Christian Science in Bayern
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Auf die Amerikanerin Mary Baker Eddy (1821-1910) zurückgehendes und sich auf das Christentum berufendes metaphysisches System mentalen Heilens. Der Begriff wird auch oft allgemein angewendet auf die Religionsgemeinschaft, die neben der Bibel auch Baker Eddys Buch "Science and Health" als Glaubensgrundlage ansieht. Christliche Wissenschaft/Christian Science war seit den 1890er Jahren in Deutschland tätig. 1912 begannen die Aktivitäten in München, wo in den 1920er Jahren zwei Gemeinden entstanden. 1949 erhielt die Gemeinschaft in Bayern die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts unter dem Namen "Christian Science in Bayern".
Entstehung und Geschichte
Die Christliche Wissenschaft/Christian Science (CS) geht auf die in New Hampshire geborene Amerikanerin Mary Baker Eddy (1821-1910) zurück. Seit ihrer Kindheit litt sie an Krankheiten, die sie nach dem Zusammenhang von Heil und Heilung fragen ließen. Die Hinwendung zur Bibel und die Suche nach Lösungen durch Gebet im Angesicht auch von gesundheitlichen Problemen waren Teil der Lebenserfahrung der kongregationalistischen Familie in Neu-England, in der Eddy aufwuchs. 1866, nach einem Sturzunfall, erlebte sie beim Lesen der biblischen Geschichte vom Gelähmten (Mt 9, 6: "Steh auf!") eine wundersame Heilung. In ihrem Hauptwerk "Science and Health with Key to the Scriptures" - "Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift" (Erstveröffentlichung 1875) bekennt sie, dass Gott ihr die "endgültige Offenbarung des absoluten göttlichen PRINZIPS des wissenschaftlichen mentalen Heilens" geschenkt habe. Sie sammelte ihre Anhänger zunächst in der "Vereinigung der Christlichen Wissenschaftler". Nach einem ersten Versuch, eine eigene Kirche zu etablieren (1879), entstand 1892 in Boston "The First Church of Christ, Scientist" – "Die erste Kirche Christi, Wissenschaftler". Sie wurde "Mutterkirche" eines weltweiten Verbundes von "Zweigkirchen". 1908 gründete Eddy die Zeitung "The Christian Science Monitor".
Erstmals erschien 1891 eine deutschsprachige Broschüre über Christian Science. Die ersten Anhänger von Christian Science sind 1894 im Raum Stuttgart nachweisbar, 1897/98 entstand eine Gemeinde in Hannover, 1898/1900 in Dresden. 1912 gab es schon Gemeinden in Dresden, Berlin, Frankfurt am Main, Hannover und Stuttgart. In diesem Jahr wurde Christian Science auch erstmalig in München aktiv, wo 1923 und 1927 zwei Gemeinden entstanden.
Unter dem NS-Regime und in der DDR war die Christliche Wissenschaft/Christian Science verboten (1941 bzw. 1951). Nach 1945 wurde sie erneut in Bayern aktiv. Christian Science erlebte in der unmittelbaren Nachkriegszeit zunächst eine großen Zulauf. Seit den 1950er Jahren gehen jedoch die Mitgliederzahlen von Christian Science weltweit und in Deutschland kontinuierlich zurück.
Lehre und Praxis der Christlichen Wissenschaft/Christian Science
Weil sie mit christlichen Überlieferungen wesentliche außerbiblische Wahrheitsquellen verbindet, sehen die Kirchen "Christliche Wissenschaft/Christian Science" als Sekte an.
Das Werk "Wissenschaft und Gesundheit" enthält laut Christliche Wissenschaft/Christian Science "die vollständige Darstellung" des "christlich-metaphysischen Heilungssystems" von Baker Eddy. Ihre "Kirche" gründete sie, "um die Ideen des Buches kommunizieren zu können", als "Sprachrohr" ihrer Lehre (www.cskom.de/vom 08. Januar 2006). Sie betonte zwar, dass die Bibel ihr einziges Lehrbuch gewesen sei, in den Gottesdiensten der Christlichen Wissenschaft/Christian Science wird jedoch neben der Bibel auch Baker Eddys Hauptwerk aufgeschlagen: Statt einer Predigt über einen Bibeltext werden - von zwei "Lesern" - abwechselnd Zitate aus der Bibel und aus "Wissenschaft und Gesundheit" vorgetragen. Hierdurch soll es zu einer "geistigen Auslegung" der Bibel kommen und als ihre "zentrale Tatsache" die "Überlegenheit der geistigen Kraft über die physische" dargelegt werden, die sich vor allem in Heilungen manifestiert. Christliche Wissenschaft/Christian Science sieht sich dem Heilungsauftrag Jesu verpflichtet und versteht Heilung als mitfolgendes Zeichen einer prozesshaften durch Gott und Seinen Christus bewirkten inneren Umwandlung. Weil Gott, das ewige Prinzip des Universums, Geist sei, existiere auch Gottes Ebenbild, der Mensch, ausschließlich geistig und nicht physisch. Materie sei das Unwirkliche. Ebenso würden Krankheit, Sünde und Tod nicht zur Wirklichkeit gehören, weil Gott sie "leugnet" (Wissenschaft und Gesundheit, 113). Krankheit, Sünde und Tod seien "Irrtum", der wie ein Traum zu überwinden sei, wozu es des Christus bedürfe. Diese Haltung betrifft auch den Umgang mit Sünde, die als Zustand im materiellen Zustand des Menschen zwar nicht geleugnet wird, aber laut Baker Eddy nur durch das radikale Anerkennen des in Wirklichkeit sündlos geschaffenen geistigen Menschen zu überwinden sei. Heilung geschehe in der geistigen Entlarvung der Krankheit als "Unwirklichkeit".
Bei der Heilung – mittels Gebet - bieten "Christian Science Praktiker" ihre Hilfe an. Eine Taufe praktiziert die Christliche Wissenschaft/Christian Science nicht; ihr "Abendmahl" besteht nur in einer geistigen Kommunion ohne die sakramentalen Elemente Brot und Wein.
Organisation und Verbreitung
Es gibt in der Christlichen Wissenschaft/Christian Science keine ordinierten Geistlichen, sondern nur Laien. Die "Ausüber" ("Praktiker") arbeiten als Heiler, Seelsorger und Helfer für Lebensprobleme, in den gottesdienstlichen Versammlungen haben je zwei "Leser" die Leitungsaufgabe. Die Zweigkirchen sind von ihrer Mutterkirche in Boston relativ unabhängig. An deren Spitze stehen ein fünfköpfiger Vorstand sowie ein - eher repräsentierender - Präsident. Jede Zweigkirche muss einen "Leseraum" unterhalten, in dem neben der Bibel nur die Schriften von Mary Baker Eddy und die Veröffentlichungen des Verlages der Mutterkirche ausgelegt werden dürfen.
Die Christliche Wissenschaft/Christian Science ist in Deutschland in vier Bundesländern als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. In Bayern hat sie unter dem Namen "Christian Science in Bayern" diesen Status seit 1949. Sie ist weder Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) noch Mitglied oder Gastmitglied in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland oder in Bayern, sucht aber nach eigenem Bekunden den engen Kontakt mit anderen Christen sowie den interreligiösen Dialog.
Es gibt nach Angabe (Januar 2006) des in Berlin residierenden, für die Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland zuständigen "Christian Science Komitee für Veröffentlichungen" weltweit ca. 2.000 Gemeinden in 80 Ländern, in Deutschland 75 Gemeinden. Mitgliederzahlen werden nicht veröffentlicht, man kann aber für Deutschland ca. 2.000 Mitglieder schätzen. In Bayern können in den CS-Kirchen in München (2), Nürnberg, Augsburg und Rosenheim sowie in den Christlich-Wissenschaftlichen Vereinigungen in Lindau und Wunsiedel einige hundert Mitglieder vermutet werden. Die 2006 noch bestehende Vereinigung in Würzburg bestand 2009 nicht mehr.
Literatur
- Wolfgang Behnk, Anhang: Sondergemeinschaften, in: Handbuch der Geschichte der evangelischen Kirche in Bayern. Band 2, Sankt Ottilien 2000, 597-610.
- Horst Reller/Hans Krech/Matthias Kleiminger (Hg.), Handbuch Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen, Gütersloh 5. Auflage 2000, 286-296.
- Britta Waldschmidt-Nelson, Christian Science im Lande Luthers. Eine amerikanische Religionsgemeinschaft in Deutschland 1894-2009 (Transatlantische Historische Studien. Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Washington DC 37), Stuttgart 2009.
Quellen
- Mary Baker Eddy, Science and Health with Key to the Scriptures, erstmals Boston 1875, seitdem zahlreiche Neuauflagen. Deutsche Übersetzung unter dem Titel " Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift", letzte Auflage von 1998.
Weiterführende Recherche
Externe Links
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Christliche Wissenschaft/Christian Science
Empfohlene Zitierweise
Wolfgang Behnk, Christian Science in Bayern, publiziert am 03.07.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Christian_Science_in_Bayern> (11.11.2024)