Röhm-Putsch (30. Juni 1934)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Der "Röhm-Putsch" am 30. Juni 1934 zählt zu den wichtigen Zäsuren in der inneren Entwicklung der NS-Diktatur. Von Adolf Hitler (NSDAP, 1889-1945, Reichskanzler 1933–1945) direkt initiiert, verhafteten Einheiten von Schutzstaffel (SS), Sicherheitsdienst (SD) des Reichsführers SS und Geheimer Staatspolizei (Gestapo) die Führung der SA um deren Chef Ernst Röhm (NSDAP, 1887–1934, Stabschef der SA 1931–1934). Im Zuge dieser „Säuberungsmaßnahme“ wurden im Deutschen Reich rund 100 Personen von SS, SD und Gestapo ermordet, im Wesentlichen die Führungsriege der SA, aber auch andere, bei Hitler in Ungnade gefallene Parteigänger, politische Gegner, Juden und vollkommen Unbeteiligte. Von der NS-Propaganda wurde das harte Vorgehen gegen Röhm und die SA als „rettende Tat“ Hitlers dargestellt, der das deutsche Volk vor Unglück bewahrt habe. Eine strafrechtliche Aufarbeitung der Ereignisse des "Röhm-Putsches" geschah erst nach dem Ende der NS-Diktatur, zunächst beiläufig im Rahmen der Nürnberger Prozesse und dann erst erneut in der Bundesrepublik. Der "Röhm-Putsch" führt bislang in der NS-Forschung eher ein Schattendasein.
Die SA als Machtfaktor
Die Sturmabteilung (SA) hatte schon in der Phase der nationalsozialistischen Machtergreifung eine entscheidende Rolle gespielt. Seitdem entwickelte sie sich zu einer bedeutenden Massenorganisation. Mitte 1934 war ihre Mitgliederzahl von etwa 500.000 zum Zeitpunkt der Regierungsübernahme durch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) auf 4,5 Mio. angewachsen – die zahlenmäßige Stärke der SA überstieg damit die der NSDAP (ca. 3,9 Mio.). Auch infolge der Eingliederung nationaler Wehrverbände war die Zusammensetzung der SA alles andere als homogen. Zudem gab es innerhalb der SA zahlreiche Reibereien und Unmutsbekundungen, insbesondere altgedienter SA-Leute über die eigene miserable wirtschaftliche Lage. Dennoch verfügte der Stabschef der SA, Ernst Röhm (NSDAP, 1887–1934, Stabschef der SA 1931–1934), mit dieser Massenorganisation über einen bedeutenden innenpolitischen Machtfaktor, auf den gestützt er weitreichende politische Ziele verfolgte.
Dieser Machtanspruch wurde mit der Forderung nach einer „zweiten Revolution“ verbunden, die die sog. nationalsozialistische Revolution vollenden und vor allem auch die wirtschaftliche Lage vieler SA-Mitglieder verbessern sollte. Die SA bezeichnete Röhm dabei als „Willensträger der nationalsozialistischen Revolution“. Mit diesen Forderungen unterstrich Röhm seine machtpolitischen Ambitionen, die vor allem darauf abzielten, aus der SA eine bewaffnete Miliz zu machen, in der die Reichswehr lediglich eine Ausbildungsorganisation innerhalb eines SA-Volksheeres sein sollte, wie er Reichswehrminister Werner von Blomberg (1878–1946, Reichswehrminister 1933–1938) in einer Denkschrift am 1. Februar 1934 darlegte. Die Reichswehrführung war auf das Äußerste alarmiert und intervenierte bei Adolf Hitler (NSDAP, 1889–1945, Reichskanzler 1933–1945). Dieser entschied sich zugunsten der Reichswehrführung, indem er vor den Spitzen von SA und Reichswehr am 28. Februar einer Wehrmacht (Bezeichnung der Reichswehr ab 1935) mit Allgemeiner Wehrpflicht gegenüber einer Miliz im Sinne Röhms den Vorzug gab. Für seine Kriegspläne benötigte Hitler die Unterstützung der Wirtschaft und der Reichswehr. Zugleich warnte er den Stabschef der SA, ihm in den Rücken zu fallen. Hitlers Ablehnung seiner Pläne war eine bittere Enttäuschung für Röhm, mit der er sich nicht abfinden wollte. Wiederholt erneuerte er seine Forderung nach Fortsetzung der „nationalsozialistischen Revolution“ und betonte das Primat des Soldaten in der Politik.
Neben Röhms umstrittenen Ansichten zur Wehrverfassung führten zahllose Eigenmächtigkeiten und Übergriffe von SA-Männern dazu, dass die SA von den Führungskräften in Militär und Verwaltung, aber auch von vielen NSDAP-Gauleitern und anderen Angehörigen der Partei-Organisation zunehmend als belastender Unruhefaktor empfunden wurde und insbesondere in bürgerlich-konservativen Schichten der Bevölkerung auf Ablehnung stieß.
Die konservativen Kritiker
In konservativen politischen Kreisen machte sich aber auch die Hoffnung breit, die Konflikte mit der SA nutzen zu können, um die eigene Position gegenüber den Nationalsozialisten im Regierungsbündnis zu stärken und unter Umständen sogar nach dem Ableben des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847–1934, Reichspräsident 1925–1934) die Monarchie wieder einzuführen. Sie setzten ihre Hoffnungen vor allem auf Vizekanzler Franz von Papen (1879–1969, Vizekanzler 1933–1934). Dieser hielt am 17. Juni 1934 an der Universität Marburg (Hessen) eine Rede, die im Wesentlichen sein politischer Berater und Redenschreiber Edgar Julius Jung (1894–1934) unter Mitwirkung von Papens Pressechef Herbert von Bose (1893–1934) verfasst hatte. Hierin wandte sich der Vizekanzler mit Nachdruck gegen die Bestrebungen der SA und deren Forderung nach einer „zweiten Revolution“: Die Zeit der Emanzipation des jeweils niedrigsten Standes gegen die höheren Stände sei vorüber, betonte er. Kein Volk könne sich den ewigen Aufstand von unten leisten. Zugleich enthielt die Rede aber auch deutliche Kritik an der Art der Herrschaft der NSDAP, allerdings geschickt verpackt mit Zitaten aus Hitlers „Mein Kampf“ und Lobpreisungen auf die 1933 erreichte „Einheit des Geistes“, zu der Deutschland zurückgefunden habe.
Propagandaminister Joseph Goebbels (NSDAP, 1897–1945, Propagandaminister 1933–1945) unterband die Veröffentlichung dieser Rede. Bereits im Mai hatte er einen propagandistischen Feldzug gegen die „Miesmacher“ und „Nörgler“ im bürgerlich-konservativen Lager gestartet, den er im Juni noch einmal intensivierte: Von Papen reagierte auf diese Attacken, indem er am 19. Juni Hitler gegenüber drohte, dem Reichspräsidenten seinen Rücktritt anzubieten. Damit wäre die Fortsetzung des nationalsozialistisch-konservativen Regierungsbündnisses infrage gestellt worden.
Der Schlag gegen die SA im Sommer 1934
In dieser Situation schlug Hitler zu – nicht gegen das bürgerlich-konservative Lager, sondern gegen die Führungsriege der SA. Ein ausschließliches Vorgehen gegen die bürgerlich-konservative Opposition hätte ein unkalkulierbares Risiko bedeutet. Dagegen bot die SA ein geeignetes Angriffsziel: Sie war isoliert und in weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebt.
Die in der vorletzten Juni-Woche beschlossene Aktion gegen die SA wurde minutiös vorbereitet: Um den 25. Juni 1934 wurden die Führer von Schutzstaffel (SS) und Sicherheitsdienst (SD) in Alarmbereitschaft versetzt und nach Berlin berufen. Dort erklärten ihnen Heinrich Himmler (NSDAP, 1900–1945, Reichsführer-SS 1929–1945) und Reinhard Heydrich (NSDAP, 1904–1942), dass eine Revolte der SA unmittelbar bevorstehe. Auch die Reichswehr wurde über den angeblichen Putschplan informiert und veranlasst, den SS-Einheiten Waffen, Transportraum und Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Am 29. Juni begab sich Hitler nach Essen (Nordrhein-Westfalen), um an der Hochzeit von Gauleiter Josef Terboven (NSDAP, 1898–1945, Gauleiter Essen ab 1928) teilzunehmen. In seiner Begleitung befanden sich der preußische Ministerpräsident Hermann Göring (NSDAP, 1893–1946, preuß. Ministerpräsident 1933–1945) und der ihm ergebene SA-Obergruppenführer Viktor Lutze (NSDAP, 1890–1943), der Röhm als Stabschef der SA nachfolgen sollte. Von Essen aus befahl Hitler Röhm, dafür zu sorgen, dass sich die höheren Führer der SA am späten Vormittag des 30. Juni zu einer Besprechung mit Hitler in Röhms Kurort Bad Wiessee (Lkr. Miesbach) einfanden.
In Essen wurden auch die Einzelheiten für den Schlag gegen die SA besprochen, ehe Hitler zusammen mit Lutze und Goebbels noch in der selben Nacht nach München flog, das sie vier Uhr morgens erreichten. Gegen Mitternacht erreichte ihn die Meldung vom Gauleiter für München-Oberbayern und bayerischen Innenminister, Adolf Wagner (NSDAP, 1890–1944), die SA habe in München gegen Führer und Reichswehr demonstriert. Daraufhin wurden der Münchener SA-Chef, Obergruppenführer August Schneidhuber (NSDAP, 1887–1934) und sein Stellvertreter, Gruppenführer Wilhelm Schmid (NSDAP, 1889–1934), ins Innenministerium bestellt, wo sie von Hitler des Verrats bezichtigt wurden. Er enthob Schneidhuber und Schmid aller ihrer Ämter und riss ihnen die Orden und Rangzeichen von der Uniform. Anschließend ließ er sie verhaften und ins Gefängnis München-Stadelheim bringen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatten aber beide nichts mit der SA-Demonstration zu tun. Diese wurde vielmehr auf Veranlassung von SD-Chef Heydrich durch gefälschte Alarmzettel provoziert, um den Eindruck einer lokalen SA-Erhebung vorzutäuschen.
Da ein für den Schlag gegen die SA-Führung zusammengestelltes SS-Sonderkommando unter Josef „Sepp“ Dietrich (NSDAP, 1892–1966) nicht rechtzeitig zur Verfügung stand, fuhr Hitler von München aus in Begleitung von Goebbels und Lutze sowie ausgesuchten SS-Männern nach Bad Wiessee. In der Pension Hanselbauer, wo sich die SA-Führung um Röhm einquartiert hatte, herrschte noch völlige Ruhe. Die zur Besprechung eingetroffenen SA-Führer hatten am Vorabend ausgiebig gezecht und schliefen ihren Rausch aus.
Hitler ließ es sich nicht nehmen, Röhm höchstpersönlich die Verhaftung mitzuteilen. Der homosexuelle Breslauer Polizeipräsident Edmund Heines (NSDAP, 1897–1934) wurde im Bett mit Erich Schiewek (NSDAP, 1913–1934) vorgefunden. Die SA-Führungsriege wurde ins Gefängnis Stadelheim geschafft. Andere SA-Führer, die mit den Nachtschnellzügen aus allen Teilen Deutschlands zur anberaumten Konferenz angereist waren, wurden auf dem Münchener Hauptbahnhof von Beamten der Bayerischen Politischen Polizei (BPP) festgenommen. Darunter befanden sich der Leiter des Politischen Amtes der Obersten SA-Führung Georg von Detten (NSDAP, 1887–1934), der sächsische Ministerpräsident Manfred Freiherr von Killinger (NSDAP, 1886–1944) und der Führer der SA-Gruppe Pommern, Peter von Heydebreck (NSDAP, 1889–1934). Auf Befehl Hitlers wurden Wilhelm Schmid, August Schneidhuber, Hans Hayn (NSDAP, 1896–1934), Peter von Heydebreck, Hans Erwin von Spreti-Weilbach (NSDAP, 1908–1934) und Edmund Heines von einem Kommando unter Sepp Dietrich in Stadelheim erschossen. Bei Röhm zögerte Hitler zunächst noch. Am 1. Juli 1934 erhielt der Kommandant des Konzentrationslagers (KZ) Dachau, Theodor Eicke (NSDAP, 1892–1943, Kommandant des KZ Dachau 1933–1934), von Hitler den Befehl, Röhm Gelegenheit zum Selbstmord zu geben. Falls er sich weigere, solle er erschossen werden. Eicke beauftragte seinen Stellvertreter Michael Lippert (NSDAP, 1897–1969), an der Ausführung dieses Befehls teilzunehmen. Nachdem Röhm der Aufforderung zum Selbstmord nicht nachkam, erschossen ihn Eicke und Lippert in seiner Zelle. Andere Festgenommene wie Erich Schiewek, Max Vogel (NSDAP, 1908–1934), Hans Schweighart (1894–1934), Edmund Paul Neumayer (NSDAP, 1908–1934) wurden ins KZ Dachau gebracht und dort erschossen. Gegen 10 Uhr traf Hitler im „Braunen Haus“ in München ein. Dort ernannte er Viktor Lutze zum neuen Staatschef der SA. Göring wurde unterdessen angewiesen, die Aktion im norddeutschen Raum durchzuführen. Auch hier kam es unter Leitung von Heydrich zu Festnahmen zahlreicher höherer SA-Führer sowie einiger weiterer Personen, die als gefährlich angesehen wurden. Ein Teil der festgenommenen SA-Führer – wie der Berliner SA-Chef Karl Ernst (1904–1934) und sein enger Mitarbeiterkreis – wurden in die Lichterfelder Kadettenanstalt gebracht und ermordet. Andere hochrangige SA-Führer, die am 30. Juni 1934 in München verhaftet worden waren, wurden mit Sonderflugzeugen nach Berlin verbracht und ebenfalls in Lichterfelde erschossen, so Georg von Detten, Hans-Joachim Freiherr von Falkenhausen (1897–1934) oder Fritz von Kraußer (1888–1934).
Weitere Opfer des "Röhm-Putsches"
Neben 50 höheren SA-Führern wurden zahlreiche Regimegegner und politische Rivalen Hitlers im Zuge des "Röhm-Putsches" ermordet. Schwerpunkte der Exekutionen waren München, Berlin und Schlesien. Insgesamt wurden neueren Forschungen zufolge etwa 100 Personen umgebracht, von denen bislang lediglich 89 bzw. 90 namentlich identifiziert werden konnten. Am Abend des 30. Juni hatte Göring erklärt, dass er seinen Aufgabenbereich erweitert habe, indem er auch einen Schlag gegen die „Unzufriedenen“ geführt habe. Dieser traf vor allem konservative Kräfte um Vizekanzler von Papen. Während von Papen unter Hausarrest gesetzt wurde, wurden seine engsten Mitarbeiter Edgar J. Jung und Herbert von Bose ermordet. Auch Kräfte des politischen Katholizismus wie der Leiter der Katholischen Aktion in Berlin, Ministerialdirektor Erich Klausener wurden ermordet.
Unter den Opfern des 30. Juni befanden sich auch diverse Gegner Hitlers aus vergangenen Jahren, so der frühere Reichskanzler Kurt von Schleicher (1882–1934, Reichskanzler 1932–1933) samt seiner Ehefrau Elisabeth (geb. von Hennings, 1893–1934) sowie dessen langjähriger Mitarbeiter, Generalmajor Ferdinand von Bredow (1884–1934). Außerdem wurden alte Rechnungen beglichen: Der bayerische Generalstabskommissar des Jahres 1923, Gustav Ritter von Kahr (1862–1934, Generalstaatskommissar 1923–1924), den Hitler für den gescheiterten Putsch 1923 verantwortlich machte, fiel dem Mordkomplott ebenso zum Opfer wie Hitlers innerparteilicher Rivale Gregor Strasser (NSDAP, 1892–1934).
Kurt von Schleicher (1882-1934, Reichskanzler 1932-1933). Foto Heinrich Hoffmann. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv Hoffmann, hoff-3451)
Elisabeth von Schleicher (geb. von Hennigs, 1893-1934), Foto 1932. (Bundesarchiv, B 145 Bild-P046304/Weinrother, Carl/CC-BY-SA 3.0)
Ferdinand von Bredow (1884-1934). Foto 1930. (Gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Hans-Joachim Freiherr von Falkenhausen (1897-1934). Foto 1931. (Gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Georg von Detten (1887-1934). Foto ca. 1932. (Gemeinfrei via Wikimedia Commons)
Manfred Freiherr von Killinger (1886-1944). Foto Juli 1940. (Bundesarchiv, Bild 183-L07770/Heinscher/CC-BY-SA 3.0)
Die übrige Gruppe der Opfer gestaltete sich heterogen: Neben einzelnen Kommunisten, Sozialdemokraten und Juden wurden gelegentlich des "Röhm-Putsches" auch private Gegner höherer NS-Führer ermordet, ebenso Personen, die schlichtweg einer (Namens-)Verwechslung zum Opfer fielen.
Die Haltung der Reichswehr
Die Reichswehr unterstützte die Mordaktion des 30. Juni 1934, weil Röhm mit seinen Forderungen zum Status der SA die Monopolstellung der Reichswehr als dem alleinigen „Waffenträger der Nation“ bedrohte. Reichswehrminister Blomberg hatte zusammen mit dem Generalmajor und Chef des Ministeramtes im Reichswehrministerium, Walter von Reichenau (1884-1942), Hitler zum Handeln gedrängt. Beide sollen nach Aussage von Görings Staatsekretär im Preußischen Staatsministerium, Paul Körner (NDSAP, 1893-1957), Reinhard Heydrich belastendes Material gegen Röhm zugespielt haben. Reichenaus Abwehramt sammelte Nachrichten und arbeitete eng mit dem noch jungen SD zusammen. Am 29. Juni 1934 veröffentlichte Reichswehrminister Blomberg im Völkischen Beobachter einen Artikel, in dem er versicherte, die Reichswehr stehe hinter dem "Führer des Reiches". Mit dieser Treueerklärung gab er gleichsam Hitler die Ermächtigung zum Schlag gegen die SA. In der Kabinettssitzung vom 3. Juli 1934 dankte Reichswehrminister Blomberg Hitler „für sein entschlossenes und mutiges Handeln, durch das er das deutsche Volk vor dem Bürgerkrieg bewahrt habe.“ Als Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847-1934, Reichspräsident 1925-1934) anfänglich Kritik an der Mordaktion äußerte, war es Blomberg, der ihn besänftigte. Daraufhin unterzeichnete Hindenburg ein Dankestelegramm an Hitler. Zwei Generäle der Reichswehr (Kurt von Schleicher und Ferdinand von Bredow) wurden von der SS getötet. Die Reichswehrführung leistete allerdings keinen Widerstand und nahm diese Morde widerspruchslos zur Kenntnis. Sie erhob auch keinen Einwand, als Hitler nach dem Tod des Reichspräsidenten am 2. August 1934 die Ämter des Reichskanzlers und des Staatsoberhauptes auf sich vereinigte und damit auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte wurde. Reichswehrminister Blomberg führte sogar eine neue Eidesformel ein, mit der die Soldaten sich verpflichteten, „dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam" zu leisten und „jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.“
Bekannte Opfer des "Röhm-Putsches" in und aus Bayern
SA-Angehörgie
Name | Biographische Informationen | Todesumstände | |
---|---|---|---|
Hayn, Hans | Geb. 1896 in Liegnitz (Legnica, Polen). Kaufmännischer Angestellter, SA-Führer. Angehöriger verschiedener Freikorps und rechtsextremer Wehrverbände, Ende der 1920er Jahre schließlich der SA. 1931 bis 1933 ranghoher SA Führer in Schlesien. | 1.7.1933 Führer der SA-Gruppe Sachsen. Am 30.6.1934 verhaftet und im Gefängnis München-Stadelheim erschossen. | |
Heines, Edmund | Geb. 1897 in München. SA-Führer. Angehöriger verschiedener Freikorps und rechtsextremer Wehrverbände, seit 1922 der SA. In den 1920er Jahren an verschiedenen Fememorden beteiligt, 1931 kurzzeitig Stellvertreter Röhms als Stabschef der SA, dann Führer der SA-Gruppe Schlesien. | 1933 Führer der SA-Obergruppe VIII (Schlesien), Polizeipräsident von Breslau (Wrocław, Polen). Am 30.6.1934 in in Bad Wiessee verhaftet und ins Gefängnis München-Stadelheim gebracht, dort erschossen. | |
Heydebreck, Peter von (eigentlich Hans Adam Otto von Heydebreck) | Geb. 1889 in Köslin (Koszalin, Polen). SA-Führer. Angehöriger verschiedener Freikorps und rechtsextremer Wehrverbände. 1925 Mitbegründer der SA in Oberschlesien, 1932 Angehöriger des Stabs der Obersten SA-Führung. | 1933 Führer der SA-Gruppe IV (Pommern). Am 30.6.1934 am Münchener Hauptbahnhof oder in der Nähe von Bad Wiessee verhaftet und im Gefängnis München-Stadelheim erschossen. | |
König, Heinrich Johann | Geb. 1898 in München. Chauffeur von Ernst Röhm, SA-Mann. | Am 2.7.1934 im KZ Dachau erschossen. | |
Kraußer, Friedrich (Fritz) Ritter von | Geb. 1888 in Nürnberg. Offizier, Kaufmann, SA-Führer. In den 1920er Jahren Mitglied verschiedener Freikorps und rechtsextremer Wehrverbände, Tätigkeitsschwerpunkt in Franken. 1931 Eintritt in die SA und dort rascher Aufstieg: 1931 Führer der SA-Gruppe Hochland, 1932 Chef der Abteilung I (Organisation) der Obersten SA-Führung, Stellvertreter von Ernst Röhm als Stabschef der SA. | Am 30.6.1934 verhaftet und ins Gefängnis München-Stadelheim gebracht. Zunächst begnadigt und aus der Haft entlassen, dann nach Berlin gebracht und dort am 2.7.1934 erschossen. | |
Neumayer, Edmund Paul | Geb. 1908 in München. Friseur, seit 1932 SA-Mann. | Seit April 1934 Angehöriger des Stabs der Obersten SA-Führung. Als solcher am 30.6.1934 in Bad Wiessee verhaftet und ins Gefängnis München-Stadelheim verbracht. Am 1.7.1934 im KZ Dachau erschossen. | |
Röhm, Ernst | Geb. 1887 in München. Offizier, SA-Führer. Seit 1919 Zentralfigur in verschiedenen rechtsradikalen Freikorps und Wehrverbände Einwohnerwehren (Reichskriegsflagge, Deutscher Kampfbund, Frontbann, SA). Ab 1921 und abermals - nach zeitweiser Tätigkeit in Bolivien 1928 bis 1930 - Aufbau und gleichzeitig als Stabschef Anführer der SA. | Nach der NS-Machtergreifung 1933 u. a. Staatskommissar z. b. V. in Bayern und Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Am 30.6.1934 in Bad Wiessee verhaftet und ins Gefängnis München-Stadelheim verbracht. Dort am 1.7.1934 erschossen. | |
Röhrbein, Paul | Geb. 1890 in Charlottenburg (Berlin). Mitte der 1920er Jahre führend im Frontbann tätig, seitdem Bekanntschaft und enge Beziehungen zu Ernst Röhm, jedoch keine SA-Mitgliedschaft. | Seit Sommer 1933 in verschiedenen Gefängnissen in München und im KZ Dachau in Schutzhaft. Dort am 30.6./1.7.1934 erschossen. | |
Schätzl, Martin | Geb. 1909 in München. Kunstmaler. Seit Ende der 1920er Jahre persönlicher Mitarbeiter und Sekretär von Ernst Röhm. | Seit Februar 1934 Angehöriger des Stabs der Obersten SA-Führung. Als solcher am 30.6.1934 in Bad Wiessee verhaftet und ins Gefängnis München-Stadelheim verbracht. Am 2.7.1934 im KZ Dachau erschossen. | |
Schiewek, Erich | Geb. 1913 in Breslau (Wrocław, Polen). Schlosser, SA-Mann in Breslau. | Begleitete Edmund Heines am 29.6.1934 nach Bad Wiessee, dort am 30.6.1934 verhaftet. Transport ins Gefängnis München-Stadelheim. Am 1.7.1934 im KZ Dachau erschossen. | |
Schmid, Wilhelm | Geb. 1889 in München. Offizier, Kaufmann, SA-Führer. Anfang der Weimarer Republik Angehöriger verschiedener Freikorps. 1931 Eintritt in die SA, dort Leiter des Personalwesens beim Stab der Obersten SA-Führung, 1932 Chef des Personalamts beim Stab der Obersten SA-Führung, 1933 Führer der SA-Gruppe Hochland. | Am frühen Morgen des
30.6.1934 in München verhaftet und am gleichen Tag im Gefängnis München-Stadelheim erschossen. |
|
Schneidhuber, August | Geb. 1887 in Traunstein. Offizier, Landwirt, SA-Führer. Seit 1929 im Stab der Obersten SA-Führung und Führer verschiedener SA-Gruppen in und außerhalb Bayerns, zuletzt, ab 1.7.1933, der SA-Obergruppe VII (Bayerische Ostmark, Franken und Hochland). | Seit 7.4.1933 Nachfolger Heinrich Himmlers als Polizeipräsident von München. Am frühen Morgen des 30.6.1934 in München verhaftet und am gleichen Tag im Gefängnis München-Stadelheim erschossen. | |
Schweighart, Hans | Geb. 1894 in Allach bei München. SA-Mann. In den 1920er Jahren Mitglied in verschiedenen Freikorps. An mehreren Fememorden beteiligt. | 1933 Adjutant beim Reichsstatthalter in Bayern, dann Adjutant bei Ernst Röhm. Als solcher am 30.6.1934 in Bad Wiessee verhaftet und ins Gefängnis München-Stadelheim verbracht. Am 1.7.1934 im KZ Dachau erschossen. | |
Spreti-Weilbach, Hans Erwin Graf von | Geb. 1908 in Karlsruhe (Baden-Württemberg). Diplom-Landwirt, SA-Führer. 1920–1927 Schulzeit in München, 1929–1932 Studium der Landwirtschaft in München, Weihenstephan und Kiel (Schleswig-Holstein), 1932–1933 SA-Führer zur besonderen Verwendung im Stab der Obersten SA-Führung. | Mai-Oktober 1933 SA-Führer zur besonderen Verwendung bei der SA-Gruppe Schlesien, dann 1. Adjutant beim Chef des Stabes der SA. Als solcher am 30.6.1934 in Bad Wiessee oder am Münchener Hauptbahnhof verhaftet und im Gefängnis München-Stadelheim erschossen. | |
Uhl, Julius | Geb. 1903 in Böbing (Lkr. Weilheim-Schongau). SA-Mann, Chef der SA-Stabswache im Braunen Haus in München, SA-Standartenführer. Als Auftragsmörder der NSDAP in verschiedene Mordaktionen verstrickt. Soll 1932 angeblich Pläne zur Ermordung Hitlers gehabt haben. Oktober 1933 Führer der SA-Standarte 10 (Ingolstadt). | Am 30.6.1934 in Bad Wiessee verhaftet. Am 2.7.1934 im KZ Dachau erschossen. | |
Vogel, Max | Geb. 1908 in München. Mechaniker, SA-Mann. Seit Beginn der 1930er Jahre als Mechaniker und Chauffeur Angehöriger des Stabs der Obersten SA-Führung. | Am 30.6.1934 in Bad Wiessee verhaftet und ins Gefängnis München-Stadelheim verbracht. Am 1.7.1934 im KZ Dachau erschossen. |
Politische Gegner
Name | Biographische Informationen | Todesumstände | |
---|---|---|---|
Ballerstedt, Otto | Geb. 1887 in München. Ingenieur. Gründer und Anführer des in den frühen 1920er Jahren aktiven separatistischen Bayernbundes, dabei Konflikt mit der NSDAP unter Hitler, der 1921 eine Veranstaltung des Bayernbundes sprengte und deswegen zu drei Monaten Gefängnis verurteilt wurde. | Am 30.6.1934 aus seiner Wohnung in München verschleppt und im Gündinger Wald (Lkr. Dachau) erschossen. | |
Gans, Erich | Geb. 1908 in Nürnberg. Arbeiter, Jude, Kommunist. | Nach der NS-Machtergreifung 1933 verhaftet und ins KZ-Dachau überstellt, dort am 30.6.1934 erschossen. | |
Gerlich, Fritz | Geb. 1883 in Stettin. Journalist, Archivar. 1920–1928 Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten; ab 1932 Herausgeber der antinationalsozialistischen Zeitung Der Gerade Weg. | ||
Häbich, Walter | Geb. 1904 (oder 1905) in Botnang (Baden-Württemberg). Arbeiter. Seit Anfang der 1920er Jahre Funktionär der KPD. Seit 1930 Redakteur bei der kommunistischen Neuen Zeitung in München. | Nach der NS-Machtergreifung 1933 Fortsetzung der politischen Arbeit im Untergrund. Im September 1933 Verhaftung und Einlieferung in das KZ Dachau, dort am 30.6.1934 (oder 1.7.1934) erschossen. | |
Jung, Edgar | Geb. 1894 in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz). Jurist, Publizist, konservativer Politiker. 1924 Hauptverantwortlicher des Attentats auf den Präsidenten der Autonomen Pfalz, Franz Josef Heinz (1884–1924), in Zusammenarbeit mit rechtsradikalen Freikorps und Wehrverbänden. Nach anschließender dauerhafter Ausweisung aus der bayerischen Pfalz Tätigkeit als Rechtsanwalt in München. Seit 1932 politischer Berater und Redenschreiber Franz von Papens. | Als Zentralfigur konservativ-monarchistischer Kreise und wegen seiner Urheberschaft von Papens Marburger Rede am 25.6.1934 in Berlin durch die Gestapo verhaftet. Am 30.6.1934 (oder 1.7.1934) bei Oranienburg (Brandenburg) erschossen. | |
Kahr, Gustav Ritter von | Geb. 1862 in Weißenburg (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen). Beamter, konservativer Politiker. 1917–1920 Regierungspräsident von Oberbayern, 1920/21 Ministerpräsident, 1923/24 Generalstaatskommissar und als solcher Schlüsselfigur bei Hitlers Putschversuch 1923, dem er zunächst Unterstützung zusagte, diese dann aber zurückzog. Dann bis zu seiner Ruhestandsversetzung Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes. | Am 30.6.1934 von einem SS-Kommando aus seiner Münchner Wohnung in das KZ Dachau gebracht und dort erschossen. |
Frühere Nationalsozialisten
Name | Biographische Informationen | Todesumstände | |
---|---|---|---|
Glaser, Alexander | Geb. 1884 in München. Rechtsanwalt. 1920–1928 Mitglied des Landtags, zunächst für die DVP, ab 1924 für den Völkischen Block. 1932 durch Gregor Strasser zum Stabsleiter in der Reichsleitung der NSDAP ernannt. | Im März 1934 kurzzeitig in Haft. Am 30.6.1934 vor seiner Münchner Wohnung in den Kopf geschossen, verstorben am 5.7.1934. | |
Stempfle, Bernhard | Geb. 1882 in München. Theologe, Publizist. Bis ca. 1923 Angehöriger des Ordens der Armen Eremiten des Heiligen Hieronymus. In den frühen Jahren der Weimarer Republik Mitglied in der Organisation Kanzler, in verschiedene Fememorde verwickelt. 1922–1925 Herausgeber des Miesbacher Anzeigers. In den 1920er Jahren Bekannter Hitlers, angeblich Mitarbeit an dessen Hetzschrift Mein Kampf. 1929 Leiter des Parteiarchivs der NSDAP, der er Anfang 1934 beitrat. | Am 1.7.1934 von der Gestapo aus seiner Wohnung in München abgeholt, in das KZ Dachau gebracht und dort ermordet. | |
Strasser, Gregor | Geb. 1892 in Geisenfeld (Lkr. Pfaffenhofen a.d. Ilm). Apotheker, Politiker. Anfang der 1920er Jahre Eintritt in die NSDAP. 1925–1928 als Reichspropagandaleiter bzw. 1928–1932 als Reichsorganisationsleiter einer der führenden Politiker in der NSDAP. 1932 Bruch mit Hitler infolge Strassers eigenmächtigen Bündnisverhandlungen mit Kurt von Schleicher. | 1933 Rückzug aus der Politik, Übernahme einer Direktionsstelle bei einem Unternehmen in Berlin. Am 30.6.1934 in Berlin durch die Gestapo verhaftet und durch SS-Männer erschossen. |
Weitere Personen
Name | Biographische Informationen | Todesumstände | |
---|---|---|---|
Adler, Julius | Geb. 1882 in Würzburg, Rechtsanwalt, Jude. | Am 11.6.1934 aus nichtigen Gründen - angebliche Nichtbefolgung bau- und feuerpolizeilicher Auflagen – verhaftet. Am 20.6.1934 in das KZ Dachau überstellt und dort am 30.6.1934 erschossen. | |
Beck, Fritz | Geb. 1879 in Landsberg a. L.. Studentenvertreter. Hauptamtlicher Leiter des 1920 gegründeten Vereins Studentenhaus München. | Am 30.6.1934 in seiner Münchner Wohnung durch SS-Männer verhaftet und nach körperlicher Misshandlung im Gündinger Wald (Lkr. Dachau) erschossen. | |
Probst, Adalbert | Geb. 1900 in Regensburg. Funktionär der katholischen Jugendbewegung. In den frühen Jahren der Weimarer Republik in verschiedenen völkischen und rechtsnationalen Kreisen aktiv, in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre Betätigung im politischen Katholizismus und in der katholischen Jugendbewegung. 1933 Reichsführer der Deutschen Jugendkraft (DJK) in Düsseldorf. | Am 1.7.1934 in Braunlage (Niedersachsen) verhaftet und erschossen. | |
Schmid, Wilhelm Eduard | Geb. 1893 in Weilheim. Schriftsteller, Musikkritiker. Nach Studium und Promotion in München in den 1920er Jahren Tätigkeit als Musiker und Musikkritiker für verschiedene Zeitungen. | Am 30.6.1934 in seiner Münchner Wohnung durch SS-Leute verhaftet und im KZ Dachau erschossen. Die Ermordung erfolgte infolge einer Namensverwechslung. | |
Zehnter, Karl | Geb. 1900 in München. Gastwirt. Anfang der 1920er Jahre Kontakte und Mitgliedschaften in rechtsextremen Freikorps, u. a. in der SA. Bekanntschaft zu Edmund Heines und Ernst Röhm; 1924 Übernahme der von den seinen verstorbenen Eltern geführten Gaststätte Zum Bratwürstglöckl in München, das zu einem Stammlokal von Röhm und weiteren SA-Größen wurde. | Am 30.6.1934 im Auto auf der Straße von Dachau nach Augsburg in der Nähe von Schwabhausen (Lkr. Dachau) erschossen. | |
Zoref, Ernestine | Geb. 1896 in Wien. Lebensgefährtin des deutschbaltischen Journalisten Paul Edmund Baron von Hahn (1899-nach 1934), der nach der NS-Machtergreifung zunächst kommissarischer Leiter der Münchener Neuesten Nachrichten wurde. | Zorefs Lebensgefährte Hahn wurde im Mai 1933 aus ungeklärten Gründen verhaftet und u. a. im KZ Dachau interniert. Als er Ende März 1934 nicht mehr auffindbar war, wurde Zoref an seiner Stelle bis zum 12.5.1934 im KZ-Dachau in Haft genommen. Am 30.6.1934 wurde sie erneut verhaftet und im KZ Dachau erschossen. |
Umgang des NS-Regimes mit der Mordaktion
Im Völkischen Beobachter (VB) wurde nach Ablauf der Röhm-Aktion Hitler für sein entschlossenes Handeln gedankt. Die Mordaktion wurde als „rettende Tat“ hingestellt, mit der großes Unglück vom deutschen Volk abgewendet worden sei. Hitler selber erklärte sich in einer vom Rundfunk übertragenen Reichstagsrede am 13. Juli 1934 zum obersten Gerichtsherrn des deutschen Volks. Konkrete Beweise für den geplanten Putsch legte Hitler nicht vor. Am Ende dieser Reichstagssitzung nahmen die Abgeordneten eine von Reichstagspräsident Hermann Göring vorgelegte Entschließung an, in dem wiederum Hitler für „seine tatkräftige und entschlossene Rettung des Vaterlandes vor Bürgerkrieg und Chaos“ gedankt wurde.
Während der NS-Zeit kam es nur in einem einzigen Fall zu einer strafrechtlichen Verfolgung eines während der Röhm-Affäre verübten Mordes. Es war dies der Mord an Kuno Kamphausen (1900–1934), Stadtbaurat der schlesischen Stadt Waldenburg, der dem Bruder eines SS-Standartenführers eine Baugenehmigung verweigert hatte. Drei SS-Männer wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, kamen aber auf Druck der SS-Führung aber bald wieder frei. Fünf Beteiligte wurden freigesprochen. Ansonsten wurden Aufforderungen an das Reichsjustizministerium oder das Reichsgericht, die Rechtmäßigkeit einzelner Tötungen zu untersuchen, stets unter Verweis auf das „Gesetz über Maßnahmen der Staatsnotwehr“ vom 3. Juli 1934 (RGBl. I, 3.7.1934, 529) abgelehnt, in dem es heißt: „Die zur Niederschlagung hoch- und landesverräterischer Angriffe am 30. Juni, 1. und 2. Juli 1934 vollzogenen Maßnahmen sind als Staatsnotwehr rechtens.“ Angelaufene Verfahren gegen die Täter wurden eingestellt, Strafanzeigen gegen sie nicht mehr bearbeitet. Nicht selten wurde die Justiz bei dem Versuch, Ermittlungen einzuleiten, behindert.
Nach Ablauf der Mordaktionen begann die NS-Führung systematisch, die Spuren zu verwischen. Hermann Göring befahl, alle Akten im Zusammenhang mit dem "Röhm-Putsch" zu verbrennen. So sind die exakte Anzahl der Ermordeten, die Entscheidungsprozesse und Vorbereitungsmaßnahmen, die der Aktion vorangingen, der genaue Ablauf der einzelnen Verhaftungen und Exekutionen sowie die Personalien eines großen Teils der Täter bis heute nicht aufgeklärt.
Aufarbeitung nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Ereignisses des "Röhm-Putsches" im Rahmen der Nürnberger Prozesse nur allgemein thematisiert. Zu einer systematischen Untersuchung einzelner Mordfälle kam es erst durch Gerichte in der Bundesrepublik. Der erste Prozess dieser Art war das Verfahren gegen den ehemaligen SS-Führer Kurt Gildisch (NSDAP, 1904–1956). Es fanden danach einzelne Verfahren gegen untergeordnete SS-Angehörige statt. Ein in der Öffentlichkeit viel beachteter Prozess im Zusammenhang mit dem "Röhm-Putsch" wurde 1957 dagegen vor dem Landgericht München durchgeführt. Angeklagt waren wegen Ermordung von Ernst Röhm und weiterer SA-Führer der ehemalige Kommandant der Wachmannschaften im KZ Dachau, Michael Lippert, sowie der damalige Befehlshaber der SS-Leibstandarte Adolf Hitler, Josef Dietrich. Es handelte sich um das umfangreichste Gerichtsverfahren zu den Morden des "Röhm-Putsches".
Eine umfassende wissenschaftliche Monographie zum "Röhm-Putsch" gibt es bislang nicht. Einen guten Überblick gibt die populärwissenschaft geschriebene Arbeit "Mordsache Röhm" des Journalisten Heinz Höhne (1926–2010) von 1984. Ferner thematisieren verschiedene Aufsätze bestimmte Teilaspekte der Ereignisse, doch nach wie vor gehört der "Röhm-Putsch" zu den am wenigsten erforschten Bereichen des Nationalsozialismus.
Einordnung
Die Unterstellung, die SA-Führung habe einen Putsch vorbereitet, mobilisierte Ängste und ließ Hitler als den Verteidiger von Recht und Ordnung erscheinen. Um die Morde zu rechtfertigen, wurde die SA in der Propaganda als ein Hort moralischer Verkommenheit dargestellt, der nun endlich ausgeschaltet worden sei. So hieß es in einem Kommuniqué der Reichspressestelle: „Die Durchführung der Verhaftung zeigte moralisch so traurige Bilder, daß jede Spur von Mitleid schwinden mußte. Einige dieser SA-Führer hatten sich Lustknaben mitgenommen. Einer wurde in der ekelhaftesten Situation aufgescheucht und verhaftet. Der Führer gab dann den Befehl zur rücksichtslosen Ausrottung dieser Pestbeule.“ In einem Befehl Hitlers an den neuen Stabschef der SA, Viktor Lutze, hieß es, jede Mutter müsse ihren Sohn in SA, Partei und Hitlerjugend geben können, „ohne Furcht, er könne dort sittlich oder moralisch verdorben werden“. Zum Schluss betonte der „Führer“ in seinem Befehl an Lutze: „Ich will Männer als SA-Führer sehen und keine widerlichen Affen.“
Fest steht aber, dass es von Seiten der SA zu keinem Zeitpunkt tatsächlich einen Putsch-Versuch gegeben hat. Die NS-Führung, der sämtliche Unterlagen der SA zur Verfügung standen, konnte nicht einen Beleg für einen geplanten Staatsstreich liefern. Der ganze "Röhm-Putsch" war konstruiert. Auch wenn die massive Propaganda damals ihre Wirkung nicht verfehlte und erhebliche Teile der Bevölkerung tatsächlich glaubten, dass mit dem energischen „Durchgreifen“ des „Führers“ großes Unheil vom Volk abgewendet worden sei, so gab es doch auch schon damals Kreise in der Reichswehr, der katholischen Kirche und den Ministerien, die das konstruierte Lügengebäude eines bevorstehenden „Röhm-Putsches“ als Betrugsmanöver durchschaut hatten. Zu wirkungsvollem Widerstand kam es jedoch nicht. Die Reichswehr wäre dazu in der Lage gewesen, die Reichswehrführung hat sich jedoch auf die Seite Hitlers geschlagen.
Der "Röhm-Putsch" war eine Zäsur in der Entwicklung des NS-Staates. Hitler hatte sich selbst zum obersten Gerichtsherren ernannt, Reste einer unabhängigen Justiz wurden schrittweise abgebaut. Die Reichswehr wurde auf die Person Adolf Hitlers vereidigt, dem sie „unbedingten Gehorsam“ zu leisten habe. Die SA wurde von unliebsamen Personen „gesäubert“ und spielte politisch und militärisch fortan keine größere Rolle mehr. Ihr Niedergang war zugleich die Voraussetzung für den Aufstieg der SS. Im Hinblick auf die wichtige Rolle der SS im Zusammenhang mit den Ereignissen des 30. Juni 1934 hob Hitler das Unterstellungsverhältnis unter die SA auf und machte die SS zur selbstständigen Organisation innerhalb der NSDAP. Der 30. Juni 1934 war der wichtigste Schritt auf dem Wege Deutschlands zum „SS-Staat“.
Literatur
- Otto Gritschneder, „Der Führer hat Sie zum Tode verurteilt.“ Hitlers „Röhm-Putsch“-Morde vor Gericht, München 1993.
- Lothar Gruchmann, Justiz im Dritten Reich 1933–1940. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte 28), München 2002.
- Heinz Höhne, Mordsache Röhm. Hitlers Durchbruch zur Alleinherrschaft (Spiegel-Buch 52), 1933–1934, Reinbek bei Hamburg 1984.
- Ian Kershaw, Hitler. Band 1: 1889–1936, Stuttgart 1998.
- Peter Longerich, Die braunen Bataillone. Geschichte der SA, München 1989.
- Peter Longerich, Heinrich Himmler. Biographie, München 2008.
- Irene Mayer-von Götz, Terror im Zentrum der Macht. Die frühen Konzentrationslager in Berlin 1933/34–1936 (Reihe Geschichte der Konzentrationslager 1933-1945 9), Berlin 2008.
- Bernhard Sauer, Der sogenannte "Röhm-Putsch" – eine Zäsur in der Geschichte des nationalsozialistischen Regimes, in: Einsichten und Perspektiven 1/2018, 42-53.
- Bernhard Sauer, Goebbels’ „Rabauken“. Zur Geschichte der SA in Berlin-Brandenburg, in: Berlin in Geschichte und Gegenwart. Jahrbuch des Landesarchivs Berlin 25 (2006), 107-164.
- Bernhard Sauer, In Heydrichs Auftrag: Kurt Gildisch und der Mord an Erich Klausener während des „Röhm-Putsches“, Berlin 2017.
- Detlef Schmiechen-Ackermann, Nationalsozialismus und Arbeitermilieus. Der nationalsozialistische Angriff auf die proletarischen Wohnquartiere und die Reaktionen in den sozialistischen Vereinen (Reihe Politik- und Gesellschaftsgeschichte 47), Bonn 1998.
- Martin Schuster, Die SA in der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ in Berlin und Brandenburg 1926–1934. Phil. Diss., TU Berlin 2005.
- Wolfram Selig: „Die Opfer des Röhm-Putsches in München“, in: Winfried Becker / Werner Chrobak (Hg.): Staat, Kultur, Politik. Beiträge zur Geschichte Bayerns und des Katholizismus, Kallmünz 1992, 341–35.
Quellen
- Bundesarchiv, NS 23/1275
- Rudolf Diels, Lucifer ante portas. Es spricht der erste Chef der Gestapo, Stuttgart 1950.
- Marburger Rede Franz von Papens am 17. Juni 1934, in: Edmund Forschbach, Edgar J. Jung. Ein konservativer Revolutionär. 30. Juni 1934, Pfullingen 1984.
- Staatsarchiv München
Externe Links
Weiterführende Recherche
- Schlagwortsuche im Online-Katalog des Bibliotheksverbundes Bayern
- Stichwortsuche in bavarikon
- Suche in der Bayerischen Bibliographie
Verwandte Artikel
- Arbeitsgemeinschaft der Vaterländischen Kampfverbände, 1923
- Machtergreifung in Bayern, 9. März 1933
- Schutzstaffel (SS), 1925-1945
- Sturmabteilung (SA), 1921-1923/1925-1945
Nacht der langen Messer, Juni-Morde 1934, Röhm-Affäre
Empfohlene Zitierweise
Bernhard Sauer, Röhm-Putsch (30. Juni 1934), publiziert am 25.10.2021; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Röhm-Putsch_(30._Juni_1934)> (11.10.2024)