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Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Die Grabeskirche in Jerusalem. (in: Heinrich von Mayr, Malerische Ansichten aus dem Orient gesammelt auf der Reise Sr. Hoheit des Herrn Herzogs Maximilian in Bayern im Jahre MDCCCXXXVIII, München 1839-1840)
Ritter vom Hl. Grab bei der Beisetzung des Münchner Erzbischofs Joseph Kardinal Wendel am 6. Januar 1961. In der Mitte der ersten Reihe Alois Hundhammer. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv fruh-01484)

von Dieter J. Weiß

Der Ritterorden vom Grab geht auf die mittelalterliche Tradition zurück, Pilger am Heiligen Grab in Jerusalem zum Ritter zu schlagen. Diese Ritter bildeten eine kirchliche Laienvereinigung, waren also nicht mit den anderen geistlichen Ritterorden (Templer, Johanniter, Deutscher Orden) vergleichbar, deren Mitglieder Ordensgelübde ablegten. 1868 wurde die Vereinigung als päpstlicher Ritterorden reorganisiert. Eine deutsche Statthalterei wurde 1933 eingerichtet, 1953 folgten Ordensprovinzen, darunter auch die Provinz Bayern. Mitglieder des Ordens sind (hohe) katholische Kleriker und teilweise sehr prominente Laien beiderlei Geschlechts. Komtureien bestehen in Bayern in allen Bischofsstädten sowie in Nürnberg.

Der Orden im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

Um das Heilige Grab in Jerusalem bildeten sich nach der Eroberung Jerusalems im Jahr 1099 durch die Kreuzfahrer verschiedene Orden und Gemeinschaften des lateinischen Ritus. Darunter finden sich das Kapitel der Grabeskirche von Jerusalem und der daraus hervorgegangene Orden der regulierten Chorherren vom Heiligen Grabe (Ordo Canonicorum S. Sepulchri) sowie die damit verbundenen Frauengemeinschaften.

Einer anderen Tradition ist der "Ritterschlag zum Ritter vom Heiligen Grabe" zuzuordnen. Nach dem Verlust Jerusalems 1187 und dem Zusammenbruch des christlichen Königreichs 1291 vertraten Franziskaner dort die katholische Kirche und betreuten die heiligen Stätten und die Wallfahrer (1333 Custodia Terrae Sanctae auf dem Berge Sion). Adelige und patrizische Pilger - belegt seit 1333/36 - erbaten von anderen Rittern den Ritterschlag in der Grabeskirche, ohne dabei ein Gelübde abzulegen.

Unter dem Einfluss der Franziskaner-Guardiane vom Berg Sion wurden feste Riten für den Ritterschlag ausgebildet und der geistliche Charakter stärker betont. Papst Leo X. (1475-1521, reg. 1513-1521) bestätigte dem Franziskaner-Guardian 1518 als bestehendem Gewohnheitsrecht das Privileg, Ritter des Heiligen Grabes zu kreieren. Die Militia oder der Ordo Equestris S. Sepulcri bildete eine Laienvereinigung. Sie waren kein den Templern, Johannitern oder dem Deutschen Orden vergleichbarer Ritterorden (Elm, Kanoniker). Die Namen der Ritter wurden in Matrikeln festgehalten, doch erfolgte kein Zusammenschluss zu einer übernationalen Ordensgemeinschaft. Es entstanden aber - zunächst in Frankreich und in Flandern, Brabant sowie Holland - regionale Zusammenschlüsse der Grabesritter in ihren Heimatgebieten zu Bruderschaften. Die Antwerpener Jerusalembruderschaft forderte 1553 vergeblich den Zusammenschluss aller Ritter unter der Leitung des Papstes und des spanischen Königs, um Kreuzzugspläne aufzunehmen. Eine feste Organisation als Ritterorden existierte in der Frühen Neuzeit nicht.

Der Orden seit der Neuorganisation im 19. Jahrhundert

Nach der Wiedererrichtung des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem 1847 reorganisierte Papst Pius IX. (1792-1878, reg. 1846-1878) mit dem Breve Cum multa sapienter vom 24. Januar 1868 das Rittertum vom Heiligen Grabe und gestaltete es zu einem förmlichen päpstlichen, also einem in direkter Beziehung zum Heiligen Stuhl stehenden Ritterorden (Ordo Equestris Sancti Sepulcri Hierosolymitani) mit den Klassen Ritter, Komtur und Großkreuzritter. Der Orden war zunächst dem Patriarchen von Jerusalem unterstellt, der als Großmeister die Kandidaten investierte (aufnahm). In der Folgezeit wuchs die Zahl der Mitglieder, die sich besonders der Unterstützung der Christen im Heiligen Land widmeten. Von 1907 bis 1928 führten die Päpste den Orden persönlich als Großmeister, wobei der Patriarch mit der Stellvertretung betraut war. Papst Pius XI. (1857-1939, reg. 1922-1939) verschmolz den Ritterorden 1928 mit dem "Werk der Glaubenserhaltung in Palästina" zur Unterstützung der dortigen Christen.

Papst Pius XII. (1876-1958, reg. 1939-1958) etablierte mit dem Breve Quam Romani Pontificis vom 14. September 1949 einen Kurienkardinal als Großmeister des Ordens vom Heiligen Grabe, während der Patriarch von Jerusalem seitdem als Großprior fungiert. Gleichzeitig wurde eine neue Satzung publiziert.

Der Orden genießt die gleiche unmittelbare Anerkennung wie die übrigen päpstlichen Ritterorden. Er umfasst drei Klassen und nimmt bereits seit 1888 weibliche Mitglieder auf. Das Ordenswappen bildet das rote fünffache Jerusalemkreuz, das gleichzeitig als Abzeichen getragen wird. Die vom Motto des ersten Kreuzzugs übernommene Ordensdevise lautet: DEUS LO VULT (Gott will es). Die Zahl der Grabesritter beträgt etwa 20.000 (Stand 2009). Der Orden ist weltweit in 51 Statthaltereien eingeteilt. Die besonders in romanischen Ländern übliche Ordensuniform wird in Deutschland nicht verwendet; die Ordensritter tragen hier zu den Dekorationen den weißen Mantel mit dem roten Jerusalemkreuz und schwarzes Barett, die Ordensdamen einen schwarzen Mantel mit dem roten Jerusalemkreuz und schwarzem Schleier, die Ordenskleriker eine weiße Mozetta mit rotem Jerusalemkreuz.

Der Grabesorden sieht seine Hauptaufgabe in der Unterstützung der Christen im Heiligen Land sowohl religiös zur Förderung des katholischen Glaubens als auch in finanzieller Hinsicht. Er unterstützt eine Vielzahl von katholischen Kirchen, Schulen und sozialen Einrichtungen, darunter die Schulen des Lateinischen Patriarchats in Jerusalem und die Universität Bethlehem.

Die Deutsche Statthalterei

Die unter Statthalter Franz Josef Fürst zu Salm-Reifferscheidt-Dyck (1899-1958) im Dezember 1933 in Köln errichtete Deutsche Statthalterei umfasste 2010 über 1.300 Mitglieder, davon etwa 1.000 weltliche Ritter, 200 Damen sowie 130 Geistliche (Stand 2008). Ab 1953 wurden sechs Ordensprovinzen (Bayerische, Südwestdeutsche, Norddeutsche, Rhein-Main, Rheinisch-Westfälische, Ostdeutsche) mit 37 Komtureien eingerichtet. Als Großprior der Deutschen Statthalterei fungiert seit 2006 der damalige Bischof von Trier Reinhard Kardinal Marx (geb. 1953), der seit 2007 Erzbischof von München und Freising ist.

Ritter vom Heiligen Grabe in Bayern

Auch aus dem Gebiet des heutigen Bayern empfingen seit dem Spätmittelalter Jerusalempilger am Heiligen Grab den Ritterschlag. Dazu gehörten zahlreiche Angehörige des Nürnberger Patriziats, besonders aus der Familie Ketzel (1389 Heinrich Ketzel, gest. 1438). Ihr Epitaph an der Sebalduskirche in Nürnberg weist neben anderen Ritterordenssymbolen das Kreuz des Ordens vom Heiligen Grabe auf. Die zollerschen Markgrafen Johann der Alchimist (1406-1464) und Albrecht Achilles (1414-1486, Kurfürst 1470-1486) von Brandenburg unternahmen 1435 mit einem großen Gefolge aus fränkischen Adeligen eine Wallfahrt zum Heiligen Grabe und empfingen den Ritterschlag. Auch mehrere Wittelsbacher zogen nach Jerusalem und wurden dort zu Rittern geschlagen:

Als erster Wittelsbacher im 19. Jahrhundert empfing Herzog Max in Bayern (1808-1888) am 13. Mai 1838 anlässlich seiner Heilig-Land-Reise den Ritterschlag in der Franziskanerkirche St. Salvator in Jerusalem. König Ludwig I. von Bayern (1786-1868, reg. 1825-1848) gründete in diesem Jahr den Ludwig-Missions-Verein zur Unterstützung der Franziskaner als Hüter des Heiligen Grabes und Betreuer von Jerusalem-Pilgern. Vor diesem Hintergrund ist die Aufnahme führender Persönlichkeiten des Görreskreises aus München in den Jahren 1844 und 1846 in den Grabesorden zu sehen:

  • des Erzbischofs von München und Freising Karl August von Reisach (1800-1869, reg. 1846-1856, 1855 Kardinal)
  • des Innenministers Karl von Abel (1788-1859)
  • des Rektors der Universität München und Rechtshistorikers George Phillips (1804-1872),
  • des Historikers und Politikers Prof. Dr. Johann Nepomuk Sepp (1816-1909), der ein zweibändiges Werk "Jerusalem und das heilige Land", Schaffhausen 1863, verfasste

Auch später wurden einzelne Jerusalem-Pilger aus Bayern investiert. Im Jahr 1869 wurde der Bruder König Ludwigs II. (1845-1886, reg. 1864-1886), Prinz Otto von Bayern (1848-1916, König 1886-1913), Grabesritter. In der Folgezeit ließen sich besonders zahlreiche Kleriker in den Ritterorden aufnehmen, gefördert durch die Zusammenarbeit mit dem 1903 gegründeten "Bayerischen Pilgerverein vom Heiligen Land". Daneben gab es auch Ordensritter und Damen aus dem Laienstand.

Die Bayerische Ordensprovinz

Nach dem Zweiten Weltkrieg fungierte der 1952 investierte Erbprinz und Herzog Albrecht von Bayern (1905-1996) als erster Präsident der 1953 gegründeten Bayerischen Provinz des Ritterordens vom Heiligen Grabe. Im Jahr 1957 fand die erste Investiturfeier der Deutschen Statthalterei mit der öffentlichen Promulgation der Bayerischen Ordensprovinz in der Theatinerkirche in München statt, an der der Großprior, Lorenz Jaeger (1892-1975, reg. 1941-1973), Erzbischof von Paderborn, und der Ehrengroßprior Josef Kardinal Wendel, Erzbischof von München und Freising (1901-1960, reg. 1952-1960), teilnahmen. Unter den ersten Damen und Rittern waren Elisabeth Freifrau zu Guttenberg (1900-1998), Staatsminister Dr. Alois Hundhammer (1900–1974) und Prof. Dr. Max Lebsche (1886-1957). Hundhammer fungierte von 1968 bis 1971 als Leiter der Deutschen Statthalterei.

Der Historiker Prof. Dr. Götz Freiherr von Pölnitz (1906-1967) übernahm 1959 die Leitung der Bayerischen Ordensprovinz und sorgte für ihren Ausbau. Im Jahr 1960 wurde unter seiner Leitung die Komturei München unter dem Schutz der Patrona Bavariae proklamiert. Als ihr Prior fungierte bis 1966 der Gründungsdirektor der katholischen Akademie in Bayern Dr. Karl Forster (1928-1981). Als Ordenskirche der bayerischen Provinz dient die Theatinerkirche.

Bei der großen Investiturfeier der Deutschen Statthalterei in der Münchner St. Michaelskirche im Jahr 2004 wurde in Anwesenheit des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem Michel Sabbah (geb. 1933, reg. 1987-2008) Herzog Franz von Bayern (geb. 1933) als Großkreuzritter in den Orden aufgenommen. Die Bayerische Ordensprovinz umfasste 2010 die Komtureien in:

Literatur

  • Hans Jürgen Brandt, Jerusalem hat Freunde. München und der Ritterorden vom Heiligen Grab. Festgabe zum goldenen Jubiläum der Komturei Patrona Bavariae, Sankt Ottilien 2010.
  • Valmar Cramer/Gustav Meinertz (Hg.), Das Heilige Land in Vergangenheit und Gegenwart. Gesammelte Beiträge und Berichte zur Palästinaforschung. 2.-5. Band, Köln 1940-1950.
  • Valmar Cramer, Der Ritterorden vom Hl. Grabe von den Kreuzzügen bis zur Gegenwart, Köln 2. erweiterte Auflage mit Ergänzungen von Robert Frohn 1983.
  • Heinrich Dickmann/Paul Theodor Oldenkott (Hg.), Erbe und Aufgabe. Der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem, Paderborn 2009.
  • Kaspar Elm, Kanoniker und Ritter vom Heiligen Grab. Ein Beitrag zur Entstehung und Frühgeschichte der palästinensischen Ritterorden, in: Josef Fleckenstein/Manfred Hellmann (Hg.), Die geistlichen Ritterorden Europas (Vorträge und Forschungen 26), Sigmaringen 1980, 141-169.
  • Kaspar Elm, Umbilicus Mundi. Beiträge zur Geschichte Jerusalems, der Kreuzzüge, des Kapitels vom Hlg. Grab in Jerusalem und der Ritterorden (Instrumenta Canonissarum Regularium Sancti Sepulcri 7), Brügge 1998.
  • Friedrich H. Hofmann, Denkmäler des Ordens vom Hl. Grab in Bayern, in: Das Bayerland 23 (1911/12), 646-651, 661-667.
  • Peter Paul Pergler/Johann Stolzer, Deus Lo Vult. Der Ritterorden vom Heiligen Grabe zu Jerusalem, Graz 2000.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Grabesritter, Ritter vom Heiligen Grab

Empfohlene Zitierweise

Dieter J. Weiß, Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem, publiziert am 20.02.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Ritterorden_vom_Heiligen_Grab_zu_Jerusalem (19.03.2024)