Deutsche Gemeinschaft (DG)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Die Deutsche Gemeinschaft (DG) war eine 1949 in München gegründete rechtsnationalistische und national-neutralistische Partei, die von 1950 bis 1954 im Bayerischen Landtag vertreten war. Danach verlor sie rapide an politischer Bedeutung und ging 1965 in der neugegründeten Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) auf. Personeller Kristallisationspunkt der DG war der gebürtige Nürnberger August Haußleiter (1905-1989).
Entstehung
Nach Wegfall des alliierten Lizenzzwangs wurde im Dezember 1949 in München die Deutsche Gemeinschaft (DG) gegründet. Deren wichtigster Politiker wurde August Haußleiter (1905-1989). Dieser war während der Weimarer Republik politisch wohl am ehesten dem jungkonservativen 'Tat-Kreis' zuzuordnen und stand dem Nationalsozialismus zumindest zeitweise kritisch gegenüber. Er vertrat einen 'neurechten' Antiliberalismus, der in der Forschung weder als ständisch noch rassistisch charakterisiert wird, sondern die politische und gesellschaftliche Ordnung autoritär und antipluralistisch zu erneuern suchte (Stöss, Nationalismus, 66). 1946 wurde Haußleiter eines der führenden Mitglieder des protestantischen Flügels der Christlich-Sozialen Union (CSU) und Mitglied der Verfassungsgebenden Landesversammlung wie des Landtags, lehnte aber die Politik der Westintegration konsequent ab und verließ die Partei deshalb bereits 1949 wieder.
Zu Personen, die wie Haußleiter in der Tradition der 'Konservativen Revolution' der Weimarer Republik standen, stießen verschiedene 'Notgemeinschaften' von Vertriebenen und anderen Kriegsgeschädigten vor allem aus süddeutschen Ländern (neben Bayern insbesondere auch Württemberg-Baden und Hessen) hinzu.
Programm und Ausrichtung

Die programmatische Ausrichtung der DG wurde stark durch ihren Vorsitzenden Haußleiter geprägt und knüpfte an dessen politische Überzeugungen an. Die DG lehnte sowohl Kapitalismus wie Sozialismus als 'Massenideologien' ab, stattdessen sei die Überwindung der gesellschaftlichen Konflikte in der 'Volksgemeinschaft' erforderlich. Wirtschaftspolitisch propagierte sie das Privateigentum, agitierte aber mittelstandsorientiert gegen kapitalistische Monopolbildung. Gesellschaftspolitisch favorisierte die Partei ein 'Personalprinzip' jenseits von Kollektivismus und Bürokratie. Deutschland- und außenpolitisch propagierte sie ein von Ost wie West unabhängiges neutrales Mitteleuropa.
Damit vertrat die DG ein antipluralistisches Gesellschaftskonzept, das die Existenz konkurrierender Parteien und Interessengruppen grundsätzlich zugunsten der harmonistischen Vorstellung einer 'Volksgemeinschaft' ablehnte. Mit ihrer dezidiert gegen Großkonzerne ausgerichteten Wirtschaftspolitik und zugleich nicht dezidiert antikommunistischen Deutschland- und Außenpolitik bestanden keine Anschlussmöglichkeiten an das bürgerliche Lager der 1950er Jahre.
Organisation, Strukturen, Führungspersonal
Die DG war als Kleinpartei organisatorisch immer relativ schwach aufgestellt und konnte allenfalls in Bayern und Baden-Württemberg dauerhaftere Strukturen aufbauen. In Bayern zeigt sich dabei ein Schwerpunkt im protestantisch geprägten Ober- und Mittelfranken. Laut eigenen Angaben sollen der Partei 1951 etwa 14.000, 1961 noch 2.000 Mitglieder angehört haben. Zunächst übernahm bis zu seinem Tod der aus Posen stammende Kurt Graebe (1874-1952) den Parteivorsitz, dann folgte auf ihn Haußleiter. Generalsekretärin war ab 1952 die aus Schlesien stammende Renate Malluche (1917-1994, nach Heirat 1963: Haußleiter-Malluche). Die DG gliederte sich zwar in Landesverbände (die allerdings nördlich der Mainlinie außerordentlich mitgliederschwach waren) und teilweise auch in lokale Organisationen, intern war sie aber stark hierarchisch unter dem Vorsitzenden organisiert: "der Vorstand war als sein persönlicher Arbeitsstab konzipiert" (Stöss, DG, 893).
Konkurrenz und Zusammenarbeit mit anderen Parteien
Die DG stand in einem starken Konkurrenzverhältnis zu anderen rechtsextremen und nationalkonservativen Parteien der frühen Bundesrepublik, die ihren organisatorischen Schwerpunkt jedoch überwiegend in Norddeutschland hatten, und die auch innerhalb des rechtsextremen Lagers ideologisch anders orientiert waren: Zum einen war dies die bereits 1952 vom Bundesverfassungsgericht verbotene, in der NS-Tradition stehende Sozialistische Reichspartei (SRP), zum anderen die eher traditionell-konservative Deutsche Reichspartei (DRP). Trotz mehrfacher Versuche von unterschiedlicher Seite, das rechtsextreme Lager organisatorisch zu einigen, bestanden diese Gegensätze fort und führten Mitte der 1960er Jahre zur konkurrierenden Gründung der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) und der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD).
Nachdem sich ausgehend von Schleswig-Holstein 1950 der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) als politische Vertretung der Vertriebenen gegründet hatte, ging die DG mit dem BHE für die im November 1950 stattfindenden Landtagswahlen Wahlbündnisse ein. Diese erzielten 14,7 % in Württemberg-Baden und 12,7 % in Bayern. In Bayern kam es aber nach der Wahl nicht zur Gründung einer gemeinsamen Landtagsfraktion. Die DG (6 Mandate) ging in die Opposition – Haußleiter wurde Fraktionsvorsitzender. Der BHE (20 Mandate) dagegen schloss sich der Regierungskoalition von CSU und Sozialdemokratischer Partei Deutschlands (SPD) an. Die gemeinsame Fraktion im Stuttgarter Landtag zerfiel im Vorfeld der Gründung des neuen 'Südweststaats' Baden-Württemberg 1952.
Im Vorfeld weiterer Wahlen kam es stets nur zu sehr kurzlebigen Wahlbündnissen mit anderen Kleinstorganisationen aus dem rechten Lager: Bei der Bundestagswahl 1953 firmierten diese als Dachverband der Nationalen Sammlung (DNS), bei der bayerischen Landtagswahl 1954 als Bayerischer Rechtsblock (BR). Angesichts des drohenden Verbots ihrer Partei versuchten 1952 Funktionäre der SRP die organisationsschwachen norddeutschen Landesverbände der DG als 'Auffangorganisation' zu nutzen, was von Haußleiter zumindest toleriert wurde (Stöss, Nationalismus, 95). Die Folge waren Verbote von DG-Organisationen in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz (sowie später auch in Berlin), die von der DG erst nach der Zusicherung, keine führenden SRP-Persönlichkeiten mehr aufzunehmen, neu etabliert werden konnten.
Die DG im Bayerischen Landtag (1950-1954)
Die programmatische Ausrichtung und die Bündnispolitik der DG zeigt sich deutlich in ihrer Parlamentsarbeit: Zahlreiche Fraktionsinitiativen machten sich Anliegen der Vertriebenen zu eigen, ferner setzte man sich für die Beendigung der als ungerecht empfundenen vermeintlichen Benachteiligungen ehemaliger Funktionsträger des NS-Regimes ein. Dazu kamen einige bemerkenswerte Anträge, die die spezifische national-neutralistische Ideologie der Partei widerspiegelten und als deutschlandpolitische Fragen eigentlich der Bundespolitik zuzurechnen waren: So forderte die DG, sich ernsthaft mit deutschlandpolitischen Initiativen aus Ost-Berlin auseinanderzusetzen oder auch eine Volksabstimmung über den Schuman-Plan (also die Errichtung einer gemeinsamen europäischen Hohen Behörde für Kohle und Stahl) abzuhalten. Eine Reihe wirtschaftspolitischer Initiativen verfolgte das Ziel, ausländische Beteiligungen in deutschen Unternehmen zu verhindern.
Mit dem Landtagsbeschluss vom 3. April 1952, die Fraktionsstärke von fünf auf zehn Mitglieder zu erhöhen, endete die Existenz der DG als Fraktion. In der Folge wechselten drei der sechs Abgeordneten Anfang 1953 zum BHE, der ehemalige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Walter Becher (1912-2005) folgte im Frühjahr 1954.
Wahlergebnisse, Wähler- und Anhängerschaft
Bundespolitisch konnte die DG nie nennenswerte Erfolge erzielen. Das von ihr mitgetragene Wahlbündnis Dachverband der Nationalen Sammlung (DNS) erreichte bei der Bundestagswahl 1953 0,3 % der Stimmen, die DG 1957 und 1961 jeweils 0,1 %. Abgesehen von den beiden Landtagswahlen 1950 im Bündnis mit dem BHE, der sich allerdings den deutlich größeren Anteil am Wahlerfolg zuschreiben konnte, bewegten sich die Ergebnisse ebenfalls im unteren einstelligen Promillebereich. Lediglich bei der bayerischen Landtagswahl 1954 erreichte das von der DG geführte Bündnis Bayerischer Rechtsblock 0,6 %.
Jahr | Bundestagswahl | Landtagswahl | Kommunalwahl |
---|---|---|---|
1950 | 12,3 (mit BHE) | ||
1952 | 0,4 | ||
1953 | 0,6 (als DNS) | ||
1956 | 0,6 (als BR) | 0,0 | |
1957 | 0,1 | ||
1958 | 0,3 | ||
1960 | 0,1 | ||
1961 | 0,1 | ||
1962 | 0,3 |
Bundestagswahl: Zweitstimmen; Kommunalwahl: Landkreise und kreisfreie Städte
Hochburg bei Kommunalwahlen war Rothenburg ob der Tauber, wo die Partei 1952 sogar 21 % der Stimmen (4 Sitze) erreichte (Stegemann, Rechtsruck). Den Fraktionsvorsitz übernahm Friedrich Schmidt (1905-1965), der in der NS-Zeit ab 1936 Erster Bürgermeister Rothenburgs gewesen war. Bei den folgenden Kommunalwahlen ging der Wählerzuspruch für die DG zwar zurück, jedoch blieb sie (und später die AUD) bis 1978 im Stadtrat vertreten. Dieser kommunalpolitische Erfolg war aber ein Einzelfall und ist wohl nur durch das spezifische Zusammenspiel mehrerer Faktoren vor Ort zu erklären: die traditionelle Stärke von Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) und Nationalsozialistischer Deutscher Arbeiterpartei (NSDAP) in der Weimarer Republik, einem großen Anteil von Vertriebenen in der Bevölkerung und personellen Faktoren vor Ort.
Die Wähler der DG rekrutierten sich vorwiegend aus dem ländlich-kleinstädtischen Bereich. Ihre Kandidaten waren vor allem dem alten und neuen Mittelstand zuzuordnen.
Ende und Nachwirken
Angesichts der permanenten Erfolgslosigkeit rechtsextremer Parteien Anfang der 1960er Jahre kam es im Vorfeld der Bundestagswahl 1965 zu erneuten Versuchen einer Sammlung des rechten Lagers. Dabei organisierten sich die traditionell-konservativen und völkischen Gruppierungen in der NPD, während sich die dezidiert neutralistische DG formal auflöste und in der AUD aufging.
Die AUD öffnete sich Ende der 1960er Jahre unter Haußleiter als Vorsitzendem für Positionen der Außerparlamentarischen Opposition (APO): Ohnehin teilte man die Forderung nach einer außenpolitischen Äquidistanz zur Sowjetunion wie zu den USA sowie innenpolitisch die Überzeugung, dass in der Bonner Parteiendemokratie 'das Volk' weitgehend entmachtet sei. Auch in der kritischen Einschätzung der Rolle multinationaler Unternehmen bestanden gemeinsame Positionen. Anknüpfungspunkte zur in den 1970er Jahren entstehenden Umweltbewegung ergaben sich aus dem konservativen Konzept des Lebensschutzes. So trat die AUD bei der bayerischen Landtagswahl 1978 gemeinsam mit der Grünen Aktion Zukunft (GAZ) von Herbert Gruhl (1921–1993) unter der Zusatzbezeichnung "Die Grünen" an, beteiligte sich an der 'sonstigen Politischen Vereinigung' "Die Grünen" für die Europawahl 1979 und löste sich 1980 anlässlich der Gründung der grünen Bundespartei auf. Haußleiter wurde 1980 kurzzeitig Bundessprecher (Parteivorsitzender) und zog für die Grünen 1986/87 nochmals in den Bayerischen Landtag ein.
Literatur
- Peter Bierl, August Haußleiter (1905–1989). Der grüne Gründervater, in: Gideon Botsch/Christoph Kopke/Karsten Wilke (Hg.), Rechtsextrem: Biografien nach 1945, Berlin 2023, 165–188.
- Manfred Jenke, Verschwörung von rechts? Ein Bericht über den Rechtsradikalismus in Deutschland nach 1945, Berlin 1961, 261-264.
- Silke Mende, "Nicht rechts, nicht links, sondern vorn". Eine Geschichte der Gründungsgrünen (Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit 33), München 2011, 94-134.
- Wolf Stegemann, Rechtsruck in den 1950er-Jahren II: Die Stadtrats- und Bürgermeisterwahl 1952 brachten in Rothenburg Altnazis wieder in Amt und Würden.
- Richard Stöss, Die Deutsche Gemeinschaft, in: Ders. (Hg.), Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945–1990. Sonderausgabe 2. Band: CSU bis DSU, Opladen 1986, 877–900.
- Richard Stöss, Die extreme Rechte in der Bundesrepublik. Entwicklung – Ursachen – Gegenmaßnahmen, Opladen 1989, 109-114.
- Richard Stöss, Vom Nationalsozialismus zum Umweltschutz. Die Deutsche Gemeinschaft/Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher im Parteiensystem der Bundesrepublik (Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin 32), Opladen 1980.
Quellen
- Deutsche Gemeinschaft. Die Wochenzeitung der Deutschen Freiheitsbewegung; Wochenzeitung für gesamtdeutsche Unabhängigkeit; Mitteilungsblatt der Partei "Deutsche Gemeinschaft e. V., München 1950-1965.
Weiterführende Recherche
Externe Links
- Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin: Deutsche Gemeinschaft
- Rothenburg unterm Hakenkreuz …und die Jahre danach
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Empfohlene Zitierweise
Uwe Kranenpohl, Deutsche Gemeinschaft (DG), publiziert am 26.02.2025; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Deutsche_Gemeinschaft_(DG)> (17.03.2025)