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Entnazifizierung

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Paul Hoser

Für den demokratischen Neubeginn Nachkriegsdeutschlands war die Entnazifizierung von großer Bedeutung. Die mit der Direktive JCS 1067 auf der Potsdamer Konferenz 1945 bekannt gegebene Absicht der Alliierten war die völlige Ausrottung der nationalsozialistischen Ideologie und, deren Urheber, Repräsentanten und Anhänger zur Verantwortung zu ziehen – auf staatlicher, gesellschaftlicher und privatwirtschaftlicher Ebene. Die wichtigsten Instrumente des Entnazifizierungsprozesses waren die Spruchkammern, der Kassationshof und das Staatsministerium für Sonderaufgaben. Der Erfolg der Entnazifizierung ist bis heute zumindest in Bereichen umstritten, v. a. in Bezug auf die große Mehrzahl der kleinen Parteigenossen, die sich auch lange nach Abschluss der Entnazifizierung keiner Schuld bewusst waren.

Zum Begriff der Entnazifizierung

Im engeren Sinn versteht man heute unter "Entnazifizierung" die Entfernung belasteter Personen aus ihren Ämtern und ihre Bestrafung. Im weiteren Sinn umfasst der Begriff auch das Verbot nationalsozialistischer Gesetze, Organisationen, Symbole und Schriften. Darunter fällt z. B. auch die Umbenennung von Straßen, die nach Nationalsozialisten benannt waren. Das Verbot war bereits im Februar 1945 auf der Konferenz von Jalta beschlossen worden. Bekräftigt wurde es durch die am 10. April 1945 publik gemachte Direktive JCS 1067 und durch die vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 dauernde Potsdamer Konferenz.

Richtlinien der Alliierten und Direktiven der Amerikaner

Die völlige Ausrottung der nationalsozialistischen Ideologie und der Vorsatz, deren Urheber, Repräsentanten und Anhänger zur Verantwortung zu ziehen war bereits seit der Konferenz von Casablanca im Januar 1943 eines der Hauptziele alliierter Anstrengungen gewesen. Als kleinster gemeinsamer politischer Nenner entstand schließlich die geheime Direktive JCS (Joint Chiefs of Staff) 1067 vom 11. November 1944. Nicht nur die Führungsschicht der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), sondern darüber hinaus alle ihre aktiven Mitglieder und die Eliten aus Militär, Beamtenschaft und Industrie sollten aus ihrer beruflichen Stellung entfernt werden. Eine deutsche Mitwirkung an dieser radikalen Säuberung war nicht vorgesehen, zumal die Vorstellung einer deutschen Kollektivschuld im Vordergrund stand. Über die praktische Durchführung und die Frage, wie man für die aus ihren Stellungen Entlassenen Ersatz beschaffen sollte, hatte man sich jedoch keine Gedanken gemacht. Eine detaillierte Regelung kam nicht zustande, so dass die Amerikaner beim Einmarsch in Deutschland über keine einheitlichen Entnazifizierungsrichtlinien verfügten. Erst im April 1945 brachte das alliierte Oberkommando erstmals ein "Arrest Categories Handbook" heraus. Es ging bereits rein formal von einem Stellungsschematismus für die politische Verantwortung der Betroffenen aus und sah pauschale Maßnahmen gegen alle Personen vor, die vor 1933 der NSDAP beigetreten waren. Auch höhere Beamte aller Dienststufen, die diesen Status seit dem 1. März 1939 innehatten, sollten durchwegs verhaftet werden (vgl. Arrest Categories Handbook, Teil 2, G1 Civil Servants).

Die Zeit der Improvisation und der ersten Verhaftungen

Das "Regional Military Government Detachment E1F3" für Bayern residierte seit dem 15. Mai 1945 in München (im Gebäudekomplex der ehemaligen Reichszeugmeisterei in der Tegernseer Landstraße 202-224). Eine seiner Untergliederungen war die "Safety Branch". Diese war wiederum der für die politischen Säuberungen zuständigen "Special Branch" zugeordnet.

Während der ersten Besatzungswochen begnügten sich die örtlichen Militärkommandanten im Wesentlichen mit der Entlassung von Verwaltungsspitzen wie Behördenleitern, Bürgermeistern und Landräten, wobei sie mehr oder weniger nach freiem Ermessen vorgingen. Im Übrigen ließen sie den Verwaltungsapparat und die gesellschaftlichen Strukturen intakt. Angesichts der Probleme der militärischen Sicherheit und der Stabilisierung der chaotischen Zustände war die Rolle der Säuberung in den ersten Besatzungswochen nur zweitrangig. Mit Hilfe des "Counter Intelligence Corps" (CIC) suchte man auf in den USA erstellten Listen Personen des NS-Regimes, die in automatischen Arrest genommen wurden. Maßgebend war die formelle Stellung. Daneben wurde nach Kriegsverbrechern gefahndet, vor allem nach KZ-Personal, Angehörigen von Geheimer Staatspolizei (Gestapo) und Sicherheitsdient (SD) sowie Personen, die an der Ermordung amerikanischer Flieger mitgewirkt hatten. Verhaftet und in Internierungslager verbracht wurden auch die "security threats", in denen die Amerikaner eine Gefahr für die Sicherheit ihrer Truppen erblickten. Zahlreiche Fehlgriffe waren nicht ausgeschlossen.

Die zweite Verhaftungswelle vom Juni 1945

Nach den ersten Besatzungswochen starteten die Amerikaner Ende Juni die zweite große Verhaftungswelle. Sie erfasste alle Ebenen des Beamtenapparates. Betroffen war, wer vor dem 1. April 1933 Mitglied der NSDAP geworden war. Die Besatzungsmacht verlangte die Entlassung zahlreicher Ministerialbeamter und ließ viele Verwaltungsjuristen auf der Ebene der Regierungspräsidien entfernen. Auch die Hauptverantwortlichen aus der Wirtschaft waren betroffen.

Die Ausweitung der Entlassungen

Am 7. Juli 1945 erließ das Hauptquartier der amerikanischen Truppen in Europa zur Vereinheitlichung der Entnazifizierung eine allgemein verbindliche Direktive, der zufolge alle Parteigenossen zu entlassen waren, die bis zum 1. Mai 1937 Mitglieder geworden waren. Damit war der Kreis der Betroffenen erheblich ausgeweitet. Unabhängig von der Mitgliedschaft in einer NS-Organisation verloren auch alle Spitzenbeamten bis herab zur Referentenebene ihre Posten. Alle Betroffenen waren an Hand eines 131 Punkte umfassenden Fragebogens zu überprüfen. Die Juli-Direktive war der entscheidende Schritt zu einer unsystematischen Eskalation der Säuberungsvorschriften. Diese drastische Verschärfung der Entlassungsmaßnahmen erfolgte als Reaktion auf den starken Druck der öffentlichen Meinung in den USA.

Der US-amerikanische General Lucius D. Clay war von 1946 bis 1949 Militärgouverneur der US-amerikanischen Besatzungszone. (Foto: Wikimedia Commons)

Der stellvertretende Militärgouverneur der US-Besatzungszone, General Lucius D. Clay (1897-1978), ließ am 15. August 1945 die Entnazifizierungsrichtlinien noch rigoroser formulieren. Jetzt sollten auch Nationalsozialisten aus nichtamtlichen Positionen, d. h. aus einflussreichen Stellungen in der Wirtschaft, den freien Berufen und dem Handwerk ausgeschaltet werden. Diese Ausweitung intensivierte Clay dann noch durch das Gesetz Nr. 8 der Militärregierung, das am 26. September 1945 als deutsches Gesetz mit Strafcharakter in Kraft trat. Deutsche Betriebe waren zu schließen, wenn die Unternehmensführung nicht in regelmäßigen Berichten an das Arbeitsamt dafür garantierte, dass sie ehemalige Mitglieder der NSDAP nur mit gewöhnlicher Arbeit beschäftigte. Der zu entlassende Personenkreis war nicht genau definiert. In der Wirtschaft betraf es aber nur die Nicht-Selbständigen, nicht die Eigentümer. Das Gesetz bewährte sich in der Praxis nicht, da die Voraussetzungen für seine Ausführung zu dürftig waren. Einheitliche Richtlinien existierten nicht, und die Handhabung war je nach Einstellung der örtlichen Militärregierung ganz unterschiedlich. Insgesamt blieben die Auswirkungen gering. In Bayern wurden aufgrund des Gesetzes Nr. 8 etwa 12.000 Personen entlassen. Das Gesetz verschwand bald wieder in der Versenkung.

Stärker in Mitleidenschaft gezogen wurde die Wirtschaft durch das Gesetz Nr. 52 vom 14. Juli 1945, das es erlaubte, das Vermögen politisch belasteter Personen unter die Kontrolle von Treuhändern zu stellen. Dies öffnete Missbräuchen Tür und Tor, war aber nicht der befürchtete Schritt zu einer allgemeinen Sozialisierung. Für die Vermögenskontrolle war die "Property Control"-Abteilung der Militärregierung zuständig.

Das statistische Ergebnis der Säuberungsmaßnahmen der Amerikaner

Bis zum 15. März 1946 waren in Bayern von der amerikanischen "Special Branch" 804.653 eingereichte Fragebögen bearbeitet. 19 % der so Erfassten mussten entlassen werden. 53 % der Fragebögen stammten von Angehörigen oder Bewerbern des öffentlichen Dienstes, 28 % kamen aus Handel, Handwerk und Industrie. Von den Beschäftigten der öffentlichen Hand waren 23 % zu entlassen, demgegenüber in der Wirtschaft nur 17 % und in den anderen Berufsgruppen 11 %. Es war also in erster Linie der öffentliche Dienst betroffen.

Die Ansätze zu einer deutschen Beteiligung an der politischen Säuberung

Im Spätsommer 1945 rechnete die US-Besatzungsmacht nicht mehr mit ernsthaften Sicherheitsproblemen. Finanzielle Gründe legten eine erhebliche Reduzierung der Besatzungsverwaltung und eine Übertragung der politischen Säuberung auf die Deutschen nahe. Einen ersten Ansatz hatte dazu schon eine Durchführungsverordnung zu Gesetz Nr. 8 geschaffen. Sie sah vor, dass in den Stadt- und Landkreisen von der Verwaltung Überprüfungsausschüsse aus mindestens drei unbelasteten Deutschen gebildet werden sollten. Sie konnten Einsprüche der Betroffenen begutachten, über die dann die Militärregierung entschied. Die Ausschüsse tendierten dazu, die Masse der Einsprüche zu befürworten.

Die vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 tagende Potsdamer Konferenz bekräftigte die allgemeinen Prinzipien der Direktive JCS 1067 bezüglich der politischen Säuberung. Den Amerikanern gelang es, die Zustimmung des Alliierten Kontrollrats für die Direktive vom 7. Juli 1945 zuwege zu bringen, die als Kontrollratsdirektive Nr. 24 am 12. Januar 1946 erlassen wurde. Eine tatsächlich eingehaltene Richtlinie für alle Zonen wurde die Direktive Nr. 24 allerdings nie, doch bildete sie immerhin die Grundlage für das in den drei Ländern der amerikanischen Zone gültige Befreiungsgesetz, das die Entnazifizierung regelte.

Ministerpräsident Schäffer und die Entnazifizierung

Der erste von den Amerikanern eingesetzte bayerische Ministerpräsident, Fritz Schäffer (BVP/CSU, 1888-1967, Kabinett Schäffer), verwandte sich in einem Memorandum dafür, die rein formellen Parteigenossen zwar nicht als Beamte, aber als Angestellte weiter im Amt zu halten, um eine funktionsfähige Verwaltung zu gewährleisten. In einer Denkschrift vom 17. September 1945 schlug er bereits eine deutsche Mitwirkung vor: Ausschüsse von unbelasteten Personen sollten über den Verbleib der nominellen Parteimitglieder im Amt entscheiden. Vor allem sollte das Prinzip der individuellen Schuld Vorrang vor der Bewertung der formalen Mitgliedschaft haben. Er drang aber mit seinen Vorschlägen nicht durch.

Die Entnazifizierung in den Anfängen der Regierung Hoegner

Als ernsthaftes Zeichen seiner Bereitwilligkeit zur Entnazifizierung verabschiedete Schäffers Nachfolger Wilhelm Hoegner (SPD, 1887-1980, Kabinett Hoegner I) am 9. November 1945 einen als "Lex Hoegner" bekannten Erlass, in den Staatsministerien keinen auch nur formal belasteten ehemaligen Nationalsozialisten zu beschäftigen. Erster Sonderminister für die Entnazifizierung wurde der Kommunist Heinrich Schmitt (KPD, 1895-1951). Schäffers Vorstellungen, wonach die Säuberung auf dem Rechtsweg durch ein gerichtsähnliches Verfahren erfolgen solle, sollte nach Schmitts Vorschlägen zugunsten einer politischen Konzeption aufgegeben werden; die "Lex Schmitt" wurde jedoch im Ministerrat demontiert, da sie Hoegner zu sehr nach "Kollektivschuld" roch. Der Kreis der zu Erfassenden sollte wesentlich kleiner sein, und es sollte auch nicht die ganze Bevölkerung durchsiebt werden. An Stelle der vorgesehenen Strafen sollten begrenzte und weniger scharfe Sühnemaßnahmen treten und vor allem die persönliche Schuld des Betroffenen gewürdigt werden. So entschärft, wurde der Entwurf schließlich vom Kabinett gebilligt.

Der amerikanische Einfluss auf das Befreiungsgesetz

Die Vorstellungen der Amerikaner deckten sich aber nicht mit denen der Regierung Hoegner. Clay stand weiter unter dem Druck der öffentlichen Meinung in Amerika. Obwohl er die schädlichen Wirkungen der bisherigen Praxis erkannt hatte, bestand er darauf, dass die Direktive Nr. 24 Grundlage für ein deutsches Entnazifizierungsgesetz sein müsse. Überdies verlangten die Amerikaner jetzt, über das Gesetz Nr. 8 hinaus auch noch Unternehmensinhaber und Kapitaleigner in die Säuberung einzubeziehen. Sie drohten unverhüllt, sie bei einer Ablehnung weiter selbst zu betreiben. Die Deutschen mussten sich schließlich fügen. Immerhin war das von Bayern gewünschte Prinzip des freien richterlichen Ermessens für die neu zu errichtenden Spruchkammern in dem Gesetz enthalten. Doch blieb gleichzeitig der formale Schematismus die Grundlage und drohte, den Spielraum der Spruchkammern erheblich einzuschränken. Im Grunde stellte diese Verbindung zweier unvereinbarer Grundsätze den Versuch dar, die Quadratur des Kreises zu lösen.

Das Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946

Im März 1946 wurde das "Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus" erlassen. Belastete Personen mussten sich, wie auf dieser Aufnahme gezeigt, vor Spruchkammern verantworten. (Main-Post/Walter Röder)

Das Gesetz Nr. 104 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus wurde auf einer Sondersitzung der Ministerpräsidenten der Länder der US-Zone am 5. März 1946 im Münchner Rathaus als deutsches Gesetz unterzeichnet. Es bestimmte die Registrierung aller früheren Mitglieder der NSDAP und deren Nebengliederungen mit Hilfe von Meldebögen und setzte für die Einstufung der betroffenen Personen fünf Gruppen fest: I. Hauptschuldige, II. Belastete, III. Minderbelastete, IV. Mitläufer und V. Entlastete. Es listete genau auf, welche Ränge in welchen Gliederungen und Organisationen welcher Kategorie zuzuordnen und welche Sühnemaßnahmen zu verhängen waren. Für die Gruppen I bis III kamen Einweisung in Arbeitslager, Einziehung des Vermögens, Pensionsverlust, Gehaltskürzungen, Arbeitsbeschränkungen und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte in Frage, für die Mitläufer Geldbußen. Die Fälle der Belasteten der Gruppen I und II wurden mündlich und öffentlich, die der anderen schriftlich verhandelt.

Der Apparat zur Durchführung des Befreiungsgesetzes

Die Spruchkammern bestanden aus einem Vorsitzenden und mindestens zwei Beisitzern. Außerdem war bei jeder ein Kläger bestellt. Der sehr langsam vorangehende Aufbau des Spruchkammerapparats, einer Laienbürokratie mit schöffengerichtlicher Verfassung, wurde in erster Linie von den inzwischen zugelassenen Parteien getragen, die in der Anfangszeit entsprechend dem parteipolitischen Proporz dort vertreten waren. Die Vorstellung des Gesetzes, wonach die Vorsitzenden die Befähigung zum Richteramt haben sollten, ließ sich meist nicht verwirklichen. Noch Mitte September 1946 waren von den Vorsitzenden und Klägern erster Instanz nur 5 % Juristen. Fälle von Amtsmissbrauch und Korruption kamen in den Spruchkammern des Öfteren vor. Verzögerungen ergaben sich nicht nur aus der Suche nach Personal, sondern auch daraus, dass die Militärregierung der Aufgabe, dieses vorher zu überprüfen, vorerst vielfach nicht gewachsen war.

Zur Unterstützung der Spruchkammern wurden auch eigene Ermittler bestellt, die Material über die Betroffenen sammelten. Bei der Bahn- und Postverwaltung und im Bereich des Kultusministeriums bildete man Fachausschüsse, die ebenfalls Material zusammentrugen.

Am 10. September 1946 konnte der damalige Sonderminister Anton Pfeiffer (CSU, 1888-1957) im Länderrat berichten, dass inzwischen ein arbeitsfähiges Ministerium fertig und 183 Spruchkammern eingerichtet seien. Jeder Landkreis erhielt mindestens eine Spruchkammer. Daneben wurden sieben Berufungskammern aufgebaut und ein Kassationshof eingerichtet - der kein Gerichtshof war, sondern die Rechte des Sonderministers ausübte, indem er die Überprüfung und Revision von Fällen veranlasste. Die oberste Aufsicht und der Aufbau der Spruchkammern oblagen dem Sonderministerium.

Auch die Vermögenskontrolle ging in deutsche Hände über. In Bayern wurde dafür im Juli 1946 das Landesamt für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung eingerichtet, dem in den Landkreisen entsprechende Außenstellen untergeordnet waren. Das Amt war bis Anfang 1948 dem Ministerpräsidenten unterstellt, danach dem Finanzministerium. 1955 wurde es aufgelöst. Seine Aufgaben gingen auf die Zweigstelle München der Oberfinanzdirektion München über. Die amerikanische "Property Control" überwachte die Tätigkeit des Amts noch bis zum Juli 1949.

Wie beim Aufbau der Spruchkammern war es auch hier schwierig, geeignetes Personal zu finden. Immer wieder kam es vor, dass dubiose, d. h. korrupte oder auf andere Weise kriminelle Personen als Treuhänder bestellt wurden, die ihre Funktion für persönliche Interessen missbrauchten.

Die Eingriffsmöglichkeiten der Amerikaner

Die Amerikaner hatten sich eine Reihe von Instrumenten vorbehalten, mit denen sie weiterhin Einfluss nehmen konnten. Zwar war ein direktes Eingreifen nicht mehr möglich, da die Spruchkammern den Status unabhängiger Gerichte hatten. Doch behielt die Militärregierung das Recht der Genehmigung aller Anstellungen im Spruchkammerapparat und im Sonderministerium. Dies hatte allerdings den unerwünschten Nebeneffekt einer Verzögerung des Aufbaus der Spruchkammern und der Durchführung der Verfahren. Die jeweilige "Special Branch" hatte auch das Recht, die Spruchkammern zu visitieren und sie zu instruieren.

Ein weiteres Kontrollinstrument waren die Arbeitsblätter, auf denen zur Überprüfung der von jedem Deutschen auszufüllenden Meldebögen Auskünfte von den Behörden und der örtlichen Militärregierung einzuholen waren. Auch durch sie wuchs die Bürokratie ins Uferlose, so dass schließlich in den Fällen, in denen sich der Aussteller des Meldebogens als nicht betroffen erklärte und als nicht verdächtig galt, auf eine eingehende Überprüfung verzichtet wurde; rund zwei Drittel des Arbeitsaufwands erledigten sich damit.

Zusätzlich schuf man das "Delinquency and Error Report System", mit dem jeder Spruch einer materiellen Nachprüfung durch die Besatzungsmacht unterworfen wurde. Zwar konnte die Militärregierung einzelne Sprüche nicht aufheben, schaltete sich aber auf diesem Weg über die zu rigorosem Vorgehen tendierende "Special Branch" wie eine zweite Anklagebehörde in Verfahren ein und konnte eine Nachprüfung durch das Ministerium und die Ansetzung eines neuen Verfahrens herbeiführen. Auch dies überlastete den Entnazifizierungsapparat weiter und verzögerte die endgültigen Spruchkammerbescheide.

Ein weiteres wichtiges Vorbehaltsrecht der Amerikaner war die Möglichkeit der "Special Branch", grundsätzlich die Kandidaten für Schlüsselstellungen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft zu genehmigen. Das war eine erhebliche Einschränkung der Bedeutung des Befreiungsgesetzes. Prominentes Opfer wurde der erste bayerische Ministerpräsident Fritz Schäffer, dem trotz seiner Entlastung im Verfahren noch im Januar 1948 die Annahme eines Regierungsamtes versagt wurde.

Die Entnazifizierungspolitik in Bayern unter Sonderminister Schmitt

Zwar war der erste Sonderminister Schmitt der Ansicht, die Säuberungskammern sollten paritätisch aus den Vertretern der Parteien zusammengesetzt sein, legte aber die Rahmenbestimmungen des Befreiungsgesetzes in der Praxis so aus, dass ein erdrückendes Übergewicht der Arbeiterparteien zu entstehen schien. Damit war der Widerstand der CSU vorprogrammiert. Das Ministerium wies starke organisatorische Schwächen auf, weil Schmitt vorzugsweise über informelle Kontakte seiner Partei handelte. Während Hoegner auf der Linie der Militärregierung lag, die darauf drängte, dass die Hauptschuldigen und NS-Größen zuerst abgeurteilt wurden, zog Schmitt es im Gegensatz dazu aus Rücksicht auf künftige Wahlen vor, die leichteren Fälle der Mitläufer und Minderbelasteten vordringlich behandeln zu lassen. Dies brachte ihm das Misstrauen der Militärregierung ein. Auf Drängen der Amerikaner und weil Hoegner die SPD auf Dauer nicht die Hauptlast der Entnazifizierung tragen lassen wollte, wurde die CSU eingebunden; das war jedoch nur möglich, indem Hoegner Schmitt am 1. Juli 1946 opferte.

Die Entnazifizierungspolitik in Bayern unter Sonderminister Pfeiffer

Das erklärte Ziel von Schmitts Nachfolger Pfeiffer war es, die große Zahl der beruflichen Entlassungen rückgängig zu machen und die Mehrheit der Mitläufer nicht zu bestrafen. Er stellte gleichzeitig die vorrangige Anklage der den Belastungsklassen I und II zuzuordnenden Personen in den Vordergrund. Stichproben ergaben, dass man etwa 60 % der Spruchkammerentscheidungen der Ära Schmitt als irrig werten musste. Pfeiffer schloss daraufhin den ganzen Spruchkammerbetrieb für die Zeit vom 12. bis zum 21. August 1946, ließ von den Juristen des Kassationshofs die Entscheidungen überprüfen und alle für falsch gehaltenen Sprüche aufheben. Die Tendenz zur Entpolitisierung, zur Verrechtlichung und damit zur Rehabilitierung wurde immer deutlicher sichtbar. Das Gesetz wurde immer unpolitischer und immer formaljuristischer ausgelegt, was die KPD und die sich als Klientelpartei der kleinen Leute gerierende Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV) unter ihrem demagogischen Vorsitzenden Alfred Loritz (WAV, 1902-1979) ungeniert zur Propaganda gegen den CSU-Minister Pfeiffer ausnutzten. In der Folge rückte die CSU öffentlich immer mehr von Pfeiffer ab.

Die amerikanische Kritik an der bayerischen Entnazifizierungspraxis

Trotz aller Einflussmöglichkeiten der Amerikaner war das Ergebnis der Spruchkammerverfahren ihren Wünschen diametral entgegengesetzt. Von den bis Ende September 1946 in Bayern entschiedenen Fällen waren 93,1 % vom Befreiungsgesetz für nicht betroffen erklärt worden. Von den übrigen 6,9 % hatte man wiederum vier Fünftel in die Klassen der Mitläufer und der Entlasteten eingestuft. Als Clay im Oktober 1946 die neuesten Statistiken vorgelegt wurden, war er erbost. Die Fälle der Herabstufung von Hauptschuldigen in Bayern und die überwiegende Klassifizierung von Belasteten und Minderbelasteten als Mitläufer erschienen ihm skandalös. Er hielt daraufhin am 5. November 1946 eine scharfe Rede im Länderrat, die allseits Überraschung hervorrief. Clay kündigte an, wenn in der Spruchkammertätigkeit nicht innerhalb von 60 Tagen eine Besserung eintrete, werde die Militärregierung ihrerseits Maßnahmen treffen, um die Entnazifizierung zu sichern. In Bayern fürchtete man jetzt, dass die Bereitschaft der Amerikaner, weitere Kompetenzen abzutreten und damit die Stärkung bayerischer Eigenstaatlichkeit gefährdet sei.

Clay handelte aber nach dem Ablauf des Ultimatums nicht, obwohl sich kaum etwas verändert hatte. Eine Aufhebung des Befreiungsgesetzes hätte das Eingeständnis des Scheiterns seiner gesamten Politik bedeutet, die amerikanische Seite von den Belastungen der Besatzung möglichst zu befreien. Er kämpfte in der Folgezeit nur noch gegen die sich immer deutlicher abzeichnende Neigung in Washington, die Entnazifizierung so schnell wie möglich ad acta zu legen.

Die Entnazifizierungspolitik in Bayern unter Sonderminister Loritz

Der ehemalige Sonderminister Alfred Loritz bei einer Kundgebung auf dem Königsplatz in München, 12.12.1948 (vorne rechts). (Bayerische Staatsbibliothek, Fotoarchiv Hoffmann)

Nach den ersten Landtagswahlen vom 1. Dezember 1946 bildete sich eine Koalitionsregierung aus CSU, SPD und WAV unter Hans Ehard (CSU, 1887-1980, Kabinett Ehard I). Das ungeliebte Sonderministerium übertrug man dem demagogischen Populisten Alfred Loritz. Er hatte in den Wahlen gefordert, dass nur die wirklich Schuldigen unnachsichtig bestraft werden sollten, die große Masse dagegen, die nur durch wirtschaftlichen oder sonstigen Zwang beigetreten sei, freigesprochen werden müsse. Diese Forderungen durchbrachen ein Tabu, liefen sie doch letzten Endes auf eine Generalamnestie für die Minderbelasteten und Mitläufer hinaus.

Schon unter Pfeiffer war eine Jugendamnestie in Kraft getreten, der zufolge gegen Personen, die nach dem 1. Januar 1919 geboren waren, kein Verfahren eingeleitet wurde, falls sie nicht unter die Kategorien I oder II fielen. Die bereits 1946 angekündigte Weihnachtsamnestie wurde von der amerikanischen Militärregierung für Deutschland am 5. Februar 1947 erlassen. Sie nahm körperbehinderte und einkommensschwache Personen, die vom Kläger nicht in die Gruppen I–III eingestuft waren, von der Entnazifizierung aus. Ohne dass es so geplant gewesen war, konnte damit ein Riesenschritt in Richtung auf die Rehabilitierung der vielen kleinen, aber auch zahlreicher größerer Nationalsozialisten getan werden. Übrig blieben jetzt vor allem noch die Parteigenossen aus der Zeit vor 1937 und die als belastet anzusehenden Personen.

Loritz hielt die Spruchkammervorsitzenden und die Kläger an, bei der Bearbeitung der Amnestiefälle ein großzügiges Maß anzulegen und nicht zu rigoros zu urteilen, um das Kapitel Entnazifizierung baldmöglichst abschließen zu können. Seine Anweisung führte vielfach zu Missbräuchen und Fehlurteilen. Mit ihr war durch die Rehabilitierung der großen Masse der kleinen Parteigenossen der erste große Schritt zur "Mitläuferfabrik" getan. Dass auch viel stärker Belastete von den Amnestien profitierten, ging fast völlig unbemerkt unter. Insgesamt wurden auf diese Weise in Bayern 1,7 Mio. Fälle vom Kläger und 165.000 von den Spruchkammern, d. h. knapp 85 % aller überhaupt zu entscheidenden Fälle niedergeschlagen. Was die Spruchkammern noch nicht geschafft hatten, das erledigten die Berufungskammern, aus denen mit wenigen Ausnahmen schwerstbelasteter Fälle fast nur Mitläufer hervorgingen.

Am 24. Juni 1947 entließ Ehard den Sonderminister Loritz, weil ihm dieser entgegen der Wahrheit versichert hatte, die Militärregierung stehe hinter ihm und nicht hinter seinen innerparteilichen Gegnern in der WAV. Letzter Sonderminister wurde schließlich der CSU-Staatssekretär im Justizministerium, Ludwig Hagenauer (CSU, 1883-1949).

Reaktionen in der Gesellschaft

Wichtige gesellschaftliche Kräfte lehnten die Säuberung ab. Vorreiter waren die beiden Kirchen in Bayern, die schon früh Proteste laut werden ließen. Die hemmungslose Ausstellung von Entlastungszeugnissen durch katholische Geistliche und sogar Bischöfe kam sogar einer bewussten Sabotage der Entnazifizierung gleich. Auch die evangelische Kirche zeigte sich in dieser Hinsicht sehr großzügig.

Die CSU und die liberal gefärbte Freie Demokratische Partei (FDP) distanzierten sich schließlich ebenfalls in zunehmendem Maß von der Entnazifizierung. Die Süddeutsche Zeitung (SZ), die sie grundsätzlich befürwortete, rügte bereits am 24. April 1946, sie konzentriere sich zu sehr auf den kleinen Mann. Ähnlich urteilte fast ein Jahr später der Münchener Mittag (3. März 1947). Aus amerikanischen Meinungsbefragungen wurde klar, dass im März 1946 noch 57 % der Bevölkerung zur politischen Säuberung Zustimmung geäußert hatten, während es im Dezember nur noch 34 % waren.

Härter als die Geldstrafen und Beschränkungen durch die Spruchkammern wurde von der Masse der kleinen Leute die Auswirkung des Artikels 58 des Befreiungsgesetzes empfunden, wonach jeder vom Gesetz Betroffene bis zum Erhalt seines Spruchkammerbescheides nur gewöhnliche Arbeit verrichten durfte. Viele hatten keine Ersparnisse mehr und konnten sich nur mit Mühe und Not das Existenzminimum sichern.

Die Wende in der amerikanischen Politik

Den Anlass zu einer grundsätzlichen Wende in der Säuberungspolitik gab eine Veränderung der politischen Konstellation in den USA. Seit etwa Mitte Mai 1947 hatte sich dort ein deutlicher Umschwung der öffentlichen Meinung bemerkbar gemacht. Das Interesse der Vereinigten Staaten an einer wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit ihrer Zone und einem Ende der amerikanischen Notlieferungen trat neben den zunehmenden Gegensatz zum sowjetrussischen Kommunismus. Das Befreiungsgesetz und die Entnazifizierung erschienen nur noch als Hindernisse wirtschaftlicher Erholung und als Störfaktor für die Westintegration. Den Amerikanern konnte es von nun an nicht schnell genug gehen. Sie wollten nur noch, dass gegen die am schwersten belasteten Personen ein Verfahren angestrengt wurde. Die übrigen neun Zehntel sollten unverzüglich zu Mitläufern erklärt und summarisch entlastet werden.

Die Aufweichung des Befreiungsgesetzes

Nach einer Reihe von Kontroversen zwischen Deutschen und Amerikanern wurde am 7. Oktober 1947 das erste Änderungsgesetz zum Befreiungsgesetz erlassen. Es enthielt neben einer Lockerung des Beschäftigungsverbots für Personen, die nicht unter den Klassen I und II angeklagt waren, vor allem eine wichtige Verfahrenserleichterung: Von nun an konnten diejenigen, die nominell unter die Gruppe II der Belasteten fielen, ohne öffentliches Verfahren bereits von den Klägern als Mitläufer eingestuft werden (B1- und B2-Verfahren). Zusätzlich kam von amerikanischer Seite die Forderung, für Personen, deren Entnazifizierungsverfahren noch nicht abgeschlossen war, die Beschäftigungsbeschränkungen in der privaten Wirtschaft und den freien Berufen aufzuheben. Die Entnazifizierung, gegen die die Kirchen in Bayern seit 1946 immer wieder protestiert hatten und von der sich CSU und FDP in zunehmendem Maße distanzierten, war auf diese Weise endgültig diskreditiert. Der Abbau der Säuberungsmaßnahmen ging immer weiter. Am 8. März 1948 war bereits eine Heimkehreramnestie herausgekommen; am 25. März 1948 wurde das zweite Änderungsgesetz erlassen, das erneut große Löcher in die ursprüngliche Konzeption riss. Jetzt galt das Beschäftigungsverbot nur noch für Hauptschuldige. Der öffentliche Kläger konnte bei den Belasteten frei entscheiden, in welcher Gruppe er die Betroffenen anklagen wollte, ohne dass zugleich die bis dahin vorgeschriebenen mündlichen Verfahren erforderlich waren. So wirkte sich das Gesetz wie eine Amnestie für Belastete aus.

Die noch übrig bleibenden schwereren Fälle, die man jahrelang um der Mitläufer willen vor sich hergeschoben hatte, waren allerdings nicht innerhalb weniger Wochen zu erledigen. Der Trend ging nun dahin, die Betreffenden soweit als möglich auf dem Weg des geringsten Widerstandes zu Mitläufern zu machen. Geschah dies nicht auf Anhieb, legten sie Berufung ein. Am 28. Mai 1948 stellte die amerikanische Militärregierung in Deutschland die gesamte Überwachung des Entnazifizierungsprogramms ein.

Statistische Ergebnisse der Entnazifizierung in Bayern

Bis zum 31. Dezember 1949 hatte man in Bayern die Fragebögen von 6.780.188 Personen bearbeitet. Davon waren 72 % nicht betroffen; betroffen und von den Spruchkammern behandelt waren demnach rund 28 %. 99,9 % der Fälle waren in erster Instanz erledigt worden; von diesen fielen 28 % unter die Jugend- und 52 % unter die Weihnachtsamnestie. 290.139 Personen (15,5 %) wurden in eine der fünf Kategorien eingereiht. 3,05 % von ihnen wurden als entlastet eingestuft, 0,27 % waren Hauptschuldige, 3,85 % Belastete, 18,31 % Minderbelastete und 74, 52 %  Mitläufer.

Die Rolle des Bundes beim Ende der Entnazifizierung

Die Initiative ging nach dem Entstehen der Bundesrepublik am 23. Mai 1949 auf den Bund über. Im Herbst 1949 setzten sofort nach der Eröffnung des Bundestages in allen Fraktionen Bemühungen um die Beendigung der politischen Säuberung ein. Ein Entwurf von Bundesjustizminister Thomas Dehler (DDP, FDP, 1897-1967, Bundesminister der Justiz 1949-1953) im September 1949 sah vor, alle schon rechtskräftigen bzw. noch zu erwartenden Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr Gefängnis und alle Geldstrafen auch für Taten aus der NS-Zeit zu amnestieren. Dies ging selbst dem bayerischen Justizminister Josef Müller (CSU, 1898-1979), einem entschiedenen Gegner der Entnazifizierungspolitik, zu weit, wären darunter doch auch die Ausschreitungen gegen die Juden am 9. und 10. November 1938 gefallen. Bayern lehnte auch aus föderalistischen Gründen eine Bundesamnestie schroff ab; dennoch kam das Gesetz als Vorlage vor den Bundestag und ging durch. Es wurde am 31. Dezember 1949 verkündet und war eines der ersten Gesetze der neuen Bundesrepublik Deutschland überhaupt.

Mit der Vorlage eines eigenen Entwurfs erzwang die Fraktion der FDP dann am 23. Februar 1950 eine weitere parlamentarische Beratung zum Problem der Entnazifizierung. Dem Ergebnis zufolge sollten Betroffene der Gruppen I und II bis zum 3. März 1951 eine erneute Einstufung in eine günstigere Gruppe beantragen können und ab 1. April 1951 die Freizügigkeitsbeschränkungen für alle Gruppen entfallen. Berufs- und Tätigkeitsbeschränkungen sollten am 31. März 1951 enden, mit Ausnahme wichtiger öffentlicher Ämter für die Gruppen I und II. Nur ihnen sollte auch noch das passive Wahlrecht vorenthalten werden. Alle Vermögenssperren sollten bis zum 1. April 1951 fallen, ausgesprochene Vermögenseinziehungen aber bestehen bleiben. Bei Verurteilungen zu Arbeitslager sollten die Länder möglichst weitgehend von ihrem Begnadigungsrecht Gebrauch machen. Der Bundestag nahm dann im Dezember 1950 die Vorschläge der Mehrheit des Ausschusses an. Allerdings handelte es sich nur um eine Empfehlung an die Länder.

Als nächstes kam die berufliche Wiedereingliederung der entlassenen Beamten, Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst zur Sprache. Artikel 131 des Grundgesetzes verlangte die Regelung durch ein Bundesgesetz. Am 10. April 1951 verabschiedete man das "131er"-Gesetz zugunsten der entlassenen Berufssoldaten und ehemaligen Beamten des Reichs. Selbst Gestapobeamte und Berufssoldaten der Waffen-SS konnten so wieder eingestellt werden. Das Gesetz besiegelte das endgültige Scheitern der Ziele der alliierten Entnazifizierungspolitik.

Im Juni 1954 kam das zweite Straffreiheitsgesetz des Bundes hinzu, das zwischen dem 1. Oktober 1944 und dem 31. Juli 1945 begangene Straftaten amnestierte. Voraussetzung waren die Annahmen, dass sie aufgrund einer Amts-, Dienst oder Rechtspflicht, insbesondere eines Befehls begangen worden waren und keine länger als drei Jahre währende Freiheitsstrafe zu erwarten war.

Das Ende der Entnazifizierung in Bayern

Obschon das Befreiungsgesetz praktisch längst tot war, sollte es in Bayern noch über fünf Jahre weiter formell in Kraft bleiben. Der Grund dafür, warum es hier länger als in irgendeinem anderen deutschen Land dauerte, lag in dem gegenseitigen Hin und Her der Ministerien über die Abwicklung.

Am 8. März 1950 wurde das Sonderministerium durch einstimmigen Landtagsbeschluss aufgelöst. Am 27. Juli 1950 verabschiedete der erste bayerische Landtag schließlich das erste Abschlussgesetz als eine seiner letzten Vorlagen - und zwar ohne Aussprache, um das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Eine Überprüfung der Sprüche gegen Hauptschuldige und Belastete wurde ausgeschlossen, jedoch die Berücksichtigung der politischen Vergangenheit des Betroffenen bei seiner Einstellung in den öffentlichen Dienst als obligatorisch angeordnet. Eine mittelgroße Gruppe höherer NS-Funktionäre blieb vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen. Das Gesetz wurde fast einstimmig angenommen. Der endgültige Abschluss zog sich weiter hin.

Ein einstimmig verabschiedetes Gesetz des Landtags vom 10. Oktober 1953 nahm alle seit dem 1. Januar 1953 heimgekehrten und noch festgehaltenen Kriegsgefangenen von der Entnazifizierung aus. Am 3. August 1954 verabschiedete der Landtag das zweite Gesetz zum Abschluss der politischen Befreiung. Es legte als Schlusstermin der Entnazifizierung den 30. Oktober 1954 fest. Nur bis dahin konnten noch Anträge auf Einleitung von Verfahren oder auf Wiederaufnahme gestellt werden. Der Verlust der Wählbarkeit für Belastete galt ab dem 1. Mai 1957. Am 17. Dezember 1959 wurde das Dritte Abschlussgesetz verabschiedet. Es enthielt nur noch den Hauptschuldigen das passive Wahlrecht vor. Ihnen war auch weiter der Zugang zu öffentlichen Ämtern verwehrt. Die rechtskräftige Einziehung ihres Vermögens bestand weiter. Die Spruchkammern wurden aufgelöst.

Zum Ergebnis der Entnazifizierung

Gemessen an den Zielen der Alliierten war es zwar gelungen, die Eliten der NSDAP, jedoch nicht die aus Beamtenschaft (im Bereich von Staat, Kommunen, Justiz und Wissenschaft), Wirtschaft und evangelischer Kirche für immer aus ihren Schlüsselstellungen zu entfernen. Die Verhaftung und Verbringung in die Internierungslager stellte unmittelbar einen Schock dar, wusste doch keiner, welches Schicksal ihn erwarten würde. Einer letztlich großzügigen Gnadenerteilung ging oft eine drakonische Strafe vorweg. Die aktiven, führenden Nationalsozialisten verbrachten die längste Zeit von allen Internierten (bis zu drei Jahren) im Lager. Danach blieben sie trotz teilweiser Herabstufungen durch die Berufungskammern oft sozial deklassiert und isoliert, brauchten länger als der Durchschnitt der übrigen Bevölkerung, um ihren niedrigen Lebensstandard zu heben, und hatten sehr häufig für immer ihre einflussreiche Rolle verloren.

Bereits bis zum 31. Dezember 1948 waren 14.400 Beamte, die man wegen ihrer Parteimitgliedschaft entlassen hatte, wieder eingestellt worden. Schließlich kamen selbst höchste Chargen von SD und Gestapo wieder in Amt und Würden. Auch in der Wirtschaft ließen sich die Eliten nicht auf Dauer ausschalten. Die bürgerlichen Parteien waren in erster Linie an einer Herstellung des Rechtsstaats interessiert; die Sozialdemokraten traten zwar für umfassende Sozialisierungen ein, wollten dazu aber nicht die Entnazifizierung als Hebel benutzen.

Auch war man sich darüber im Klaren, dass man letzten Endes auch die betroffenen Nationalsozialisten für die Demokratie gewinnen musste. Zu einer wirklichen Besinnung führte die Entnazifizierung nicht. Die Mehrzahl der kleinen Parteigenossen war sich keiner Schuld bewusst und fühlte sich trotz aller öffentlichen Appelle an ihr Gewissen zu Unrecht bedrängt - man gefiel sich in seiner Opferrolle.

Archivalische Quellen

Eine umfangreiche Auflistung der archivalischen Quellen findet sich bei: Lutz Niethammer, Die Mitläuferfabrik. Die Entnazifizierung am Beispiel Bayerns, Berlin/Bonn 1982, 673-675. Eine Auswahlverfilmung der Akten der US-Militärregierung für Deutschland OMGUS ist in Mikrofiches im Institut für Zeitgeschichte vorhanden. Die entsprechenden Stichworte sind durch eine Datenbank erschlossen, über die man die Aktennummern findet. Die auszugsweise mikroverfilmten Akten der amerikanischen Militärregierung in Bayern sind im Bayerischen Hauptstaatsarchiv einsehbar. Für sie ist dort überdies ein ausführliches Repertorium erstellt worden. Bestände des Bayerischen Ministeriums für Sonderaufgaben werden in diesem Archiv unter der Signatur MSo aufbewahrt. Der Nachlass Anton Pfeiffers befindet sich dort in der Nachlassabteilung, ebenso der Nachlass Hans Ehards. Der Nachlass Hoegner ist im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte verwahrt, der Nachlass Müller im Archiv für Christlich-Soziale Politik der Hanns-Seidel-Stiftung in München. Die Spruchkammerakten liegen in den Staatsarchiven der jeweiligen bayerischen Regierungsbezirke (München, Amberg, Augsburg, Bamberg, Landshut, Nürnberg und Würzburg, dazu noch die für Stadt und Landkreis Coburg im dortigen Staatsarchiv), ebenso die Akten der Außenstellen des ehemaligen Landesamts für Vermögensverwaltung. Die Spruchkammerakten von Personen, die in der Machthierarchie einen höheren Rang hatten, d. h. z. B. Kreis- und Gauleiter, Oberbürgermeister oder ehemalige Staatssekretäre und Minister, befinden sich sämtlich im Staatsarchiv München. Die Namen der Betreffenden sind dort in einer zentralen Kartei der Münchner Spruchkammern erfasst. Die Personalakten des führenden Spruchkammerpersonals (Vorsitzende, Kläger) sind teils im Bestand Sonderministerium im Bayerischen Hauptstaatsarchiv zu finden, teils aber auch bei den Überlieferungen der einzelnen Spruchkammern aufbewahrt. Näheres ist über die archivinterne FAUST-Datenbank im Bayerischen Hauptstaatsarchiv zu ermitteln. Einen Sonderfall stellen Stadt- und Landkreis Lindau dar, die zum französischen Besatzungsgebiet gehörten. Die entsprechenden Spruchkammerakten verwahrt das baden-württembergische Staatsarchiv Sigmaringen. Neuerdings sind die Namen aller im Regierungsbezirk Oberbayern von der Entnazifizierung betroffenen Personen weitgehend in einer Datenbank im Staatsarchiv München erfasst.

Dokumente

Literatur

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Quellen

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Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel

Denazifizierung, Denazification, Politische Befreiung

Empfohlene Zitierweise

Paul Hoser, Entnazifizierung, publiziert am 05.02.2013 (Aktualisierte Version 10.07.2023); in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Entnazifizierung (16.10.2024)