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Eichstätt, Domkapitel

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Das Wappen des Eichstätter Domkapitels. Stich von 1799. (Diözesanarchiv Eichstätt, 341/bl-rl)
Portät von Lothar Johann Hugo Franz Graf von Ostein (seit 1711 Domherr in Eichstätt), um 1750. (Domschatz- und Diözesanmuseum Eichstätt, M1992-15)

von Hugo A. Braun

Seit Beginn des 11. Jahrhunderts bestand das Domkapitel Eichstätt als selbständige juristische Person. Seine Ursprünge gehen auf das von Bischof Willibald um 743 gegründete Benediktinerkloster zurück. Im Mittelalter bestanden 70 Kanonikate. Ihre Zahl verringerte sich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts auf 28. Seit 1477 war für die Aufnahme ins Domkapitel adelige Abstammung verpflichtend. Die Domherren stammten überwiegend aus Familien der Schwäbischen und Fränkischen Reichsritterschaft. Die immer wieder angestrebte Übernahme des Eichstätter Bischofsstuhles durch eines der großen Herrscherhäuser konnte das Domkapitel stets verhindern. Seit 1259 beanspruchte es durch Wahlkapitulationen ein Mitspracherecht bei der Regierung von Hochstift und Bistum. Im Laufe der Frühen Neuzeit vergrößerte das Domkapitel stetig seinen Besitz und seinen Einfluss im Hochstift Eichstätt. Die Auflösung des Eichstätter Domkapitels infolge der Säkularisation erfolgte erst 1806.

Geschichtliche Entwicklung

Das Eichstätter Domkapitel geht in seinen Anfängen auf das vom ersten Bischof St. Willibald (gest. ca. 787) gegründete Benediktinerkloster zurück. Dieser monastische Ursprung des Domstifts findet sich auch in den altbayerischen Bistümern Salzburg, Regensburg und Freising. Wahrscheinlich bereits unter Willibalds Nachfolger Gerhoh (8. Jh.) erfolgte die Umwandlung in ein Kanonikerstift. Im 9. Jahrhundert setzte die Auflösung der vita communis ein infolge der Teilung des Besitzes zwischen Bischof und Kanonikern. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts war das Domkapitel bereits eine selbständige juristische Person mit eigenem Siegel. Es hatte das Recht, Propst und Dekan frei zu wählen. Während der Regierungszeit des Bischofs Gundekar II. (reg. 1057-1075) befanden sich im Domkapitel so viele fähige Persönlichkeiten, dass 14 seiner Mitglieder vom König auf Bischofsstühle in Deutschland und Italien berufen wurden. In seiner politischen Haltung war das Domkapitel seit dem Mittelalter stets kaisertreu. So stand es im Investiturstreit und zur Zeit Ludwigs des Bayern (reg. als König 1314-1347, Kaiser ab 1328) auf Seiten des Kaisers.

Ein Jurisdiktionsstreit zwischen Bischof und Domkapitel sowie der langwierige Streit um die päpstliche Provision des graduierten Augsburger Bürgersohns Bernhard Arzat waren der Anlass, am 4. August 1477 die bereits lange bestehenden Rechtssatzungen erstmals in 23 Statuten niederzuschreiben und diese am 1. März 1479 vom Papst bestätigen zu lassen. Den Mittelpunkt bildete das neue Adelsstatut, das künftig bürgerliche Graduierte vom Zugang ausschloss.

Bischof Heribert (reg. 1022-1042) verminderte die Zahl der Kanonikate von 70 auf 50, Bischof Heinrich III. (reg. 1292-1337) auf 30; dies wurde 1235 durch Papst Gregor IX. (reg. 1227-1241) und 1245 durch Innozenz IV. (reg. 1243-1254) bestätigt. Bei der Gründung der Universität Ingolstadt 1472 musste das Domkapitel auf Anraten des Papstes Sixtus IV. (reg. 1471-1484) ein Kanonikat für einen Professor der Theologie zur Verfügung stellen. Da dieser nur die Pfründe bezog, aber von den Rechten und Pflichten eines Domherrn ausgeschlossen war, bedeutete dies faktisch eine Verminderung auf 29 Kanonikate. Der berühmteste Inhaber dieser Professorenpfründe war Johannes Eck (1486-1543). Ein weiteres Kanonikat entfiel, als 1613 eine Präbende mit der Domdechantei vereinigt wurde, um deren Einkünfte zu erhöhen. Wegen der Verschlechterung der Pfründenerträge infolge des Dreißigjährigen Krieges wurde 1685 die Zahl der Kapitularstellen, die vorher variabel gewesen war und bis zu 21 betragen hatte, auf 15 begrenzt. Das Verhältnis von 15 Kapitularen zu 13 Domizellaren blieb bis zur Säkularisation bestehen.

Da der überwiegende Teil des Hochstifts Eichstätt gemäß Reichsdeputationshauptschluss an das Kurfürstentum Salzburg-Toscana fiel, wurde 1803 das Domkapitel nicht aufgelöst, sondern nur enteignet. Die Auflösung des Domkapitels fand erst 1806 nach dem Übergang an Bayern statt.

Zugangsvoraussetzungen

Wichtigste Voraussetzung für die Aufnahme in das Domkapitel war neben den Bestimmungen des Kirchenrechts seit 1477 die adelige Herkunft. Der Nachweis wurde anfangs durch eine Vier-Ahnen-Probe erbracht; ab 1707 war die 16-Ahnen-Probe verpflichtend. Damit nicht einzelne Familien übermäßig an Einfluss gewinnen konnten, wurde in den Statuten die Zahl der Blutsverwandten (bis zum vierten Grad, seit 1683 nur noch bis zum dritten Grad) unter den Kanonikern auf vier begrenzt. Es durften jeweils nur zwei Brüder im Kapitel sein.

Die Ernennung der neuen Domizellare erfolgte in den geraden Monaten durch die Kapitulare in einem Turnus, dessen Reihenfolge durch das Dienstalter bestimmt war. In den ungeraden Monaten hatte nach dem Wiener Konkordat von 1448 der Papst das Recht der Provision. Zudem nahm der Kaiser das Recht der "primae preces" in Anspruch. Unliebsame Kandidaten versuchte man durch Beanstandungen ihrer Adelsqualität abzuweisen.

Der aufgeschworene Domizellar konnte sich nach den üblichen Karenzjahren durch Ableistung der Ersten Residenz zur Aufnahme ins Kapitel qualifizieren, wenn eine Stelle frei wurde. Zudem musste er länger als zwei Jahre Subdiakon gewesen sein und mindestens drei Jahre die Präbende bezogen haben.

Dignitäre und Ämter

Es gab zwei Dignitäten: Dompropst und Domdekan. Der Propst war ursprünglich frei wählbar, was päpstliche Bullen 1179 und 1186 bestätigten. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts aber wurde er entsprechend einer Regelung des Wiener Konkordats vom Papst ernannt. Alle späteren Versuche, das Wahlrecht für das Domkapitel wiederzuerlangen, waren erfolglos. Im Mittelalter verwaltete der Propst einen Teil des Kapitelvermögens und teilte den einzelnen Domherren die Pfründe zu. 1270 entzog ihm das Domkapitel dieses Recht, so dass dem Dompropst nur noch Repräsentationsfunktionen verblieben.

Der Dekan wurde vom Kapitel gewählt; er hatte die Jurisdiktion über den ganzen Klerus in der Stadt Eichstätt und dessen Bedienstete. Er musste sich zum Priester weihen lassen und war zur kontinuierlichen Residenz in Eichstätt verpflichtet. Vier Dekane (1560 Martin von Schaumberg, 1637 Marquard Freiherr Schenk zu Castell, 1757 Raymund Anton Graf von Strassoldo [reg. 1757-1781], 1781 Johann Anton Freiherr von Zehmen) wurden in Eichstätt, weitere vier auswärts zum Fürstbischof (1548 Georg Marschall zu Pappenheim in Regensburg, 1651 Johann Franz von Schönau in Basel, 1646 Johann Rudolf Graf von Rechberg Administrator in Augsburg) bzw. zum Fürstpropst (1602 Johann Christoph von Westerstetten in Ellwangen) gewählt. Seit 1288 war die Pfarrei Mühlhausen (krfr. Stadt Ingolstadt) der Domdechantei inkorporiert; dazu kamen 1613 noch die Einkünfte eines weiteren Kanonikats. Ab 1567 wurde die Propstei des neuen Stifts in Eichstätt immer dem Domdekan verliehen. Zur Verbesserung seiner Einkünfte erhielt der Dekan seit 1647 eine weitere Zulage.

Zu den Dignitäten kamen vier Personate: Scholastikus, Kantor, Kustos und Zellerar, die vom Bischof vergeben wurden. Der Scholastikus hatte die Oberaufsicht über die Domschule und die Jurisdiktion über die Domizellare. Der Kantor musste für die würdige Feier der Gottesdienste, insbesondere die Gestaltung der Kirchenmusik sorgen. Der Kantorie war seit 1281 die Kirche von Bittenbrunn (Bistum Augsburg, Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) inkorporiert. Der Kustos übte das Hausrecht an der Domkirche aus und war für den Kirchenschatz verantwortlich. Der Zellerar hatte ursprünglich die Aufsicht über die Ökonomie des Domkapitels. In der Frühen Neuzeit hatte das Amt keinerlei Bedeutung mehr.

Der Capellanus Honoris, der bischöfliche Ehrenkaplan, wurde vom Fürstbischof ernannt. Er hatte keine besonderen Einkünfte, war aber für den Dienst beim Fürstbischof freigestellt und von der Residenz befreit (deshalb auch "Freipfründe" genannt). Dieses Amt wurde bevorzugt an Kapitulare vergeben, die im Dienste des Hochstifts oder des Domkapitels auswärtige Aufgaben (z. B. Gesandtschaften) übernommen hatten.

Zu diesen Ämtern im Domkapitel kamen die drei sogenannten Ritterkaplaneien. Die Kapellen St. Paul (im Arbergschen Domherrnhof am Rossmarkt), St. Nikolaus (auf dem im 16. Jahrhundert aufgelassenen Domfriedhof) und St. Andreas (im Bereich des 1633 von den Schweden zerstörten alten Bischofshofes) wurden so genannt, weil der Fürstbischof sie nur an Domherren (von "ritterlicher" Abstammung) vergeben durfte. Es waren Sinekura-Pfründen, die verdienten Kapitularen zur Aufbesserung ihrer Einkünfte verliehen wurden. Die Ritterkaplanei St. Nikolaus war seit 1693 mit der Zellarie verbunden.

Eine weitere Ehrenstellung bedeutete das Baciliferat, das Amt des bischöflichen Stabträgers. Es war seit Beginn des 18. Jahrhunderts mit der Oberpflege im Heilig-Geist-Spital und im Bruderhaus St. Sebastian verbunden, die ebenfalls einem Domkapitular vorbehalten war.

Während die Entstehung der Ritterkaplaneien weit in das Mittelalter zurückreicht und im Dunkeln liegt, scheinen die Ämter des Ehrenkaplans und des Baciliferats erst zu Beginn der Neuzeit entstanden zu sein.

Da die meisten Domherren keine Priesterweihe hatten, gab es vier, später fünf Presbyteralkanoniker, die für die Feier der Gottesdienste sorgen mussten. Obwohl es im 18. Jahrhundert nur noch zwei waren, blieb der einprägsame Name "Vierherren" bestehen. Mit diesen und den ebenfalls für die Liturgie zuständigen Chorvikaren, deren Zahl im Spätmittelalter über 20, im 18. Jahrhundert etwa 15 betrug, hat sich die Forschung über das adelige Domkapitel bisher nicht befasst.

Residenzjahr und Kapitelsitzungen

Das Residenzjahr begann und endete mit dem Willibaldsfest am 7. Juli. Die Dauer der jährlichen Residenz betrug ursprünglich 26 Wochen und einen Tag; 1586 wurde dieser Tag erlassen. Nachdem im Dreißigjährigen Krieg die Residenz 1646 auf 18 Wochen verkürzt worden war, pendelte sich der Zeitraum seit 1658 bei 20 Wochen ein, was 1697 auf Dauer festgelegt wurde.

Zur Erledigung der laufenden Geschäfte fanden wöchentlich zwei ordentliche Kapitelsitzungen statt, jeweils dienstags und freitags. Außerordentliche Sitzungen wurden zu Verhandlungen über unvorhergesehene Angelegenheiten einberufen. Zweimal jährlich gab es Peremptorialkapitel, an denen alle Kapitulare, auch die auswärts residierenden, teilnehmen mussten. Am Tag nach dem Dreikönigsfest (7. Januar) und zwei Tage nach St. Jacobi (27. Juli) beginnend, sollten sie gemäß einem Kapitelsbeschluss von 1685 in der Regel nicht länger als drei Tage dauern. Außerordentliche Peremptorialkapitel wurden zur Wahl eines Fürstbischofs oder Domdekans einberufen.

Tracht und Insignien

Diese Darstellung im Pontifikale Gundekarianum, einem nach dem Eichstätter Bischof Gundekar II. benannten liturgischen Buch (entstanden um 1072, erweitert bis 1697), zeigt Eichstätter Domherren in mittelalterlicher Tracht. Über dem Chorrock trugen sie einen fransenbesetzten grauen Pelzkragen mit Kapuze. (Diözesanarchiv Eichstätt, Codex B 4, fol. 26r.)

Im Mittelalter trugen die Domherren einen schwarzen Talar und über dem Chorrock einen fransenbesetzten grauen Pelzkragen mit Kapuze. 1682 wurde auf Anregung des Fürstbischofs Marquard II. Schenk zu Castell (reg. 1637-1685) Kleidung in violetter Farbe eingeführt. Die Birette (Kopfbedeckungen) blieben allerdings schwarz; ab 1781 trug man rote. 1791 wurde als Chorkleidung die Cappa magna (schulterdeckender Umhang mit Kapuze und 9 m langer Schleppe) eingeführt. An Insignien gab es ein großes und ein kleines Kapitelszeichen. Letzteres durfte seit 1782 auch von Domizellaren getragen werden. Fürstbischof Raymund Anton Graf von Strassoldo schenkte 1758 dem Domkapitel zehn neue gleichförmige Kapitelszeichen, die das Wappen des Domkapitels zeigten und an einem roten Band mit goldenen Streifen zu tragen waren.

Personelle Zusammensetzung

Domkapiteltafel für die Zeit von 1794-1797, gefertigt von Johann Albani. (Domschatz- und Diözesanmuseum Eichstätt, DK35)

Das Bistum Eichstätt liegt im Grenzbereich von Altbayern, Franken und Schwaben. So verwundert es nicht, dass die meisten Domherren aus diesem Bereich stammten, überwiegend aus der Reichsritterschaft des fränkischen und schwäbischen Reichskreises. Zwischen diesen beiden größten Landsmannschaften ergab sich im Laufe der Jahrhunderte eine Fluktuation dergestalt, dass bis zum Ende des 16. Jahrhunderts die fränkischen Familien in der Überzahl waren, von da an jedoch die Schwaben eindeutig die Mehrheit (bis zu 60 %) stellten. Der Anteil der wenigen landständischen Familien aus Bayern ging stetig zurück bis zum völligen Ausscheiden um 1700.

Seit Beginn des 17. Jahrhunderts gelangten vermehrt Mitglieder der rheinischen Reichsritterschaft in das Domkapitel, insbesondere unter Fürstbischof Johann Anton Knebel von Katzenellenbogen (reg. 1705-1725). Im 18. Jahrhundert erreichte der erbländisch österreichische Adel allmählich personalpolitischen Einfluss, dessen erste Mitglieder als Alumnen des Collegium Germanicum in Rom durch päpstliche Provision Eingang gefunden hatten und durch Resignation zugunsten Verwandter weitere nach sich zogen. Am Ende des Jahrhunderts kamen mit Raymund Anton Graf von Strassoldo und Joseph Graf von Stubenberg (reg. 1791-1821, seit 1802 als Bischof) zwei Fürstbischofe aus Österreich.

Mitwirkung an der Regierung von Hochstift und Bistum

Wichtigstes Privileg des Domkapitels war seit dem Wormser Konkordat von 1122 das Recht der Bischofswahl. Es wählte stets ein Mitglied aus seinen Reihen und widersetzte sich in der Neuzeit erfolgreich allen Bestrebungen von Dynastenfamilien, das Bischofsamt zu erlangen. Seit 1259 beanspruchte es ein Mitspracherecht bei der Regierung und setzte dies im einzelnen durch Wahlkapitulationen gegenüber dem Fürstbischof durch. Diese Kontrollfunktion war umso wichtiger, da es im Hochstift Eichstätt keine Landstände gab.

Seit 1685 sicherte sich das Domkapitel den Vorsitz in den drei Zentralbehörden des Hochstifts, dem Geistlichen Rat, dem Hofrat und der Hofkammer. Seit 1725 waren ihm auch die Ämter der Vizepräsidenten von Hofrat und Hofkammer reserviert. Zudem beanspruchte das Domkapitel 1685 außerdem das Amt des Weihbischofs, welches ab 1744 nur mehr Domherren innehatten.

Archidiakone gab es im Bistum seit 1299 nicht mehr. Offiziale gehörten bis 1482, Generalvikare bis 1496 gelegentlich dem Domkapitel an.

Besitz und Einkünfte

Die Propsteien aller Kollegiatstifte im Bistum mussten mit Domherren besetzt werden. Die Propstei des Neuen Stifts zu Unserer Lieben Frau in Eichstätt wurde (gemäß dessen Statuten von 1322) vom Domkapitel selbst vergeben. Dieses fasste 1567 den Beschluss, die Propstei künftig immer dem Domdekan zu verleihen, um dessen Einkünfte zu verbessern. Die Propstei des Stifts Herrieden (Lkr. Ansbach) seit 1415 und die des Neuen Stifts St. Nikolaus in Spalt (Lkr. Roth) seit dessen Gründung 1295 musste der Bischof immer an Kapitulare verleihen. Seit 1578 gingen die Einkünfte der Propstei Herrieden an das neu gegründete Collegium Willibaldinum, und der jeweils ernannte Domherr führte später nur noch den Titel eines Stiftspropstes.

Seit der Wahlkapitulation von 1497 waren die Pfarreien Großenried (Markt Bechhofen, Lkr. Ansbach), Arberg (Lkr. Ansbach) und Emetzheim (Stadt Weißenburg, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) dem Domkapitel vorbehalten; 1553 trat an die Stelle der letzteren infolge der Reformation Buxheim (Lkr. Eichstätt). Die Güter des Domkapitels verwaltete ein Kapitular als Kapitelspfleger, der jeweils für ein oder zwei Jahre gewählt wurde. Ihm unterstanden die Kastner in Eichstätt sowie in den Kastenämtern zu Abenberg (Lkr. Roth) bzw. Pleinfeld (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen), Berching (Lkr. Neumarkt i.d.Oberpfalz) und Wolferstadt (Lkr. Donau-Ries), die auch die niedere Gerichtsbarkeit ausübten. Ein rechtskundiger Syndikus, ein Oblayer (zur Verwaltung der für die Gottesdienste gestifteten Gelder) sowie ein Förster waren die weiteren Bediensteten des Domkapitels. Die Besitzgeschichte des Domkapitels ist bislang noch unzureichend erforscht.

Auswärtige Kanonikate

In der Frühen Neuzeit besaßen die meisten Domherren neben dem Eichstätter noch weitere Kanonikate; lediglich 19,1 % hatten allein das in Eichstätt. 38,1 % hatten zwei, 22,3 % drei, 10,3 % vier, 6,6 % fünf und 3,6 % noch mehr Kanonikate. Die Anzahl der Inhaber nur eines Kanonikats erreichte den Höchststand in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit 35,2 %, während in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts 49,0 % aller Domherren zwei Kanonikate innehatten. Inhaber dreier Pfründen finden sich am häufigsten im Zeitraum 1550 bis 1650 (28,9 %).

Die meisten Pfründenkumulationen erfolgten mit dem Domkapitel Augsburg (41,8 %), mit dem seit 1316 auch eine Gebetsverbrüderung bestand. An zweiter Stelle stand Würzburg (14,3 %), dicht gefolgt von Bamberg (11,9 %). Seit der Reformation verlagerte sich wegen der Zunahme schwäbischer Familien im Domkapitel der Schwerpunkt nach Augsburg. Dementsprechend hatten die Eichstätter Domherren auch vermehrt Kanonikate an den Ritterstiften dieser Bistümer: Ellwangen (10,2 %), Comburg (4,2 %) und St. Burkhard in Würzburg (10,6 %). Außerdem besaßen Domherren Kanonikate an den Domstiften Regensburg (6,9 %), Salzburg (6,6 %), Konstanz (4,9 %), Freising (4,0 %), Basel (3,7 %), Passau (3,7 %), Mainz (3,4 %), Speyer (3,2 %), Trier (2,9 %), Köln (2,6 %), Lüttich (2,0 %), Münster (1,7 %) sowie Paderborn (1,4 %). Darüber hinaus kamen nur Einzelfälle vor.

Überlieferung und Forschungsstand

Das Domkapitel hat seit dem Mittelalter durch eine eigene Historiographie (Gesta Episcoporum Eystettensium des Anonymus Haserensis bzw. die Bischofsviten im Pontificale Gundecarianum, bis in das 17. Jahrhundert fortgesetzt) für die Pflege der Eichstätter Tradition (und auch des Besitzes) gesorgt.

Die archivalische Überlieferung des Domkapitels findet sich heute im Staatsarchiv Nürnberg und im Diözesanarchiv Eichstätt sowie für die Jahre 1802 bis 1806 auch im Salzburger Landesarchiv. Hauptquelle für die Geschichte des Domkapitels sind die in Nürnberg überlieferten Sitzungsprotokolle, die den Zeitraum von 1484 bis 1804 umfassen. Die ebenfalls dort befindlichen beiden Aufschwörbücher dokumentieren mit ihren Ahnen-Proben (1532/51-1707 vier Ahnen, ab 1707 16 Ahnen) die genealogischen Beziehungen. Ein "Elenchus Canonicorum", erstellt Mitte des 18. Jahrhunderts von dem Registrator des Domkapitelarchivs Joseph Anton Bernhard Corneli, der in mehreren zum Teil ergänzten Exemplaren vorliegt (eines in Nürnberg, drei in Eichstätt), bietet eine Auflistung aller Domherren seit dem ausgehenden Mittelalter. Ein weiterer "Elenchus" (in Eichstätt befindlich), verfasst vom Hofrat und Domkapitelsarchivar Joseph Dominikus Jung, führt das Verzeichnis bis zur Säkularisation fort. Entsprechend dieser Quellenlage ist es verständlich, dass sich die Forschung bisher auf die Frühe Neuzeit konzentriert hat und eine Monographie über das Eichstätter Domkapitel im Mittelalter noch aussteht.

Literatur

  • Hugo A. Braun, Das Domkapitel zu Eichstätt von der Reformationszeit bis zur Säkularisation (1535-1806). Verfassung und Personalgeschichte (Beiträge zur Geschichte der Reichskirche in der Neuzeit 13), Stuttgart 1991.
  • Ludwig Bruggaier, Aufhebung und Wiedererrichtung des Domkapitels Eichstätt, Eichstätt 1922.
  • Ludwig Bruggaier, Die Wahlkapitulationen der Bischöfe und Reichsfürsten von Eichstätt 1259-1790. Eine historisch-kanonistische Studie (Freiburger Theologische Studien 18), Freiburg 1915.
  • Franz Xaver Buchner, Das Bistum Eichstätt. Historisch-statistische Beschreibung auf Grund der Literatur, der Registratur des Bischöflichen Ordinariats Eichstätt sowie der pfarramtlichen Berichte. 2 Bände, Eichstätt 1937/38.
  • Franz Xaver Buchner, Kolonisation, Wirtschaft und Verwaltung der geistlichen Stifte und Klöster im Bistum Eichstätt im hohen Mittelalter, in: Sammelblatt des Historischen Vereins Eichstätt 42 (1927), 1-27; 44 (1929), 20-57.
  • Bruno Lengenfelder, Die Diözese Eichstätt zwischen Aufklärung und Restauration. Kirche und Staat 1773-1821 (Eichstätter Studien 28), Regensburg 1990.
  • Günter Mahr, Das Eichstätter Domkapitel von 1496-1535, Zulassungsarbeit masch. Würzburg 1971.
  • Stefan Weinfurter, Eichstätt im Mittelalter. Kloster – Bistum – Fürstentum, Regensburg/Eichstätt 2010.
  • Alfred Wendehorst (Bearb.), Das Bistum Eichstätt. 1. Band: Die Bischofsreihe bis 1535 (Germania Sacra. Neue Folge 45), Berlin/New York 2006.
  • Peter Zürcher, Die Bischofswahlen im Fürstbistum Eichstätt von 1636 bis 1790. Wahlgeschehen im Spiegel domkapitelscher, dynastischer und kaiserlicher Landes- und Reichskirchenpolitik (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 155), München 2008.

Quellen

  • Bayerische Akademie der Wissenschaften (Hg.), Monumenta Boica 49. Urkunden des Hochstifts Eichstätt, München 1910.
  • Franz Heidingsfelder (Bearb.), Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt bis zum Ende der Regierung des Bischofs Marquard von Hagel 1324, Erlangen 1938.
  • Eckard Lullies, Die ältesten Lehnbücher des Hochstifts Eichstätt. Text und Kommentar (Mittelfränkische Studien. Beibände 1), Ansbach 2012.
  • Ludwig Steinberger/Josef Sturm (Bearb.), Monumenta Boica 50. Urkunden des Hochstifts Eichstätt. Urkunden von 1306-1365, München 1932.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Empfohlene Zitierweise

Hugo A. Braun, Eichstätt, Domkapitel, publiziert am 03.08.2016; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Eichstätt,_Domkapitel> (14.11.2024)