Wehrverbände in Bayern, 1918/19-1933
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Paramilitärische Organisationen, die während der Weimarer Republik im gesamten politischen Spektrum entstanden, teilweise über eine große Anhängerschaft verfügten und sehr disparate Interessen verfolgten. Insbesondere seit 1930 kam es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern. Am 24. März 1933 wurden alle Wehrverbände außerhalb der SS, SA und des Stahlhelms verboten.
Begriffsbestimmung
Zu den augenfälligen Neuerungen in der politischen Kultur der Weimarer Republik gehörte das Auftreten von politisch ausgerichteten Organisationen, die sich speziell der "Wehrarbeit" verschrieben und teilweise - regional stark schwankend - beträchtlichen Massenanhang besaßen. Diese Organisationen fanden sich im gesamten politischen Spektrum, zuerst aber waren sie - gerade in Bayern - auf der Seite der politisch Rechten aufgetreten. Hier hatte seit 1918/19 Einigkeit geherrscht, dass zur Erhaltung der Wehrfähigkeit der Nation nach außen wie auch zur Unterdrückung linksrevolutionärer Bestrebungen im Inneren ein breiter paramilitärischer Komplex aufzubauen sei. Dieser konnte sich zunächst unter dem Dach der auch von SPD-geführten Regierungen geförderten Einwohnerwehrbewegung entfalten.
Im Frühsommer 1921 wurden die Einwohnerwehren auf Druck der Alliierten verboten. Aus ihrer Konkursmasse ging dann 1921 eine Reihe "vaterländischer" Wehrverbände hervor, die - mit Unterstützung von Reichswehr und bayerischer Staatsregierung - eine Fortsetzung der von der Entente verbotenen Wehrarbeit im Geheimen garantieren sollten und wollten.
Als Reaktion auf das Gebaren dieser "vaterländischen Wehrverbände", die sich teilweise von den konservativen Zielen der bayerischen Regierung distanzierten und eigene Interessen zu verfolgen begannen, bildeten sich auch in Bayern in den Jahren 1922/23 regionale Selbstschutzverbände der republikanischen und der linken Kräfte. Diese erfuhren 1924 eine Zusammenfassung durch die deutschlandweit errichteten Organisationen des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und des Rotfrontkämpferbundes. Alle diese Verbände neigten indes dazu, sich selbst als neue Formen "volkstümlicher" politischer Organisation zu verstehen, die Parlamentarismus und Parteienstaat überwinden sollten. Dabei bekämpften sie sich teilweise blutig, wobei zwischen 1919 und 1933 bedeutsame Gewichtsverlagerungen auftraten.
Die "vaterländischen" Wehrverbände der radikalen Rechten
Nach der erzwungenen Auflösung der bayerischen Einwohnerwehren im Juni 1921 wurde im bürgerlichen Lager Bayerns die Notwendigkeit gesehen, die Wehrarbeit geheim fortzusetzen. Diese Aufgabe sollte im Einvernehmen mit der Staatsregierung der Bund Bayern und Reich des Sanitätsrats Otto Pittinger (1878-1926) übernehmen. Allerdings traten innerhalb der Bewegung bald Differenzen mit den radikal völkisch-nationalen Kräften der kleineren Wehrverbände auf. Dies führte dazu, dass sich fünf dieser straff organisierten Bünde, darunter die SA, die Reichs(kriegs)flagge und der Bund Oberland Anfang 1923 endgültig aus der organisatorischen Gemeinschaft mit Pittinger trennten.
Die Ansätze zur erneuten Zusammenarbeit im Herbst 1923 endeten im gescheiterten Hitlerputsch. Dieser führte vor allem zu einer stärkeren Distanzierung der Staatsregierung von der gesamten nationalen Wehrbewegung. Die am Putsch beteiligten Bünde SA, Oberland und Reichskriegsflagge wurden verboten, auch die anderen Verbände entwaffnet und zu nationalen Agitations- und Schulungsorganisationen umdefiniert. Die Wehrarbeit sollte nunmehr, in Kooperation mit dem fortbestehenden Bund Bayern und Reich, durch den unmittelbar der Regierung unterstellten Deutschen Notbann geleistet werden. Allerdings fanden die Verbände Mittel und Wege, ihre Wehrübungen weiterhin - nun endgültig illegal - zu veranstalten. Seit Frühjahr 1925 waren auch die radikalen Verbände wieder zugelassen. Gerade deren Anhang schrumpfte jedoch in der Folgezeit mit der allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Beruhigung merklich.
Die gemäßigt-bürgerlichen Wehrverbände
Eine Mehrheit der ehemaligen Wehrmänner schloss sich - unter veränderten reichs- und landespolitischen Anzeichen - dem Ende 1928 gegründeten und betont föderalistisch-katholisch ausgerichteten Bayerischen Heimatschutz an. Dessen Attraktivität wurde noch verstärkt, als der Bund Bayern und Reich 1929/30 vom norddeutsch-protestantisch geprägten Stahlhelm aufgesogen wurde. Auch die von Fritz Schäffer (1888-1967) im Sommer 1932 als BVP-Wehrorganisation gegründete Bayernwacht kooperierte von Anfang an eng mit dem Heimatschutz.
In der bürgerkriegsähnlichen Situation zu Beginn der 1930er Jahre ergaben sich erneut teils heftige Konflikte zwischen den unitarischen und radikaleren "schwarz-weiß-roten" Verbänden von Stahlhelm und SA und den in Bayern wesentlich mitgliederstärkeren gemäßigten föderalistischen Kräften des Bayerischen Heimatschutzes.
Die nicht-rechten Verbände
Gegenüber der erdrückenden Übermacht der rechtsbürgerlichen und rechtsradikalen Organisationen fielen in Bayern die republikanisch-linken oder linksradikalen Wehrbünde kaum ins Gewicht. Sie waren als Schutzreaktion gegen die Unterdrückungspolitik und die Putschversuche der politischen und paramilitärischen Rechten von 1920 bis 1923 entstanden und von Anfang an bewaffnet.
So hatten sich bereits seit 1920 vor allem in den nordbayerischen Industriestädten sozialdemokratische und teils kommunistische Selbstschutzformationen gebildet. Die sozialdemokratischen Verbände erfuhren 1924 eine reichsweite Zusammenfassung im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, das am 22. Februar 1924 von dem Magdeburger Oberpräsidenten Friedrich Otto Hörsing (1874-1937) gegründet worden war. Diese Organisation war von Anfang an offiziell als Wehrbund aller republikanischen Kräfte konzipiert worden, stand also Anhängern der DDP und des Zentrums offen. Dementsprechend rückte als eines der prominentesten bayerischen Mitglieder der Nürnberger DDP-Oberbürgermeister Hermann Luppe (1874-1945) in den Reichsvorstand des Verbands auf. In der Praxis dominierte allerdings die SPD das Reichsbanner.
Die BVP dagegen verhielt sich, anders als ihre katholische Schwesterpartei im Reich, von Anfang an ablehnend und betonte die "weltanschaulichen Gefahren", die aus gemeinsamer Wehrarbeit mit atheistischen Sozialdemokraten für junge Katholiken erwachsen müssten. Das Reichsbanner hatte daher in Bayern nur in den größeren Städten einen nennenswerten Anhang, sein Hauptstützpunkt war und blieb das links-republikanisch geprägte Nürnberg.
Der im September 1924 auf Reichsebene gegründete Rote Frontkämpferbund der KPD konnte sich im Wesentlichen ebenfalls nur in Nürnberg und in den kleinen Industriestädten Oberfrankens und der Oberpfalz etablieren. Nach dem bereits im Sommer 1925 verfügten Verbot durch die Bayerische Staatsregierung setzte er seine Wehrarbeit illegal fort.
Die Auflösungsverfügung der NS-Staatsregierung vom 24. März 1933
Im März 1933 stand den "braunen" Kolonnen in Bayern kaum eine nennenswerte links-republikanische Wehrorganisation gegenüber. Dagegen verfügte der Bayerische Heimatschutz über ca. 40.000 Mitglieder. Auf ihn konzentrierten sich nun auch Pläne zur Einsetzung des Kronprinzen Rupprecht (1869-1955) zum Generalstaatskommissar bzw. zum neuen bayerischen Monarchen, um auf diese Weise eine NS-"Machtergreifung" in Bayern im letzten Augenblick zu verhindern. Auch diese beachtliche Wehrbewegung ergab sich angesichts der allgemeinen Verunsicherung des bürgerlichen Lagers jedoch kampflos den neuen Machthabern. Die am 9. März 1933 von der Reichsregierung eingesetzte neue, nationalsozialistische Staatsregierung verfügte im Rahmen ihrer Gleichschaltungsbestrebungen am 24. März 1933, dass "sämtlichen Wehrverbänden außerhalb der SS, der SA und des Stahlhelm die Selbstauflösung auferlegt" werde (zit. nach: Nußer, Band 1, 352). Die republikanischen oder gar kommunistischen Formationen waren bereits vorher durch die Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 faktisch zerschlagen worden. Damit war der radikale Teil der bayerischen vaterländischen Wehrbewegung von 1919/20 - auf dem Umweg über Berlin - endgültig zum alleinigen "Sieger" auch in Bayern geworden.
Literatur
- Hans Fenkse, Konservativismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918, Bad Homburg u. a. 1969.
- Heinz Gollwitzer, Zwischen Volksbewegung und "Privatarmee". Bemerkungen über Kampfbünde und Wehrverbände im Deutschen Reich und Österreich, in: Jürgen Kocke u. a. (Hg.), Von der Arbeiterbewegung zum modernen Sozialstaat. Festschrift für Gerhard A. Ritter zum 65. Geburtstag, München u. a. 1994.
- Horst G. W. Nußer, Konservative Wehrverbände in Bayern, Preußen und Österreich 1918-1933. Mit einer Biographie von Forstrat Georg Escherich 1870-1941. 2 Bände, München 1973.
- Karl Rohe, Das Reichsbanner Schwarz Rot Gold. Ein Beitrag zur Geschichte und Struktur der politischen Kampfverbände zur Zeit der Weimarer Republik, Düsseldorf 1966.
- Kurt G. P. Schuster, Der Rote Frontkämpferbund 1924-1929, Düsseldorf 1975.
- Wolfgang Zorn, Bayerns Geschichte im 20. Jahrhundert. Von der Monarchie zum Bundesland, München1986.
Weiterführende Recherche
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- Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ), 1922-1933
- Verband der Vaterländischen Bezirksvereine Münchens e.V., 1921-1929/30
- Vereinigung vaterländischer Verbände in Bayern (VVVB), 1922-1927
Empfohlene Zitierweise
Christoph Hübner, Wehrverbände in Bayern, 1918/19-1933, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wehrverbände_in_Bayern,_1918/19-1933 (16.10.2024)