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Christengemeinschaft in Bayern

Aus Historisches Lexikon Bayerns

"Rudolf Steiner und das Deutschtum". Das Titelblatt der bei Christian Kaiser in München verlegten Schrift von Friedrich Rittelmeyer zeigt das von Steiner erbaute erste Goetheanum.
Glaubensbekenntnis der Christengemeinschaft. (aus: Tatchristentum. Monatsblatt zur religiösen Erneuerung. Organ der "Christengemeinschaft" 1 [1923] Nr. 6)
Friedrich Rittelmeyer, der Gründer der Christengemeinschaft. (Photo -Archiv -Die Christengemeinschaft)

von Wolfgang Behnk (†)

1922 durch den aus Bayern stammenden, ehemaligen evangelisch-lutherischen Geistlichen Friedrich Rittelmeyer (1872-1938) begründete Religionsgemeinschaft, die das Christentum auf Grundlage der Anthroposophie Rudolf Steiners (1861-1925) interpretiert.

Entstehung und Geschichte

Die Christengemeinschaft (CG) geht auf den evangelisch-lutherischen Geistlichen Friedrich Rittelmeyer (1872-1938) zurück, der aus Dillingen a.d. Donau stammte. Nach seinem Vikariat in Würzburg wurde er 1902 Pfarrer in Nürnberg. Bewegt von der Idee einer religiösen Erneuerung durch geistige Ich-Werdung näherte er sich zunehmend der Anthroposophie Rudolf Steiners (1861-1925) an, mit dem er 1911 in Verbindung trat. Seit 1916 wirkte er als Pfarrer in Berlin. Um ihn und seinen Kollegen Emil Bock (1895-1959) sammelte sich bald ein Kreis gleich gesinnter junger Menschen, die sich seit 1921 von Rudolf Steiner zwecks Gründung "freier Gemeinden" schulen ließen.

Nach einer Versammlung der künftigen Priesterschaft in Breitbrunn a. Ammersee kam es am 16. September 1922 im anthroposophischen Goetheanum in Dornach bei Basel unter Mitwirkung Steiners zur Gründung der Christengemeinschaft, wobei Rittelmeyer die erste "Menschenweihehandlung" sowie Priesterweihen vornahm. Danach legte er sein Pfarramt nieder und wurde erster "Erzoberlenker" der Christengemeinschaft. Ihm folgten in diesem Amt 1938 Emil Bock, 1959 Rudolf Frieling (1901-1986), 1986 Taco Bay (1933-2011) und 2005 Vicke von Behr-Negendanck (geb. 1949). In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Christengemeinschaft 1935 vorübergehend und endgültig 1941 verboten.

Lehre und Kultus

Die Christengemeinschaft versteht sich nicht als Bekenntnis-, sondern als Kultusgemeinschaft. Weil sie mit christlichen Überlieferungen wesentliche außerbiblische Wahrheitsquellen verbindet, wird sie kirchlicherseits als Sekte angesehen.

Die Priester der Christengemeinschaft sind an keine feste Lehre gebunden. Das Denken Steiners dominiert jedoch klar das Verständnis christlicher Überlieferungen. Christus hat sich nach Vorstellung der Christengemeinschaft in Jesus inkarniert, um durch seinen "Schöpferfunken" den verschütteten "göttlichen Geistfunken" im Menschen zu entfachen und diesen so überhaupt erst zum Menschen zu machen. In einem evolutionären Prozess geschieht die Wiederkunft Christi stufenweise hin zu einer Welt des Geistes und zur Einswerdung des Menschen mit Gott.

Im Kultus, insbesondere im "zentralen Sakrament" der "Menschenweihehandlung" ("Abendmahlsgottesdienst"), soll die Kommunion der geistig gewandelten Elemente Brot und Wein die Christus-Kräfte des sich immer höher entwickelnden Menschen entfalten. Mit dem christlichen Glauben an die Sündenvergebung hat die Menschenweihehandlung ebenso wenig zu tun wie die Taufe der Christengemeinschaft, die deswegen von den Kirchen nicht als christliche Taufe anerkannt wird. Der Kultus und seine sieben Sakramente (neben Menschenweihehandlung und Taufe sind dies Konfirmation, Beichte, Trauung, Priesterweihe, Sterbeölung) zielen ganz im anthroposophischen Sinne auf die Transformation des Materiellen in das Geistige.

Organisation und Verbreitung

Die Christengemeinschaft ist hierarchisch aufgebaut. An ihrer Spitze steht der "Erzoberlenker". Er wird beraten von dem "Siebenerkreis" (außer ihm noch zwei "Oberlenker" und vier "Lenker") und der "Priestersynode". Den in "Regionen" zusammengefassten Gemeinden sind jeweils ein Lenker (Bischof) und im Regelfall ein wirtschaftlicher "Koordinator" zugeordnet. Der Kultus in den Gemeinden liegt in der Verantwortung der "Priester".

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Christengemeinschaft eine religiöse "Körperschaft des öffentlichen Rechts". Der Sitz ihrer "Oberlenkung" ist in Berlin. Wichtige Einrichtungen, wie das "Priesterseminar" sowie der "Verlag Urachhaus", befinden sich in Stuttgart.

In Bayern hat die "Christengemeinschaft in Bayern" den Körperschaftsstatus seit 1974. Die Christengemeinschaft ist weder Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) noch Mitglied oder Gastmitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland oder in Bayern.

Als internationale Organisation ist die Christengemeinschaft unter dem Namen "Stichting de Christengemeenschap (Int.)" in Amsterdam als Stiftung holländischen Rechts – mit Geschäftsführung in Stuttgart – eingetragen, zumeist als "Foundation" bezeichnet. Von den weltweit 18 "Regionen" (mit 32 Ländern) der Christengemeinschaft befinden sich sechs in Deutschland, eine davon ist Bayern.

Die Christengemeinschaft gibt hinsichtlich ihrer Mitgliederzahl keine Auskunft, da "Quantitäten" nicht das geeignete Mittel seien, "um irgendetwas Wesentliches auszusagen" (Lenker Erhard Rehm aus München, Email vom 11. Dezember 2005). Weltweit kann man aber ca. 30.000 bis 40.000, in Deutschland ca. 10.000 bis 20.000 Mitglieder – hiervon einige Tausend in Bayern - sowie ebenso viele "Zugehörige" schätzen.

Die Christengemeinschaft in Bayern

Erste Gemeinden der Christengemeinschaft entstanden noch im Gründungsjahr 1922, nämlich in München, Nürnberg, Fürth und Augsburg.

2006 befanden sich in Bayern 16 Gemeinden (141 im gesamten Deutschland):

Literatur

  • Horst Reller/Hans Krech/Matthias Kleiminger (Hg.), Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, Gütersloh 5. Auflage 2000, 266-280.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Wolfgang Behnk, Christengemeinschaft in Bayern, publiziert am 03.07.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Christengemeinschaft in Bayern> (19.03.2024)