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Kabinett Held IV, 1932-1933

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Ministerpräsident Heinrich Held. (Bayerische Staatsbibliothek, Porträt- und Ansichtensammlung)

von Walter Ziegler

Vom Mai 1932 bis März 1933 geschäftsführende Regierung Bayerns unter Ministerpräsident Heinrich Held (BVP, 1868-1938). Tagesgenaue Amtsdaten sind nicht möglich, da die Regierung nicht aus einer Wahl hervorging, andererseits durch die Nationalsozialisten im Lauf des März 1933 abgelöst wurde. Sie beruhte parteipolitisch auf der Zusammenarbeit von Bayerischer Volkspartei (BVP) und Deutschnationaler Volkspartei (DNVP). Angesichts der Ereignisse im Reich (Präsidialkabinette, Preußenschlag, Aufstieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei [NSDAP]) war die Bewahrung der Selbständigkeit Bayerns das Hauptthema der Regierung Held IV. Ebenso wichtig waren die Versuche, in der katastrophalen Wirtschafts- und Finanzlage einen Weg zum Überleben zu finden. Seit dem Amtsantritt Hitlers (NSDAP, 1889-1945) als Reichskanzler am 30. Januar 1933 verengte sich die Gestaltungsmöglichkeit der Regierung deutlich, bis sie im März aus dem Amt gedrängt wurde.

Amtsantritt

Eine eigentliche Regierungsbildung gab es nicht. Bereits 1930, als durch den Austritt des Bauernbundes aus der Regierung (Ende des Kabinetts Held II) die Mehrheit im Landtag verloren ging, war die Regierung als Kabinett Held III geschäftsführend im Amt geblieben. Auch nach der Landtagswahl vom 24. April 1932, die der bisherigen Koalition aus Bayerischer Volkspartei (BVP) und Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) nur 48 Sitze von 128 gebracht hatte (Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 20, Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 43, Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 8), fand sich keine Mehrheit für die Wahl eines Ministerpräsidenten, obwohl die stärkste Partei Verhandlungen vorschlug. Damit blieb die geschäftsführende Regierung im Amt. Als spätestes Datum des Regierungsbeginns des Kabinetts Held IV kann man den 31. Mai 1932 angeben, als der am 24. April neu gewählte Landtag zusammentrat und keinen Ministerpräsidenten wählte.

Personelle Zusammensetzung

Innenminister Karl Stützel. (Privatbesitz Elisabeth Stützel, Speyer)

Die Zusammensetzung der Regierung blieb, da die bisherigen Ressortleiter weiter arbeiteten, unverändert. Als Ministerpräsident amtierte Heinrich Held (BVP, 1868-1938, Regierungschef seit 1924). Obwohl es damals noch keine Richtlinienkompetenz für den Ministerpräsidenten gab und er nur den Vorsitz im Kabinett führte, war seine Autorität, vor allem in politischen Grundsatzfragen, allgemein anerkannt. Überdies leitete er das Außenministerium, das aufgrund der gewachsenen Aufgaben nun "Staatsministerium des Äußern, für Wirtschaft und Arbeit" hieß.

Von großer Bedeutung im Kabinett waren Innenminister Karl Stützel (BVP, 1872-1944, Minister seit 1924) und der Leiter des Finanzressorts, Staatsrat Fritz Schäffer (1888-1967; Leiter des Ministeriums seit 1931). Schäffer war nicht nur durch seine fachliche Kompetenz (1949-1957 Bundesfinanzminister) bedeutend, sondern auch als Parteivorsitzender der BVP. Das Kultusministerium führte seit dem Tod seines Vorgängers Franz Matt (1860-1926) 1926 Franz Goldenberger (BVP, 1867-1948) - ein eher zurückhaltender Beamter, der aber für das 1925 erreichte Konkordat mit dem Vatikan große Bedeutung gehabt hatte. Das Justizministerium hatte schon seit 1920 Franz Gürtner (DNVP, 1881-1941) geleitet, der jedoch Anfang Juni 1932 Reichsjustizminister im Kabinett von Papen wurde. In Bayern trat an seine Stelle als Ressortleiter Staatsrat Heinrich Spangenberger (DNVP, 1870-1942).

Das Problem der Geschäftsführenden Regierung

Laut Bamberger Verfassung von 1919 (§ 66) hatte das Gesamtministerium bei Rücktritt die Geschäfte bis zur Berufung einer neuen Regierung weiterzuführen. Dies war als Übergangslösung für kurze Zeit gedacht. Da aber der Ministerpräsident mit absoluter Mehrheit gewählt werden musste (§ 58) und für die Selbstauflösung des Landtags die gleiche Hürde gesetzt war (§ 31), gleichzeitig solche Mehrheiten wegen der Gegensätzlichkeiten der Parteien nun nicht mehr zustande kamen, hatte sich die Regierung seit ihrem Rücktritt am 20. August 1930 als geschäftsführende einzurichten. Sie war damit eigentlich keine "schwache" Regierung, schon weil sie als zurückgetretene nicht mehr gestürzt werden konnte. Auch konnte sie nun weitgehend unabhängig von den Parteien regieren, was der damaligen Parteiverdrossenheit entgegenkam ("Staatspolitik" gegen "Parteipolitik"). Probleme ergaben sich nur bei der jährlich nötigen Verabschiedung des Haushalts, für die sie aber immer eine Mehrheit fand, sowie beim Ausscheiden von Ministern, weil für eine Neubesetzung ebenfalls eine Mehrheit im Landtag nötig gewesen wäre. Deshalb amtierten seit Juni 1932 nun schon in zwei von fünf Ministerien (Finanzen, Justiz) Staatsräte, die der Ministerpräsident einfach berufen konnte.

In vielen Ländern des Deutschen Reiches gab es in der Endphase der Weimarer Republik geschäftsführende Regierungen, nämlich in Lübeck (seit 1929), in Sachsen (1930), Hamburg (1931), Württemberg und Preußen (April 1932) sowie in Hessen (Dezember 1932). Auch im Reich waren seit 1930 die Kanzler ohne Mehrheit im Parlament. Diese Entwicklung bedeutete im Reich wie in Bayern weniger ein Problem für die aktuelle Staatsverwaltung als vielmehr für das demokratische Selbstverständnis und die öffentliche Legitimation.

Distanz gegenüber den Reichsregierungen

Obwohl das Verhältnis Bayerns zum Reich für alle Regierungen seit 1918 ein Thema war, spitzte sich das Problem nun erheblich zu. Dies lag daran, dass nach dem Sturz von Kanzler Heinrich Brüning (Zentrum, 1885-1970) Ende Mai 1932 die neuen, jetzt ganz vom Reichspräsidenten abhängigen, nun aber schon stark von der NSDAP beeinflussten Regierungen Franz von Papen (1879-1969; 3 Juni bis 3. Dezember 1932) und Kurt von Schleicher (1882-1934; 3. Dezember 1932 bis 30. Januar 1933) in Berlin amtierten, seit dem 30. Januar dann die Regierung Hitler-Hugenberg. Trotz föderalistischer Bekenntnisse gerade Papens setzten sie die Anpassung der Länder an die Reichspolitik als selbstverständlich voraus. Das Kabinett Held hatte sich auf den bisherigen Feldern (Reichsreform, Steuern, Sozialpolitik usw., jetzt auch Rundfunk) zu behaupten und auf neuen zu kämpfen. Die wichtigsten neuen Auseinandersetzungen waren:

  1. Das Verbot von SA und SS sowie das Uniformverbot: Diese hatte das Reich, besonders auch auf bayerisches Drängen, im März 1931 und April 1932 erlassen und damit die innenpolitische Szene etwas beruhigt. Für eine auch nur zeitweilige Tolerierung Papens hatte Hitler deren Aufhebung verlangt und am 14. Juni 1932 erreicht. Als Bayern und andere Länder daraufhin eigene Verbote erließen, hob Papen diese wiederum durch eine Notverordnung auf. Immerhin gelang es Innenminister Stützel, in Bayern trotz der Reichsvorschriften eine ziemlich rigide Sicherheitspolitik gegen die Radikalen durchzuführen. Dazu half auch die entschlossene Haltung des Kultusministeriums gegen rechte und linke Extremisten an Schulen und Hochschulen.
  2. Das Verhalten beim "Preußenschlag", als Reichskanzler von Papen am 20. Juli 1932 die preußische Regierung von SPD, Deutscher Demokratischer Partei (DDP) und Zentrum unter Otto Braun (SPD, 1872-1955) absetzte und sich als Reichskommissar für Preußen einsetzte. Trotz geringer Sympathie für Preußen schloss sich Bayern sofort der Klage Brauns beim Reichsstaatsgerichtshof an. Sie erreichten zusammen mit Baden immerhin ein für die föderalistische Gestaltung des Reiches grundsätzlich positives Urteil (25. Oktober), wenn auch die alte preußische Regierung nur zum Teil wieder eingesetzt wurde. In München fürchtete man einen ähnlichen Eingriff für Bayern, doch war der Einsatz des Kabinetts auch grundsätzlich motiviert: Vor allem wollte man verhindern, dass mit Hilfe des "Diktaturparagraphen der Reichsverfassung (Art. 48/2) ohne die betroffenen Länder eine Reichsreform durchgeführt wurde.

Insgesamt hatte sich das Verhältnis zu den Reichsregierungen deutlich verschlechtert, da die BVP seit dem Ende der Regierung Brüning in ihnen nicht mehr vertreten war (früher stellte sie meist den Reichspostminister). Gürtner wurde in München nicht als Vertreter Bayerns gewertet. Dazu kam, dass auch die Reichskanzler hier wenig Ansehen genossen (Papen "Verräter am Zentrum"; Schleicher "preußischer General", Hitler "Putschist von 1923").

Wirtschafts- und Finanzpolitik

In der Wirtschafts- und Finanzpolitik hatte Bayern wegen der Verreichlichung von Eisenbahn und Post sowie der Erzbergerschen Finanzreform von 1919/20 nicht mehr viele Möglichkeiten, eigenständig tätig zu werden.

Hauptprobleme in der Weltwirtschaftskrise waren in Bayern die katastrophale Lage vieler Bauern (niedrige Getreide- und Holzpreise), was zu sehr vielen Vergantungen (Zwangsversteigerungen) führte, und die Geldknappheit des Mittelstandes. Das Kabinett Held IV bemühte sich in Berlin etwa um Holzeinfuhrsperren oder um Schutz für insolvente Bauern. Gleichzeitig stieg die Finanznot der Gemeinden aufs höchste, welche die aus der Arbeitslosenunterstützung (Alu) ausgeschiedenen Arbeitslosen ("Wohlfahrtserwerbslose") zu unterhalten hatten. Für die Gemeinden warb man immer neu um Finanzhilfen des Reiches. Ende 1932 gelang es, für den Osten Bayerns in das Entschuldungsprogramm der Reichs-Osthilfe aufgenommen zu werden.

Bei größeren Unternehmungen wie dem Erhalt der für Oberbayern wichtigen, aber äußerst gefährdeten Isartalbahn (München-Bichl) oder beim geplanten Rhein-Main-Donau-Kanal konnte man, auch mit Mitteln der Bayerischen Staatsbank, Hilfe schaffen und ihre Existenz sichern. Zusammen mit dem Reich eingeleitete Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (z. B. Elektrifizierung von Eisenbahnstrecken) griffen nur sehr langsam.

Die völlige Abhängigkeit von Berlin in Steuerfragen zwang auch Bayern die Folgen der dortigen Einsparungspolitik auf (z. B. laufende Gehaltskürzungen der Beamten, Kürzungen der Arbeitslosengelder). Die Überweisung der Reichssteuern an Bayern, ein Dauerthema der Finanzsausgleichverhandlungen bis 1930, wurde nun rücksichtslos durch Notverordnungen aus Berlin festgelegt. Versuche von Schäffer, wieder eine eigene bayerische Finanzverwaltung zu schaffen, schienen erst nicht ohne Erfolg, scheiterten aber an Strukturproblemen und auch an der Verweigerung der nötigen Reichsmittel. Vereinbarte Abfindungen aus der Verreichlichung von Bahn und Post blieben aus.

Staatsvereinfachung

Dieses Dauervorhaben der 1920er Jahre war unter föderalistischem wie unter finanziellem Aspekt besonders wichtig. Hier konnte die bayerische Regierung jetzt beachtliche Erfolge aus der Arbeit der letzten Jahre einfahren. Es waren schon bis 1932 die Zahl der Ministerien (unter Hofmann II 1920 noch zehn!) auf die fünf traditionellen Ressorts zusammengelegt worden bzw. durch Verreichlichung weggefallen. Auch zahlreiche Unterbehörden (z. B. Amtsgerichte und Messungsämter) wurden aufgehoben. Den Regierungen Held III und IV gelang es 1932 gegen erhebliche Widerstände, durch Zusammenlegung der Kreise (Regierungsbezirke) Mittel- und Oberfranken sowie Niederbayern und Oberpfalz deren Zahl von acht auf sechs zu verringern (nach 1945 rückgängig gemacht). Auch eine Initiative zur Bereinigung der Gesetze und Verordnungen wurde eingeleitet. Eine geplante Verringerung der Bezirksämter (Landkreise) wurde aus politischen Gründen verschoben (nach abermaligem Scheitern in der NS-Zeit, kam es erst 1972 dazu).

Vermittlung der Regierungspolitik

Die süddeutschen Regierungschefs am 12. Juni 1932 anlässlich des Empfangs bei Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847-1934). Von rechts nach links: Heinrich Held (Bayern, 1868-1938), Reichskanzler Franz von Papen (1879-1969) sowie die Staatspräsidenten Eugen Bolz (Württemberg, 1881-1945) und Josef Schmitt (Baden, 1874-1939). (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Bildersammlung Personen 2153)

Das Kabinett sprach seit dem Ausscheiden Gürtners weitgehend mit einer Stimme. Die Einflüsse der DNVP waren freilich bei Staatsrat Spangenberger noch spürbar, doch wurden sie durch das Schwergewicht des BVP-Parteivorsitzenden Schäffer weit übertroffen. Schäffer und Held bemühten sich weit stärker als früher um die Vermittlung der Regierungspolitik im Land, was auch mit der Herausforderung durch die Radikalen zusammenhing. Dies geschah einerseits durch ausführliche Stellungnahmen im Landtag, dann durch die weit verbreitete regierungsfreundliche Presse, von der offiziösen Bayerischen Staatszeitung über die viel gelesenen Münchner Neuesten Nachrichten, deren Chefredakteur Fritz Büchner (1895-1940) dem Kabinett zuneigte, bis zu so einflussreichen Zeitungen wie dem Regensburger Anzeiger (mit Held persönlich verbunden), dem Bamberger Volksblatt (dem BVP-Fraktionsvorsitzenden im Reichstag Johann Leicht [1868-1940] nahe stehend) oder der Eichstätter Volkszeitung (Organ des BVP-Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Georg Wohlmuth [1865-1952]). Auch die künftige Macht des Rundfunks war schon klar: Die Regierung konnte 1932 noch einmal die Eigenständigkeit des Bayerischen Rundfunks gegenüber der zentralistisch umgeformten Reichsrundfunkgesellschaft verteidigen (bis 1934). Daneben aber war Held unentwegt mit Reden auf Festveranstaltungen, Kongressen, Wahlreisen usw. präsent, darin nur noch von Schäffer übertroffen. Diese Präsenz umfasste in politischen Dingen auch die Kontakte mit Berlin, die freilich jetzt die Reichskanzler eher mieden und über Ministerkollegen und den Reichsrat gingen. Dabei kam der bayerischen Gesandtschaft immer größere Bedeutung zu. Vor allem aber setzte man jetzt auf den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847-1934), den man für Bayern besonders gewogen erachtete.

Im Schatten der Hitler-Regierung (Februar/März 1933)

Formell war die Betrauung Hitlers mit dem Reichskanzleramt am 30. Januar 1933 für die Länder ohne Belang – mit Ausnahme von Preußen, wo die neue NS-Reichsregierung mit ihren Kommissaren gebot. Schon diese Tatsache, dann aber auch das Schwergewicht der NSDAP und die nun einsetzende ungeheure nationale Einheitspropaganda machten den Ländern zu schaffen. Besonders galt dies für Bayern, das Hitler, Hermann Göring (NSDAP, 1893-1946) und Reichsinnenminister Wilhelm Frick (NSDAP, 1877-1946) bestens kannten und von dessen Wichtigkeit für eine endgültige "Machtergreifung" sie überzeugt waren.

Dagegen hatte die Regierung in München - außer dem Festhalten an Recht und Gesetz - wenig ins Feld zu führen. Sie bremste das Vorgehen Berlins möglichst aus (z. B. bei Anträgen Fricks auf Zeitungsverbote), betonte aber gleichzeitig ihre Reichstreue und antikommunistische Haltung, weshalb in Bayern ein Eingreifen unnötig sei. Dem sollte auch eine erneute Initiative dienen, in München eine Mehrheitsregierung zu bilden. Da eine Zusammenarbeit mit der SPD traditionell schwierig war und Held jedes Zusammengehen mit der NSDAP ablehnte, kam diese nicht zustande. Die Bayernwacht als paramilitärischer Verband der BVP wurde gefördert, war aber gegenüber der SA nur schwach.

Der von Monarchisten und Kreisen der BVP ventilierte und nach 1945 viel diskutierte Gedanke, mit Kronprinz Rupprecht (1869-1955) in Bayern die Monarchie als letzten Halt vor Hitler zu restaurieren, wurde zwar mehrfach, besonders im Februar 1933, besprochen. Er kam aber nicht einmal offiziell in eine Kabinettssitzung – die Art des Vorgehens (Generalstaatskommissar; Staatsstreich?), das Programm der Kronprinzen und die vorhandenen Mittel waren zu unklar, die Haltung des Reichspräsidenten und der Reichswehr deutlich ablehnend, die Reaktion Hitlers drohend. Eine ernsthafte Möglichkeit stellte die Restauration nicht dar.

Ende der Regierung Held (März 1933)

Entscheidend wurde die (halbfreie) Reichstagswahl vom 5. März 1933, die Hitler auch in Bayern hoch gewann (NSDAP 43 %, BVP 27 %). Sogleich verlangten die Nationalsozialisten, auch in Bayern die Regierungsmacht zu übernehmen.

Die Verdrängung der Regierung Held vollzog sich in den Tagen vom 7. März bis 27. März 1933, wobei sich mehrere Aktionen überschnitten, bei denen die Regierung durch größtenteils illegale Maßnahmen der Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt wurde.

Zuerst beschloss das Kabinett (Ministerrat vom 7. März), nun eine neue Regierung zu bilden und dazu reguläre Verhandlungen mit der NSDAP und DNVP (nicht mehr mit der SPD) zu führen. Am Mittag des 9. März jedoch versuchten einige bayerische NS-Parteiführer - Ernst Röhm (1887-1934)/SA; Heinrich Himmler (1900-1945)/SS; Adolf Wagner (1890-1944), Gauleiter von München-Oberbayern -, durch einen Überraschungscoup Held dazu zu bringen, den NS-Landtagsabgeordneten General Franz von Epp (1868-1947) zum Generalstaatskommissar zu ernennen und somit die Regierungsgewalt zu übertragen. Sie gaben an, dass die Ordnung gefährdet sei. Der Ministerrat lehnte ab. Am Abend setzte Reichsinnenminister Frick Epp zum Reichskommissar in Bayern ein ("zur Erhaltung öffentlicher Sicherheit und Ordnung"), was man formal akzeptieren musste – Appelle an den Reichspräsidenten und an die Reichswehr waren erfolglos geblieben.

Obwohl die SA die Ministerien besetzte und die Minister Stützel und Schäffer misshandelte, versuchte die Regierung - die Verfügung Fricks präzise befolgend - in den übrigen Bereichen weiter zu amtieren (Ministerrat am 10. März). Epp dagegen ernannte illegal Kommissare für alle Ministerien und versuchte so, ohne Verhandlungen und ohne Parlament eine neue NS-Regierung zu etablieren. Hitler wiederum verhandelte persönlich am 12. und 13. März in München über eine neue Mehrheitsregierung, verließ dann aber die Stadt ohne eine Entscheidung.

Am 15. März kündigte Held, krank und in Sorge um seine Familie, mittlerweile auch aus seiner Dienstwohnung vertrieben und schon bedroht, erstmals schriftlich seinen Rücktritt und die Abreise zu seinem Bruder nach Lugano (Schweiz) an, was Staatsrat Josef Bleyer (1878-1935) an Epp übermittelte. Beide übersahen dann gezielt, dass Held unmittelbar darauf diese Ankündigung zurücknahm und feststellte, dass er vorläufig in Krankenurlaub gehe und sich vertreten lasse. So proklamierte Epp am 16. März, er habe nach dem Rücktritt Helds nun mit seiner Kommissariatsregierung alle Regierungsmacht übernommen; auch das erzwungene Ausscheiden der bisherigen Minister datierte man von da an. Schließlich erklärte sich Held am 27. März in der Schweiz mit dem Vorgehen Bleyers und Epps einverstanden.

Das Reichskommissariat war aber noch keine Regierung. Eine "reguläre" neue Regierung wurde vielmehr erst am 12. April 1933 gebildet, als ohne den Landtag aufgrund des Zweiten Gleichschaltungsgesetzes des Reiches vom 7. April 1933 Reichsstatthalter Epp (er war am 12. April rückwirkend zum 10. April 1933 dazu ernannt worden) Ludwig Siebert (1874-1942), den Oberbürgermeister von Lindau, zum Ministerpräsidenten bestellte. So verwirrend das Ende der letzten demokratischen Regierung Bayerns in der Weimarer Epoche war, Held leistete doch am längsten von allen Länderregierungschefs gegen die "Machtergreifung" der Nationalsozialisten Widerstand.

Mitglieder des Kabinetts
Ministerium Minister Lebensdaten Besonderheiten
Staatsministerium des Äußern, für Wirtschaft und Arbeit Heinrich Held, BVP 1868-1938 Gleichzeitig Ministerpräsident
Staatsministerium des Innern Karl Stützel, BVP 1872-1944
Staatsministerium der Justiz Franz Gürtner, DNVP 1881-1941 bis 6. Juni 1932
Heinrich Spangenberger, DNVP 1870-1942 ab 6. Juni 1932; Staatsrat, Leiter des Ministeriums
Staatsministerium der Finanzen Fritz Schäffer, BVP 1888-1967 Staatsrat, Leiter des Ministeriums
Staatsministerium für Unterricht und Kultus Franz Goldenberger, BVP 1867-1948

Literatur

  • Otto Altendorfer, Fritz Schäffer als Politiker der bayerischen Volkspartei 1888-1945. 2 Teile, München 1993.
  • Maria Magdalena Bäuml, Kulturpolitik gegen die Krise der Demokratie. Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus 1926-1933 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 168), München 2018.
  • Winfried Becker, Heinrich Held (1868-1938), in: Katharina Weigand (Hg.), Große Gestalten der bayerischen Geschichte, München 2012, 357-379.
  • Thomas Fürst, Karl Stützel. Ein Lebensweg in Umbrüchen: Vom Königlichen Beamten zum Bayerischen Innenminister der Weimarer Zeit (1924-1933), Frankfurt 2007.
  • Heinz Hürten, Revolution und Zeit der Weimarer Republik, in: Max Spindler/Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 4. Band: Das neue Bayern, von 1800 bis zur Gegenwart. 1. Teilband: Staat und Politik München 2. Auflage 2003, 440-498, hier 489-498.
  • Franz Menges, Reichsreform und Finanzpolitik. Die Aushöhlung der Eigenstaatlichkeit Bayerns auf finanzpolitischem Wege in der Zeit der Weimarer Republik (Beiträge zu einer historischen Strukturanalyse Bayerns im Industriezeitalter 7), Berlin 1971.
  • Barbara Pöhlmann, Heinrich Held als Bayerischer Ministerpräsident (1924-1933). Eine Studie zu 9 Jahren bayerischer Staatspolitik, München 1996.
  • Hermann Rumschöttel, Ministerrat, Ministerpräsident und Staatskanzlei, in: Hermann Rumschöttel/Walter Ziegler (Hg.), Staat und Gaue in der NS-Zeit. Bayern 1933-1945 (Beihefte der Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte B 21), München 2004, 41-75.
  • Bernd Schilcher, Bayerischer Parlamentarismus in der Weimarer Republik: der Bayerische Landtag 1919-1933, Diss. phil. Augsburg 2012.
  • Karl Schwend, Bayern zwischen Monarchie und Diktatur. Beiträge zur bayerischen Frage in der Zeit von 1918 bis 1933, München 1954.
  • Michael Unger, Das bayerische Staatsministerium für Handel, Industrie und Gewerbe. Organisation, Personal und Mittelstandspolitik des Wirtschaftsressorts 1919-1933 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 137), München 2009.
  • Falk Wiesemann, Die Vorgeschichte der nationalsozialistischen Machtübernahme in Bayern 1932/1933 (Beiträge zu einer historischen Strukturanalyse Bayerns im Industriezeitalter 12), Berlin 1975.
  • Wolfgang Zorn, Bayerns Geschichte im 20. Jahrhundert, München 1986.

Quellen

  • Winfried Becker, Die nationalsozialistische Machtergreifung in Bayern. Ein Dokumentarbericht Heinrich Helds aus dem Jahr 1933, in: Historisches Jahrbuch 112 (1992), 412-435.
  • Karl-Heinz Minuth (Bearb.), Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler. 1. Band: 1933/34. 2 Teile, Boppard 1983.
  • Hans Nawiasky, Das Geschäftsministerium in Bayern, in: Bayerische Verwaltungsblätter 80 (1932), 33-38.
  • Preussen contra Reich vor dem Staatsgerichtshof. Stenogrammberichte der Verhandlungen vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig vom 10. bis 14. und vom 17. Oktober 1932, Berlin 1933.
  • Walter Ziegler (Bearb.), Das Kabinett Held IV. Mai 1932-März 1933 (Die Protokolle des Bayerischen Ministerrats 1919-1945 6,4), München 2010.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Walter Ziegler, Kabinett Held IV, 1932-1933, publiziert am 29.11.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kabinett_Held IV,_1932-1933> (19.03.2024)