Brienner Straße zwischen Karolinen- und Königsplatz. Seit Gründung des Viertels ab 1808 stellt diese Straße die Hauptachse des Stadtteils dar. Sie ist bis heute Hauptausfallstraße von der nördlichen Altstadt nach Westen. Nach dem Ersten Weltkrieg begann sich die Sozialstruktur des Viertels zu wandeln. Immer weniger Familien konnten den Unterhalt der großen Häuser finanzieren, so dass mehr und mehr Firmen die Wohngebäude übernahmen.

Der Architekt des Palais und seine Besitzer

Das Palais wurde 1828 von dem königlichen Hofbaurat Jean-Baptiste Métivier (1781-1853) als Spekulationsobjekt erbaut. Dies war in jenen Jahren in München nicht ungewöhnlich, da König Ludwig I. (1786-1868, reg. 1825-1848) Zuschüsse gewährte, um die Bebauung seiner neu angelegten Prachtstraßen zu fördern. Métivier hatte zwar nicht das Format der damals führenden bayerischen Architekten Leo von Klenze (1784-1864) und Friedrich von Gärtner (1792-1847), war aber dennoch der bevorzugte Architekt des bayerischen Adels, so dass auch Klenze gern auf seine Mitarbeit zurückgriff.

Nach der Fertigstellung wurde das Gebäude nicht gleich verkauft, sondern war zunächst an den Freiherrn Carl von Lotzbeck (1786-1873) vermietet. 1838 erwarb Marchese Fabio Pallavicini (1795-1872), der Geschäftsträger des Königreiches Sardinien am bayerischen Hof, das Palais. Da Sardinien seit 1861 zum Königreich Italien gehörte, erklärt sich die häufig zu lesende Bemerkung, das "Braune Haus" sei ehemals Sitz der italienischen Botschaft gewesen. Das Palais ging 1866 in den Besitz des Hofphotographen Joseph Albert (1825-1886) über. 1876 wurde es von dem englischen Großkaufmann Richard Barlow (1826-1882) erworben, der es an seinen Sohn Willy Barlow (1869-1928) vererbte. Die Witwe Elisabeth Barlow veräußerte das Anwesen am 26. Mai 1930 an den Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterverein (NSDAV), der als juristische Person anstelle der nicht rechtsfähigen NSDAP auftrat.

Beschreibung und stilistische Einordnung des Gebäudes

Das klassizistische Stadtpalais war durch einen Vorgarten von der Straße abgesetzt und von einem weit in die Tiefe gehenden Gartengelände umgeben. Das dreigeschossige, siebenachsige Gebäude wirkte breit gelagert, da die Stockwerke durch hohe Gesimsbänder voneinander abgetrennt waren. Die beiden äußeren Achsen sprangen als Risalite vor, die Mittelachse mit dem Eingang blieb innerhalb des fünfachsigen Mittelrisalits unbetont, so dass die Fassadengliederung durch Reihung der Achsen gestaltet wurde. Das ungewöhnlich hohe Erdgeschoss wurde von Rundbogenfenstern erhellt, während die Obergeschosse von Rechteckfenstern gegliedert waren. Das Dach war als Walmdach ausgebildet. Leider sind keine Grundrisse des Gebäudes bekannt, aber die Photographien zeigen ein Gebäude mit großem Raumumfang. Die neoklassizistischen Parteibauten am Königsplatz knüpfen an den Stil des Palais an.

Vom Palais Barlow zum "Braunen Haus"

Hitler nannte als Begründung für den auch innerhalb der Partei nicht unumstrittenen Kauf des Palais Barlow, die Bedeutung der Partei müsse durch eine repräsentative Geschäftsstelle erkennbar sein. Ein weiterer – finanzieller – Grund für den Kauf anstelle des Anmietens war, dass die erwartete Wertsteigerung des Gebäudes durch den Umbau dann der Partei zugute käme. Hitler hatte offensichtlich auch den Bau eines Hochhauses erwogen, diesen Gedanken aber verworfen, da er nicht dem Kulturverständnis der Partei entspreche. Der Standort des Hauses und sein Stil spielten bei der Kaufentscheidung eine wichtige Rolle. Hitler sah sich als Kunstmäzen in der Nachfolge Ludwigs I.; die von diesem angelegte Maxvorstadt war für ihn somit die dem Parteizentrum der "Bewegung" angemessenste Lage der Stadt. Das zur Regierungszeit Ludwigs I. entstandene klassizistische Palais sollte ein "Kulturdokument" der NSDAP werden. "Was aber die Bewegung braucht, ist ein Heim, das genauso Tradition werden muss, wie der Sitz der Bewegung" (Adolf Hitler, Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933. 4. Teil, 2. Teil, hg. u. komm. v. Christian Hartmann, Dok. 4, S. 28).

Zur Finanzierung von Kauf und Umbau des Palais erging an die Parteimitglieder ein Spendenaufruf, zudem wurde eine außerordentliche Mitgliederabgabe mit einem Mindestbeitrag von 2 Reichsmark verfügt. Ferner sollten die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern zu Hitlers öffentlichen Reden verwendet werden. Der Bitte um verzinsliche Darlehen kamen die Großindustriellen Fritz Thyssen (1873-1951) und Friedrich Flick (1883-1972) nach.

Der Preis für das Areal betrug laut Kaufvertrag vom 26. Mai 1930 805.864 Goldmark. Den Auftrag zur Umgestaltung in ein Bürogebäude erhielt der Münchner Architekt Paul Ludwig Troost (1878–1934), den Hitler zum "Ersten Baumeister des Führers" erhob. Dieser entwarf die ersten repräsentiven Großprojekte der NSDAP in München, das Parteizentrum der NSDAP am Königsplatz – also die Nachfolgebauten des "Braunen Hauses" – und das "Haus der Deutschen Kunst" an der Prinzregentenstraße. Die deutsche Presse nahm die architektonische Selbstdarstellung der NSDAP nicht wie von dieser erhofft auf, sondern hatte für das "Braune Haus" nur Spott übrig, wovon Schlagzeilen wie "Münchner Palast der Nazi-Bonzen", "Palais Größenwahn" oder "Hitler spielt Bayernkönig" zeugen.

Die Funktionen der Reichsgeschäftsstelle der NSDAP

Im Januar 1931 wurde das Palais Barlow bezogen. Hitler hatte ein detailliertes Bauprogramm erstellt, das bereits die Kernräume benannte, die später die Grundlage für die Raumdisposition des Parteizentrums am Königsplatz bilden sollten. Das Gebäude beherbergte neben den Organisations- und Verwaltungsräumen der Partei auch Kulträume der NS-Bewegung.

Für die zentrale Mitgliederkartei wurde rückseitig eine eigene Halle, die so genannte Kartothek, angebaut. Im Erdgeschoss waren die Räume des Reichsschatzmeisters Franz Xaver Schwarz (1875–1947) untergebracht, außerdem das oberste Parteigericht. Im 1. Obergeschoss befanden sich unter anderem die Amtsräume des Stellvertreters Hitlers Rudolf Heß (1894–1987), das Arbeitszimmer Hitlers und das des Reichsgeschäftsführers Philipp Bouhler (1899–1945). Im 2. Obergeschoss waren die Kanzlei Hitlers sowie die Reichspressestelle der NSDAP. Im 3. Obergeschoss hatten die Reichsführung SS und das Parteizentralarchiv ihre Räume.

Über dem Haupteingang, dessen Bronzeportal mit Hakenkreuzornamenten geschmückt war, stand die Parteiparole "Deutschland erwache". Das Vestibül des Erdgeschosses, in dem eine Büste Otto von Bismarcks (1815-1898), "des Gründers des zweiten Reiches", aufgestellt war, diente als Fahnenhalle. Das Vestibül des 1. Obergeschosses, in dem Bronzetafeln mit den Namen der 1923 gefallenen Putschisten aufgehängt waren, wurde als Standartensaal bezeichnet. Daran schloss der so genannte Senatorensaal an, der Versammlungsraum für die Leiter der Partei, dessen Einrichtung Hitler angeblich selbst entworfen hatte. Ein weiterer Versammlungssaal befand sich im 2. Obergeschoss.

Nach Vollendung des Parteizentrums der NSDAP am Königsplatz 1937 diente der "Führerbau" an der Arcisstraße der Repräsentation, die Parteiadministration wurde in den "Verwaltungsbau" verlagert. Das "Braune Haus", die "Wiege der Bewegung", erfüllte nunmehr nur noch museale Zwecke.

NS-Dokumentationszentrum, das an der Stelle des Braunen Hauses gebaut wurde, um an die Opfer des NS-Regimes zu erinnern. (NS-Dokumentationszentrum München/Jens Weber)

1944 wurde das "Braune Haus" zerstört, einige Jahre später die Ruine abgetragen. Das Gelände blieb Jahrzehnte unbebaut. 2011 begann an diesem Ort der Bau eines NS-Dokumentationszentrums als zentrale Gedenkstätte für die Opfer des NS-Regimes, das am 30. April 2015 eröffnet wurde. Mit Ausstellungen und Veranstaltungen soll es als zentraler Lern- und Erinnerungsort die Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Nachwirkungen des Nationalsozialismus fördern und eine zukunftsorientierte Bildungsarbeit am historischen Ort ermöglichen.

Literatur

  • Ulrike Grammbitter, Vom Parteiheim in der Brienner Straße zu den Monumentalbauten am Königlichen Platz: das Parteizentrum der NSDAP am Königsplatz in München, in: Iris Lauterbach (Hg.), Bürokratie und Kult. Das Parteizentrum der NSDAP am Königsplatz in München. Teil 1: Geschichte und Rezeption (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München 10), München 1995, 61-81.
  • Andreas Heusler, Das Braune Haus. Wie München zur "Hauptstadt der Bewegung" wurde, München 2008.
  • Hans Lehmbruch, Acropolis Germaniae. Der Königsplatz - Forum der NSDAP, in: Iris Lauterbach (Hg.), Bürokratie und Kult. Das Parteizentrum der NSDAP am Königsplatz in München. Teil 1: Geschichte und Rezeption (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München 10), München 1995, 17-45.
  • Hermann Rau, Jean-Baptiste Métivier. Architekt, Königlich Bayerischer Hofbaudekorateur und Baurat (1781-1857), Kallmünz 1997.
  • Hans Rose-Jena, Jean Baptiste Métivier, der Erbauer des Braunen Hauses in München, in: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 1 (1934), 49-71.

Quellen

  • Adolf Hitler, Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933. 4. Band, 1. Teil, hg. u. komm. v. Constantin Goeschler. (Dok. 1, 61)
  • Adolf Hitler, Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933. 4. Band, 2. Teil, hg. u. komm. v. Christian Hartmann. (Dok. 19, 95)
  • Adolf Hitler, Reden, Schriften, Anordnungen. Februar 1925 bis Januar 1933. 4. Band, 3. Teil, hg. u. komm. v. Christian Hartmann (Dok. 48, 50)
  • Adolf Dresler, Das Braune Haus und die Verwaltungsgebäude der Reichsleitung der NSDAP, München 3. Auflage Zentralverl. d. NSDAP, Eher, 1939.
  • Fritz Maier-Hartmann, Die Bauten der NSDAP in der Hauptstadt der Bewegung, München Zentralverlag der NSDAP, Eher, 1942. (Veränderte Auflage von Dresler, Adolf)

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Ulrike Grammbitter, Braunes Haus, München, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Braunes_Haus,_München> (28.03.2024)