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Reichstagswahlkreise

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Wahlkreiskarte zu den Reichstagswahlen im Deutschen Kaiserreich inklusive der eingetragenen Wahlkreisnummern laut Amtlicher Statistik. (Karte von Maximilian Dörrbecker, lizensiert durch CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)
Ausschnitt aus der Wahlkreiskarte mit den Wahlkreisen Bayern. (Karte von Maximilian Dörrbecker, lizensiert durch CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)
Karte der Wahlkreise für den Deutschen Reichstag nach der Neueinteilung 1924. (Karte von Korny78, lizensiert durch CC BY-SA 2.5 via Wikimedia Commons)

von Joachim Lilla (†)

Vor 1918 war in jedem Reichstagswahlkreis je ein Abgeordneter zu wählen. Dazu war die absolute Mehrheit notwendig, notfalls auch über eine Stichwahl. Ein Wahlkreis sollte im Durchschnitt 100.000 Einwohner umfassen. Bereits 1868 wurden für das deutsche Zollparlament 48 Wahlkreise in Bayern gebildet. Die 1871/1873 umschriebenen 48 bayerischen Reichstagwahlkreise (397 im gesamten Deutschen Reich) blieben bis August 1918 unverändert. Dadurch waren vor allem die größer werdenden Städte benachteiligt. Nach der Revolution von 1918 wurde das Reichsgebiet in 35 Wahlkreise (davon vier in Bayern) eingeteilt, in denen nach dem Verhältniswahlrecht gewählt wurde. Mehrere Wahlkreise bildeten einen Wahlkreisverband. Die Zahl der in den Wahlkreisen gewählten Abgeordneten war stets unterschiedlich. Letztmalig wurde die Wahlkreiseinteilung im Vorfeld der "Wahl" zum Deutschen Reichstag von 1936 modifiziert.

Vorläufer: Wahlkreise für die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49

Die erste, für die Wahlen zu einer gesamtdeutschen parlamentarischen Körperschaft bestimmte Wahlkreiseinteilung in Bayern war die für die Frankfurter Nationalversammlung. Durch Bundesbeschluss vom 7. April 1848 war "je nach 50.000 Seelen ein Vertreter" zu wählen. Die Ausführung dieser Vorgabe oblag den Einzelstaaten. Grundlage der Wahlbezirkseinteilung in Bayern waren die Kreise (Regierungsbezirke), die in mehrere Wahlbezirke unterteilt wurden. Zugleich wurde für jeden Wahlbezirk ein jeweils zentraler Wahlort festgelegt. In Bayern gab es 71 Wahlbezirke, die sich wie folgt auf die einzelnen Kreise verteilten:

Wahlkreise für das Zollparlament

Mit dem Beitritt Bayerns zum neuen Zollverein war zugleich eine Vertretung des Königreichs in dessen Organen - dem Zollbundesrat und dem Zollparlament - verbunden. Das Zollparlament setzte sich aus den Mitgliedern des Reichstags des Norddeutschen Bundes sowie aus nach den gleichen Wahlgrundsätzen wie der Reichstag neu zu wählenden Vertretern der süddeutschen, dem Zollverein beigetretenen Staaten zusammen. Das hierzu am 21. November 1867 erlassene bayerische Wahlgesetz (Gesetzblatt 1867, Sp. 237) entsprach in allen wesentlichen Bestimmungen denen des Wahlgesetzes für den Reichstag des Norddeutschen Bundes vom 15. Oktober 1866 (Preuß. Gesetzsammlung 1866, 623). Danach wurden die Abgeordneten nach dem Mehrheitswahlrecht und in direkter und geheimer Wahl für eine Legislaturperiode von drei Jahren gewählt. Auf jeweils 100.000 Abgeordnete war nach dem Mehrheitswahlrecht ein Abgeordneter zu wählen, so dass auf Bayern 48 Abgeordnete entfielen. Die Einteilung der Wahlkreise oblag der bayerischen Regierung.

Die Wahlkreise waren von 1 bis 48 durchnummeriert und wurden folgendermaßen bezeichnet: Königreich Bayern, in Klammern der Regierungsbezirk, die Nummer des Wahlkreises und seine Bezeichnung, schließlich die den Wahlkreis bildenden Bezirksämter, Städte u. ä., also beispielsweise: Königreich Bayern (Reg.-Bez. Unterfranken und Aschaffenburg), 40. Wahlkreis Neustadt an der Saale: Bezirksämter Brückenau, Kissingen, Königshofen, Mellrichstadt, Neustadt an der Saale (vgl. die Mitgliederübersichten der Stenographischen Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Zollparlaments 1868 bis 1870). In jedem Wahlkreis war nach dem Mehrheitswahlrecht ein Abgeordneter zu wählen.

Es sei noch kurz auf die beträchtlichen Unterschiede zum damaligen bayerischen Landtagswahlrecht verwiesen. Es gab keine Wahlmänner mehr, keine öffentliche Stimmabgabe mit unterzeichnetem Wahlzettel, keine Ersatzmännerwahl, keine doppelte Brechung des Wählervotums über Urwahlbezirke und Wahlkreise. Auch der Manipulation durch die Wahlkreiseinteilung waren durch die Vorgaben des Wahlrechts des Norddeutschen Bundes enge Grenzen gezogen.

Die Wahlkreise im Deutschen Bund (1871) bzw. Deutschen Reich (1871-1918)

Mit dem Beitritt Bayerns zur Verfassung des Norddeutschen Bundes wurde auch der Zuschnitt der bayerischen Reichstagswahlkreise geregelt. Der Vertrag vom 23. November 1870 ermächtigte die bayerische Regierung, für die erste Wahl zum Reichstag "die Abgrenzung der Wahlbezirke in Ermangelung der bundesgesetzlichen Feststellung" selber vorzunehmen (Abschnitt III § 2). Da eine im Wahlgesetz des Norddeutschen Bundes bzw. des Deutschen Reiches postulierte reichsrechtliche Festschreibung der Reichstagswahlkreise bis 1918 nicht erfolgte, blieb dieser "Interimszustand" (Hatschek, Parlamentsrecht, 302) in Bayern wie auch die in den übrigen Bundesstaaten bis zum Ende des Kaiserreiches gültig.

Bestimmungen über den Zuschnitt der Reichstagswahlkreise im Norddeutschen Bund enthielt die Anlage C zum Reglement für Ausführung des (novellierten) Wahlgesetzes für den Reichstag des Norddeutschen Bundes vom 31. Mai 1869 bzw. vom 28. Mai 1870 (BGBl. 1870, 145), das sogenannte Wahlreglement. Die Wahlkreise sollten im Durchschnitt etwa 100.000 Einwohner (nach dem Stand von 1864) umfassen. Allerdings durfte ein Reichstagswahlkreis die Grenzen eines Bundesstaates nicht überschreiten, so dass auch die kleinen Bundesstaaten mit weitaus weniger als 100.000 Einwohnern einen eigenen Reichstagswahlkreis bildeten (so zählte z. B. Schaumburg-Lippe 1907 rund 44.000 Einwohner).

Das novellierte Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes vom 31. Mai 1869 (BGBl. 1869, 145) wurde 1870 als Gesetz des Deutschen Bundes (Art. 80 Abs. 1 Nr. 13 der Bundesverfassung von 1870 [BGBl. 1870, 647]), im selben Jahr als Bundesgesetz in Bayern, durch Art. 2 der Reichsverfassung vom 16. April 1871 als Reichsgesetz, 1873 in Elsaß-Lothringen und 1890 in Helgoland eingeführt. Es wurde insofern formell als nunmehriges Reichsgesetz angepasst, als in der Anlage II des Gesetzes zur Einführung der Verfassung des Deutschen Reichs in Elsaß-Lothringen vom 25. Juni 1873 (RGBl. 1873, 161) seine Überschrift in "Wahlgesetz für das Deutsche Reich" geändert wurde, es ferner im § 1 fortan "Deutschen Reichstag" (statt "Reichstag des Norddeutschen Bundes") und zu Beginn des § 4 es "jeder Deutsche" (statt "jeder Norddeutsche") heißen musste.

Die Wahlkreiseinteilung in Bayern 1871-1918

Die von der bayerischen Regierung 1868 vorgenommene Zirkumskription der 48 bayerischen Wahlkreise für das Zollparlament wurde für die Reichstagswahlkreise unverändert übernommen und durch das Staatsministerium des Innern am 1. Februar 1871 (RegBl. Kgr. Bayern 1871, Sp. 193) publiziert. Reichsrechtlich wirksam wurde die bayerische Einteilung durch Publikation in der Anlage C zum Reglement für Ausführung des Wahlgesetzes am 27. Februar 1871 (BGBl. 1871, 35). Diese enthielt auch die übrigen Nachträge, die sich aus dem Beitritt der süddeutschen Länder zum Deutschen Reich ergaben.

Die Reichstagswahlkreise wurden üblicherweise mit dem Namen des Kreises und der Ordnungszahl, also beispielsweise Oberbayern 2 (=Wahlkreis München 2), bezeichnet. Die in eckigen Klammern beigeschriebene Durchnummerierung entspricht der der damaligen amtlichen statistischen Zählung (Ritter, Arbeitsbuch, 52; Raibel, Handbuch, 55*-60*, 957).

Regierungsbezirk Wahlkreise
Oberbayern 1. München I [WK 237], 2. München II [WK 238], 3. Aichach [WK 239], 4. Ingolstadt [WK 240], 5. Wasserburg [WK 241]. 6. Weilheim [WK 242], 7. Rosenheim [WK 243], 8. Traunstein [WK 244]
Niederbayern 1. Landshut [WK 245], 2. Straubing [WK 246], 3. Passau [WK 247], 4. Pfarrkirchen [WK 248], 5. Deggendorf [WK 249], 6. Kelheim [WK 250]
Pfalz 1. Speyer [WK 251], 2. Landau [WK 252], 3. Germersheim [WK 253], 4. Zweibrücken [WK 254], 5. Homburg [WK 255], 6. Kaiserslautern [WK 256]
Oberpfalz und Regensburg 1. Regensburg [WK 257], 2. Amberg [WK 258], 3. Neumarkt [WK 259], 4. Neunburg v. W. [WK 260], 5. Neustadt a. W. N. [WK 261]
Oberfranken 1. Hof [WK 262], 2. Bayreuth [WK 263], 3. Forchheim [WK 264], 4. Kronach [WK 265], 5. Bamberg [WK 266]
Mittelfranken 1. Nürnberg [WK 267], 2. Erlangen-Fürth [WK 268], 3. Ansbach-Schwabach [WK 269], 4. Eichstätt [WK 270], 5. Dinkelsbühl [WK 271], 6. Rothenburg o. d. T. [WK 272]
Unterfranken und Aschaffenburg 1. Aschaffenburg [WK 273], 2. Kitzingen [WK 274], 3. Lohr [WK 275], 4. Neustadt an der Saale [WK 276], 5. Schweinfurt [WK 277], 6. Würzburg [WK 278]
Schwaben und Neuburg 1. Augsburg [WK 279] 2. Donauwörth [WK 280], 3. Dillingen [WK 281], 4. Illertissen [WK 282], 5. Kaufbeuren [WK 283], 6. Immenstadt [WK 284]

Probleme der Wahlkreiseinteilung

Da der Zuschnitt der Wahlkreise bis 1918 trotz deutlich steigender Zahlen von Einwohnern und Wahlberechtigten - die durchschnittliche Zahl der Wahlberechtigten stieg von 20.043 (1871) auf 36.379 (1912) - nicht verändert wurde, ergaben sich während des Kaiserreichs gerade in den industrialisierten Ballungsgebieten immer stärkere Ungleichgewichte der parlamentarischen Repräsentation. So hat sich im Reichsdurchschnitt bis 1912 die Relation von 100.000 Einwohner, auf die ursprünglich (1871) ein Abgeordneter zu wählen war, auf 160.000 : 1 verändert. In dieser Größenordnung lag auch das Gros der bayerischen Wahlkreise. 1912 gab es reichsweit zwölf Wahlkreise mit weniger als 75.000 Einwohnern (darunter der kleinste Wahlkreis 376 Schaumburg-Lippe mit nur 46.650 Einwohnern), aber ebenfalls zwölf Wahlkreise mit mehr als 400.000 Einwohnern (davon der größte, Wahlkreis 46 Potsdam 10: Teltow-Beeskow-Storkow-Charlottenburg, mit 1.282.000 Einwohnern). In Bayern gehörte zu dieser Gruppe der Wahlkreis 238 Oberbayern 2: München II mit 531.802 Einwohnern. Über 200.000 Einwohner hatten 1910 die bayerischen Wahlkreise 251 Pfalz 1: Speyer (mit Ludwigshafen) (229.110 Einwohner) und 267 Mittelfranken 1: Nürnberg (357.053 Einwohner).

Die demographische Entwicklung, welche die 1870 noch im großen und ganzen gegebene Gleichgewichtigkeit der einzelnen Wahlkreise sukzessive veränderte, blieb nicht ohne Auswirkungen, auch in Verbindung mit der "zunehmenden[n] Bestimmung des Politischen durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Grundelemente" (Möckl, Prinzregentenzeit, 434). Den erwähnten "interimistischen" Zustand des Wahlkreiszuschnitts, der bis 1918 Bestand hatte, war auf § 5 des Wahlgesetzes zurückzuführen, der die Gesamtzahl (seit 1873: 397) der zu wählenden Abgeordneten festschrieb. Dies war ein Erfolg der Nationalliberalen bei den Beratungen des ursprünglichen Wahlgesetzes 1866. Die Bestimmung bot der Regierung "jahrzehntelang die Handhabe [...], den Gleichheitscharakter des Reichstagswahlrechts zunehmend zu verfälschen" (Pollmann, Parlamentarismus, 324). Unbeachtet blieb das Gebot im letzten Satz des § 5: "Eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten in Folge der steigenden Bevölkerung wird durch das Gesetz bestimmt." Zahlreiche Interpellationen, namentlich von sozialdemokratischer Seite, zur Änderung des Wahlkreiszuschnitts blieben ohne Erfolg. Nutznießer dieses Wahlkreiszuschnitts waren die eher im ländlichen Raum erfolgreichen Konservativen und das Zentrum. Der statische Wahlkreiszuschnitt dürfte mit dazu beigetragen haben, die Demokratisierung des Kaiserreichs zu verlangsamen.

Nicht wirksam gewordene Änderung im August 1918

Erstmals änderte das Gesetz über die Zusammensetzung des Reichstags und die Verhältniswahl in großen Reichstagswahlkreisen vom 24. August 1918 (RGBl. 1918, 1079) die Wahlkreiseinteilung für die großen Städte und Industriegebiete. Betroffen waren in Bayern die Städte München und Nürnberg. Hiernach hätten im neu gebildeten Wahlkreis München drei und im Wahlkreis Mittelfranken 1 (Nürnberg) nunmehr zwei Abgeordnete gewählt werden sollen. Hierdurch wurde erstmals für bestimmte Wahlkreise die Verhältniswahl mit gebundenen Listen eingeführt. Diese "als vorübergehender Notbehelf, als Mittel zur Beruhigung der großstädtischen und industriellen Arbeiterschaft" (Heinrich v. Jan) gedachten Bestimmungen wurden aber nicht mehr wirksam, vielmehr von der Revolution im November 1918 überholt.

Das neue Reichstagswahlrecht 1919

Das 1918 für vereinzelte Wahlkreise vorgesehene Verhältniswahlrecht mit gebundener Liste wurde Grundlage für die Wahlen zur verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung und die Reichstagswahlen der folgenden Jahre der Weimarer Republik. Dieses Wahlrecht galt mit Ausnahme Bayerns und Lübecks im Grundsatz auch in den übrigen Ländern; das bayerische Landtagswahlrecht hingegen beruhte "auf dem System der freien Liste mit einnamiger Stimmgebung und Listenkonkurrenz" (Heinrich v. Jan). Durch Artikel 22 der Reichsverfassung erhielt der Grundsatz der Verhältniswahl Verfassungsrang.

Am 30. November 1918 wurde die Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung (mit dem Klammerzusatz Reichswahlgesetz) (RGBl. 1918, 1345) erlassen, die nach einigen Modifizierungen Grundlage der Wahl am 19. Januar 1919 wurde. Das ab 1920 geltende Reichswahlgesetz vom 27. April 1920 (RGBl. 1920, 627) wurde geändert durch Gesetze vom 24. Oktober 1922 (RGBl. 1922 I, 801)und 31. Dezember 1923 (RGBl. 1924 I, 1) und auf der Grundlage der letzten Änderung in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. März 1924 (RGBl. 1924 I, 159) neu verkündet. Nach einer marginalen Änderung durch Gesetz vom 13. März 1924 (RGBl. 1924 I, 173) erfolgten weitere Änderungen des Reichswahlgesetzes erst 1933 und später durch die Verordnung des Reichspräsidenten vom 2. Februar 1933 (RGBl. 1933 I, 45) (Änderungen und Ergänzungen zu §§ 12 und 15), durch Gesetze vom 3. Juli 1934 (RGBl. 1934 I, 530) (Änderungen und Ergänzungen zu §§ 5 und 35) und vom 5. September 1935 (RGBl. 1935, 1137, Änderung der Anlage).

Reichstagswahlkreise 1919 bis 1938

Ab 1918 wurden die Reichstagswahlkreise, jeweils in der Anlage zum Reichswahlgesetz (RWG), tatsächlich reichsrechtlich festgeschrieben. Das eingeführte Verhältniswahlrecht mit dem überregionalen Stimmenausgleich ermöglichte die Ausnutzung aller Stimmen und so auch kleinsten Parteien den Einzug in den Reichstag. In jedem Wahlkreis waren - entsprechend der Bevölkerungszahl - mehrere Abgeordnete zu wählen. Die Wahlkreiseinteilung beruhte auf dem Grundsatz, dass auf durchschnittlich 150.000 Einwohner nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 ein Abgeordneter entfiel und dort, wo Landes- oder Verwaltungsbezirksgrenzen bei der Wahlkreiseinteilung berücksichtigt werden mussten, ein Überschuss von mindestens 75.000 Einwohnern vollen 150.000 gleichgerechnet wurde (§ 6 RWG 1918). Ab 1920 wurden jedem Wahlvorschlage so viele Abgeordnetensitze zugewiesen, dass im Grundsatz je einer auf 60.000 für ihn abgegebene Stimmen kam (§ 30 RWG 1920).

Einteilung 1919

Für die Wahl zur Deutschen Nationalversammlung 1919 wurde das Reichsgebiet in zunächst 38, dann (durch Zusammenfassung zweier Wahlkreise und Wegfall von Elsaß-Lothringen) in 36 Wahlkreise gemäß Anlage zum Reichswahlgesetz vom 30. November 1918 (RGBl. 1918, 1345, 1350) eingeteilt. Es wurde ferner die Zahl der im Wahlkreis zu wählenden Abgeordneten festgelegt.

Bayern wurde in vier Wahlkreise gegliedert, die sich an den Regierungsbezirken (Kreisen) orientierten:

Wahlkreis Umfang Zahl der Abgeordneten
Wahlkreis 24 Regierungsbezirke Oberbayern und Schwaben 15
Wahlkreis 25 Regierungsbezirke Niederbayern und Oberpfalz 9
Wahlkreis 26 Regierungsbezirke Ober-, Mittel- und Unterfranken 6
Wahlkreis 27 Regierungsbezirk Pfalz 9

Einteilung 1920

Für die Reichstagswahlen 1920 erhielten die nun 35 Reichstagswahlkreise durch die Anlage zum RWG vom 27. April 1920 (RGBl. 1920, 627, 636) im Wesentlichen nur neue Wahlkreisnummern.

Wahlkreis Umfang
Wahlkreis 27: Oberbayern-Schwaben Regierungsbezirk Oberbayern, Regierungsbezirk Schwaben
Wahlkreis 28: Niederbayern-Oberpfalz Regierungsbezirk Niederbayern, Regierungsbezirk Oberpfalz
Wahlkreis 29: Franken Regierungsbezirk Oberfranken, Regierungsbezirk Mittelfranken, Regierungsbezirk Unterfranken, Coburg
Wahlkreis 30: Pfalz Regierungsbezirk Pfalz

Einteilung seit 1924

1924 erhielten die bayerischen Reichstagswahlkreise wieder im Grundsatz ihre Zählung von 1919 (Anlage zum RWG in der Fassung der Bek. vom 6. März 1924, RGBl. 1924 I, 159, 164).

Diese Regelung blieb für die Folgezeit bestehen und galt auch nach 1933 bei den im "Dritten Reich" unter den Vorzeichen einer Diktatur durchgeführten Reichstags-"Wahlen" von 1933 (November), 1936 und 1938. Sie wurde nur 1935 (gemäß Anlage zum RWG in der Fassung des Gesetzes vom 5. September 1935, RGBl. 1935 I, 1137ff.) im Hinblick auf die zwischenzeitig erfolgte Neugliederung der Verwaltungsorganisation auch in Bayern (bezüglich der Kreise/Regierungsbezirke) sowie die zum 1. März 1935 erfolgte Rückgliederung des Saarlands modifiziert.

Wahlkreis Umfang 1924 Umfang 1935
Wahlkreis 24: Oberbayern-Schwaben Regierungsbezirk Oberbayern-Schwaben [sic!] Regierungsbezirk Oberbayern, Regierungsbezirk Schwaben
Wahlkreis 25: Niederbayern Regierungsbezirk Niederbayern, Regierungsbezirk Oberpfalz Regierungsbezirk Niederbayern und Oberpfalz
Wahlkreis 26: Franken Regierungsbezirk Oberfranken, Regierungsbezirk Mittelfranken, Regierungsbezirk Unterfranken Regierungsbezirk Oberfranken und Mittelfranken, Regierungsbezirk Unterfranken
Wahlkreis 27: Pfalz Regierungsbezirk Pfalz Wahlkreis 27: Rheinpfalz-Saar: Regierungsbezirk Pfalz, Saarland

Wegen des Verhältniswahlrechts war die Zahl der in den (bayerischen) Reichstagswahlkreisen zu wählenden Abgeordneten stets unterschiedlich. Dazu ist eine Übersicht der in den Wahlen 1920 bis März 1933 in den vier Wahlkreisen gewählten Abgeordneten (auch nach Parteien aufgeschlüsselt) beigefügt.

Verbandswahlkreise bzw. Wahlkreisverbände

Die 1920 eingeführten Verbandswahlkreise, ab 1924 Wahlkreisverbände, dienten im Wesentlichen der Ermittlung von Reststimmen. In Bayern gab es die Verbandswahlkreise XIV Bayern-Südost (1924 Wahlkreisverband XIII) mit den Wahlkreisen Oberbayern-Schwaben und Niederbayern-Oberpfalz und XV Bayern Nordwest (1924 Wahlkreisverband XIV) mit den Wahlkreisen Franken und Pfalz.

Ausblick: Die Einteilung der Bundestagswahlkreise ab 1949

Bayern wurde 1949 in 47 Bundestagswahlkreise eingeteilt (Wahlkreise Bayern 1 bis 47). Zur Bundestagswahl 1953 erhielten diese Wahlkreis im Zuge der bundeseinheitlichen Durchnummerierung der Wahlkreise die Wahlkreisnummern 196 bis 242. Seit der Verringerung der Zahl der Bundestagswahlkreise ab der Bundestagswahl 2002 gibt es in Bayern noch 45 Wahlkreise (Wahlkreise 214 bis 258).

Nachweise von Informationen zu den Wahlvorschlägen und Wahlergebnissen in den bayerischen Reichstagswahlkreisen

Zum besseren Auffinden von Informationen über die Wahlvorschläge und die Ergebnisse der Reichstagswahlen zwischen 1871 und 1933 (1938) möge für die einzelnen Wahlen auf folgende Materialien verwiesen werden.

  • 1871 und 1874: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1875, Heft 3, V 1-V 153 (=Statistik des Deutschen Reiches 14,2); Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1874, Heft 2, 73-111 (=Statistik des Deutschen Reiches 8,1); Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Bureaus 3 (1871), 198-205, 6 (1874), 137-154.
  • 1877: Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1879, Heft 6, 1-39 (=Statistik des Deutschen Reiches 37, 1); Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Bureaus 11 (1879), 187-205.
  • 1878: Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1879, Heft 6, 40-86 (=Statistik des Deutschen Reiches 37, 1); Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Bureaus 11 (1879), 187-205.
  • 1881: Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1882, Heft 3, 1-50 (=Statistik des Deutschen Reiches 53, 1); Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Bureaus 14 (1882), 1-23.
  • 1884: Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1885, Heft 1, 105-147; Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Bureaus 16 (1884), 259-277.
  • 1887: Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reiches, 1887, Heft 4, 1-43; Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Bureaus 19 (1887), 1-16.
  • 1890-1912/18: Carl-Wilhelm Raibel, Handbuch der Reichstagswahlen 1890-1918, Düsseldorf 2007, 2. Halbband, 957-1119 [nach Wahlkreisen].
  • 1919: Die Wahlen zur verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 [...], in: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches,28 (1919), 1. Erg.-Heft, Berlin 1919; Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 51 (1919), 601-900.
  • 1920: Die Wahlen zum Reichstag am 6. Juni 1920 [...] = Statistik des Deutschen Reiches 291/I-IV (1920-1923); Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 51 (1920), 249-293.
  • Mai und Dez. 1924: Die Wahlen zum Reichstag am 4. Mai 1924 und am 7. Dezember 1924 (Zweite und dritte Wahlperiode) [...] = Statistik des Deutschen Reiches 315/I-VI (1925-1928); Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 56 (1924), 294-323, ebd. 57 (1925), 155-184.
  • 1928: Die Wahlen zum Reichstag am 20. Mai 1928 (Vierte Wahlperiode [...] = Statistik des Deutschen Reiches 372/I-III (1930-1931); Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 60 (1928), 437-477.
  • 1930: Die Wahlen zum Reichstag am 14. September 1930 (Fünfte Wahlperiode) [...] = Statistik des Deutschen Reiches 382/I-III (1932); Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 63 (1931), 51-94.
  • Juli und Nov. 1932, März 1933: Die Wahlen zum Reichstag am 31. Juli und 6. Novembert 1932 und am 5. März 1933 (Sechste bis achteWahlperiode) [...] = Statistik des Deutschen Reiches 434 (1935); Zeitschrift des Bayerischen Statistischen Landesamts 64 (1932), 425-472; 65 (1933), 62-103, 288-323.

Dokumente

Literatur

  • Gerhard Anschütz/Richard Thoma (Hg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts. 2 Bände (Das öffentliche Recht der Gegenwart 28/29), Tübingen 1930-1932 [ND Tübingen 1998].
  • Heinrich Best/Hermann Weege, Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nazionalversammlung (Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 8), Düsseldorf 1996 [ergänzte Taschenbuchausgabe Düsseldorf 1998].
  • Karl-Georg Faber, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhunder. Rstauration und Revolution. Von 1815 bis 1851 (Handbuch der Deutschen Geschichte 3/I, 2. Teil), Wiesbaden 1979.
  • Jürgen Falter/Thomas Lindenberger/Siegfried Schumann, Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik. Materialien zum Wahlverhalten 1919-1933 (Statistische Arbeitsbücher zur deutschen Geschichte), München 1986.
  • Angelika Fox, Die wirtschaftliche Integration Bayerns in das Zweite Deutsche Kaiserreich (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 131), München 2001.
  • Friedrich Hartmannsgruber, Die bayerische Patriotenpartei 1868-1887 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 82), München 1986.
  • Joachim Lilla, Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933-–1945. Ein biographisches Handbuch unter Einbeziehung der völkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten vor 1933, unter Mitarbeit von Martin Döring und Andreas Schulz (Veröffentlichung der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien), Düsseldorf 2004.
  • Karl Möckl, Die Prinzregentenzeit. Gesellschaft und Politik während der Ära der Prinzregenten Luitpold in Bayern, München 1972.
  • Klaus Erich Pollmann, Parlamentarismus im Norddeutschen Bund 1867-1870 (Handbuch der Geschichte des deutschen Parlamentarismus), Düsseldorf 1985.
  • Gerhard A. Ritter, Wahlgeschichtliches Arbeitsbuch. Materialien zur Statistik des Kaiserreichs 1871-1918 (Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte), München 1980.
  • Carl-Wilhelm Raibel, Handbuch der Reichstagswahlen 1890-1918. Bündnisse - Ergebnisse - Kandidaten (Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 15), Düsseldorf 2007.
  • Martin Schumacher: M.d.B. Volksvertretung im Wiederaufbau 1946–1961. Bundestagskandidaten und Mitglieder der westzonalen Vorparlamente. Eine biographische Dokumentation (Veröffentlichung der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien), Düsseldorf 2000.
  • Dietrich Thränhardt: Wahlen und politische Strukturen in Bayern 1848–1953. Historisch-soziologische Untersuchungen zum Entstehen und zur Neuerrichtung eines Parteiensystems (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 51), Düsseldorf 1973.

Quellen

  • Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, Berlin 14. Auflage 1933.
  • Adolf Arndt, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Berlin 1901.
  • Julius Hatschek, Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches. 1. Teil, Berlin/Leipzig 1915.
  • Heinrich v. Jan, Wahlrecht und Volksabstimmungen, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts 10 (1921), 177-221.
  • Walter Jellinek, Revolution und Reichsverfassung. Bericht über die Zeit vom 9. November 1918 bis 31. Dezember 1919, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts 9 (1920), 1-128.
  • Michael Kotulla: Deutsches Verfassungsrecht 1806–1918. Eine Dokumentensammlung nebst Einführungen, 1. Band: Gesamtdeutschland, Anhaltische Staaten, Baden, Berlin 2006.
  • Paul Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. 4 Bände, Tübingen 5. Auflage 1911-1914.
  • Paul Laband, Deutsches Reichsstaatsrecht, 7. Auflage, nach dem Tode des Verfassers bearb. von Otto Mayer (Das öffentliche Recht der Gegenwart 1), Tübingen 1919.
  • Paul Laband, Die geschichtliche Entwicklung der Reichsverfassung seit der Reichsgründung, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts 1 (1907), 1-46.
  • Alfred Milatz, Wähler und Wahlen in der Weimarer Republik (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung 66), Bonn 2. Auflage 1968.
  • Fritz Poetzsch-Heffter, Vom Staatsleben unter der Weimarer Verfassung (vom 1. Januar 1920 bis 31. Dezember 1924), in: Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart 13 (1925), 1–248; II. Teil (vom 1. Januar 1925 bis 31. Dezember 1928): ebd. 17 (1929), 1–141; III. (letzter) Teil (vom 1. Januar 1929 bis 31. Januar 1933), ebd. 21 (1933/34), 1–204.
  • Reichstags-Handbücher I. bis VIII. Wahlperiode, Berlin 1920 bis 1933.
  • Max v. Seydel, Commentar zur Verfassungs-Urkunde für das Deutsche Reich, Freiburg im Breisgau/Leipzig 2. umgearbeitete Auflage 1897.
  • Heinrich Triepel, Quellensammlung zum Deutschen Reichsstaatsrecht (Quellensammlungen zum Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht 1), Leipzig 1901; dsgl., Tübingen 5. Auflage 1931.

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Joachim Lilla, Reichstagswahlkreise, publiziert am 02.06.2009; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichstagswahlkreise> (5.12.2024)