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Nürnberg, Burggrafschaft

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Wappen des Burggraftums Nürnberg. Darstellung im Wernigeroder (Schaffhausenschen) Wappenbuch aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts. (Bayerische Staatsbibliothek, Cod.Icon. 308 n, fol. 186r)
Wappen der Markgrafen von Brandenburg. Darstellung von 1466 im Ortenburger Wappenbuch. Das Wappen zeigt den roten Brandenburger Adler, das Löwenwappen des Burggraftums und das Stammwappen der Zollern. (Bayerische Staatsbibliothek, Cod.Icon. 308 u, fol. 68r)
Belehnung Friedrichs VI./I. mit der Mark Brandenburg auf dem Konzil von Konstanz. Die Darstellung aus der Richtenthal-Chronik zeigt links den Kaiser, rechts den Burggrafen mit Gefolge. Der kniende Friedrich hat die Fahne mit dem brandenburgischen Adler in der Hand; der Fahnenträger hinter ihm hält die Fahne mit dem Zollern-Wappen. (Rosgartenmuseum Konstanz, Ulrich von Richental, Chronik des Konstanzer Konzils, Hs1, fol. 74b und 75a)
Der heute im Schloss Grundwald (Berlin) verwahrte Cadolzburger Altar zeigt als Stifter Friedrich VI./I. mit dem brandenburgischen Adler und seine Frau Elisabeth (1383–1442), die als Wittelsbacherin mit dem Rautenwappen erscheint. (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, GK I 8997. Fotograf: Roland Handrick)
Albrecht Achilles, dargestellt als Markgraf von Brandenburg mit dem Brandenburgischen Wappen. Die Kurwürde symbolisiert der Kurhut, den der kniende Diener hinter ihm hält. Ausschnitt aus der Predella des Schwanenorden-Altars in St. Gumbertus in Ansbach. (Markus Frankl)
Die Cadolzburg Ende des 18. Jahrhunderts. (aus: Samuel Wilhelm Oetter, Gegründete Nachrichten von dem ehemaligen Burggräflich Nürnbergischen und Kurfürstlich Brandenburgischen ResidenzSchloß Kadolzburg …, Erlangen 1785, vor 1)
Die Plassenburg um 1500. Rekonstruktionszeichnung von Daniel Burger. (aus: Daniel Burger, Die Landesfestungen der Hohenzollern in Franken und Brandenburg im Zeitalter der Renaissance [Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 128], München 2000, 58)
Kloster Heilsbronn. (aus: Friedrich Sperl, Das Kloster Heilsbronn. Die Ahnengruft des Kaiserhauses, München 1915, Tafel 2)
Die Hohenzollern-Grablege im Kloster Heilsbronn. Das Foto aus der Zeit um 1900 zeigt die historisierende Innenausstattung von Friedrich von Gärtner (1791-1847), die 1946-1955 entfernt wurde. (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)
Auswahl von Siegeln der Nürnberger Burggrafen: a) Konrad II. 1278, b) Friedrich IV. 1301, c) Friedrich V. 1378. (aus: R.G. Stillfried, Die älteren Siegel und Wappen der Zollern sowie der zollernschen Burggrafen zu Nürnberg. Sonderdruck aus dem Urkundenbuche der Monumente Zollerana, Berlin 1881, Nr. 82, Nr. 88, Nr. 122)

von Otto Spälter (†)

Die Grafen von Zollern waren seit ca. 1190 Burggrafen von Nürnberg und nutzten diese Position, im Westen und Norden von Nürnberg ein bedeutendes Territorium, die Burggrafschaft (auch Burggraftum) Nürnberg, aufzubauen. In Nürnberg selbst verloren sie gegenüber der Reichsstadt immer mehr an Einfluss und zogen sich 1427 ganz aus der Stadt und von der Burg zurück. Neue Zentren wurden zeitweise die Cadolzburg, dauerhaft dann Ansbach und Kulmbach. In unmittelbarer Nähe der römisch-deutschen Könige und Kaiser des Spätmittelalters spielten die Burggrafen eine wichtige Rolle in der Reichspolitik. 1363 wurden sie in den Reichsfürstenstand erhoben. 1415/17 wurden sie mit der Mark Brandenburg belehnt und stiegen somit in den Kreis der Kurfürsten auf. Obwohl alle im 15. Jahrhundert entstandenen Linien der Hohenzollern den Titel eines Burggrafen von Nürnberg führten, verschwand das Burggraftum. An seine Stelle traten allmählich die Markgraftümer Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach (mit der Residenz Bayreuth).

Der Begriff "Burggraf"

Mit dem Begriff "Burggraf" wurde der meist königliche, gelegentlich aber auch landesherrliche Amtsträger auf einer Burg mit zugehöriger städtischer Niederlassung und dem entsprechenden Umland bezeichnet. Er hatte – mit lokal unterschiedlichem Gewicht – militärische, richterliche und administrative Aufgaben wahrzunehmen. Dies gilt auch für die vom König eingesetzten Burggrafen von Nürnberg, die seit ca. 1191 der aus der Familie der Zollern stammten. Der Burggraf von Nürnberg hatte seinen ursprünglichen Amtssitz auf der Nürnberger Burggrafenburg auf dem Burghügel über der Stadt (am Ort der heutigen sog. Kaiserstallung), östlich der königlichen Burg.

Unter den Burggrafen im Reich besaßen die Nürnberger Burggrafen insofern eine Ausnahmestellung, als es ihnen bereits relativ früh mit geschickter Politik gelang, über dieses in den Pflichten ursprünglich eng begrenzte Amt hinaus zu den mächtigsten Landesherren in Franken aufzusteigen. Die Burggrafen von Nürnberg zählten damit auch zum Kreis der einflussreichsten Geschlechter des Reichsadels, unter denen sie neben den Wittelsbachern, Habsburgern und Luxemburgern im Spätmittelalter die Reichspolitik sehr aktiv und maßgeblich mitgestalteten.

Territoriale und rechtliche Grundlegung

Die Burggrafen von Nürnberg waren Abkömmlinge der schwäbischen Grafen von Zollern. Friedrich III. von Zollern wird 1192 als Burggraf von Nürnberg (= Friedrich I., reg. ca. 1190-1200) genannt, welche Position er als Schwiegersohn des letzten Amtsinhabers Konrad von Raab (gest. um 1191) von Kaiser Heinrich VI. (reg. 1190-1197) erhalten hatte. Unter seinen Söhnen Konrad I. (gest. um 1260/61) und Friedrich II. (gest. um 1255) fand die Teilung in einen schwäbischen und einen fränkischen Zweig des Hauses statt.

Eingesetzt ca. 1190 von Kaiser Heinrich VI. als Burggraf in Nürnberg, nahm bereits Friedrich I. nicht nur örtliche Funktionen als "prefectus" wahr, sondern auch solche anderwärts im Gefolge des Königs. Die Nachfolger betrieben eine gezielte Territorialpolitik in Franken. Deren Fundament bildeten ausgedehnte Allodialgüter sowie Lehen unterschiedlicher, meist geistlicher, seltener auch königlicher Herkunft. Sie beerbten 1236 die Grafen von Abenberg, die 1248 ausgestorbenen Herzöge von Andechs-Meranien und die 1340 erloschenen Grafen von Orlamünde. Seit dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts ergänzten die Burggrafen diese expansive Landespolitik überdies durch Käufe und Pfandschaftsnahmen. Die größte Ausdehnung erreichte die Burggrafschaft durch zahlreiche Erwerbungen unter Burggraf Friedrich VI. (reg. 1397-1440). Allerdings gelang es den Burggrafen nie, in der herrschaftlichen Gemengelage Frankens ein geschlossenes Territorium zu schaffen.

Noch während des Interregnums trachteten die Burggrafen in den 1260er Jahren danach, sich durch Privilegierung seitens des Staufers Konradin (gest. 1268), sowie von Herzog Ludwig II. von Bayern (reg. 1253-1294) als Vormund Konradins und Reichsverweser dynastische Ansprüche für das nun von ihnen ganz neu geschaffene "Burggraftum" (lat. "Burcgraviatus") zu sichern, wie das neu geschaffene Territorium dann bis zum Ende der fränkischen Zollern-Linie 1791/92 meist genannt wurde (oder seltener synonym dazu auch "Comicia Burcgravie", d. h. "Burggrafschaft"). Unzweifelhaft anerkannt wurden diese freilich erst 1273, als Rudolf von Habsburg (reg. 1273-1291) Burggraf Friedrich III. (reg. 1260-1297) neben dem kaiserlichen Landgericht Nürnberg (als wichtiger Rechtsinstanz in der Region, mit einem vom Burggrafen eingesetzten Landrichter und Landschreiber) und wichtigen Rechten in der Reichsstadt Nürnberg erstmals die "Comiciam Burcgravie in Nurenberch" verbriefte. Damit schuf er – auch für den Fall der weiblichen Erbfolge - die rechtliche Grundlage für den Aufstieg der fränkischen Zollern zu den führenden Dynastien im Alten Reich.

Aufstieg in Anlehnung an die römisch-deutschen Könige und Kaiser

Wie Burggraf Friedrich III. unter Rudolf von Habsburg suchten nach ihm alle Burggrafen bis zur Reformation die Nähe zum jeweiligen König bzw. Kaiser. Als Getreue, Räte, Diplomaten und Feldherrn erhöhten sie das bereits erlangte Ansehen stetig und verbesserten dabei ihren landesherrlichen Status. Das geschah nachhaltig bereits unter Kaiser Ludwig dem Bayern (reg. 1314-1347), der erstmalig 1328 die burggräflichen Privilegien kaiserlich bestätigte. Kaiser Karl IV. (reg. 1346-1378) erhob Burggraf Friedrich V. (1357-1398) und seine Nachfolger als Gegenleistung für vielerlei Unterstützung 1363 in den gefürsteten Grafenstand, der ihnen den Zugang zum Kreis der Reichsfürsten eröffnete. Im Rang nochmals erhöht wurden sie durch König Sigismund (reg. 1411-1437), der Burggraf Friedrich VI. - einen in der Reichs- und Kirchenpolitik sehr engagierten und geschätzten Fürsten - 1415/17 (während des Konstanzer Konzils) die Mark Brandenburg und die damit verbundene Kurwürde übertrug.

Damit zählten die (fränkischen) Zollern zum kleinen Kreis der Königswähler und zur allerhöchsten dynastischen Führungsspitze im Reich. Trotz aller Verdienste und Erfolge waren die Burggrafen bzw. Markgrafen freilich als "Parvenüs" bei früher etablierten Fürstengeschlechtern wie den Wittelsbachern nie voll anerkannt. Die fränkischen Zollern bezeichneten sich fortan nach dem höherwertigen Rang als "Markgrafen", dazu aber weiterhin stets auch als "Burggrafen von Nürnberg".

Teilungen des Territoriums

Eine erste, vergleichsweise späte Teilung des burggräflichen Territoriums - entsprechend den geographischen Gegebenheiten in das "Land ob dem Gepirg" und das "Land unter dem Gepirg" (etwa dem heutigen Mittelfranken) - erfolgte 1398, danach abermals und endgültig im Hausvertrag von 1437.

Erst die sog. Dispositio Achillea von 1473, die vertragliche Trennung der fränkischen und brandenburgischen Zollernlande, schuf dann dauerhafte Verhältnisse:

Verhältnis zur Reichsstadt Nürnberg

Die ambivalenten, aufs Ganze aber (entgegen der traditionellen Nürnberger Sicht) engen Beziehungen der Burggrafen zur namensgebenden Reichsstadt spielten bei aller Eigenentwicklung des burggräflichen Landes - vor allem im wirtschaftlichen Bereich und im kommunikativen Austausch - eine große Rolle. Dies galt auch nach 1427, nachdem die Zollern nahezu alle wesentlichen Rechte und Besitzungen in der Stadt, darunter die 1420 zerstörte Burggrafenburg, hauptsächlich aus finanziellen Erwägungen an die Reichsstadt veräußert hatten. Und auch trotz manch größerer Differenzen, wie sie vor allem unter Markgraf Albrecht Achilles (reg. 1440-1486) im sog. Ersten Markgrafenkrieg 1449/50 eine Zuspitzung fanden, rissen sie nie ganz ab. Es wurden zumindest periodenweise immer gemeinsame Ziele verfolgt und sachliche Absprachen getroffen - bis über die Reformationszeit hinaus - und überdies persönliche Beziehungen gepflegt. Institutionell freilich gab es auch schon vor 1427 immer eine klare Trennung zwischen dem Burggrafen und der Stadt, und nie hatte man gemeinsame Einrichtungen, auch nicht in der Frühzeit. Das freilich schloss enge Kontakte des jeweiligen Personals oder sogar den Wechsel von Dienern von der einen Seite zur anderen nicht aus.

Bedeutende Burggrafen

Herausragende Gestalten bei der stetigen inneren Entwicklung der Burggraftums waren die Burggrafen Friedrich IV. (reg. 1300-1332) und Friedrich V. Burggraf Friedrich IV. legte das Fundament für eine geregelte innere Verfassung mit der Einrichtung eines zentralen Ratsgremiums, der zentralen Ämter des Hofmeisters und Obersten Schreibers sowie den lokalen Ämtern im Land. Friedrich V. schuf mit der Anlage der ersten Amtsbücher und damit der systematischen schriftlichen Fixierung wichtiger Sachverhalte fundamentale Voraussetzungen für eine zeitgerecht organisierte Regierung und Verwaltung. Er erreichte einen Standard, der dem der traditionsreicheren Reichsfürstentümer ebenbürtig war.

Herrscherpersönlichkeiten ganz eigenen Zuschnitts und Ranges waren nach ihnen in ihren jeweiligen Landesteilen Johann der Alchemist (reg. 1437-1457 in Plassenburg/Kulmbach) und sein Bruder Albrecht Achilles (reg. 1437-1486 in Ansbach, von 1457-1486 zusätzlich in Plassenburg/Kulmbach, ferner ab 1470/71 in der Mark Brandenburg). Johann, offenbar von eher ausgleichender, bedachtsamer Art, wurde vor allem wegen seiner sicheren finanziellen Position gerühmt, die anscheinend aus den oberfränkischen Erzgruben resultierte, sowie wegen seiner vorzüglichen Kontakte nach Nürnberg. Als Ausnahmegestalt unter den fränkischen Zollern gilt er wegen seiner humanistischen und naturwissenschaftlich-alchemistischen Neigungen. Sein alchemistisches Interesse manifestiert sich am eindrucksvollsten im Besitz (einer 1433 unter Burggraf Friedrich VI. in Cadolzburg kopierten oder überarbeiteten Version) des damals wichtigsten alchemistischen Buches, nämlich des "Buches der hl. Dreifaltigkeit", dem ältesten (stark religiös ausgerichteten) Alchemie-Werk in deutscher Sprache überhaupt.

Von Albrecht Achilles, einem mehr dynamisch vorwärts drängenden Mann, gingen wesentliche Impulse für eine weitere Intensivierung der Herrschaft aus, mit gänzlich neuen Akzenten in der bürokratischen Verschriftlichung von Regierung und Verwaltung (Einführung von schriftlich fixierten Diener-Bestallungen samt der Beschreibung der Dienerpflichten; Treueid von Dienern, Städten und Klöstern; Aufstellung von Haushaltansätzen und Auflagen zur Rechnungslegung seitens der Diener; Erlass einer ersten Hofordnung für die obergebirgische Residenz Plassenburg 1470). Als oberste Instanz am Hof richtete er das Amt des Kanzlers ein, dessen Befugnisse indes weit über die Leitung der Kanzlei als Zentrum der Schriftlichkeit hinaus ins Politische reichten. Albrecht Achilles zählte überdies zu den einflussreichsten Reichsfürsten und engen Vertrauten Kaiser Friedrichs III. (reg. 1440-1493), was auch in einer ungewöhnlich umfangreichen Korrespondenz zum Ausdruck kam. Unter ihm entstand ferner die erste dynastisch geprägte Chronik der fränkischen Zollern, die einer der wichtigsten Diener und Räte Albrechts verfasste, nämlich Ludwig von Eyb d. Ä. (1417-1502). Mit seinen Ideen und Bemühungen zu einem großräumigeren, einheitlicheren Franken – unter zollerischer Dominanz – scheiterte Albrecht Achilles am bayerisch-wittelsbachischen Widerstand und an seinen Gegnern in den fränkischen Reichsstädten und geistlichen Fürstentümern.

Residenzen und Hausklöster

Zentrale Orte der fränkischen Zollern waren erst Cadolzburg und bis ca. 1420 stets auch Nürnberg, erst seit dem letzten Drittel des 14. Jahrhunderts allmählich Ansbach und Plassenburg/Kulmbach. An diesen beiden Plätzen entstanden im 15. Jahrhundert die bevorzugten Residenzen. Diese entwickelten sich eher in einem bescheidenen, provinziellen Rahmen, was sicher auch mit der ausstrahlenden Wirkung Nürnbergs zu tun hatte.

Dieses Spezifikum der Zollernlande ist auch daran abzulesen, dass sich die Burggrafen den Nürnberger Klöstern, dem Spital zum Heiligen Geist (vor allem bei dessen Stiftung 1339) sowie der (auch politisch) wichtigen Kirche von St. Sebald in Nürnberg besonders nahe verbunden fühlten – sogar noch nach 1427. Auf dem eigenen Territorium der Burggrafen entstand demgegenüber kein mit St. Sebald vergleichbarer renommierter Kirchenbau, es sei denn man rechnet das Münster Heilsbronn hinzu. Im zunächst nicht landsässigen, sondern bischöflich-bambergischen Kloster Heilsbronn ließen sich die Burggrafen bis ins 17. Jahrhundert bestatten. Das Heilsbronner Zisterzienserkloster war neben Nürnberg für die Zollern überdies ein bedeutender Wirtschaftsstandort für Warenlieferungen und Dienstleistungen vielfältiger Art. Das mochte mit Grund dafür sein, dass die Burggrafen (als Vögte der Heilsbronner Zisterzienser) schon von ca. 1330 an danach trachteten, das Kloster als gleichsam Landstand in direkte Abhängigkeit zu bringen, was ihnen schließlich auch gelang. Ferner übernahmen die Hohenzollern das ursprüngliche Hauskloster der Orlamünde, Himmelkron (Lkr. Kulmbach), in dieser Funktion.

Ministerialität, Gefolge, Landstände, Verwaltung

Zum adeligen Gefolge der Burggrafen – u. a. als Hofmeister, Räte und Amtleute im Land - zählten lange Zeit in erster Linie die mittelfränkischen Herren von Seckendorff, die ganz wesentlich zum inneren Ausbau der Zollernherrschaft im Land mit beitrugen. Im Laufe der Zeit erweiterte sich dieser Kreis räumlich, vor allem nach Süden und Westen, er überschritt aber nie die Grenzen Frankens. Relativ spät - erst nach 1415, wohl hauptsächlich im Zusammenhang mit finanziellen Problemen um die Mark Brandenburg sowie den politischen und religiösen Spannungen in Böhmen und deren Folgen für das östliche Franken - formierten sich die Ritter um den Burggrafen zu einer ständischen Vertretung. Eine förmliche Bildung von Landständen mit höherem politischem Gewicht erfolgte offenbar sogar erst nach ca. 1500. Albrecht Achilles stiftete 1459 die oberdeutsche Zunge des Schwanenordens für die Mitglieder diesseits des Thüringer Waldes in der Georgs-Kapelle bei St. Gumbert in Ansbach. Er benutzte den Ritterorden, um seine Reputation zu steigern und den Adel an sich zu binden.

Die anderen Gruppen von Dienern - die nicht-adeligen Notare und Protonotare (ausnahmslos Kleriker), später auch die Kanzler - stammten ebenfalls aus dem fränkischen Raum. Der erste, nur aus aktuellem Anlass eingesetzte Notar erscheint 1256. Professionelle Notare waren in wechselnder Zahl seit 1277/78 beschäftigt. Ein Protonotar oder Oberster Schreiber ist erstmals 1328 bezeugt, danach regelmäßig. Ein Kanzler als hochrangiger, oft dominierender "Regierungsbeamter" und als jedenfalls ranghöchster nicht-adeliger Diener wurde erst seit ca. 1460 eingesetzt. Die namentlich bekannten Schreiberpersönlichkeiten aus den Jahren bis ca. 1420 kamen aus fränkischen Kollegiatstiften als Schulorten für Schreiber oder waren an solchen (oder Kirchen von diesen) bepfründet. Zu den wichtigsten Stiften zählten das Stift Neumünster in Würzburg, die Stifte St. Jakob bzw. St. Stephan in Bamberg, St. Gumbert in Ansbach und gelegentlich das Domstift Eichstätt sowie - später - das Stift in Feuchtwangen. Häufig hatten die Schreiberpersönlichkeiten sogar gleichzeitig an mehreren dieser Stifte Pfründen inne. Personal aus anderen Regionen hatten die Burggrafen nie in ihrem Dienst. Ab ca. 1370 waren – neben adeligen Räten aus der Ritterschaft - auf den höheren Posten in der burggräflichen Kanzlei (als dem Zentrum des Regiments) in aller Regel Männer tätig, die (meist in Italien und/oder in Prag, Wien, Erfurt) studiert hatten. Versorgt wurde diese gelehrte Dienergruppe außer durch geistliche Pfründen auch mit bgf. Lehen und – später, im 15. Jahrhundert – durch Geldzahlungen.

Urkundenwesen

Die ersten eigenen Urkunden stellte Burggraf Konrad I. 1235 aus. In größerer Zahl wurden dann Urkunden seit 1278 mundiert. Ihre Zahl war aber vor allem gegenüber der in den bayerischen Teilherzogtümern bis ins frühe 15. Jahrhundert hinein immer erheblich geringer. Deutsche Urkundentexte wurden dabei ab 1290 mit allmählich steigender Tendenz niedergeschrieben, so dass bereits um 1330 die Zahl der deutschsprachigen Texte die der lateinischen überwog, bis diese allmählich nahezu ganz verschwanden und allenfalls noch bei bestimmten geistlichen oder auswärtigen Empfängern als Schriftsprache verwendet wurden.

Fortleben des Burggrafentitels

Der "Burggraf von Nürnberg" als der Urahn der brandenburgischen Zollern blieb im feierlichen Urkundenformular noch bis zu Kaiser Wilhelm II. (reg. 1898-1918, gest. 1940) gegenwärtig. Die fränkischen Zollern mieden zunächst bis zum Ende des Spätmittelalters den Begriff "Hohenzollern", den die schwäbische Linie 1385 bei sich einführte. Erst im 16. Jahrhundert bürgerte er sich für die Zollern insgesamt ein.

Quellenlage und Forschungsstand

Erzählende Werke fehlen vor ca. 1450 nahezu völlig, doch ist die Urkunden-, Brief- und Aktenüberlieferung relativ gut. Die Hauptbestände davon befinden sich in den Staatsarchiven Nürnberg und Bamberg; Einzeldokumente sind aber auch weit verstreut vorhanden. Von den Urkunden bis 1417 in den Monumenta Zollerana und der politischen Korrespondenz von Markgraf Albrecht Achilles abgesehen, sind die Quellen editorisch nur unzureichend erschlossen. Die in den Hohenzollerischen Forschungen 1 (1892)-5 (1897) von Christian Meyer (1842-1916) veröffentlichten oberfränkischen Lehenbücher genügen nicht den wissenschaftlichen Ansprüchen an Vollständigkeit und Zuverlässigkeit.

Der Forschungsstand zur Burggrafschaft Nürnberg ist sehr unterschiedlich. Relativ gut Bescheid weiß man über die sozusagen äußeren Beziehungen der Burggrafen und deren Diener- bzw. Ratgeberrolle beim jeweiligen König. Kaum untersucht wurde bis heute hingegen die innere Entwicklung (nach 1332). Selbst für einen so bedeutenden Vertreter wie Albrecht Achilles existiert in der Literatur so gut wie nichts zur Situation der fränkischen Zollernterritorien im Inneren.

Die Burggrafen von Nürnberg

Name Regierungszeit Lebensdaten Bemerkung
Friedrich I. ca. 1192-ca. 1200 1171-ca. 1200
Konrad I. ca. 1204-1260 ca. 1186-1260
Friedrich III. 1260-1297 gest. 1297
Johann I. 1297-1300 ca. 1279-1300
Friedrich IV. 1300-1332 ca. 1287-1332
Johann II. 1332-1357 gest. 1357
Konrad III. 1332-1334 gest. 1334
Albrecht 1341-1361 1319-1361
Friedrich V. 1357-1397 1333-1398
Johann III. 1397-1420 1369-1420
Friedrich VI. 1397-1440 1371-1440 ab 1415/17 als Friedrich I. auch Markgraf von Brandenburg
Johann der Alchimist Markgraf von Kulmbach-Bayreuth 1437-1464 1406-1464
Friedrich II. Kurfürst von Brandenburg 1437-1470 1413-1471
Albrecht Achilles 1437-1486 1414-1486 ab 1437 in Ansbach, ab 1464 zusätzlich in Kulmbach und ab 1470 auch noch in Brandenburg
Johann Cicero Kurfürst von Brandenburg 1486-1499 1455-1499 Begründen der brandenburgischen Linie der Zollern
Siegmund Markgraf von Kulmbach-Bayreuth 1486-1495 1468-1495
Friedrich IV. 1486-1515 1460-1536 ab 1486 in Ansbach, ab 1495 auch in Kulmbach, 1515 abgesetzt - abweichende Zählung: Friedrich II., firmiert auch als "Friedrich der Ältere"

Literatur

  • Alois Gerlich/Franz Machilek, Die Herrschaft der Zollern in Franken (Burggrafschaft Nürnberg, Markgraftümer Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach, in: Max Spindler/Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 3. Band, 1. Teil: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 3. Auflage 1997, 579-600.
  • Christian Meyer, Geschichte der Burggrafschaft Nürnberg und der späteren Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth, Tübingen 1908.
  • Cordula Nolte, Familie, Hof und Herrschaft. Das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440-1530), (Mittelalter-Forschungen 11), Ostfildern 2005.
  • Ernst Schubert, Albrecht Achilles, Markgraf und Kurfürst von Brandenburg (1414-1486), in: Fränkische Lebensbilder. 4. Band (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte 7 A), Würzburg 1971, 130-172.
  • Adolf Schwammberger, Die Erwerbspolitik der Burggrafen von Nürnberg in Franken (bis 1361), Erlangen 1932.
  • Reinhard Seyboth, Friedrich VI. (I.), Burggraf von Nürnberg, Kurfürst von Brandenburg, in: Fränkische Lebensbilder. 16. Band (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte 7 A), Neustadt an der Aisch 1996, 27-48.
  • Reinhard Seyboth, Markgraf Kasimir von Ansbach-Kulmbach (1481-1527), in: Fränkische Lebensbilder. 15. Band (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte 7 A), Neustadt an der Aisch 1993, 17-36.
  • Otto Spälter, Frühe Etappen der Zollern auf dem Weg zur Territorialherrschaft in Franken: Die allmähliche Entwicklung der Schriftlichkeit und der Landesorganisation bei den Burggrafen von Nürnberg zwischen 1235 und 1332 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe 9: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte 48), Neustadt an der Aisch 2005.
  • Markus Twellenkamp, Die Burggrafen von Nürnberg und das deutsche Königtum (1273-1417) (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 54), Nürnberg 1994.
  • Alfred Stefan Weiß, Nürnberg und die frühen Habsburger: Betrachtungen zur Geschichte der fränkischen Reichsstadt unter besonderer Berücksichtigung der Regierungszeit Rudolphs I. von Habsburg und der Burggrafschaft Friedrichs III., Salzburg 1990.

Quellen

  • Christian Meyer (Bearb.), Das Landbuch der Herrschaft Plassenburg vom Jahre 1398, in: Hohenzollerische Forschungen 1 (1892), 161-267. (dazu auch: Karl Freiherr von Guttenberg, Berichtigungen zu der Ausgabe des Landbuches der Herrschaft Plassenburg, in: Hohenzollerische Forschungen 2 [1893], 497-500)
  • Christian Meyer (Bearb.), Das Lehenbuch des Burggrafen Johann III. von Nürnberg, in: Hohenzollerische Forschungen 3 (1894), 401-448, 4 (1896), 209-240 und 5 (1897), 27-160.
  • Johann Petz (Bearb.), Die Urbare des Burggrafenthums Nürnberg unter dem Gebirge bis 1450. Nachtrag bis 1500 (Monumenta Boica 47 und 48,1), München 1901-1902.
  • Felix Priebatsch (Bearb.), Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles. 3 Bände (Publicationen aus den Kgl. Preußischen Staatsarchiven 59, 67 und 71), Leipzig 1894-98.
  • Matthias Tumser (Bearb.), Ludwig von Eyb d. Ä. (1417-1502). Schriften (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte I: Fränkische Chroniken 6), Neustadt an der Aisch 2002.

Weiterführende Recherche

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Empfohlene Zitierweise

Otto Spälter, Nürnberg, Burggrafschaft, publiziert am 04.10.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Nürnberg,_Burggrafschaft (19.03.2024)