Reeducation und Reorientation
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Die Demokratisierung der deutschen Bevölkerung durch die Programme der Reeducation und Reorientation nach dem Zweiten Weltkrieg gilt weithin als Erfolgsgeschichte mit symbolträchtiger Bedeutung im transatlantischen Kontext. Bayern gehörte zur amerikanischen Besatzungszone und einige Maßnahmen der Reeducation und Reorientation, z. B. die Einrichtung der sog. Amerikahäuser, wirken sich bis heute auf das Leben im Freistaat aus. Andere dagegen, etwa die Reform des Schulsystems nach US-amerikanischem Vorbild, scheiterten am Widerstand von Politik, Kirche und Bevölkerung. Die "Umerziehung" der Deutschen gestaltete sich auch im Bayern der Nachkriegsjahre weniger als eine kausale Abfolge von politischem Programm, strukturellen Reformen und gesellschaftlich-kultureller Veränderung, sondern als dynamischer Prozess mit teils nicht-intendierten Auswirkungen auf beiden Seiten des Atlantiks.
Zwei Phasen der Besatzungspolitik: Reeducation und Reorientation
Das politische Bildungsprogramm in der amerikanischen Besatzungszone wird gängigerweise in zwei Phasen eingeteilt: Eine eher punitiv ausgerichtete Anfangszeit (Reeducation) und eine tendenziell konstruktive, auf Demokratisierung und Westbindung ausgelegte Zeit der "Umorientierung" (Reorientation).
Die erste Phase stand im Zeichen der Entnazifizierung in allen Bereichen des öffentlichen Lebens und umfasste Maßnahmen, welche die deutsche Bevölkerung mit den Verbrechen der jüngsten Vergangenheit konfrontieren sowie Beteiligte auf allen Ebenen identifizieren und bestrafen sollten. Der Morgenthau-Plan, der 1944 u. a. eine ausgeprägte Deindustrialisierung Deutschlands forderte, symbolisiert diese punitive Haltung, die jedoch auch auf amerikanischer Seite nicht unumstritten war und sich nicht durchsetzen konnte.
Die zweite Phase war demgegenüber zukunftsorientiert und umfasste Maßnahmen zur Demokratisierung, die primär auf Freiwilligkeit und die Überzeugungskraft des amerikanischen Vorbilds setzten. Der sog. Marshall-Plan (European Recovery Program) steht sinnbildlich für diese auf Wiederaufbau ausgerichtete Außenpolitik, die sich weit über die amerikanische Besatzungszone hinaus auswirkte.
Der signifikante Wandel in der Besatzungspolitik von der Reeducation zur Reorientation vollzog sich schrittweise und war 1947 weitgehend umgesetzt. Wichtige Impulse gingen 1946 von der berühmten "Hoffnungsrede" des US-Außenministers James F. Byrnes (1882–1972) sowie dem Bericht der United States Education Mission to Germany ("Zook-Kommission", benannt nach dem Pädagogen George F. Zook, 1885–1951) aus. Byrnes stellte bereits am 6. September 1946 in Stuttgart (Baden-Württemberg) neben dem Zusammenschluss der Westzonen auch freundschaftliche Beziehungen zwischen einem künftigen Deutschland und den USA, umfänglichen Wiederaufbau sowie eine größere Eigenständigkeit der deutschen Demokratie in Aussicht. Die Zook-Kommission prüfte das Bildungswesen in der Besatzungszone und sprach sich für ein einheitliches Schulwesen nach amerikanischem Vorbild, soziale Lernformen und die Vermittlung demokratischer Werte aus.
George F. Zook (Pädagoge, 1885–1951). (University of Akron Photographs, 123B_79a)
James F. Byrnes (1882–1972, US-Außenminister). (Gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Alonzo G. Grace (Direktor der Erziehungs- und Kulturabteilung des Office of Military Government for Germany (OMGUS), 1896–1971). (Foto von Wiki blanko via Wikimedia Commons, lizenziert durch CC BY-SA 4.0)
Die Kursänderung "from directive to persuasion", wie Alonzo G. Grace (1896–1971), Direktor der Erziehungs- und Kulturabteilung des Office of Military Government for Germany (OMGUS) sie 1948 beschrieb (zit. in: Rosenzweig, Erziehung, 214), manifestierte sich offiziell in der Direktive 1779 der Joint Chiefs of Staff (JCS). Bereits unter dem Eindruck des sog. Kalten Krieges, ebnete diese u. a. den Weg für den wirtschaftlichen Wiederaufbau, die Wiederbelebung des religiösen, kulturellen und wissenschaftlichen Lebens und das nachdrückliche Werben für Demokratie. Gleichzeitig markierte sie eine zumindest partielle Abkehr von Logiken der Bestrafung, der Wiedergutmachung und der oktroyierten Demokratisierung. Das Ende dieser neuen Besatzungspolitik in ihrer offiziellen wie inoffiziellen Form kann weitgehend mit der Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 verknüpft werden, teilweise aber auch erst an der schrittweisen Rücknahme alliierter Kontrollmechanismen der frühen 1950er Jahre (u. a. Deutschlandvertrag 1952, Ende des Besatzungsstatuts 1952) festgemacht werden. Manche Historisierungen erklären sie sogar erst mit der Wiedererlangung vollständiger Souveränität Deutschlands im Nachgang der deutschen Wiedervereinigung für beendet. Die Effekte der US-amerikanischen Kultur- und Bildungspolitik der Nachkriegsdekaden lassen sich in jedem Fall bis heute nachvollziehen.
Planungen und Realitäten in der amerikanischen Besatzungszone: "Is Germany Incurable?"
Bereits während des Zweiten Weltkrieges waren die Gesellschaften und Kulturen der Kriegsgegner, insbesondere Deutschlands, sowie die entsprechende amerikanische Besatzungspolitik nicht nur Thema politischer und militärischer Diskussionen, sondern auch Gegenstand umfänglicher wissenschaftlicher Debatten und Untersuchungen, welche die Gestaltung der Besatzungspolitik beeinflussten. Die Vorstellung von Reeducation war u. a. beeinflusst von den pädagogischen Theorien zu Demokratie als Lebensform des Pädagogen John Dewey (1859–1952), den sozialpädagogischen Überlegungen zur Notwendigkeit des Erlernens demokratischer Werte und Praktiken des Psychologen Kurt Lewin (1890–1947) sowie der soziologischen Kritik an einer oktroyierten Demokratisierung des Soziologen Talcott Parsons (1902–1979). Der Neurologe Richard M. Brickner (1896–1959) organisierte 1944 die sog. Brickner-Konferenz (Brickner-Conference), die sich v. a. mit der kulturellen "Umerziehung" Deutschlands nach dem Krieg befasste. Schon in seiner 1943 erschienen Publikation "Is Germany Incurable?" übertrug er individualpsychologische Befunde auf die Deutschen. Er attestierte ihnen eine kollektive Paranoia, die zum Faschismus geführt hätte, aber 'geheilt' werden könnte. Hierfür müsse neben der Bestrafung eine Atmosphäre der Hoffnung geschaffen werden. Das konstruktive Moment der Reorientation klingt in solch frühen Überlegungen an. Zunächst stand jedoch die Reeducation im Vordergrund und markierte bereits dem Namen nach die zentrale Rolle, welche Erziehung, Bildung und Kultur in den verschiedenen Phasen der Besatzungspolitik spielen sollten.
John Dewey (1859–1952). (Gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Kurt Lewin (1890–1947). (Adolf-Würth-Zentrum für Geschichte der Psychologie der Universität Würzburg)
Der Begriff "Reeducation" wurde aus der Psychiatrie übernommen und zum umkämpften politischen Schlagwort, war aber in diesem Zusammenhang weder methodisch noch inhaltlich klar definiert. Trotz umfänglicher Diskussionen kann man zu Beginn der Besatzung keinesfalls von einem systematischen und kohärenten Programm sprechen. Nicht wenige Vorgaben aus den Direktiven und Handbüchern zum Umgang mit der deutschen Bevölkerung scheiterten alsbald an den Realitäten vor Ort. Ein eindrückliches Beispiel hierfür ist das Fraternisierungsverbot (Erlass CCS 551). Dieses untersagte zunächst jedweden freundschaftlichen Umgang der Soldaten mit der deutschen Bevölkerung. Es wurde spätestens ab dem Kriegsende vielfach umgangen und nach schrittweisen Lockerungen im August 1945 aufgehoben. Insbesondere die Beziehungen zwischen amerikanischen Soldaten und deutschen Frauen ("Fräuleins") wurden zu umkämpften Symbolen der Nachkriegspolitik auf beiden Seiten des Atlantiks. Sie versinnbildlichten u. a. die vergeschlechtlichte Kodierung einer maskulinen Siegermacht sowie einer feminisierten deutschen Bevölkerung, die besonders in den ersten Nachkriegsjahren dominant war.
Die Besatzungspolitik wurde nicht nur flexibel an die Gegebenheiten in der amerikanischen Zone angepasst, sondern hatte mittelbar auch nicht-intendierte Rückwirkungen auf die USA. Die Situation der afroamerikanischen Soldaten etwa zeugte von der Doppelmoral der amerikanischen Demokratisierungsbemühungen: Sie dienten in einer Armee, die über Rassismus und Faschismus triumphierte und Demokratie in Deutschland fördern und durchsetzen sollte. Dennoch wurde die Segregation im US-amerikanischen Militär erst 1948 formal aufgehoben und die vollständige Gleichberechtigung der afroamerikanischen Bevölkerung ist vielfach nur formell existent. Viele afroamerikanische Soldaten erlebten im gerade erst vom nationalsozialistischen Regime befreiten Deutschland eine ungewohnte und unerwartete Freiheit von Rassismus und Diskriminierung. Ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg und ihre Erfahrungen in der Nachkriegszeit gaben der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung nachhaltigen Auftrieb.
Die offiziellen Maßnahmen der Reeducation und Reorientation richteten sich primär an die Bevölkerung in den amerikanisch kontrollierten Gebieten. Trotz der teils ähnlichen Programme der anderen Besatzungsmächte ("Reconstruction" in der britischen Zone, "mission civilisatrice" in der französischen), sollten sie aber auch darüber hinaus Strahlkraft entfalten. Mit dem Ziel der Demokratisierung umfassten die Maßnahmen eine breite Palette an kulturellen und bildungspolitischen Programmen – von filmischer Propaganda bis zur Schulreform und von der Einrichtung der Amerikahäuser bis zum transatlantischen Austauschprogramm. In Bayern, dem größten Land in der amerikanischen Besatzungszone, riefen die einzelnen Aspekte der Reeducation unterschiedliche Reaktionen hervor.
Vorbild USA: "You Too Can Be Like Us!"
Während sich die Anfangszeit der Reeducation auf die Konfrontation der deutschen Bevölkerung mit ihrer unmittelbaren Vergangenheit konzentrierte, wendete die Reorientation zunehmend den Blick auf die Zukunft einer deutschen Demokratie nach amerikanischem Vorbild, als Teil der westlichen Staatengemeinschaft und als Bollwerk gegen den Kommunismus. Mit Slogans wie "You Too Can Be Like Us!" positionierte sich die USA nachdrücklich als politisches, wirtschaftliches und kulturelles Vorbild und markierte das Lernen von Amerika als zentralen Baustein der Reorientation. Dieses Versprechen, dass auch die Deutschen so sein bzw. werden könnten wie die Amerikaner, mag dabei Verheißung und Drohung gleichzeitig gewesen sein.
Filmprogramm
Das Filmprogramm war ein Kernstück der Reeducation und Reorientation. Bereits während des Krieges wurden Dokumentarische Filme zum Zweck der "Umerziehung" produziert. Die ersten Vorführungen von Kurzfilmen in Kombination mit der Wochenschau "Welt im Film" fanden im fränkischen Erlangen statt. Ab dem 18. Juni 1945 wurden hier neben britischen Produktionen insbesondere amerikanische Kurzfilme als Probelauf gezeigt. Darunter waren z. B. "Die Geschichte des amerikanischen 'Jeep'" ("The Autobiography of a 'Jeep'" 1943), "Der Cowboy" ("The Cowboy" 1943), oder "Es war einmal ein Kind" ("A Child Went Forth" 1940). Später wurden solche Filme für nicht-kommerzielle Zwecke verbreitet und etwa durch Einführungen für das Publikum kontextualisiert. Das Medium Film diente dazu, ein positives Amerikabild zu vermitteln, wurde aber auch genutzt, um die Zuschauenden mit Bildern der Verbrechen ihrer unmittelbaren Vergangenheit zu konfrontieren. Schon im Erlanger Programm wurde mit "KZ" (= "Welt im Film" Nr. 5, 1945) ein sog. Gräuelfilm getestet. Zu den bekanntesten Werken dieses Genres zählen der unter Beteiligung von Billy Wilder (eigtl. Samuel Wilder, 1906-2002) produzierte Film "Die Todesmühlen" ("Death Mills" 1945) sowie "Nürnberg und seine Lehren" ("Nuremberg: Its Lessons for Today" 1948), der bereits das Ende der "atrocity-Filme" markierte. Unter den Parametern der Umorientierung wurde die Dokumentarfilmproduktion intensiviert und inhaltlich verstärkt auf die Legitimierung der Besatzungspolitik, die Westbindung und das Erlernen demokratischer Verhaltensweisen ausgerichtet.
Jugend im Fokus
Kinder und Jugendliche waren eine der wichtigsten Zielgruppen der Reeducation und Reorientation. Sie waren einerseits mit der NS-Ideologie aufgewachsen, andererseits repräsentierten sie die Hoffnung auf ein zukünftiges demokratisches Deutschland. Die Anstrengungen reichten von freiwilligen Freizeitprogrammen bis zur Schulreform. Besonders im Bereich offizieller Programme stellten sich kulturelle Hürden und viele Maßnahmen liefen zunächst ins Leere. Arthur D. Kahn (geb. 1920), ein einflussreicher OMGUS-Mitarbeiter, etwa konstatierte: "In an almost desperate attempt to teach German children democracy, we put most of our emphasis on baseball, hoping for a carryover from baseball to politics. Despite our noble efforts (reinforced with coca cola and chewing gum), German children still prefer soccer and cannot be considered democratized." ("In einem nahezu verzweifelten Versuch, deutschen Kindern die Demokratie beizubringen, konzentrierten wir uns auf Baseball – in der Hoffnung eines Übertrags vom Baseball in die Politik. Trotz unserer hehren Bemühungen (verstärkt durch Coca-Cola und Kaugummi) bevorzugen die deutschen Kinder immer noch Fußball und können nicht als demokratisiert gelten." Betrayal, 184, Übers. d. Autorin) Während amerikanische Sportarten nur auf geringes Interesse stießen, wurden andere kulturelle Importe aus den USA gerade von Jugendlichen bereitwillig angenommen. Zu denken wäre hier etwa an amerikanische Musik, populäre Filme oder Konsumgüter und Lifestyle-Produkte. Diese waren zwar nicht primär Teil der offiziellen Agenda, wurden aber dennoch – oder gerade deshalb – zu wichtigen Instrumenten der Umorientierung und Westanbindung.
Schulreform
Von ähnlich durchwachsenem Erfolg war der Versuch des Umbaus des Bildungswesens nach amerikanischem Vorbild. In Bayern verwehrten sich Verwaltung, konservative Philologen und Politik nachhaltig gegen eine Umgestaltung des dreigliedrigen Schulsystems und die angedachte Abschaffung der Bekenntnisschulen rief zudem den Widerstand der Kirchen hervor. Insbesondere die Verzögerungstaktiken des Bayerischen Kultusministers, Alois Hundhammer (CSU, 1900-1974), erwiesen sich als probates Mittel gegen die amerikanischen Reformbemühungen. Hundhammers Amtskollegen in Württemberg-Baden und (Groß-)Hessen galten zwar als reformfreudiger und es kam in diesen Ländern nicht zu einem ähnlich ausgeprägten "Kulturkampf " (Tent, Mission, 110ff.); doch selbst hier zeigte sich die Beständigkeit tradierter Strukturen. Die äußere Schulreform war insgesamt schnell zum Scheitern verurteilt und spätestens ab 1948 trat unter Alonzo Grace die innere Reform stärker in den Fokus. Geleitet vom Primat des politischen Bildungsauftrags wurden auch in Bayern demokratische Strukturen in den Schulen geschaffen (etwa in Form der Schülermitverwaltung), spezifische Unterrichtsmethoden (z. B. Gespräch und Diskussion) gefördert und der Sozialkundeunterricht eingeführt.
Austauschprogramme
Eine besondere Bedeutung im Rahmen der Reeducation und Reorientation kam den umfänglichen Austauschprogrammen zu. Diese brachten nicht nur Schülerinnen und Schüler sowie Studierende, sondern auch Fachleute und Führungskräfte in die USA, um dort die amerikanische Modelldemokratie 'live' zu erleben und zu erlernen. Allein aus Bayern waren mehr als 1.000 Personen aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft unter den sog. Amerikafahrern, etwa Kultusminister Hundhammer, der CSU-Politiker und spätere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß (1915-1988), die FDP-Landtagsabgeordnete Hildegard Hamm-Brücher (1921-2016), der Journalist Werner Friedmann (1909-1969) oder der Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels, Alois Johannes Lippl (1903-1957). Das Programm war bis weit in die 1950er Jahre aktiv und zeugte von einem langfristigen demokratischen Transformationsprozess, der auf die Funktionseliten Bayerns als machtvolle Multiplikatoren setzte.
Amerikahäuser
Ebenso wie die Austauschprogramme erfreuten sich die sog. Amerikahäuser hoher Akzeptanz und großer Beliebtheit bei der bayerischen Bevölkerung. Im Unterschied zu anderen Maßnahmen der Reeducation und Reorientation wurden sie kaum als Propagandainstrument wahrgenommen. Ursprünglich als Informationszentren für das Personal der amerikanischen Militärregierung eingerichtet, wurden die Amerikahäuser 1947 Teil der offiziellen Reorientation-Politik. Sie hatten sich schnell an vielen bayerischen Standorten (u. a. München, Nürnberg, Regensburg, Bayreuth und Würzburg) als Kulturzentren etabliert. Auch hier stand die Vermittlung eines positiven Amerikabildes sowie demokratischer Werte zunächst im Zentrum der Programme. Letztere zeigten sich ebenfalls in Form und Funktionalität der Gebäude: von der offenen und transparenten Architektur bis zum Freihandbestand der Bibliotheken. Bis heute existiert das Amerikahaus in München sowie das Deutsch-Amerikanische Institut in Nürnberg.
Fazit
Die Demokratisierung Deutschlands unter amerikanischer Federführung und im Zeichen der Reeducation und Reorientation mag als transatlantische Erfolgsgeschichte erzählt werden. Die einzelnen Maßnahmen in der amerikanischen Besatzungszone zeitigten jedoch unterschiedliche Effekte und trafen in Bayern teils auf große Akzeptanz, teils auf erbitterten Widerstand. Sie entfalteten ihre Wirkung hierzulande in Verschränkung mit inoffiziellen und nicht-sanktionierten Formen kulturellen Austausches (etwa zwischen Soldaten und Zivilbevölkerung oder durch die Verbreitung amerikanischer Populärkultur). Während die aufgelegten Programme der Bevölkerung in den amerikanisch kontrollierten Gebieten (aber auch darüber hinaus) die Demokratie amerikanischen Vorbilds nahebringen sollten, zeigten sich in diesem Prozess auch die Paradoxien der vermeintlichen Modelldemokratie USA (z. B. im Umgang mit afroamerikanischen Soldaten). Die Auswirkungen der für Bayern prägenden Kultur- und Bildungspolitik der Nachkriegsjahre unter amerikanischer Besatzung lassen sich entsprechend weitreichend im transatlantischen Kontext verorten und teilweise bis heute nachverfolgen.
Literatur
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Weiterführende Recherche
Externe Links
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Empfohlene Zitierweise
Katharina Gerund, Reeducation und Reorientation, publiziert am 5.8.2020 in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reeducation_und_Reorientation> (11.10.2024)