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Antisemitismus (nach 1945)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Werner Bergmann

Obwohl 1945 das "Dritte Reich" zusammengebrochen war und die nationalsozialistischen Verbrechen an Juden in ganz Europa schonungslos offenbart wurden, konnte sich in allen politischen Lagern und quer durch alle Bevölkerungsschichten ein latenter, gerade in den Anfangsjahren z. T. auch offener Antisemitismus halten. In der frühen Nachkriegszeit äußerte sich dieser in Deutschland und Bayern u. a. in Ressentiments, Beleidigungen, Friedhofs- und Synagogenschändungen, aber auch in offenen Konflikten der Bevölkerung u. a. mit jüdischen Displaced Persons (DPs) sowie einer ablehnenden Haltung zu Fragen von Wiedergutmachung und Entschädigung (Erinnerungs- und Schuldabwehr). Seit den 1970er Jahren kristallisierte sich unter dem Eindruck internationaler Konflikte im Nahen Osten ein Antisemitismus heraus, der aus einer anti-israelischen Haltung heraus gespeist wurde (Antizionismus). Auch Bayern wurde hier zum Schauplatz (Höhepunkt: Olympia-Attentat 1972). Außerdem nahm in den 1970er Jahren der rechtsextremistische Antisemitismus zu. Insgesamt ist ein Rückgang des Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung seit Beginn der 1950er Jahre zu konstatieren, der v. a. auf Generations- und Bildungseffekte zurückzuführen ist und der langsam und diskontinuierlich verlief. Trotz vielfacher Aufklärungsarbeit staatlicher, kirchlicher und anderer Stellen sind antisemitische Haltungen und antisemitisch motivierte Aktionen (Anschläge, Anschlagsversuche, Friedhofsschändungen etc.) nach wie vor kein Randphänomen, auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung heute keine antisemitischen Ressentiments mehr hat.

1945 - Keine "Stunde Null" des Antisemitismus

Dem Bruch mit der rassistischen Staatsideologie nach Kriegsende stand eine Kontinuität judenfeindlicher und nationalsozialistischer Einstellungen aller Schattierungen in Teilen der deutschen Bevölkerung gegenüber, deren Bekämpfung zu einem wichtigen Anliegen der alliierten Umerziehungspolitik wurde. Besorgt über das Fortleben der NS-Ideologie ließ die "Information Control Division" der US-Militärregierung in ihrer Zone im Dezember 1946 eine Umfrage durchführen, die zu dem beunruhigenden Ergebnis kam, dass 18 % als radikale Antisemiten, 21 % als Antisemiten, weitere 22 % als Rassisten, 19 % als Nationalisten und nur 20 % als weitgehend frei von diesen Ressentiments anzusehen seien. Ein Ergebnis, das eine Umfrage vom April 1948 bestätigte. Der Report "Anti-Semitism in Germany" konstatierte, dass der Antisemitismus zwar weitgehend latent bliebe, sich jedoch zunehmend wieder in Form einzelner gewalttätiger Übergriffe gegen Juden, bürokratischer Sabotage bei der privilegierten Versorgung verfolgter Juden, Friedhofsschändungen und anonymer judenfeindlicher Briefe an Zeitungen und Einzelpersonen ausdrücke. Die Ursache wurde in einem allgemeinen moralischen Verfall durch die Verschlechterung der Lebensbedingungen und die trüben Zukunftsaussichten bei Kriegsende sowie in der fehlenden Abkehr vom Nationalsozialismus gesehen. Hinzu kämen Neid auf die als ungerecht angesehene privilegierte Versorgung von Juden mit Lebensmitteln und Wohnungen sowie Schwarzmarktaktivitäten jüdischer Displaced Persons (DPs). Ab 1948 nahmen Hakenkreuzschmierereien, Schändungen von Friedhöfen und Synagogen, Übergriffe und offene Beleidigungen zu, was vor allem an der abnehmenden Furcht vor einer Bestrafung durch die Alliierten lag.

Die Einstellung zu Juden in den frühen Nachkriegsjahren

Eine Umfrage der US-Militärregierung (OMGUS) stellte fest, dass in München antisemitische Einstellungen weiter verbreitet waren als in den anderen Großstädten der US-Zone, vermutlich weil die Münchner sich angesichts der Nachbarschaft zum ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Dachau und zu zahlreichen DP-Lagern mit dem Geschehen rund um die "Judenfrage" direkter konfrontiert sahen. 1949 erstellte das Institut für Demoskopie die erste bundesdeutsche Antisemitismus-Umfrage "Ist Deutschland antisemitisch? Ein diagnostischer Beitrag zur Innenpolitik im Herbst 1949". Darin wurde festgestellt, dass die Situation in Bayern dem bundesdeutschen Durchschnitt entsprach. Demnach bezeichneten sich in Bayern 22 % als gefühlsmäßig oder demonstrativ ablehnend (bundesweit: 23 %) und weitere 14 % als "reserviert". Dennoch sollte Bayern im ersten Nachkriegsjahrzehnt zum zentralen Schauplatz von Konflikten werden, die sich an der Anwesenheit einer großen Zahl jüdischer DPs entzündeten. Es war deshalb kein Zufall, dass mit Unterstützung der US-Militärregierung im Zuge der Reeducation in München im November 1949 ein "Komitee zur Bekämpfung des Antisemitismus" gegründet wurde, aus dem sich dort dann die erste "Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit" entwickeln sollte.

DPs als Objekt antisemitischer Projektionen

Im Frühjahr 1946 lebten in und um Landsberg a.L. mehrere Tausend Displaced Persons (DPs). Allein in der umfunktionierten Saarburgkaserne waren rd. 5.000 Menschen untergebracht. Wie alle DPs waren auch sie nicht gern gesehen bei der einheimischen Bevölkerung. Mehrere Gerüchte ließen am 27. April 1946, dem Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager (KZ) Landsberg und Kaufering (Lkr. Landsberg a.L.), die ohnehin angespannte Lage zwischen Bevölkerung und DPs eskalieren, von Entführungen und bewaffneten Überfällen auf jüdische Kinder war die Rede. Das Bild zeigt US-Militärpolizei vor dem jüdischen DP-Camp in Landsberg am Lech, 1946. (Stadtarchiv Landsberg a. L., Bild A_000778)

Die nach Pogromen in einigen osteuropäischen Staaten einsetzende Fluchtwelle hatte die (je nach Quelle variierende) Zahl jüdischer DPs in Bayern von ca. 40.000 Anfang 1946 auf über 142.000 Ende des Jahres ansteigen lassen. Für ihre Unterbringung dienten neben großen Lagern auch beschlagnahmte Privathäuser, wogegen sich die Betroffenen z. T. mit Gewalt wehrten. Viele Deutsche sahen in den DPs per se kriminelle Schwarzhändler. Die DP-Lager, die bis 1951 der polizeilichen Kontrolle von deutscher Seite entzogen waren, galten auch dem bayerischen Justizminister Josef Müller (CSU, 1898-1979, gen. "Ochsensepp" Justizminister 1947-1952) als "Oasen und Asyle, wo Verbrecher hinflüchten und ihre Tat verwischen können“ (Mittelbayerische Zeitung, 20.2.1948). Bezeichnungen wie arbeitsscheue Elemente" oder die Deutung der Abkürzung "DPs" als "Deutschlands Parasiten" sprechen für das Fortwirken des NS-Antisemitismus.

Offene Konflikte zwischen Bevölkerung und jüdischen DPs

Osteuropäische Juden sahen sich häufig verbalen und tätlichen Angriffen ausgesetzt und beschwerten sich ihrerseits über die Behandlung durch die deutschen Behörden. Charakteristisch für die frühen Nachkriegsjahre waren gewalttätige Konfrontationen zwischen weiterhin judenfeindlich eingestellten Deutschen und jüdischen DPs, da letztere aufgrund ihres Verfolgungsschicksals Hassgefühle gegenüber Deutschen hegten und Anzeichen von pathologischen Ängsten und Überaggressivität zeigten, wenn sie sich bedroht fühlten. In Landsberg am Lech kam es am 28. April 1946 auf das Gerücht hin, wonach zwei jüdische Wachposten des DP-Lagers entführt worden waren, zu heftigen Ausschreitungen der DPs, die auf Passanten einschlugen und sie ausraubten. Erst der Einsatz der US-Militärpolizei konnte den in der deutschen Polizeiuntersuchung als "jüdische Revolte" (Raim, 1946, 156) bezeichneten Aufruhr beenden.

In Landsberg a.L. richtete die US-Militärregierung ein War Criminal Prison (WCP) ein, das sich zum wichtigsten WCP der US-Besatzungszone entwickelte. Die wichtigsten Häftlingsgruppen bildeten ehem. Wachpersonal aus Konzentrationslagern (KZ), Verurteilte aus "Fliegerfällen", in denen es um die Ermordung abgestürzter oder notgelandeter US-Piloten ging, sowie Verurteilte aus den Nürnberger Nachfolgeprozessen. Bis 1951 wurden 252 Todesurteile aus den sog. Dachauer Prozessen und den Nürnberger Nachfolgeprozessen im WCP vollstreckt. Am 7. Januar 1951 forderten rd. 4.000 Demonstranten auf dem Landsberger Hauptplatz (Foto) die Begnadigung der noch im WCP inhaftierten NS-Kriegsverbrecher. (Stadtarchiv Landsberg a. L., Bild A_002693)

Allein 1948 zählte die US-Militärregierung einhundert antisemitische Vorfälle in Bayern, die meisten davon in Landsberg, wo 1944/45 30.000 vorwiegend jüdische KZ-Häftlinge in einem Rüstungsprojekt eingesetzt worden waren und wo neben dem großen DP-Lager auch ein War Criminal Prison Landsberg existierte, in dem zahlreiche NS-Kriegsverbrecher einsaßen. Am 7. Januar 1951 demonstrierten rund 4.000 Menschen für eine Begnadigung der dortigen Insassen. Als die Demonstration durch eine Gegendemonstration jüdischer DPs gestört wurde, waren "Juden raus"-Rufe zu hören. Süddeutsche Zeitung (SZ) und Bayerischer Rundfunk (BR) warfen den Landsbergern vor, sie hätten "ihre Veranstaltung zu einer erstklassigen antisemitischen Hetze ausarten" lassen.

Zu einem besonders gravierenden Zwischenfall kam es am 28. Mai 1952, als bei einer Razzia 115 Zoll- und Steuerbeamte und 33 Landespolizisten in das DP-Lager Föhrenwald eindringen wollten. Die DPs fühlten sich an das Vorgehen der Nazis in den Ghettos erinnert, bewarfen die Fahrzeuge der Beamten mit Steinen und hinderten sie an der Weiterfahrt, was in regelrechte Ausschreitungen mündete.

Politik und Medien: DPs als "Schuldige" am "neuen Antisemitismus"

Ein spannungsreiches Verhältnis zu den DPs bestand nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei Polizei und Politikern auf lokaler und regionaler Ebene. Der Landrat von Wolfratshausen, wo mit Föhrenwald eines der größten DP-Camps lag, schrieb im Dezember 1945 an einen Staatssekretär, dass die meisten der "Ostjuden" "dicke Brieftaschen" besäßen und sich in einer "weniger als angenehmen Weise" verhielten, so dass ein "echter Antisemitismus" zu entstehen drohe. Auch in Polizeiberichten wurde die These vertreten, dass wegen der "schrecklichen Erfahrungen" mit den DPs ein neuer Nachkriegsantisemitismus entstünde. Der ehemalige Münchner Bürgermeister Karl Scharnagl (CSU, 1881-1963, Oberbürgermeister von München 1925-1933 und 1945-1948) ließ in der "Stimme Amerikas" noch am 14. März 1949 verlauten, "dass der Antisemitismus in Bayern verschwinde, wenn die Juden ihre geringen Vergünstigungen nicht mehr erhielten und dass eine Beruhigung erst durch die Auswanderung dieser Menschengruppe zu erwarten sei". Zu diesem antisemitischen Klima passte die Forderung des Landesverbandes des Bayerischen Einzelhandels im Jahre 1949 an die Regierung, den "unfairen jüdischen Handel" einzuschränken.

Demonstration jüdischer Anwohner am 10. August 1949 gegen einen antijüdischen Leserbrief eines gewissen Adolf Bleibtreu, den die SZ abgedruckt hatte. Darin schrieb er: "Ich bin beim Ami beschäftigt und da haben Verschiedene schon gesagt, dass sie uns alles verzeihen, nur dies eine nicht, und das ist: dass wir nicht alle vergast haben, denn jetzt beglücken sie Amerika." Die Demonstranten verglichen die SZ daraufhin mit der NS-Hetzschrift "Der Stürmer" und forderten den Entzug der Zeitungslizenz: "Down with the "Stürmer" of 1949 the "Süddeutsche Zeitung"." (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-61143)

Symptomatisch für diese Denkweise war der am 17. April 1948 in der SZ veröffentlichte Beitrag "Antisemitismus - 1948". Der Verfasser, Ernst Müller-Meiningen jr. (1908-2006), behauptete, dass bei Kriegsende die meisten Deutschen bereit gewesen seien, politisch umzulernen, und dass ein Gefühl einer sittlichen Schuld gegenüber dem Judentum vorgeherrscht hätte, dass aber heute, "drei Jahre nach Lublin und Auschwitz, [..] der Antisemitismus in Deutschland stärker denn je sei". Obwohl er zugab, dass die Situation der DPs Ergebnis der deutschen Verfolgungspolitik war, sah er dennoch den Ursprung des Nachkriegsantisemitismus darin, dass die jüdischen DPs nicht arbeiteten, Schwarzhandel trieben und große Vergünstigungen bekämen, und das alles inmitten und auf Kosten eines bettelarmen Volkes. Dieser Antisemitismus sei kein echter Rassenhass, sondern die "allgemeine Abwehr gegen die 'Minderwertigen'". Die deutschen Juden hingegen seien nicht als Rächer, sondern als Helfer gekommen und "sie fallen nicht auf". Die Klage, dass durch die DPs bedauerlicherweise ein "neuer Antisemitismus" entstünde, konnte aber dessen Kontinuität nur schwer verdecken.

Ablehnung jüdischer Remigranten

Auch die jüdischen Rückkehrer aus dem Exil, die in den angloamerikanischen Armeen als Dolmetscher, Presse- und Kulturoffiziere dienten, Nationalsozialisten verhörten oder als Ankläger in den Nürnberger Prozessen fungierten, erlebten als "Instrumente der Besatzungs- und Umerziehungspolitik" die "geballte Wucht einer erschreckenden und abstoßenden Ablehnung" (Steinbach, Demokratie, 20f.). Deutsch-jüdische Emigranten wurden verdächtigt, die Besatzungspolitik negativ beeinflussen zu wollen, um sich zu rächen oder zu bereichern. In Anspielung auf den verhassten Morgenthau-Plan (benannt nach Henry Morgenthau [1891-1967]) wurden der jüdische Ankläger im Wilhelmstraßen-Prozess, Robert W. Kempner (1899-1993) ebenso wie der jüdische Journalist Hans Habe (eigentlich János Békessy, 1911-1977), Chefredakteur der ab 1945 in München erscheinenden Neuen Zeitung, und andere als "Morgenthau-genichtse" und "Umerzieher" beschimpft. Auch anonyme Briefe an die jüdischen Gemeinden sprechen in den frühen 1950er Jahren eine deutliche Sprache, wenn etwa gefragt wurde: "Warum kommen hunderte von Emigranten wie Heuschrecken selbst aus Gottes eigenem Land zurück [...] nach Deutschland? Wer kauft heute ganz Deutschland aus; Brillanten, Gold, Silber, Kunst und Altertümer? Wer beherrscht schon wieder den Handel, die Geldwirtschaft und die Banken?" (Lissner, Fluchtweg, 242ff.). Den Rückkehrern wurde es überdies schwer gemacht, ihr entzogenes Eigentum zurückzuerhalten und ihre vormaligen beruflichen Positionen wieder einzunehmen.

Der Fall "Adolf Bleibtreu"

Der Jüdische Weltkongress veröffentlichte im Sommer 1949 eine Studie, die einen zwar weniger offenkundigen, aber raffinierten Antisemitismus für eines der markantesten Kennzeichen des heutigen Deutschlands hielt und den DPs die Auswanderung nahelegte. Durch diesen Bericht und das berühmte Diktum des US-amerikanischen Hohen Kommissars John Jay McCloy (1895-1989), der Umgang der Deutschen mit den Juden sei "die Feuerprobe der deutschen Demokratie", motiviert, kritisierte die SZ am 27. Juli 1949 das "Schweigen zur Judenfrage" von Seiten der Verantwortlichen als gefährlich. Am 2. August sprach Wilhelm Emanuel Süßkind (1901-1970) in dem Kommentar "Judenfrage als Prüfstein" (SZ, 9.8.1949) den "einfachen Mann in Deutschland" vom echten Antisemitismus frei, schrieb zugleich aber von dem "Getuschel und Gezischel der ewigen Mitläuferkaste", die den Juden Geschäftemacherei auf dem schwarzen Markt vorwirft.

Als die Zeitung vier der daraufhin eingegangenen Leserbriefe, darunter den radikalantisemitischen eines "Adolf Bleibtreu" abdruckte, löste dies helle Empörung unter den Münchner Juden aus, die das als Propagierung von Antisemitismus werteten und mit einer Demonstration gegen die SZ den Entzug der Drucklizenz forderten. Die Demonstration endete in der Möhlstraße in einer Straßenschlacht mit der deutschen und amerikanischen Polizei, bei der drei jüdische Demonstranten und 38 Polizisten verletzt wurden. Die Zeitung verstand den Abdruck des Leserbriefs als Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus, während die Juden ihn als Ausdruck von Antisemitismus nahmen. Entsprechend stellte der Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern Strafantrag gegen die SZ und forderte von der Militärregierung Maßnahmen zum Schutz der jüdischen Bevölkerung. Das Gericht sprach die Zeitung jedoch frei, da sie nur habe zeigen wollen, wie verbreitet der Antisemitismus in der Gegenwart sei.

Konflikte um die Entschädigung der jüdischen NS-Opfer in Bayern

Zwar war eine Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung in der frühen Nachkriegszeit dafür, die Juden wegen der erlittenen Leiden und Verluste zu entschädigen, doch lehnte man eine Sonderstellung für sie ab. Durch die große Zahl jüdischer DPs stellte sich die Frage der Entschädigung in Bayern in besonderer Weise. Deren Abwicklung erwies sich als hochgradig konfliktreich. Philipp Auerbach (1906-1952, Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte 1946-1951), der als Jude in KZs inhaftiert gewesen war und ab Oktober 1946 als Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte diese Aufgabe übernahm, erwähnte 1947 in seinem Rechenschaftsbericht, dass aus den vielen Drohbriefen an ihn Neid, Hass und Verachtung gegen die Verfolgten sprach, die man in die KZs und Gaskammern zurückwünschte.

Auerbach erwarb sich die Anerkennung seiner Vorgesetzten, da er durch die vorgezogene Haftentschädigung vielen DPs eine schnelle Auswanderung ermöglichte und so dem bayerischen Staat hohe Unterhaltskosten ersparte, doch wurde dieser "Erfolg" angesichts der großen Zahl Hilfesuchender durch Verletzung bürokratischer Regeln erkauft. Wegen seines Rückhalts bei den Besatzungsbehörden und seiner maßgebenden Rolle als entschiedener Anwalt der Verfolgten und scharfer Kritiker der Entnazifizierungspraxis und des wiederaufkeimenden Antisemitismus sah sich Auerbach von Politikern und der Presse mit der Bevölkerungsmeinung im Rücken als "ungekrönter König von Bayern" antisemitischen Angriffen ausgesetzt. Trotzdem wurde er nach Erlass des Entschädigungsgesetzes (August 1949) im November zum kommissarischen Präsidenten des neu gegründeten Landesentschädigungsamtes (LEA) berufen.

Der "Fall Auerbach" war symptomatisch für die zum Teil verdeckt antisemitische Haltung weiter Bevölkerungsteile. Der ehem. jüdische KZ-Häftling Philipp Auerbach (1906-1952) war seit 1946 Chef des Landesentschädigungsamtes und dort mit verantwortlich für die Entschädigungs- und Wiedergutmachungsanstrengungen gegenüber den Opfern der NS-Diktatur. Damit war er vielen ein Dorn im Auge. Die bayerische Staatsanwaltschaft sammelte seit 1949 Material, um den unbequemen Philipp Auerbach seines Amtes entheben zu können. Am 16. April 1952 kam es zur Anklage gegen Auerbach, nachdem er bereits seit März 1951 in Untersuchungshaft saß. Auerbach wurden u. a. Untreue, Betrug, Meineid und unbefugtes Führen eins akademischen Grades vorgeworfen. Vor und während des Prozesses traten in allen Bevölkerungsteilen antisemitische Ressentiments offen zu Tage, etwa in Form von Schmähbriefen an das Gericht. Am 14. August 1952 wurde Auerbach zu zweieinhalb Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Auerbach beging noch in der Nacht nach dem Urteil Selbstmord. Zwei Jahre später wurde Auerbach von einem Untersuchungsausschuss des Landtags rehabilitiert. Das Bild zeigt Auerbach (rechts) mit seinem Verteidiger Joseph Klibanksy (Mitte; ) und dem Mitangeklagten Berthold Konirsch (links) während des Prozesses. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv fruh-00920)

Die Affäre Auerbach

Den Ausschlag für den überraschenden Umschwung im Januar 1951 gab der Umstand, dass Auerbach letztlich zwischen alle Fronten geraten und für die US-Amerikaner wie auch für jüdische Organisationen zu einem Hindernis geworden war. So gab der bayerische US-Landeskommissar George N. Shuster (1894-1977, Landeskommissar 1950-1951) am 21. Januar wegen angeblicher Fälschungen den Anstoß für die Ermittlungen gegen "Unbekannt" im Landesentschädigungsamt. Auerbach wurde am 10. März verhaftet und auf Basis eines Berichts des Justizministeriums des Betrugs, der Erpressung, der Untreue und der Bereicherung in großem Umfang beschuldigt. Noch vor einem Prozess bezifferte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Verluste des Landesentschädigungsamtes auf 5,3 Mio. Mark, wobei zahlreiche Missstände nicht nur auf Seiten Auerbachs ans Licht kamen. Der "Fall Auerbach" löste in der bayerischen Politik heftige Erschütterungen aus und führte u. a. 1952 zum Rücktritt von Justizminister Josef Müller. Der "Fall Auerbach" öffnete die Büchse der Pandora für antisemitische Anschuldigungen.

Als am 14. April 1952 der "Sensationsprozess" gegen Auerbach und drei weitere Mitangeklagte begann, sorgte die frühere NSDAP-Mitgliedschaft der Richter sogleich für einen Skandal. Die Vernehmung brachte in wesentlichen Anklagepunkten eine Entlastung für Auerbach. Dennoch hielt der Staatsanwalt Auerbach in allen wesentlichen Anklagepunkten für schuldig und forderte fünf Jahre Gefängnis. Auerbach wurde am 14. August 1952 zu zweieinhalb Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 2.700 DM verurteilt, obwohl alle schweren Anklagen in sich zusammengebrochen waren. Zeitungen kritisierten das Urteil zumeist als zu hart und bemängelten die zu geringe Berücksichtigung der Zeitumstände.

Auerbach beging im Gefängnis Selbstmord. Die Beisetzungsfeier nutzten seine Anwälte und jüdische Teilnehmer, um in Reden oder auf Transparenten Anklage gegen die (NS-)Richter und Ex-Justizminister Müller zu erheben. Es kam danach zu Prügeleien zwischen der Polizei, die die Transparente beschlagnahmen wollte, und einer Gruppe jüdischer Demonstranten. Alle Versuche von jüdischen Organisationen, gegen Richter und Staatsanwälte vorzugehen, wurden vom Justizministerium abgewehrt. Der Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtages rehabilitierte Auerbach 1954 in vollem Umfang.

Entschädigung der Opfer und Abgrenzung vom Antisemitismus

Nach der Gründung Israels und der Lockerung der amerikanischen Einwanderungspolitik nahm die Zahl der jüdischen DPs schnell ab, so dass ab 1951 nur noch das Lager Föhrenwald bis 1957 weiter bestand. Damit verlor Bayern auch seine herausgehobene Position in der Geschichte des Nachkriegsantisemitismus. Die Einstellung zu Juden in der deutschen Bevölkerung hatte sich laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie 1952 im Vergleich zu 1949 zwar noch verschlechtert, doch wurde mit der Regelung der Entschädigung der NS-Opfer im Bundesentschädigungsgesetz von 1953 und dem Luxemburger Abkommen über Wiedergutmachungszahlungen an den Staat Israel einerseits, dem bei der Abstimmung im Bundestag 1953 auffällig viele CSU-Abgeordnete die Zustimmung verweigerten, mit der Bestrafung antisemitischer Äußerungen des Bundestagsabgeordneten Wolfgang Hedler (DP, 1899-1986) 1949, den Prozessen gegen den "Jud-Süß"-Regisseur Veit Harlan (1899-1964) sowie den Protesten gegen dessen neue Filme in den Jahren 1949-1951 und mit dem Verbot der rechtsextremen Sozialistischen Reichspartei (SRP) 1952 andererseits ein offener Antisemitismus in der Mitte der 1950er Jahre in den Hintergrund gedrängt. Die Häufung antisemitischer Vorfälle, die in der bundesweiten Schmierwelle von 1959/60 kulminierte, während der sich in Bayern mit 69 unterdurchschnittlich viele der 685 bundesweit registrierten antisemitischen und nazistischen Vorfälle ereigneten, führten im Bildungswesen, in den Medien und in der Politik zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus, was zusammen mit der Aufarbeitung des Holocaust im Eichmann- und Auschwitz-Prozess zu Beginn der 1960er Jahre den allmählichen Rückgang antisemitischer Einstellungen in der westdeutschen Bevölkerung einleitete, vor allem in den nachwachsenden Generationen. Auch die Zahl organisierter Rechtsextremisten und antisemitischer Vorfälle ging nach 1960 zunächst zurück.

Traditioneller Antijudaismus in Bayern

Neben dem virulenten Nachkriegsantisemitismus lebten auch ältere Formen eines religiösen Antijudaismus fort. Mit der Hostienwallfahrt zur Deggendorfer Gnad, die auf die mittelalterliche judenfeindliche Hostienfrevellegende mit anschließendem Judenpogrom aus dem Jahr 1388 zurückging, und den Oberammergauer Passionsspielen (ab 1634) gab es in Bayern zwei weit bekannte religiöse Bräuche, die wegen ihres Antijudaismus ab den 1960er Jahren in die Kritik gerieten. Zwar kam es daraufhin zu ersten Versuchen, deren antijüdischen Gehalt zu entschärfen, doch wurde der Vorwurf des Antijudaismus weiterhin erhoben. Tortzdem sollte es noch lange dauern, bis die Deggendorfer Wallfahrt 1992 eingestellt und die Passion in Oberammergau unter Rückgriff auf die vormalige barocke Textgrundlage ohne antijudaistische Elemente neu inszeniert wurde.

Erstarken rechtsextremistischr Parteien in Bayern seit den späten 1960er Jahren

Bayern war seit den späten 1940er Jahren Ursprungsort einer Reihe rechtsradikaler Parteien, angefangen vom Deutschen Block (1947) und der Deutschen Union/Deutsche Gemeinschaft (1949) über die Deutsche Volksunion (DVU), gegründet vom Herausgeber der National- und Soldatenzeitung Gerhard Frey (1933-2013) (als Verein 1971/als Partei 1987), bis hin zu den Republikanern (1983). Sie vertraten zumeist einen Schuldabwehr-Antisemitismus, indem sie den Holocaust durch die Aufrechnung mit Verbrechen an Deutschen zu relativieren suchten, sich gegen Wiedergutmachungszahlungen wandten und die geheime weltweite Macht der Juden beklagten. Nur der NPD gelang jedoch 1966 mit 7,4 % der Einzug in den bayerischen Landtag. In dieser Zeit kam es am 1. Mai 1967 zur Schändung des jüdischen Ehrenmals auf dem Dachauer Friedhof.

Palästinensischer Terrorismus und linksgerichteter Antisemitismus

Am Abend des 5. September 1972 endete die Geiselnahme der israelischen Olympiamanschaft auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck blutig. Am frühen Morgen des 5. September drangen acht Mitglieder der palästinensischen Terrorgruppe "Schwarzer September" in das Olympische Dorf in München ein und nahmen elf Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln. Zwei Israelis konnten flüchten, zwei weitere wurden noch im Olympischen Dorf von den Geiselnehmern ermordet. Beim späteren Befreiungsversuch auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck kamen alle Geiseln und ein deutscher Polizeibeamter ums Leben. Fünf der acht Terroristen wurden in Fürstenfeldbruck getötet. Das Attentat gilt als Höhepunkt des politisch motivierten Antisemitismus, in dessen Zentrum der palästinensisch-israelische Konflikt im Nahen Osten steht. Das Foto zeigt die zerstörten Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes (BGS) nach dem gescheiterten Befreiungsversuch auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck. (Archiv Redaktion Bayerns Polizei)

Antisemitische Angriffe erlebte Bayern dann in den 1970er Jahren von anderer Seite. Mit dem "Sechs-Tage-Krieg" von 1967 und der Eskalation des israelisch-palästinensischen Konflikts entwickelte sich neben dem antiisraelischen Terrorismus der PLO auch in der extremen Linken in der Bundesrepublik ein z. T. militanter Antizionismus, der bisweilen antisemitische Züge trug. So kam es im September 1969 seitens linker Gruppen zu Tumulten an der Münchner Universität, als der vom Ring christlich-demokratischer Studenten eingeladene israelische Botschafter Asher Ben-Natan (1921-2014, geb. als Artur Piernikarz) dort eine Rede hielt (Frankfurter Rundschau, 6.9.1969).

Nachdem es schon gegen Ende 1969 zu Bombenattentaten von palästinensischen Terroristen auf die israelische Botschaft in Bonn (Nordrhein-Westfalen) sowie von Seiten eines Täters der linksradikalen Tupamaros West-Berlin auf das Jüdische Gemeindehaus in Berlin gekommen war, wurde München Schauplatz einer Reihe von Attentaten. Am 10. Februar 1970 griffen arabische Terroristen Passagiere einer in München zwischengelandeten israelischen El-Al-Maschine an. Dabei wurde eine Person getötet und elf verletzt. Drei Tage später starben bei einem Brandanschlag auf das jüdische Altenheim in der Reichenbachstraße sieben Menschen. Die Täter konnten nicht ermittelt werden, werden aber entweder unter arabischen Terroristen oder unter den linksradikalen Tupamaros München vermutet. Die Schändung der Münchner Synagoge im Juni 1970 geht hingegen auf das Konto von Rechtsextremisten. Die Welle des palästinensischen Terrorismus erreichte in München ihren Höhepunkt mit dem Attentat auf die israelische Olympiamannschaft 1972, bei dem zehn israelische Sportler und ein deutscher Polizist starben.

Rechtsgerichtete antisemitische Vorfälle

Mit dem Erstarken des Neonazismus ab Mitte der 1970er Jahre ("Hitlerwelle") wurde 1977 die Bundeswehrhochschule in München zum Schauplatz einer symbolischen "Judenverbrennung", als junge Leutnants auf einem Kameradschaftsabend mit dem Wort "Jude" beschriftete Papierfetzen ins Feuer warfen. Der Vorfall wurde zum öffentlichen Skandal, weil die Hochschule ihn nicht an den Generalinspekteur gemeldet hatte. 1978 kam es in Fürth zu einer Schändung von Synagoge und jüdischem Friedhof.

Die bereits im Vorfeld öffentlich heiß diskutierte Ausstrahlung der US-Fernsehserie "Holocaust", aus der sich nur der Bayerische Rundfunk ausklinkte, führte zu einer militanten Mobilisierung der rechten Szene mit Anschlägen auf Sendeeinrichtungen und Flugblattaktionen, um die Ausstrahlung zu verhindern. In München veranstaltete die NPD zur "Gegenaufklärung" eine Demonstration unter dem Motto: "Ich bin kein Esel, ich glaube nicht an den Holocaust" (SZ, 29.1.1979).

Im Dezember 1980 ermordete der Rechtsextremist Uwe Behrendt (1952-1981), Mitglied der 1973 in Mittelfranken aktiven und 1980 verbotenen "Wehrsportgruppe Hoffmann" (benannt nach ihrem Gründer, dem rechtsextremen Karl-Heinz Hoffmann [geb. 1937]), den jüdischen Verleger und ehemaligen Vorsitzenden der israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg Shlomo Levin (1911-1980) und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke (1923-1980), vermutlich weil Levin öffentlich vor Neonazis und der Wehrsportgruppe Hoffmann gewarnt hatte. Behrendt floh nach der Tat in den Libanon und entzog sich dort vermutlich durch Selbstmord der Strafverfolgung durch die deutschen Behörden.

2003 wurde ein von Mitgliedern des neonazistischen "Kampfbundes Süd" (auch "Aktionsbüro Süddeutschland") geplanter Bombenanschlag kurz vor der Grundsteinlegung der neuen Hauptsynagoge am Münchner Jakobsplatz aufgedeckt, die Täter 2005 zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Aktuelle (Stand: 2017) antisemitische Einstellungen und Vorfälle in Bayern

Was antisemitische Einstellungen angeht, so haben bereits Untersuchungen in den 1980er Jahren festgestellt, dass antisemitische Einstellungen in den süddeutschen Flächenstaaten weiter verbreitet waren als in den norddeutschen. Die Studie "Bewegung in der Mitte", die Umfrageergebnisse von 2002-2006 zusammenführt, bestätigt diesen Befund. In Bayern wiesen diese Einstellungen mit 16.6 % bundesweit die höchste Verbreitung auf, gefolgt von Baden-Württemberg mit 13,5 %. Sie lagen damit deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 9 %. Auch in den anderen Dimensionen des Rechtsextremismus (Ausländerfeindlichkeit, Chauvinismus, Befürwortung einer Diktatur) fand sich Bayern jeweils in der Spitzengruppe. Eine Umfrage in Bayern ermittelte 2016 einen Anteil von 21 % der Befragten, die antisemitischen Aussagen stark oder eher zustimmten (München 18 %, Gesamt-Bayern 24 %). Diese Einstellungen äußern sich jedoch in Bayern nicht überdurchschnittlich oft in antisemitischer Hasskriminalität. Zwar weisen die bevölkerungsreichsten Länder höhere absolute Fallzahlen auf; doch lag Bayern im Jahre 2014 (144 Fälle, darunter eine Gewalttat) mit einer Straftat pro 83.000 Einwohner unter dem Durchschnitt der Länder (1:58.000). Auch kam es in Bayern etwas seltener zu Friedhofsschändungen. In den Jahren 2000-2008 kam es in der Bundesrepublik zu 471 Fällen; davon ereigneten sich 28 in Bayern.

Ein relativ neues Phänomen sind antiisraelische Demonstrationen, bei denen vor allem Palästinenser mit judenfeindlichen Parolen hervortreten, wie am Al-Quds-Tag 2014 und im Dezember 2017 in München.

Die Haltung der bayerischen Politik zum Antisemitismus

In der Haltung der politischen Elite lässt sich vor allem in den Anfangsjahren eine Diskrepanz zwischen der offiziellen Positionierung gegen den Antisemitismus und dem Umgang mit antisemitischen Erscheinungen feststellen. So hat die CSU in ihrem Dreißig-Punkte-Programm von 1946 Antisemitismus als Rassenhass verurteilt, jedoch fanden sich in der frühen bayerischen Politik insgesamt, vor allem in der Deutschen Partei (DP), der Wirtschaftlichen Aufbau-Vereinigung (WAV) und in Teilen der FDP weiterhin judenfeindliche Vorurteile, die sich in negativen Urteilen über die DPs, in einem engherzigen Verhalten in Fragen jüdischer Entschädigungsansprüche und in der Tendenz einer Schuldabwehr manifestierten. Diese Haltung wich in der CSU in den 1960er Jahren dann einer eher unbeholfenen Annäherung.

In den späteren Grundsatzprogrammen der CSU von 1957 bis 2007 ist eine explizite Verurteilung des Antisemitismus nicht mehr zu finden. Trotz einer klaren Abgrenzung vom Nationalsozialismus war die Politik der CSU wohl in Rücksicht auf die Integration rechtskonservativer Wähler im Umgang mit der NS-Vergangenheit durch eine Tendenz zur Erinnerungs- und Schuldabwehr gekennzeichnet, wie sie sich in den Äußerungen von CSU-Politikern von Franz-Josef Strauß (CSU, 1915-1988, Ministerpräsident 1978-1988) über Hermann Fellner (CSU, geb. 1950, Mitglied des Bundestags 1980-1990) bis zu Peter Gauweilers (CSU, geb. 1949, Mitglied des Landtags 1990-2002) Beitrag zur sog. Goldhagen-Debatte (benannt nach Daniel Goldhagen [geb. 1959], einem US-amerikanischen Wissenschaftler) manifestierte, die jeweils zu öffentlichen Debatten führten. Im Konflikt über Entschädigungszahlungen für NS-Zwangsarbeiter löste im Januar 1986 eine Äußerung Fellners eine Kontroverse aus, als er den Anspruch der Juden auf Entschädigung als "weder rechtlich noch moralisch begründet" zurückwies und hinzufügte, dass der Eindruck erweckt werde, dass "die Juden sich schnell zu Wort meldeten, wenn irgendwo in deutschen Kassen Geld klimpere" (Frankfurter Rundschau, 8.1.1986). Oppositionsparteien, Verfolgtenverbände und jüdische Gemeinden kritisierten diese Äußerung als antisemitisch und forderten eine Entschuldigung, und als Fellner diese verweigerte sogar seinen Rücktritt. Fellner bedauerte schließlich im Bundestag seine Äußerungen und nahm sie zurück.

1983 wurde von ehemaligen CSU-Mitgliedern die sich rechtskonservativ verstehende Partei "Die Republikaner" gegründet. Sie wurde von dem ehemaligen stellvertretenden Chefredakteur des Bayerischen Fernsehens und späteren Vorsitzenden (ab 1985) für rechtsradikale Kreise Franz Schönhuber (REP, 1923-2005) geöffnet und vertrat zeitweise ausländerfeindliche, nationalistische und in Teilen auch antisemitische Positionen. Mit 4,9 % verfehlte die Partei 1990 nur knapp den Einzug in den bayrischen Landtag.

Seit der Jahrtausendwende wird dem Antisemitismus in der CSU wie auch in den anderen Bundestagsparteien größere Aufmerksamkeit zuteil. Das zeigen die drei in den Jahren 2003, 2008 und 2013 von allen Bundestagsfraktionen getragenen Anträge zur Bekämpfung von Antisemitismus, in denen entsprechende Programme und Maßnahmen gefordert werden. Diese Haltung manifestiert sich auch in den beiden 2017 im Landtag eingebrachten Anträgen, in denen ein "Nein zu Antisemitismus in Bayern!" und die Forderungen, dem Antisemitismus in Bayern stärker als bisher entgegen zu treten, artikuliert werden. Nachdem der Bundestag Anfang 2018 auf Empfehlung des vom Bundestag beauftragten Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus das Amt eines Antisemitismus-Beauftragten bei der Bundesregierung eingerichtet hat, besitzt nun auch der Freistaat Bayern seit Mai 2018 mit Ludwig Spaenle (CSU, geb. 1961, für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst 2013-2018) einen eigenen Antisemitismus-Beauftragten, der die Ministerien ressortübergreifend bei Themen rund um das jüdische Leben in Bayern beraten soll. Am 7. Mai 2019 hat Bayern als erstes Land der Bundesrepublik die internationale Antisemitismus-Definition angenommen, um so ein Zeichen für "null Toleranz gegen Antisemitismus in jeder Form" zu setzen, wie es Ministerpräsident Markus Söder (CSU, geb. 1967, Ministerpräsident seit 2018) formuliert hat. In den Publikationen der 1955 gegründeten Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit finden sich in jüngster Zeit vermehrt Artikel und Themenhefte zur Holocaust-Education und zum Antisemitismus. Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat 2008 den Stundenansatz für die Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus an Gymnasien in den Fächern der politischen Bildung um 22 % erhöht. Neben politischen Stiftungen, den Kirchen und dem DGB Bayern engagieren sich auch zivilgesellschaftliche Initiativen und Organisationen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus.

Literatur

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Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Judenhass, Antijudaismus, antijüdische Vorurteile

Empfohlene Zitierweise

Werner Bergmann, Antisemitismus (nach 1945), publiziert am 26.03.2018 (aktualisierte Version 13.05.2019); in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Antisemitismus_(nach_1945)> (8.12.2024)