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Reichsfrontsoldatentag, 1./2. Juni 1929

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Totenehrung am Münchner Kriegerdenkmal während des Reichsfrontsoldatentags 1929; im Hintergrund das Bayerische Armeemuseum. (Der Nationalsozialistische Deutsche Frontkämpferbund [Stahlhelm], Berlin 1935, 90)
Appell auf der Isarwiese während des Reichsfrontsoldatentages in München, 1./2. Juni 1929. (Der Nationalsozialistische Deutsche Frontkämpferbund [Stahlhelm], Berlin 1935, 90)
Titelblatt des offiziellen Veranstaltungswegweisers für den 10. Reichsfrontsoldatentag, 1./2. Juni 1929, hg. vom Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten, München 1929.

von Christoph Hübner

Der Reichsfrontsoldatentag war die jährliche Massenveranstaltung des Stahlhelms, Bund der Frontsoldaten. Seit 1920 fanden diese Bundestreffen im Gründungsort Magdeburg und in anderen Städten des Reichs statt. Den einzigen Reichsfrontsoldatentag in Bayern hielt der Stahlhelm am 1./2. Juni 1929 in München ab. Bei diesem Höhepunkt antidemokratischer Massenveranstaltungen der 1920er Jahre reisten mehr als 100.000 Teilnehmer nach München.

Hintergrund: der Griff des Stahlhelms nach Bayern im Jahr 1929

Der 10. Reichsfrontsoldatentag des "Stahlhelms. Bund der Frontsoldaten" in München am 1. und 2. Juni 1929 stand im Kontext des erfolgreichen Ausgreifens dieses ursprünglich norddeutschen Wehrverbandes nach Süden. Im April 1929 war eine grundsätzliche Einigung über die Aufnahme der größten bayerischen Wehrorganisation, des Bundes Bayern und Reich mit noch ca. 36.000 Mitgliedern, in den Stahlhelm erzielt worden. Obwohl die damit verbundene Neukonstituierung des "Stahlhelms in Bayern" erst im Februar 1930 erfolgen konnte, sollte doch die prinzipielle Einigung vom April 1929 als "Eroberung Süddeutschlands" durch den Stahlhelm gefeiert werden. Andererseits ließen sich durchaus Stimmen vernehmen, die davor warnten, den "preußisch-protestantischen" Frontsoldatenbund im Kernland des deutschen Katholizismus und Föderalismus derart ostentativ aufmarschieren zu lassen. So lehnte der bayerische Kronprinz Rupprecht (1869-1955) die ihm angetragene Schirmherrschaft über die Veranstaltung ab.

"Deutsche Einheit" als Devise des Reichsfrontsoldatentages

Vor diesem Hintergrund hatte die Stahlhelm-Bundesführung die Veranstaltung nicht zuletzt in taktischer Absicht unter das Motto "Deutsche Einheit" gestellt. Bereits in seinem offiziellen Grußwort stellte Bundesführer Franz Seldte (1882-1947) fest, "dass wir ein starkes Bayern wollen in einem starken deutschen Reich" (Der 10. Reichsfrontsoldatentag München, 7). In mehreren Reden betonten die Bundesführer, dass nur die Einigkeit aller Deutschen über die Schranken von Stammesart, Konfession und Klasse hinweg zur "nationalen Befreiung" führen könne. Neben diese Einigungsrhetorik trat dann in den Ansprachen als zweites Moment eine verstärkte Betonung des christlichen Charakters des Bundes. Dies war eine deutliche Konzession an gegnerische Stimmen aus dem katholisch-föderalistischen Lager.

Die Veranstaltungen

Die Veranstaltungen selbst nahmen beeindruckende Ausmaße an. Zwar war die vom Bund angegebene Zahl von 130.000 Teilnehmern wohl deutlich zu hoch gegriffen. Nichtsdestoweniger aber wirkten die militärisch durchgeplanten Aufmärsche, Feldgottesdienste und Fahnenappelle auf das schaulustige Münchner Publikum durch ihre Größe und Inszenierung. Zu nennen sind hier insbesondere der Morgenappell auf den Isarwiesen am 2. Juni und der Marsch vorbei an der Bundesführung am Nationalmuseum in der Prinzregentenstraße, der sechs Stunden in Anspruch nahm. Unter den Ehrengästen auf dem Podium befanden sich neben typischen Vertretern des "preußischen Militarismus" wie Alfred von Tirpitz (1849-1930) auch die Wittelsbachischen Prinzen Alfons (1862-1933) und Adalbert (1886-1970). Großen Eindruck hinterließ auch die Kraftfahr-Staffel des Herzogs Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha (1884-1954).

Halber Erfolg

Die Bemühungen um eine Versöhnung der föderalistischen Kräfte durch die Veranstaltung hatten jedoch nur halben Erfolg. Die bayerische Kritik am unitarisch-militaristischen Gehabe des Frontsoldatenbundes nahm nicht ab. Im Gegenteil, sie verschärfte sich noch, als der Bund kurz darauf gemeinsam mit den Deutschnationalen und der NSDAP das Volksbegehren gegen den Young-Plan einleitete. In der Folgezeit verlor dann auch der einst in Bayern so mächtige Bund Bayern und Reich einen Großteil seiner Mitglieder – sie wollten dem Eintritt ihrer Bundesleitung in den Stahlhelm nicht folgen. Der Stahlhelm spielte daher auch weiterhin in Bayern nur eine untergeordnete Rolle. Zumindest in dieser Hinsicht hatten die pompösen Inszenierungen des Münchner Reichsfrontsoldatentages ihren Zweck nicht erfüllt.

Literatur

  • Horst G. W. Nußer, Konservative Wehrverbände in Bayern, Preußen und Österreich 1918-1933. Mit einer Biographie von Forstrat Georg Escherich 1870-1941. 2 Bände, München 1973.
  • Wolfgang Zorn, Bayerns Geschichte im 20. Jahrhundert. Von der Monarchie zum Bundesland, München 1986.

Quellen

  • Der Stahlhelm (Hg.), 10. Reichsfrontsoldatentag München 1. u. 2. Juni 1929, Magdeburg o. J. [1929]. (offizieller Veranstaltungswegweiser des Stahlhelms für seine Mitglieder)
  • Der Stahlhelm (Hg.), Der 10. Reichsfrontsoldatentag München 1./2. Juni 1929, bearb. von Bendziula/Graff, Magdeburg o. J. [1929]. (Stahlhelm-Festbroschüre)

Weiterführende Recherche

Empfohlene Zitierweise

Christoph Hübner, Reichsfrontsoldatentag, 1./2. Juni 1929, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Reichsfrontsoldatentag,_1./2._Juni_1929> (11.11.2024)