Burgen
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Mittelalterliche Burgen waren zunächst als Befestigungsanlagen entstandene Bauten, die sich seit dem 11. Jahrhundert auch zu Wohn- und Verwaltungssitzen des Adels und seit Ende des 12. Jahrunderts zu Verwaltungszentren und Hauptresidenzen der Landesherren wandelten. Höhepunkt des Burgenbaus und ihrer Bedeutung ist die Zeit von ca. 1180-1250. Ihre Bedeutung sank bereits mit dem Verfall des Rittertums im 14. Jahrhundert; mit dem Aufkommen der Feuerwaffen endete schließlich um 1500 das Zeitalter des Burgenbaus. Neu errichtete Schlösser lösten die Burgen im 16. Jahrhundert als repräsentative Herrschaftssitze ab. Im heutigen Bayern sind etwa 100 intakte Burgen, 370 Burgruinen, 1000 Burgställe und 570 Renaissance- und Barockschlossbauten erhalten. Die bayerische Burgenarchitektur folgte den Grundzügen des mitteleuropäischen Burgenbaus.
Definition
Im 11. Jahrhundert begann der politisch und gesellschaftlich aufgewertete Adel, sich befestigte Wohn- und Verwaltungssitze zu errichten. Die Befestigungsbauten wandelten sich nun grundlegend, was bereits im 9./10. Jahrhundert durch vereinzelte Objekte (Eiringsburg in Bad Kissingen) eingeleitet worden war. Zuvor handelte es sich bei Burgen meist um großflächige, vorwiegend temporär genutzte Befestigungsanlagen im Zuge des Landesausbaus, der Verwaltung, Sicherung und Befriedung des Landes. Nunmehr dienten Burgen auch als Wohn- und Verwaltungssitze. Die Burgen der aufkommenden Landesherren fungierten als übergeordnete Zentren der Verwaltung und als Hauptresidenzen.
Forschungsstand
Der Forschungsstand um die bayerischen Burgen hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten spürbar verbessert. Zu zahlreichen Einzelobjekten liegen mittlerweile sehr gute Forschungs- bzw. Bestandsdokumentationen vor. Eine flächendeckende Erfassung des Gesamtbestands an bayerischen Burgen sowie eine zusammenfassende wissenschaftliche Monographie fehlen.
Während die Burgenforschung früher zumeist Laien überlassen wurde, nähert man sich heute interdisziplinär der Thematik auf hohem wissenschaftlichen Niveau an: Bauforscher, Archäologen, Kunsthistoriker, Historiker, Literaturwissenschaftler und Volkskundler finden sich in Forschungsprojekten zusammen und erarbeiten eine vielfältige, realitätsnahe Analyse der dokumentierten Objekte, die sich auch mit der jeweiligen Infrastruktur - wie dem wirtschaftlichen Umfeld - auseinandersetzt. Ein interdisziplinär angelegtes, mustergültiges Projekt fand 1993-1996 auf der Burgruine Lichtenstein, Lkr. Hassberge, Unterfranken, statt, als der Sanierung auf Initiative des Landesamts für Denkmalpflege und des Landkreises Haßberge eine sorgfältige Bestandsaufnahme in maßstäblichen Großbildern und händischen Aufmaßen vorausging. Zugleich wurden an für die Baugeschichte und das Verständnis der Burganlage wichtigen Stellen archäologische Sondagen durchgeführt und die Archivalien quellenkritisch bearbeitet. Die Ergebnisse dieser interdisziplinären Bestandsaufname und Bestandsauswertung flossen nicht nur in die Sanierung, sondern auch in eine mustergültige Präsentation vor Ort sowie in diverse Publikationen ein und ermöglichten letztlich sogar die Einrichtung eines burgenkundlichen Lehrpfads.
Zeitlicher Rahmen
Einfachste Befestigungswerke entstanden bereits in der Jüngeren Steinzeit, als 5.500-5.000 v. Chr. großflächige Erdwerke aufgeschüttet wurden. Diese Praxis wurde in den folgenden Epochen weitergeführt. Besondere Aktualität erlangte sie im Rahmen der Ungarnkriege des 10. Jahrhunderts. Mitte des 11. Jahrhunderts setzte der Burgenbau des Adels ein. Höhepunkt der Burgenbautätigkeit - nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ hinsichtlich der plastischen Ausgestaltung - war in der Stauferzeit bzw. der Zeitspanne zwischen 1180 und 1250. Nun entstand das nachhaltig wirksame Bild der Burg mit Ringmauer, Palas und Bergfried.
Das Ende der Burgenbauzeit wird mit dem Beginn der Neuzeit (um 1500) und dem vermehrten Aufkommen der Feuerwaffen in Beziehung gebracht. Der Niedergang der Bedeutung der Burgen setzte allerdings - verbunden mit dem Verfall des Rittertums - bereits im 14. Jahrhundert ein. Dessen ungeachtet wurden etliche Burgen noch im 16. Jahrhundert ausgebaut und wehrtechnisch modernisiert. Im 17. Jahrhundert verloren sie sehr oft ihre Verwaltungsfunktion, etwa als Pflegamtssitz, an verkehrsmäßig günstiger situierte Städte und verfielen in der Folge. Bauernkrieg (1525) und Dreißigjähriger Krieg (1618-1648) trugen häufig zum Untergang der Burgen bei. Als repräsentative Sitze des höheren und niederen Adels wurden Burgen ab dem 15., vor allem dann im 16. und 17. Jahrhundert von Schlössern abgelöst, die nur teilweise an alten Burgenstandorten entstanden. Enorme Substanzverluste verursachte die Säkularisation, als die bayerische Regierung im frühen 19. Jahrhundert unzählige Burgen auf Abbruch verkaufte.
Bestand
In Bayern existieren nach Schätzungen etwa 100 intakte Burgen, 370 Burgruinen und etwa 1.000 Burgställe (abgegangene Burgen mit obertägigen Relikten) sowie 570 Schlossbauten der Renaissance und des Barock (16.-18. Jahrhundert). Letztere fußen in vielen Fällen auf hoch- und spätmittelalterlichen Vorgängerbauten. Bei den Burgställen ist in Ermangelung kleinflächiger wissenschaftlicher Feldforschung eine hohe Anzahl weder erfasst noch bekannt. Hier ist vermutlich mit einer doppelt so hohen Anzahl zu rechnen.
Funktion
Die Adelsburg war, anders als von der traditionellen Burgenforschung postuliert, nie vorrangig ein Militärbau, sondern ein multifunktional genutztes Bauwerk. Sie veranschaulichte durch ihre gut sichtbare Lage die Macht und gesellschaftliche Position des jeweiligen Herrn. Zugleich bildete sie den Sitz der Gerichtsbarkeit. Sie diente als Wirtschaftszentrum, Verwaltungszentrum und als exklusiver Schauplatz der höfischen Kultur. Als Sitz von Recht und Ordnung hatte sie das ihr zugehörige Gebiet zu befrieden und in Gefahrenzeiten der Bevölkerung Schutz zu bieten.
Dass von Burgen aus Wege und Grenzen militärisch direkt gesichert und gesperrt werden konnten, trifft nur auf große, strategisch geschickt platzierte Burgen mit starken, ständig präsenten Besatzungen zu, nicht aber auf den Großteil unserer Burgen. Burgen dokumentierten Rechtsansprüche auf ein ihnen zugehöriges Gebiet und trugen somit eher indirekt zur Sicherung von Territorien bei. Auch dass Burgen als Sammelzentren großer Heere dienten, personalreiche Burgbesatzungen aufnahmen und permanent umkämpft wurden, gehört zu den vielen Fiktionen des 18. und 19. Jahrhunderts.
Die bedeutendsten landesherrlichen Burgen wie München, Landshut, Burghausen, Coburg, Nürnberg, Eichstätt, Würzburg oder Bamberg hatten wichtige Residenz- und zentrale Administrationsfunktionen zu erfüllen sowie eine aufwändige Hofhaltung und Verwaltung aufzunehmen. Sie mussten hinsichtlich Größe und Ausgestaltung eine Pracht entfalten, die dem herausragenden Machtanspruch des jeweiligen weltlichen oder geistlichen Herrn gerecht wurde.
Baugestalt der hochmittelalterlichen Burgen
Die Burgarchitektur Bayerns folgt den Grundzügen des mitteleuropäischen Burgenbaus. Schon vor Mitte des 11. Jahrhunderts wurden an herausragenden Plätzen aufwändige Burgen errichtet. Die prachtvolle Torturmkapelle von Donaustauf (um 1060) ist sichtbarer Ausdruck der Macht des Hochstifts Regensburg. So wird zu Beginn des Hochmittelalters mit der Burg von Sulzbach-Rosenberg Ende des 10. Jahrhunderts eine steinerne Burganlage greifbar, die neben einer gemörtelten Ringmauer bereits eine Burgkapelle und drei beheizbare Gebäude, darunter einen Saalbau, umfasste. Auf der Kaiserburg zu Nürnberg ließ sich archäologisch ein steinerner Saalbau samt Ummauerung aus der Zeit um 1050 greifen, unter der Kemenate der Burg Burghausen massives Mauerwerk ähnlicher Zeitstellung.
Bis weit in das 12. Jahrhundert hinein stand den vereinzelten steinernen Burganlagen, errichtet von Mitgliedern des gehobenen Adels bzw. den Dynasten, eine Überzahl an einfachen Burganlagen aus Erde und Holz gegenüber. Den oft noch befestigten Bauernhöfen gleichenden traditionellen Erd-Holz-Anlagen in Spornlage gesellte sich im 11. Jahrhundert mit der "Motte" ein neuer Typ dazu. Hierbei handelt es sich um einen künstlich aus dem Grabenaushub aufgeworfenen Erdhügel, der den herrschaftlichen Burgbereich bildet und einen palisadenumwehrten Hauptbau (Holzturm oder Holzhaus) trägt. Zumeist umzieht den Hügel sichelförmig eine gleichfalls graben- und palisadenumwehrte, hölzerne Vorburg.
Ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts manifestierte sich der Aufstieg der Dynasten im Bau großer Wohntürme zumeist quadratischer Gestalt (sehr gut erforschte Beispiele: Abenberg, Lkr. Roth; Hopfen am See, Lkr. Ostallgäu), die aber auch runde (Burglengenfeld, Lkr. Schwandorf; Hirschberg, Lkr. Eichstätt; Nürnberg) oder achteckige (Sulzbach) Grundformen aufweisen können. Auch hochgestellte Ministerialengeschlechter übernahmen diese Bauformen, allerdings in reduzierter Form (quadratisch: Biebelried, Lkr. Kitzingen; Burgberg im Allgäu, Lkr. Oberallgäu; Nennslingen, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen; Sulzberg, Lkr. Oberallgäu; Treuchtlingen, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen, Obere Burg; Treuchtlingen, Stadtschloss; achteckig: Ebermannsdorf, Lkr. Amberg-Sulzbach). Dabei handelte es sich um Türme schlichter Konzeption. Alternativ entstanden Feste Häuser (Flossenbürg, Lkr. Neustadt a. d. Waldnaab).
Anfänge der mittelalterlichen Burg
Die eng von einer Ringmauer ummantelten Wohntürme wurden ab 1170/80 allmählich von einem neuen Burgtyp abgelöst, der nunmehr den Wohnbereich in ein eigenes repräsentatives Wohngebäude, den Palas, verlagerte und den Turm als Machtsymbol freistellte ("Bergfried"). Weiterhin gehörten Ringmauer und Kapelle zu den obligaten Bestandteilen dieser Burgen.
Der Bergfried ist ein multifunktionaler Bau, der in seiner Höhe, Ausführung und Größe der Machtdemonstration diente, aber auch als Tresorbau und Auslug, und der dagegen nur ausnahmsweise als Wehrbau nutzbar war. Der Palas wurde vom Burgherrn als Wohnbau und Veranstaltungsort von Festivitäten und Geschäftsvorgängen genutzt.
Während der Burgenbau in Stein nun in voller Breite einsetzte und auch die Ministerialen erfasste, waren es erneut Dimensionen und Ausgestaltung, die unterschiedliche Maßstäbe setzten. Neben den großen landesherrlichen Burgen von Nürnberg, Landshut, Burghausen, Ingolstadt, Coburg sowie kleineren Burganlagen wie Abenberg, Cadolzburg (Lkr. Fürth), Vohburg (Lkr. Pfaffenhofen a. d. Ilm), Leuchtenberg (Lkr. Neustadt a. d. Waldnaab) und bischöflichen Burgen wie Passau, Würzburg, Eichstätt zählen Burgen wie Wildenberg (Kirchzell, Lkr. Miltenberg), Pappenheim (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen), Prunn (Lkr. Kehlheim), Kallmünz (Lkr. Regensburg), Murach (bei Obermurach, Lkr. Schwandorf), Bodenlauben (Bad Kissingen), Rieneck (Lkr. Main-Spessart), Hohenaschau (Gde. Aschau i. Chiemgau, Lkr. Rosenheim) oder die zweitürmige Burg von Dillingen (Lkr. Dillingen) zu den zahlreichen Höhepunkten dieser Bauperiode. Hervorzuheben ist die wohl kurz nach 1200 errichtete Doppelkapelle der Kaiserburg Nürnberg.
Eine Burganlage ungewöhnlicher Größe und Konzeption ist die Salzburg (Bad Neustadt a. d. Saale, Lkr. Rhön-Grabfeld), deren Ringmauer noch in den 1150er Jahren begonnen und in den 1170er Jahren fertiggestellt wurde. In den 1180er Jahren entstanden im Burginneren mehrere Kleinburgen würzburgisch-bischöflicher Ministerialen, die ihre Ansitze mit mächtigen Wohntürmen und Wohnhäusern ausstatteten, während der Bischof seine Vormachtstellung durch den Bau eines mächtigen Tor-Bergfrieds dokumentierte. Ein zweiter trutziger, jedoch untergeordneter Bergfried nimmt eine zentrale Stellung im Burghof ein. Höhepunkt dieses internen Verdichtungsprozesses wurde die "Münze", eine reich ornamentierte, nur im Sommer nutzbare Torhalle der Herren von Brende aus der Zeit um 1250.
Burgen des 13. und 14. Jahrhunderts
In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts traten nach vereinzelten Anfängen um 1200 (Burg Wildenberg, Lkr. Miltenberg) vermehrt Schildmauerburgen auf, die von kraftvollen Mauerschilden geschützt wurden und im 14. Jahrhundert ihre stärkste Ausprägung erfuhren (Nesselburg, Stadt Nesselwang, Lkr. Ostallgäu; Grönenbach, Lkr. Unterallgäu; Laaber, Lkr. Regensburg; Leuchtenberg; Trimburg, Lkr. Bad Kissingen; Willibaldsburg in Eichstätt). Die Ursache für diesen Burgentyp wird im Auftreten großer Schleuder- und Wurfmaschinen im Zuge von Burgbelagerungen gesucht, doch ist dies, da derartig kostspielige Kriegsmaschinen nur bedingt zum Einsatz kamen, eher unwahrscheinlich. Vielmehr dürfte es sich um die Demonstration baulicher Stärke als Machtsymbol handeln. Gleiches gilt für den Burgtyp der Mantelmauerburg, bei dem die Ringmauer turmartig hochgezogen wird (Eisenberg, Lkr. Ostallgäu).
Die Burgenarchitektur des 14. Jahrhunderts kennzeichnet eine typologische Vielfalt. Das Land wurde erneut mit wuchtigen, nunmehr zumeist rechteckigen Wohntürmen überzogen (Dachsbach, Lkr. Neustadt a. d. Aisch; Heimhof, Lkr. Amberg-Sulzbach; Kürnburg bei Stamsried, Lkr. Cham; Langenegg, Lkr. Oberallgäu; Lichtenstein; Südburg, Pfarrweisach, Lkr. Haßberge; Loifling, Lkr. Cham; Reußenberg bei Höllrich, Lkr. Main-Spessart; Saldenburg, Lkr. Freyung-Grafenau; Stockenfels, Stadt Nittenau, Lkr. Schwandorf). Zugleich entstanden auch zahlreiche kleinere Wohntürme als Weiherhäuschen (Topplerschlösschen in Rothenburg ob der Tauber, Lkr. Ansbach) und Wehrspeicher (Dürnhof bei Lichtenstein; Schwand, Lkr. Roth).
Die Wehrarchitektur wurde nun durch den Zubau von turmbewehrten Zwingern verbessert, wobei etliche dieser Türme heute nur noch mauerbündig aufragen (Stadtbefestigung Greding, Lkr. Roth; Kirchenburg Kinding, Lkr. Eichstätt; Kirchenburg Ostheim, Lkr. Rhön-Grabfeld). Eine spektakuläre Neukonzeption erfuhr die durch das angrenzende Gelände überhöhte Neuburg am Inn (Lkr. Passau), deren Vorburg nach 1310 feindseitig mit einer durch vier hohe Türme bewehrten Mantelmauer befestigt wurde.
Erst zur Zeit der Hussiteneinfälle um 1420/30 wurden die Zwinger durch spezielle Schießscharten für Hakenbüchsen und durch vollflankierende Türme wirklich wehrhaft (Altenstein, Lkr. Haßberge; Cadolzburg; Coburg; Ebelsbach, Lkr. Haßberge; Harburg, Lkr. Donau-Ries; Kollenberg, Lkr. Miltenberg; Lichtenstein; Kirchenburg, Ostheim; Raueneck bei Vorbach, Lkr. Haßberge; Schmachtenberg, Lkr. Haßberge). Hinzu kamen Torvorwerke, sog. Barbakanen (Bramberg, Lkr. Haßberge; Lichtenstein; Raueneck), und Streichwehren (Miltenberg; Kollenberg; Raueneck). Dieser Verstärkung der Befestigungen stand bereits ein Entwicklungsprozess gegenüber, der die Wehrhaftigkeit zugunsten einer Steigerung der Repräsentanz reduzierte und lediglich zitierte (Blutenburg und Grünwald bei München). Die 1418-32 erbaute Burg Hohenfreyberg (Zell, Lkr. Ostallgäu) ist sogar eine bewusste Kopie einer stauferzeitlichen Burganlage, um alte Ritterherrlichkeit in den Zeiten des endgültigen Untergangs des Rittertums heraufzubeschwören.
Burgenarchitektur des 15. Jahrhunderts
Über die Rondelle, Streichwehren, Barbakanen und Schießscharten der Hussitenzeit war es nurmehr ein kurzer Schritt zu den gewaltigen Bastionen und Basteien, die Ende des 15. Jahrhunderts die Wehrarchitektur prägten. Gewaltige Bollwerke wie in Burghausen oder auf der Plassenburg oberhalb Kulmbach setzten neue Maßstäbe, während unzählige Burgen und Stadtbefestigungen mit Zwingern und Rundbastionen verstärkt wurden. Besonderen Schutz erfuhr nun das Burgtor, das allerdings weiter zugleich repräsentativ gestaltet wurde (Doppelturmtor bzw. "Scherenbergtor" an der Veste Marienberg in Würzburg). Mit der Maulscharte war eine für die nächsten Jahrhunderte verbindliche Schartenform zum Einsatz von Hakenbüchsen und kleineren Geschützen gefunden.
Ein verkanntes bauliches Juwel der blühenden Spätgotik ist das Hohe Schloss in Füssen, das Bischof Friedrich von Zollern (reg. 1486-1505) nicht nur aufwändig ausbauen, sondern überdies um 1500 mit großartigen Illusionsmalereien verzieren ließ.
Einfluss von Renaissance und italienischer Wehrarchitektur im 16. Jahrhundert
Mit den großen Innovationen der italienischen Wehrarchitektur kam im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts auch die Renaissance nach Bayern. Noch vor 1550 wurden die Neuburg am Inn (1528-43) und das Schloss in Hohenaschau zeitgemäß überformt. Prachtvoll ausgebaut wurden im Stil der Renaissance u. a. die Plassenburg (1563-69), die Burg Trausnitz (Landshut) (1575ff.), die Domburg von Bamberg (1568-76/77), die Cadolzburg (1584-1605), die Willibaldsburg über Eichstätt (1597ff.) und vor allem das Schloss in Aschaffenburg (1605-14), aber auch etliche kleinere Anlagen wie das Wasserschloss von Mespelbrunn (1551-69; Lkr. Aschaffenburg) oder das Schloss Amerang (Lkr. Rosenheim).
Die neuen, nunmehr zugespitzten Eckbastionen italienischer Provenienz sind schon Elemente des Festungsbaus. Während die Plassenburg zwischen 1528 und 1553 noch durch zwei große Rundbastionen verstärkt wurde, zeigt die 1558 überformte Veste Lichtenau (Lkr. Ansbach) fünf Spitzbastionen. Mit der 1588 oberhalb von Weißenburg erbauten fünfseitigen Wülzburg mit ihren mächtigen Spitzbastionen und Kasematten beginnt der neuzeitliche Festungsbau Bayerns.
Rezeption
Im 18. und 19. Jahrhundert, als man sich vom grauen Alltag in ein fiktives, frei ersonnenes finsteres Mittelalter flüchtete, erklärte man die Burgen kurzerhand zu gewaltigen, stets umkämpften Militärbauten. Dieses völlig falsche Bild der Burg bildete lange die Grundlage der Burgenforschung, der sog. Castellologie, und wirkt bis heute verfälschend nach. Noch heute glauben wir, dass Burgen mit kochendem Wasser, siedendem Öl oder heißem Pech verteidigt wurden, obwohl diese vermeintlichen Verteidigungsmittel nachweislich im Mittelalter nie zum Einsatz kamen. Die Vorstellungen von mittelalterlichen Geheimgängen, Kerkern und Folterkammern entstanden erst im 18. und 19. Jahrhundert. Tatsächlich kamen Kerker und Folterkammern erst mit der Inquisition vor allem ab dem 16. Jahrhundert in Burg- und Stadtmauertürme.
Literatur
- Thomas Biller, Die Adelsburg in Deutschland, München 1993.
- Horst-Wolfgang Böhme u. a. (Hg.), Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch. 2 Bände, Stuttgart 1999.
- Daniel Burger, Landesfestungen der Hohenzollern in Franken und Brandenburg im Zeitalter der Renaissance, Kulmbach 2000.
- G. Ulrich Großmann/Hans Ottomeyer/Anja Grebe (Hg.), Die Burg. Wissenschaftlicher Begleitband zu den Ausstellungen "Burg und Herrschaft" und "Mythos Burg". Publikation der Beiträge des Symposions auf der Wartburg, 19.-22. März 2009, in Zusammenarbeit mit der Wartburg-Gesellschaft zur Erforschung von Burgen und Schlössern, Berlin/Nürnberg/Dresden 2010.
- G. Ulrich Großmann (Hg.), Mythos Burg. Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg/Dresden 2010.
- Hellmut Kunstmann, Mensch und Burg. Burgenkundliche Betrachtungen an ostfränkischen Wehranlagen (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte 9/25), Würzburg 1967.
- Klaus Leidorf u. a., Burgen in Bayern. 7000 Jahre Geschichte im Luftbild, Stuttgart 1999.
- Hans Ottomeyer/Rainer Atzbach/Sven Lüken (Hg.), Burg und Herrschaft. Ausstellungskatalog des Deutschen Historischen Museums, Berlin/Dresden 2010.
- Franz von Sayn-Wittgenstein, Schlösser in Bayern. Residenzen und Landsitze in Altbayern und Schwaben, München 1972.
- Joachim Zeune (Hg.), Alltag auf Burgen im Mittelalter (Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung e.V. B 10), Braubach 2006.
- Joachim Zeune, Burgen. Symbole der Macht. Ein neues Bild der mittelalterlichen Burg, Darmstadt 1997.
- Joachim Zeune, Burgen und Schlösser in Bayern, Regensburg 2007.
- Joachim Zeune, Salierzeitliche Burgen im Herzogtum Baiern (Jahresberichte der Stiftung Aventinum 8), Abensberg 1994.
- Joachim Zeune, Salierzeitliche Burgen in Bayern, in: Horst-Wolfgang Böhme (Hg.), Burgen der Salierzeit. 2. Teil, Sigmaringen 1991.
Weiterführende Recherche
Externe Links
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Feste, Vesten, Burgenkunde, Höhenburgen, Bering, Festung, Befestigung
Empfohlene Zitierweise
Joachim Zeune, Burgen, publiziert am 29.11.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Burgen> (1.12.2024)