Eichstätt, Hochstift: Territorium und Struktur
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Helmut Flachenecker und Anja Lochbrunner
Der Ausbau der weltlichen Herrschaft seit dem Mittelalter gelang den Eichstätter Bischöfen auf der Basis der übertragenen königlichen Regalien. Die anschließende Auseinandersetzung mit den beiden Hochstiftsvögten, den Grafen von Oettingen und Hirschberg, wurde erfolgreich bestanden. Aber erst im 14. Jahrhundert konnte kontinuierlich ein Territorium mit Hilfe von Burgen, Burghutverträgen, Städten und Märkten ausgebaut werden. Während das sogenannte Oberstift zerstückelt blieb, konnte im Unterstift eine nahezu geschlossene Landesherrschaft erreicht werden. Im 17. Jahrhundert war der Prozess der Territorienbildung weitgehend abgeschlossen. Eichstätt war nach Bamberg und Würzburg das kleinste und wirtschaftlich schwächste der drei Hochstifte des fränkischen Reichskreises. 1806 fiel es an das neue Königreich Bayern.
Territorium und Regalien im Früh- und Hochmittelalter
Bis in das 11. Jahrhundert hinein hatten sich die Eichstätter Bischöfe schrittweise neben ihren geistlichen Rechten als Diözesanoberhaupt auch weltliche Rechte angeeignet. Dies konnte nur mit königlicher Unterstützung erfolgen. Dazu gehörten Gerichts-, Forst-, Befestigungs-, Markt-, Münz- und Zollrechte. Damit erweiterten sie unter anderem ihr Zentrum, den Bischofssitz, zu einer geistlichen Stadt mit einer starken Stellung des bischöflichen Stadtherrn. Darüber hinaus bauten die Bischöfe eine eigene Vasallität auf.
König Arnulf (reg. 887-899, seit 896 römisch-deutscher Kaiser) schenkte im Jahre 889 der Eichstätter Kirche Wald und Wildbann, der zum Königsgut Weißenburg gehörte. Er tat dies in Form einer Seelenheilstiftung für sich und seine Familie. Das Waldgebiet war umforstet, hatte also einen festen Grenzverlauf, der es zu einem besonderen Rechtsbezirk machte. Dementsprechend lagen die Nutzungsrechte – die Jagd, die Entnahme von Holz, die Heumahd wie auch eine Weidenutzung – beim Bischof.
Wichtig für den weiteren Ausbau des Bischofssitzes selbst wurden die am 9. Februar 908 von König Ludwig dem Kind (reg. 900-911) – erneut in Form einer Seelenheilstiftung – gewährten Markt-, Münz- und Zollrechte in Eichstätt sowie das Recht, Befestigungen "in suo episcopatu" errichten zu dürfen. Der König übergab dem Bischof wichtige Privilegien, die eigentlich dem Herrscher zustanden. Zugleich wurde dem Bischof die Aufsicht über Schweinemast, Jagd und Baumfällungen in Gebieten nördlich und südlich der Bischofsstadt zugestanden.
Der Waldbesitz wurde im März 912 von König Konrad I. (reg. 911-918) bestätigt. Der Text der entsprechenden Urkunde erwähnt noch ein interessantes Detail: Der Eichstätter Bischof verfügte über von ihm direkt abhängige Jäger und Fischer ("cum suis venatoribus atque piscatoribus"), denen der König erlaubte, in seinen Forsten je drei Wildschweine, Hirsche und Hirschkühe zu erjagen bzw. 300 Fische für die Bedürfnisse der Eichstätter Kirche zu angeln. Jagd und Fischfang waren somit bereits zu Beginn des 10. Jahrhunderts institutionalisiert und Teil des bischöflichen Zugriffs auf verzehrbare Ressourcen.
Zwei weitere Forst- und Wildbannverleihungen folgten für Eichstätt in der Mitte bzw. zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts: König Heinrich III. (reg. 1028-1056, seit 1046 Kaiser) übertrug im Mai 1053 einen "bannus supra idem forestum" im Ries- und Sualafeldgau, in der Nähe des heutigen Wassertrüdingen (Lkr. Ansbach). Der Wildbann von 1080 ("wiltbannum") erstreckte sich unmittelbar bis an die Grenzen des Bistumssitzes, so dass Jagd- und Wildbannrechte dafür sorgten, dass der Eichstätter Bischof seinen Einfluss an der Peripherie seines Bischofssitzes stärken konnte. Die Forst- und Wildbannrechte enthielten Entfaltungspotentiale, die zum Zeitpunkt der Privilegierung noch nicht in ihrer späteren Dimension beim Ausbau der weltlichen Herrschaft des Bischofs in einem bestimmten Raum gesehen werden konnten.
Die Grafen von Hirschberg wie jene von Oettingen waren Vögte der Eichstätter Kirche. Die Bischöfe mussten die Ausübung der Blutgerichtsbarkeit und militärische Aufgaben in die Hände eines Vogtes geben. Mit dieser Kompetenz, die sich auch auf Verwaltungstätigkeiten ausdehnen konnte, schränkten die Vögte häufig den bischöflichen Aktionsradius ein.
Konflikt und Behauptung gegenüber den Grafen von Oettingen
Die Oettinger hielten seit etwa 1200 Vogteirechte über Herrieden, Ornbau und Lehrberg (alle Lkr. Ansbach). Bischof Reinboto (reg. 1279-1297) klagte 1286 beim Mainzer Erzbischof, dass der Oettinger auf Eichstätter Grund bei Ornbau eine eigene Burg baue. König Rudolf von Habsburg (reg. 1273-1291) entschied im März 1289 zugunsten des Bischofs; der Oettinger Graf musste die Befestigung schleifen lassen. Mit weiterer königlicher Unterstützung gelang es, die Ansprüche Graf Ludwigs von Oettingen 1309 in einem Vergleich vorläufig zu regeln. Mit der Reichsachterklärung gegenüber Graf Konrad IV. (gen. 1276, gest. 1313) besaß Bischof Philipp (reg. 1306-1322) die Chance, entfremdete Kirchengüter wieder zurückzuerhalten. König Heinrich VII. (reg. 1308-1313) bestätigte ihm 1310 den Rückfall von Herrieden und Ornbau. Der Graf leistete Widerstand.
Nach Konrads Tod im Sommer 1313 führte Kraft II. von Hohenlohe (gest. 1344) für die Witwe den Kampf um die Burg Wahrberg (Gde. Aurach, Lkr. Ansbach) weiter. Die feindlichen Aktionen Krafts beantwortete König Ludwig IV. der Bayer (reg. 1314-1347, Kaiser seit 1328) mit einem Rachefeldzug gegen Herrieden, das er am 2. April 1316 eroberte und zerstörte. Der Bischof erhielt vom König den Ort zurück. Damit war der Kampf entschieden und die Oettinger bzw. Hohenloher leisteten Verzicht: Herrieden, Wahrberg und Ornbau sowie die Altenburg bei Eichstätt standen nunmehr endgültig unter bischöflicher Herrschaft, ebenso die Überreste der ehemals hohenlohischen Burg Burgoberbach (Lkr. Ansbach). König Ludwig IV. wies in den Jahren 1322/23 abermalige oettingische Ansprüche auf Herrieden gegen eine eichstättische Geldzahlung ab.
Behauptung gegenüber den Grafen von Hirschberg und Einverleibung ihres Territoriums
Mit Heinrich I. von Zipplingen (reg. 1225-1228) beginnt die Reihe derjenigen Bischöfe, die in harter Opposition zu den Grafen von Hirschberg (seit 1205 so genannt, vorher von Grögling bzw. Dollnstein) und deren Bemühungen um einen eigenen Landesausbau auf Kosten der Eichstätter Kirche standen. Heinrich suchte die Nähe der staufischen Könige, um damit ein politisches Pendant gegen den Druck der Hirschberger zu besitzen. Der Preis war seine häufige Abwesenheit vom Bistum. Auch seine Nachfolger waren eng mit den staufischen Herrschern verbunden: So weilte Bischof Heinrich III. von Rabensburg (reg. 1232-1237) im Spätjahr 1234 bei Kaiser Friedrich II. (reg. 1212-1250, Kaiser seit 1220) in Foggia (Italien), wo er als Zeuge bei der Bestätigung der "Confoederatio cum principibus ecclesiasticis" von 1220 auftrat. In seiner problematischen Stellung gegenüber dem Hochstiftsvogt erhielt Heinrich III. kaiserliche Unterstützung, denn das ausgefertigte Privileg erwähnte eigens dessen schwierige Situation in Eichstätt.
Im ausgehenden 13. Jahrhundert zeichnete sich ein Umschwung zugunsten des Bischofs ab, da es immer klarer wurde, dass der Vogt, Graf Gebhard VII. von Hirschberg (gest. 1305), kinderlos bleiben sollte. Die Burgen Hirschberg und Sulzbürg (beide Lkr. Eichstätt) sowie die Vogteien über Eichstätt und Berching (Lkr. Neumarkt i. d. OPf.) kamen wieder in die Hände der Eichstätter Kirche. Gleichzeitig konnten weitere Rechte und Lehensbesitzungen aus den Händen benachbarter Adeliger für Eichstätt zurück erworben werden: So die Vogteirechte über Besitzungen der Benediktinerpropstei Solnhofen (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen), die ehemals den Grafen von Truhendingen zustanden bzw. die Kirchenlehen, die bei den Landgrafen von Leuchtenberg gelegen waren.
Die Gefahr einer weitgehenden Übernahme des bischöflichen Territoriums durch die Hirschberger Vögte war mit deren Aussterben 1305 gebannt. Jetzt konnte der bischöfliche Territorialausbau in einem größeren Stile erfolgen. Jedoch musste die Eichstätter Kirche die Schulden der Hirschberger übernehmen, was für lange Zeit eine finanzielle Belastung für das Hochstift darstellen sollte. Ein weiteres Hindernis stellte das Landgericht Hirschberg dar, das an die bayerischen Herzöge überging. An diesem Gericht wurden Hochgerichtsfälle behandelt. Bischof Johann I. (reg. 1305-1306) einigte sich mit den Herzögen Rudolf (reg. 1294-1317) und Ludwig (Herzog 1294-1347, seit 1314 König, seit 1328 Kaiser) auf ein Schiedsgericht, das umstrittene Güter sowie den Wildbann der Eichstätter Kirche beließ, das Landgericht aber den bayerischen Herzögen aufgrund deren Erb- und Heimfallrechten zusprach. Königliche Rückendeckung half zur Ausschaltung einer weiteren Rechtsinstanz: König Albrecht I. (reg. 1258-1308) wies 1306 die Ansprüche des Nürnberger Reichslandvogtes auf insgesamt 54 Dorfgerichte im Hirschberger Gebiet zugunsten Eichstätts zurück.
Das Domkapitel begriff sich in diesem Territorialisierungsprozess als eigentlicher Wahrer der Eichstätter Rechte und Besitzungen. Die Domherren sahen daher im Erhalt des Hirschberger Erbes wie im Ausbau der geistlichen Landesherrschaft die entscheidenden Aufgaben. So wird es in den Bischofsviten im sogenannten Gundekarianum beschrieben. Jeder neu gewählte Bischof musste beschwören, dass er keinen Teil des Hirschberger Erbes veräußern werde. Zur Interessenwahrung diente auch das 1299 vom Domkapitel angelegte Kopialbuch seiner Urkunden. Konrad II. von Pfeffenhausen (reg. 1297-1305) ließ mit dem ältesten Salbuch um 1300 die Besitzungen Eichstätts mit deren laufenden Einkünften schriftlich fixieren; er dokumentierte mit bischöflichen Urkunden den territorialen Neuansatz und betonte damit die Konkurrenz zum Domkapitel.
Eichstätter Burgenpolitik
Zur militärischen Absicherung von Territorien gehörten Burgen. Sie dienten sowohl als sichtbare Machtdemonstration als auch als Verwaltungssitze. Neben dem Erwerb von Burgen bzw. deren Ausbau mussten die bischöflichen Landesherren versuchen, mit Hilfe von Burghutverträgen adelige Burgherren zu zwingen, ihre Häuser den Bischöfen bei militärischen Auseinandersetzungen gegen Dritte zu öffnen.
Bischof Reinboto gelangen Ende des 13. Jahrhunderts mit Wernfels (Gde. Spalt, Lkr. Roth), dem vormals regensburgischen Spalt und dem burggräflichen Abenberg (Lkr. Roth) bedeutende Erwerbungen für die Eichstätter Kirche. Bischof Konrad II. erwarb des Weiteren Pleinfeld (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) und kaufte die Burgen Kipfenberg (Lkr. Eichstätt), Gundelsheim (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) und Sandsee (Gde. Pleinfeld, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) mit den umliegenden Dörfern und Patronatsrechten, so dass die neu hinzugekommenen Gebiete nach Süden hin abgesichert werden konnten. Bereits vorhandene Städte und Burgen befestigte er, so das oppidum Abenberg, ferner die castra Nassenfels und Mörnsheim (beide Lkr. Eichstätt) sowie Wernfels. Im zukünftigen Oberen Stift verstärkte Konrad die villa Arberg (Lkr. Ansbach), einen wichtigen Verwaltungsmittelpunkt, mit einer Mauer. Er setzte die Politik seiner Vorgänger fort, indem er Grundherrschaften bzw. Kirchen um die bischöflichen Hauptburgen, wie etwa bei Wernfels oder Kipfenberg, aufkaufte. Mit dem Hirschberger Erbe erhielt Eichstätt die Burg Hirschberg (Lkr. Eichstätt) mit den abhängigen Besitzungen, dort meist auch Vogtei- und Dorfgerichtsrechte. Im Jahre 1332 kamen die Burgen Reichenau bei Herrieden (Lkr. Ansbach) und Erlingshofen (Lkr. Eichstätt) hinzu. Bischof Albrecht I. von Hohenfels (reg. 1344-1351) schloss mit dem regionalen Adel mehrere Burghutverträge ab. Bischof Berthold von Zollern (reg. 1351-1365) begann angesichts von Autonomiebestrebungen der Eichstätter Bürgerschaft in den 1350er Jahren mit dem Bau der Willibaldsburg als neuer Befestigungsanlage und Wohnburg außerhalb der Stadt. Seine Nachfolger Raban von Wildburgstetten (reg. 1365-1383) und Friedrich IV. von Oettingen (reg. 1383-1415) verstärkten die Verteidigungsanlagen vieler bestehender "castra et oppida ecclesie". Gleichzeitig demonstrierte Friedrich die bischöfliche Präsenz in den Städten durch den Neubau von landesherrlichen Kleinresidenzen (castrum, domus) in Herrieden, Spalt und Berching sowie dem 1413 erworbenen Brunneck (Lkr. Eichstätt).
Landesausbau
Ein Blick auf die hoch- und spätmittelalterlichen Eichstätter Bischofsbiographien zeigt, dass sich praktisch alle Bischöfe um den Ausbau ihrer Städte, Märkte und Burgen kümmerten, um mit deren Hilfe den Landesausbau voranzutreiben. Die Klöster und Stifte im Bistum spielten dabei eine geringere Rolle. In Eichstätt lassen sich zwei Verdichtungsphasen festhalten, nämlich um 1300 und in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Insgesamt verlief der Prozess des Landesausbaus im Hochstift Eichstätt fast ein Jahrhundert später als etwa in Bamberg und Würzburg. Nach den erfolgreich bestandenen Auseinandersetzungen mit ihren beiden mächtigen Hochstiftsvögten erfolgte um 1300 der bischöfliche Zugriff auf Eichstätt und Berching als Schwerpunkte im sogenannten Unterstift, dem 1310 dann durch königliche Übertragung der Markt Greding (Lkr. Roth) hinzugefügt werden konnte. Die verwaltungsmäßigen bzw. wirtschaftlichen Mittelpunkte des neu erworbenen östlichen Oberstiftes waren Spalt, Abenberg, Pleinfeld, Herrieden und Ornbau. Herrieden bildete mit dem dortigen Stift auch ein Zentrum in religiöser Hinsicht.
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erfolgte ein Binnenausbau des Hochstifts. Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung wie etwa die Bestätigung von Jahrmärkten 1482 sowie der Erwerb der Märkte Dollnstein (Lkr. Eichstätt) 1440 und Arnsberg (Lkr. Eichstätt, Gde. Kipfenberg) 1475, ferner die Markterhebungen Arbergs 1454 und Pleinfelds 1483 schlossen sich an. Die mehr oder weniger systematischen Bestätigungen von Handwerkerordnungen gehören ebenfalls in diesen Zusammenhang. Die militärische Sicherung der bischöflichen Gebiete wurde zudem durch einen verstärkten Mauerbau forciert: Nassenfels, Mörnsheim und Dollnstein – alle im Südwesten des Unterstiftes an der Grenze zum Herzogtum Bayern gelegen – wurden militärisch stärker gesichert. Auch Ornbau im Oberstift erhielt unter Bischof Wilhelm von Reichenau (reg. 1464-1496) eine neue Ummauerung. Zu seiner Zeit wurde zudem an mehreren bereits bestehenden Befestigungen gearbeitet, etwa Beilngries (Lkr. Eichstätt) und Greding.
Wie sehr die Vakanzzeit für Eichstätt eine stets heikle politische Situation bedeutete, zeigte sich im Jahre 1464. Als am 1. Januar die Nachricht vom Ableben Johanns III. von Eich (reg. seit 1445) bei Herzog Ludwig IX. von Bayern-Landshut (reg. 1450-1479) eingetroffen war, schickte er seinen Kanzler nach Eichstätt. In einem auf den 8. Januar datierten Brief versicherte der Herzog dem Domkapitel seine Unterstützung. Er schickte anschließend noch einen weiteren Rat nach Eichstätt, der allerdings nicht in die Stadt eingelassen wurde; gleichzeitig wurden die beiden anderen der Stadt verwiesen, worüber sich Herzog Ludwig empörte. Der Herzog berief sich auf ein ihm zugestandenes Öffnungsrecht, das ihm und seinen Räten den freien Zugang nach Eichstätt und in alle hochstiftischen Burgen garantiere. Überdies wolle er die Wahl nicht in seinem Sinne manipulieren, sondern nur bei der Entscheidungsfindung flankierend helfen. Seinen Einflussversuchen wurde jedoch misstraut. Stattdessen argumentierte das Domkapitel, dass dies kein einseitiges Vorgehen gegen Bayern sei, sondern auch den "marggraven vnd andern auch gein der ritterschafft zu Franncken vnd Schwaben, der vil gein Eystett gefrundet sein vnd eingefordert haben", verboten wurde zu kommen (Diözesanarchiv Eichstätt c1 [Brief 1464 Januar]). Der Hinweis auf die Ritterschaft signalisiert darüber hinaus, dass kein bayerischer Adel im Eichstätter Domkapitel saß. Aus dieser Grundkonstellation heraus war es schwierig bis unmöglich, einen Wittelsbacher auf den Bischofsstuhl des hl. Willibalds zu bringen. Der bayerische Herzog scheint in Eichstätt selbst keinen direkten Unterstützer gehabt zu haben.
Das Kernbestreben der Eichstätter Bischöfe drehte sich um die Sicherung der stets gefährdeten Stellung ihres Hochstifts, das zwischen der Markgrafschaft Ansbach und dem Herzogtum Bayern lavieren musste. Hinzu kamen Auseinandersetzungen mit der Reichsstadt Weißenburg und zahlreichen regionalen Adelsherrschaften. Die römischen Kaiser und Könige bildeten bisweilen einen notwendigen Rückhalt, so dass die Bischöfe ihre Nähe suchen mussten.
Territorium in der Frühen Neuzeit
Um 1500 konzentrierte sich das eichstättische Unterstift entlang der Altmühl von Mörnsheim bis Beilngries, das räumlich getrennte Oberstift war mit Herrieden, Ornbau und Spalt in drei Teile geteilt. Innerhalb des Bistums Eichstätt befanden sich große Teile der Markgrafschaft Ansbach, der Oberen Pfalz (Kurpfalz), sowie die Reichsstadt Weißenburg, das Deutschordensgebiet um Ellingen (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) sowie mehrere ritterschaftliche Gebiete (u. a. der Marschälle von Pappenheim). Um ihren Herrschaftsbereich abzurunden, konnten die Eichstätter Bischöfe im Lauf des 16. Jahrhunderts noch Titting, Enkering, Kinding (alle Lkr. Eichstätt), Burggriesbach, Lauterbach, Töging (alle Lkr. Neumarkt i. d. OPf.) und Untermässing (Lkr. Roth) erwerben sowie Jettenhofen (Lkr. Neumarkt i. d. OPf.) als erledigtes Lehen einziehen.
Im 17. Jahrhundert war der Prozess der Territorienbildung im Hochstift Eichstätt weitgehend abgeschlossen. Damit war Eichstätt das kleinste und wirtschaftlich schwächste der drei Hochstifte des fränkischen Reichskreises. Während das Oberstift zersplittert blieb, war es aber immerhin gelungen, das Unterstift zu einem geschlossenen Territorium auszubauen. Im Bereich des Hochstifts waren alle weltlichen Grundherrschaften ausgeschaltet worden und auch der Mediatbesitz des Domkapitels und einiger Klöster und Kollegiatstifte war im Fürstbistum Eichstätt im Vergleich zu Bamberg und Würzburg recht klein.
Was das Verhältnis zwischen Hochstift und Bistum betrifft, lag im Fall Eichstätts das Hochstift anders als bei anderen geistlichen Fürstentümern fast ausschließlich innerhalb der Diözesangrenzen. Eine Ausnahme bildete die 1683 von Brandenburg-Ansbach erkaufte Herrschaft Wellheim (Lkr. Eichstätt), die der Diözese Augsburg zugehörig blieb. Umstritten war die Ausübung diözesaner Gewalt an der Südgrenze der Reichsstadt Nürnberg. Im Detail zeigte sich dies am herrschaftlich umstrittenen Moritzberg und seiner Kapelle, die zur eichstättischen Pfarrei Leinburg (Lkr. Nürnberger Land) gehörte, jedoch auch von Nürnberg und dem Markgrafen beansprucht wurde. Die Fläche des Hochstifts Eichstätt entsprach weniger als dem sonst in der Regel etwa erreichten Drittel des Bistumsumfanges.
Im Zuge der Säkularisation nahm nach dem vorläufigen Abschluß der Reichsdeputation zunächst das Kurfürstentum Bayern am 29./30. November 1802 das Hochstift Eichstätt in Besitz. Durch diverse Separat- bzw. Nachverhandlungen fiel dann vorübergehend das Unterstift 1803 als Entschädigung für das Großherzogtum Toskana an den neu kreierten Kurfürsten Ferdinand von Salzburg (1769-1824) und das Oberstift 1804 an Preußen. Nach dem Sieg Napoleons (1769-1821) im Dritten Koalitionskrieg wurde schließlich 1806 das gesamte ehemalige Hochstift Eichstätt von Frankreich endgültig an das neue Königreich Bayern übergeben.
Quellen- und Forschungslage
Nach der wechselvollen Geschichte des Territoriums während der Säkularisationszeit gelangten Teile des Hochstiftsarchivs Eichstätt im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts auf unterschiedlichen Wegen ins Staatsarchiv Nürnberg, wo schließlich die gesamte in Staatsbesitz übergegangene Überlieferung des Hochstifts, des Domkapitels und der eichstättischen Klöster zusammengefasst wurde. Dort lag sie ursprünglich in mehreren großen Beständen gemischter Provenienz vor: "Eichstätter Urkunden vor 1401", "Eichstätter Urkunden nach 1400", "Eichstätter Lehenurkunden", "Hochstiftsliteralien Eichstätt", "Eichstätter Archivalien" und "Eichstätter Karten und Pläne". 1999 begann man mit der Überführung dieser Pertinenz- in provenienzreine Bestände, die bislang (Stand: 2019) noch nicht abgeschlossen ist.
Die Territorialentwicklung des Hochstifts Eichstätt ist durch die Untersuchungen Karl Röttels (geb. 1939) zum Grenzverlauf im Rahmen seiner Hochstiftsgeschichte und vor allem durch den Historischen Atlas von Bayern weitgehend gut erforscht. Der Atlasband zu Eichstätt (Hirschmann) deckt die Bischofsstadt mit Umland und das Unterstift ab. Von den Ämtern des Oberstifts werden Sandsee-Pleinfeld, Wernfels-Spalt und Abenberg in den Bänden zu den Landgerichten Weißenburg-Gunzenhausen und Schwabach (Hofmann bzw. Eigler) behandelt. Der Band zu Feuchtwangen, dessen Untersuchungsraum die übrigen beiden eichstättischen Ämter Wahrberg-Herrieden und Arberg-Ornbau umfasst, steht noch aus (Stand: 2019); doch beschäftigten sich zwei Aufsätze eingehend mit der Eichstätter Besitzgeschichte in diesem Raum (Krey; Schuh, Territorienbildung). Zur inneren Verwaltung des Hochstifts liegen darüber hinaus einzelne neuere, tiefergehende Studien für verschiedene Epochen vor (Flachenecker, Rausch).
Literatur
- Andreas Bauch/Ernst Reiter (Hg.), Das ‘Pontifikale Gundekarianum’. Kommentarband zur Faksimile-Ausgabe, Wiesbaden 1987.
- Friedrich Eigler, Schwabach (Historischer Atlas von Bayern. Teil Franken I, 28), München 1990. [zum Hochstift Eichstätt 354ff.]
- Helmut Flachenecker, Reichsnähe bei regionaler Eigenständigkeit – Das Hochstift Eichstätt im Spätmittelalter, in: Oliver Auge/Andreas Bihrer/Nina Gallion (Hg.): Kleine Bischöfe im Alten Reich. Strukturelle Zwänge, Handlungsspielräume und soziale Praktiken im Wandel (1200–1600), vorauss. 2020.
- Helmut Flachenecker, Forst- und Wildbannrechte als Grundlagen für die weltliche Herrschaft von Bischöfen im Frühmittelalter, in: Andreas Bihrer/Stephan Bruhn (Hg.), Jenseits des Königshofs. Bischöfe und ihre Diözesen im nachkarolingischen ostfränkisch-deutschen Reich (850–1100) (Studien zur Germania Sacra, N.F. 10), Berlin/Boston 2019, 211–243.
- Helmut Flachenecker, Eichstätt: abbey, diocese, lordship, in: Graham A. Loud/Jochen Schenk (Hg.), The Origins of the German Principalities 1100 – 1350. Essays by German Historians, London/New York 2017, 121-136.
- Helmut Flachenecker, Die Städte im Hochstift Eichstätt während des Spätmittelalters, in: Ders./Rolf Kießling (Hg.), Städtelandschaften in Altbayern, Franken und Schwaben. Studien zum Phänomen der Kleinstädte während des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte Beihefte, Reihe B 15), München 1999, 152-187.
- Franz Heidingsfelder, Die Zustände im Hochstift Eichstätt am Ausgang des Mittelalters und die Ursachen des Bauernkrieges (Würzburger Studien zur Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit 3), Leipzig 1911.
- Alois Gerlich/Franz Machilek, Staat und Gesellschaft. Erster Teil: bis 1500, in: Max Spindler (Begr.)/Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Band 3,1: Geschichte Frankens bis zum Augsgang des 18. Jahrhunderts, München 3. Auflage 1997, 537-701, hier 571-576.
- Hans-Josef Krey, Die Anfänge der Eichstätter Erwerbspolitik im Raum Abenberg, Wernfels und Spalt, in: Sammelblatt des Historischen Vereins Eichstätt 92/93 (1999/2000), 76-92.
- Bruno Lengenfelder, Die Diözese Eichstätt zwischen Aufklärung und Restauration. Kirche und Staat 1773-1821 (Eichstätter Studien Neue Folge 28), Regensburg 1990.
- Genoveva Rausch, Die Reorganisation des Hochstifts Eichstätt unter Fürstbischof Marquard II. Schenk von Castell (1637-1685). Wiederaufbau und Verwaltungsstrukturen des Hochstifts nach dem Dreißigjährigen Krieg (Eichstätter Studien. Neue Folge 56), Regensburg 2007.
- Karl Röttel, Das Hochstift Eichstätt. Grenzsteine, Karten, Geschichte (Das Steinkreuz 1990,1), Nürnberg 1990.
- Josef Seger, Der Bauernkrieg im Hochstift Eichstätt (Eichstätter Studien NF 38), Regensburg 1997.
- Anton Schindling, Das dritte fränkische Fürstbistum - Eichstätt im Reich der Frühen Neuzeit. Zentrum der Reichsritterschaft an der Altmühl und Ziel bayerischer Machtinteressen, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 62/63 (2001), 557-573.
- Robert Schuh, Der Übergang des vormaligen Eichstättischen Oberstifts von Bayern an Preußen, in: Egon Johannes Greipl (Hg.), Aus Bayerns Geschichte. Forschungen als Festgabe zum 70. Geburtstag von Andreas Kraus, St. Ottilien 1992, 405-433.
- Stefan Weinfurter/Helmut Flachenecker/Monika Fink-Lang u. a., Die Viten der Eichstätter Bischöfe im ‘Pontifikale Gundekarianum’, in: Bauch/Reiter, Pontifikale Gundekarianum, 111-147. [Wiederabgedruckt in: Weinfurter, Eichstätt im Mittelalter, 155-178]
- Stefan Weinfurter, Eichstätt im Mittelalter. Kloster – Bistum – Fürstentum, Regensburg 2010.
- Alfred Wendehorst (Bearb.), Das Bistum Eichstätt 1. Die Bischofsreihe bis 1535 (Germania Sacra N.F. 45), Berlin, New York 2006.
Quellen
- Andreas Bauch/Ernst Reiter (Hg.), Das "Pontifikale Gundekarianum". Faks.-Ausg. d. Codex B 4 im Diözesanarchiv Eichstätt, Wiesbaden 1987.
- Bayerische Akademie der Wissenschaften (Hg.), Urkunden des Hochstifts Eichstätt. Urkunden von 893-1305 (Monumenta Boica 49 = N.F. 3), München 1964 (Reprint d. Ausg. 1910).
- Bayerische Akademie der Wissenschaften (Hg.), Urkunden des Hochstifts Eichstätt. Urkunden von 1306-1365 (Monumenta Boica 50 = N.F. 4), München 1932.
- Franz Heidingsfelder (Hg.), Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, Innsbruck/Würzburg/Erlangen 1915-1938.
- Eckard Lullies, Die ältesten Lehenbücher des Hochstifts Eichstätt. Text und Kommentar, Ansbach 2012.
Weiterführende Recherche
Externe Links
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- Eichstätt, Bistum/Hochstift: Politische Geschichte (Spätmittelalter)
- Eichstätt, Bistum: Sprengel und Verwaltung
- Eichstätt, Domkapitel
- Eichstätt, Hochstift: Verwaltung
Empfohlene Zitierweise
Helmut Flachenecker/Anja Lochbrunner, Eichstätt, Hochstift: Territorium und Struktur, publiziert am 13.11.2019, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Eichstätt,_Hochstift:_Territorium_und_Struktur (4.11.2024)