Spitalwesen
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Das aus dem oströmischen Reich stammende Spitalwesen verbreitete sich seit dem 4. Jahrhundert auch in Westeuropa. Es war christlichen Grundsätzen verpflichtet und diente der Aufnahme von Alten, Armen, Kranken, Pilgern, Fremden, Waisen- und Findelkindern. Zunächst vor allem in kirchlicher und klösterlicher Hand, gründeten im Zeitalter der Kreuzzüge insbesondere die verschiedenen Ritterorden die Spitäler. Vom 14. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts gingen Spitalgründungen schließlich vor allem vom wohlhabenden Bürgertum aus. Mussten Spitäler in ihrer Effektivität letztlich begrenzt bleiben, nahmen sie im sozialen Leben des Mittelalters doch eine wichtige Rolle ein.
Spitalwesen
Das Spital (mhd. spittel; gekürzt aus Hospital = lat. hospitium = Herberge, Gastfreundschaft; spätlat. hospitale = Gastzimmer) ist eine Einrichtung mit unterschiedlichen sozial-karitativen Zielsetzungen. Es diente der Unterbringung, Verpflegung und Versorgung von Alten, Armen, Kranken, Pilgern, Fremden, Waisen- und Findelkindern. Seine Entwicklung unterlag einer Vielzahl geistiger und geistlicher Einflüsse, die seine jeweilige konkrete Ausgestaltung durch die Jahrhunderte hindurch in wechselnder Intensität bestimmten und veränderten.
Ursprung
Quelle des abendländischen Spitalgedankens war das aus dem oströmischen Reich fließende spitalspezifische Ideengut, das im Westen aufgenommen und dort in die Geistes- und Glaubenswelt eingebunden wurde. So fand das oströmische Xenodochion, eine in erster Linie der Aufnahme von Fremden, Gästen und Pilgern, aber auch von Hilfsbedürftigen im weitesten Sinn dienende Unterkunft, etwa um das 4. Jahrhundert in Teilen des weströmischen Reiches (Gallien, Italien) hauptsächlich längs der Seerouten und Handelswege Verbreitung. Dort konnten Kranke, Arme und Gebrechliche, Witwen und Waisen Zuflucht finden, wenn auch zumeist nur für kurze Zeit. Das Xenodochion stellte eine kirchliche Anstalt dar, selbst wenn es keinen gottesdienstlichen Raum besaß und nicht von Angehörigen der Kirche, sondern von Privaten gegründet war. Geistliche verwalteten das Xenodochion, das der Aufsicht und dem Schutz des zuständigen Ortsordinarius, also des Diözesanbischofs, unterstand. Es zählte zu den religiosissima loca, sein Vermögen wurde als Kirchengut interpretiert und konnte auch nur wie kirchliches Vermögen veräußert werden. Im Xenodochion lassen sich Vorformen einer umfassenderen Fürsorge erkennen, so dass man es als "Keimstätte des Hospitalwesens christlicher Prägung" (Gabelmann, Geschichte des Hospitals) bezeichnet hat.
Die Anfänge im Abendland
Christliche Prägung zeigt sich auch in den klösterlichen Hospitien, die vor allem als Ausfluss der Regel des hl. Benedikts (ca. 480-547) von den Mönchen gegründet wurden. Die "Verpflichtung zur Gastfreundschaft gegenüber Armen, Pilgern und Kranken [galt] im Grunde Christus selbst, dem Erlöser und Herren der Welt" (Merzbacher, Das Spital im kanonischen Recht bis zum Tridentinum). Insbesondere bei Klöstern, die an vielbenutzten Straßen lagen, entstanden derartige Einrichtungen. Ihre Fürsorge galt neben den eigenen Klosterbrüdern dem vorgenannten Personenkreis. Nur ausnahmsweise entwickelten sich aus ihnen eigene Institutionen.
Parallel dazu gab es bischöfliche oder stiftische Spitäler, die der Übertragung "mönchischer Einrichtungen auf die Regelung des Lebens der an den Bischofskirchen und anderen städtischen und ländlichen Kirchen in größerer oder geringerer Zahl amtierenden Weltgeistlichkeit" (Reicke, Das deutsche Spital, 25) entsprangen. Als die Regel des Bischofs Chrodegang von Metz (reg. 742-766), welche die Ämter des infirmarius (Sorge um die Kranken) und des hospitalarius (Sorge um die Bedürftigen) vorsah, Eingang in die Dom- und Stiftskapitel fand, und die Aachener Synode 816 bestimmt hatte, dass jedes Kloster oder Kollegiatstift über ein hospitale verfügen sollte, gelangte das Spitalwesen im Zusammenspiel mit weltlichen und kirchlichen Gesetzgebungsakten in den Lebenskreis der Kanoniker. Die anstaltliche Wohltätigkeitsausübung konzentrierte sich nun an Sitzen der hochstiftischen und stiftischen Kirchen und wurde ein urbanes Phänomen.
Das alte Hospital, wie es im Osten entstanden war, geriet nördlich der Alpen seit dem 9. Jahrhundert zunehmend in Verfall. Das Spitalwesen unterlag einem Anpassungsprozess an die ständig neue Legitimation und Verankerung in der Gesellschaft. Lag es zunächst in kirchlichen Händen, wie im Falle der domstiftischen bzw. -kapitelschen Spitäler von Regensburg, Augsburg, Eichstätt (1. Hälfte des 10. Jh.), Passau (Johannesspital 1200 erwähnt) oder von Würzburg (Dietrichspital für 1144 bezeugt), so begann eine neue Phase im Zeitalter der Kreuzzüge (1096-1270), als das Spital aus seiner engen Verbindung mit Kloster und Stift heraustrat.
Ordensspitäler
Ritterliche Ordensgemeinschaften, vor allem die Johanniter und der Deutsche Ritterorden, aber zeitgleich auch nichtritterliche Orden wie die Antoniter oder der Spitalorden zum Heiligen Geist, entstanden, die in der Wohlfahrts- und Krankenpflege aktiv wurden. Der Johanniterorden hatte sich zwischen 1099 und 1180 aus einer am Pilgerspital zu Jerusalem tätigen Bruderschaft entwickelt und widmete sich ebenso wie der während der Belagerung von Akkon im Heiligen Land 1189/90 entstandene Deutsche Ritterorden auch der Krankenpflege. Der Antoniterorden und der Spitalorden zum Heiligen Geist sind französischen Ursprungs. Ersterer wurde gegen Ende des 11. Jahrhunderts als Laienbruderschaft ins Leben gerufen und breitete sich ab dem 13. Jahrhundert zunächst in den romanischen Ländern aus; letzterer ging auf eine Gründung von Guido de Montpellier (1160-1209) im Jahre 1198 zurück. Er trat allerdings ebenso wie die Hospitaliter und Alexianer im Gebiet des heutigen Bayerns kaum in Erscheinung. Die zahlreichen, das Patrozinium des Heiligen Geistes tragenden Spitäler gingen zumeist aus adeliger oder bürgerlicher Initiative hervor.
Der Johanniterorden lässt sich 1182 in Reichardsroth (Lkr. Ansbach), 1195/1215 in Würzburg und vor 1260 in Rothenburg o.d.T. (Lkr. Ansbach) mit einem Spital nachweisen; die Antoniter führen seit 1214 ein solches Haus in Memmingen. Sehr viel ausgedehnter ist die Spitaltätigkeit des Deutschen Ordens im Gebiet des heutigen Bayern, der in Donauwörth (1214), Ellingen (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) (1216), Nürnberg (1236), Oettingen (Lkr. Donau-Ries) (1242), Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) (1290) und Neubrunn (Lkr. Würzburg) (1311, 1319 nach Stadtprozelten [Lkr. Miltenberg] verlegt) vertreten ist. Die Ordensniederlassungen in Würzburg, (Wolframs)-Eschenbach (Lkr. Ansbach), Hüttenheim (Lkr. Kitzingen), Regensburg (Entstehung eines Seelhauses 1368) und Aichach hatten kein Spital. Insgesamt haben jedoch der Johanniter- und der Deutsche Orden dem Spitalwesen nur wenige beispielgebende Impulse vermittelt. Was sie in Palästina und im östlichen Mittelmeer in oft vorbildhafter Weise geleistet hatten, übertrugen sie nicht auf ihre Spitäler in Bayern. Dort richteten sie sich nach dem jeweiligen Standard der Region.
Neue Gründungswelle
Als das Spitalwesen der (Ritter-)Orden allmählich verfiel, entstand mit dem Aufblühen der Städte und Märkte eine neue Spitalgründungswelle auf bürgerlicher bzw. weltlicher Initiative. Diese begann im 13. Jahrhundert und zog sich schwerpunktmäßig vom 14. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts hin. Die starke Bevölkerungszunahme brachte neue soziale Probleme mit sich, für welche die Kräfte der bisher tätigen Anstalten nicht mehr ausreichten. Förderung von kirchlicher Seite erhielt diese Welle durch die Reformmaßnahmen von Papst Clemens V. (reg. 1305-1314) auf dem Konzil von Vienne 1312. Um die Zweckentfremdung von Stiftungsvermögen zu verhindern, sollten keine Spitäler als Pfründen verliehen werden dürfen, sondern weltlichen Behörden unterstellt werden. Dies kam den Bestrebungen, die Spitäler dem Herrschaftsbereich der jeweiligen Obrigkeit einzufügen, entgegen. Es kam auf dem Gebiet des heutigen Bayern zu zahlreichen neuen Spitalgründungen, die sich nicht nur auf die größeren Orte beschränkten, sondern in die Fläche gingen.
Spitalgründer waren nunmehr Laien aus allen Ständen und Schichten. Beispielsweise wurden das Heilig-Geist-Spital in München 1208 durch Herzog Ludwig I. den Kelheimer (reg. 1183-1231), die Spitäler in Amberg (1314) und Ingolstadt (1319) durch Ludwig den Bayern (reg. 1314-1347, Kaiser ab 1328) oder das Spital in Mindelheim (Lkr. Unterallgäu) 1430 durch die Herzöge von Teck gegründet.
In Regensburg wurde um 1220 das Domspital aus der Enge der Stadt heraus an das nördliche Donauufer, dem heutigen Stadtamhof, verlegt und mit dem dortigen Brückenspital vereinigt. Es entstand das heutige Katharinenspital, eines der bedeutendsten Spitäler seiner Zeit. Diese Fusion geschah auf Initiative des damaligen Stadtherren, Bischof Konrad IV. von Frontenhausen (reg. 1204-1226). Er gab 1226 dem Spital eine Verfassung, durch die er es als Bürgerspital konstituierte, und wird bis heute als Stifter des Spitals verehrt.
Der weitaus größte Teil der Stiftungen erfolgte jedoch durch das wohlhabende Bürgertum. Als prominente Beispiele sind zu benennen: Konrad Groß (ca. 1280-1356), 1332/1339 Stifter des Heilig-Geist-Spitals in Nürnberg, Johann von Steren (ca. 1270-1329), Stifter des Spitals zum Heiligen Geist (um 1317 – heute Bürgerspital zum Hl. Geist) in Würzburg oder Urban Gundacker, der 1347 das Heilig-Geist-Spital in Passau gründete. Die Gründer sorgten für die wirtschaftliche Erstausstattung. Die Finanzierung der Spitäler beruhte im Wesentlichen auf ihrer Ausstattung mit Grund und Boden, einem Kapitalstock, den Leistungen der Insassen und ihrem Nachlass, der fast immer dem Spital verblieb, sowie auf Zustiftungen. Viele Spitäler verliehen Geld und finanzierten mit den Zinsen den Spitalbetrieb. Vor allem Menschen mit bescheidenen Vermögensverhältnissen nutzten diese Möglichkeit.
Bei den Motiven, aus denen heraus sich jemand zur Errichtung eines Spitals entschloss, stehen bis zum Beginn der Neuzeit vornehmlich religiöse Erwägungen im Vordergrund. Das Gebot der Nächstenliebe, die Verheißung der Bergpredigt, die Barmherzigen würden selbst Barmherzigkeit erlangen (Matth. 5,7), und der Wunsch, etwas zu tun, um das ewige Seelenheil zu erlangen, lassen sich aus vielen alten Stiftungsbriefen entnehmen. Aber auch die Dankbarkeit gegenüber einem wohlmeinenden Schicksal, die persönliche Verbundenheit zu einer Stadt oder Gemeinde und das Wachhalten des Andenkens der Nachgeborenen an den/die Stifter sind als Motive zu finden.
Rechtsform der Spitäler
Die Gründung eines Spitals erfolgte in der Regel in Form einer Stiftung. Damit war das Spital eine eigene Rechtsperson. Das jeweilige Stiftungsgeschäft bedurfte zu seiner Wirksamkeit der Mitwirkung des Landesherrn und der kirchlichen Obrigkeit. In letzterem kam die im römisch-kanonischen Recht festgelegte Verantwortlichkeit der Kirche bei Stiftungen von Spitälern zum Ausdruck.
Verwaltung
Was die Verwaltung eines Spitals betrifft, so gab es sehr unterschiedliche Lösungen. War die Organisation der ritterlichen Spitalorden eingegliedert in den zentralistischen Aufbau des jeweiligen Ordenshauses, so stand bei den bruderschaftlichen Spitälern im Allgemeinen an der Spitze ein Spitalmeister, der die Vertretung nach außen wahrnahm, und dem die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Betrieb im Inneren der Einrichtung oblag. Er wurde von mehreren barmherzig gesinnten Männern und Frauen, mit denen er in einer Bruderschaft – zumeist nach der Augustinerregel – zusammenlebte, unterstützt. Das bruderschaftliche Spital war der Aufsicht des Bischofs als Träger der kirchlichen Wohlfahrtspflege unterworfen. Die Entwicklung ging jedoch häufig dahin, dass sich an Stelle der vorstehend geschilderten Verfassung eine Verwaltung durch Pfleger etablierte, was den Einfluss der Kirche stark einschränkte. So war es oft bei Gründungen von Laien der Fall, welche ihr Spital – meist nach ihrem Tode – in die Trägerschaft einer Kommune legten. Hier kam dem Rat der Stadt die oberste Leitung und Aufsicht über das Spital zu. Pfleger, häufig Mitglieder des Rates, bildeten das verbindende Band zwischen ihm und dem vor Ort tätigen Spitalmeister oder Schaffner. Aber auch bei nichtkommunalen Stiftungen strebten die Städte danach, über die Einsetzung von Pflegern das Spital ihrem Einfluss- und Direktionsbereich einzufügen. Den Pflegern oblag es, gegenüber dem Rat der jeweiligen Stadt Rechenschaft abzulegen.
Die eingangs geschilderte Zielrichtung der Spitäler änderte sich im Laufe der Zeit. Der anfängliche Charakter als Herberge wandelte sich immer mehr zu einem ausschließlich oder doch überwiegend der Unterkunft von Pfründnern dienenden Haus. Eine soziale Differenzierung trat ein, indem man vielerorts Armenpfründen und Herrenpfründen unterschied. War erstere aus den Erträgen des Spitalvermögens zu erwirtschaften, mussten letztere erkauft werden. In vielen Fällen, vor allen Dingen bei Spitälern, die von Bürgern gegründet worden waren, begrenzte man den Spitalgenuss auf die Bürger der jeweiligen Stadt. Dies kommt auch in dem ab dem 16. Jahrhundert vermehrt verwendeten Namensbestandteil "Bürgerspital" zum Ausdruck.
Insassen
Die Anzahl der Insassen richtete sich gerne nach der Zahl der Apostel bzw. einem Teil oder einem Mehrfachen davon. Sie war jedoch letztlich abhängig von der finanziellen Leistungskraft der Anstalt und der Höhe eventueller Zustiftungen. Die Spitalinsassen lebten nach Klosterregeln ähnelnden Grundsätzen und bildeten eine religiöse Gemeinschaft. Ihr Streben galt einer guten Todesstunde und einem seligen Lebensende.
Die religiöse Ausrichtung der Spitäler zeigte sich nicht zuletzt darin, dass sie sich ein Patrozinium wählten. Am häufigsten ist das Patrozinium des Heiligen Geistes zu finden (z. B. in Nürnberg, München und Würzburg). Weitaus seltener treten die Hl. Elisabeth (Ellingen, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen), Johannes der Täufer (Iphofen, Lkr. Kitzingen), die Hl. Katharina (Aub, Lkr. Würzburg) oder der Hl. Leonhard (Lauf an der Pegnitz, Lkr. Nürnberger Land) in Erscheinung. Viele Spitäler verfügten über eine eigene Spitalkapelle. Deren Patrozinium ging häufig auch auf das Spital über. Die Frage, warum man sich für ein bestimmtes Patrozinium entschied, lässt sich nicht allgemein beantworten, weil Belege über die Gründe der jeweils getroffenen Wahl fehlen. Bei der Heiligen Elisabeth darf man annehmen, dass ihr vorbildlich den Armen gewidmetes Leben als Grund für ihr Patronat gedient hat. Johannes der Täufer lässt sich möglicherweise auf das vom Johanniterorden gewählte Vorbild zurückführen. Das Patrozinium des Heiligen Geistes ließ Schutz von Gott unmittelbar erwarten, ist er doch nach christlichem Verständnis die dritte Person Gottes. Daneben können es aber auch rein lokale Gründe gewesen sein, diesen oder jenen Heiligen als Schutzpatron zu wählen. Auch Patrozinienwechsel fanden statt. Beispielsweise führte das Regensburger Katharinenspital bis 1238 die Patrozinien von Johannes dem Täufer und Johannes dem Evangelisten, eine Reminiszenz an das am Regensburger Dom angesiedelte Spital. Wenngleich in den Spitälern auch Kranke versorgt wurden, so waren sie gleichwohl keine Krankenhäuser im heutigen Sinn. Ärztliche Hilfe musste von außen geholt werden.
Wirkung
Den Spitälern fiel im sozialen Leben eine wichtige Rolle zu. Nimmt man noch die Beginen-, Armen-, Leprosen-, Siechen-, Seel- und Waisenhäuser mit in den Blick, führt jedoch kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass sie nur einem verschwindend geringen Prozentsatz der Bevölkerung zugutekamen und nicht geeignet waren, die sozialen Probleme in Stadt und Land entscheidend zu lindern.
Ausblick
Im ausgehenden Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit hatten sich die Anschauungen zum Armenwesen und zur Armenfürsorge fortentwickelt und gewandelt. Es entstand nun neben dem religiös-karitativen in zunehmendem Maße ein soziales Interesse an der Lage der Armen. Sie wurde jetzt nicht nur als Angelegenheit christlicher Nächstenliebe oder wohltätiger Gönner betrachtet, sondern als ein öffentliches Anliegen angesehen. Neben solchem überkonfessionell, ansatzweise bereits im 15. Jahrhundert vorhandenem neuen Denken beeinflussten die Armenfürsorge – und damit das Spitalwesen – in besonderer Weise die Reformation und das Trienter Konzil (1545-1563). Armenstiftungen erfolgten nach der Lehre Martin Luthers (1483-1546) nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der guten Werke für das eigene Seelenheil, sondern um der öffentlichen Wohlfahrt zu dienen. Das führte zu einem erheblichen Rückgang der Spitalneugründungen und ließ soziale Probleme entstehen, deren Lösung nun den Städten bzw. Gemeinden oblag. Das Trienter Konzil schließlich befasste sich in mehreren Sitzungen auch mit dem Spitalwesen. Seine Beschlüsse zielten schwerpunktmäßig auf eine bessere Verwaltung und die Aufsicht der Spitäler.
Forschungs- und Quellenlage
Hinsichtlich der Forschungslage zu den Spitälern lässt sich sagen, dass eine das gesamte Gebiet des Freistaats abdeckende und heutigen wissenschaftlichen Belangen gerecht werdende Arbeit fehlt. Spitalgeschichte steht nicht gerade im Fokus historischer Forschung. Dessen ungeachtet gibt es zahlreiche lokale und einige regional ausgerichtete Untersuchungen, die natürlich von unterschiedlicher Qualität sind, auf die man aber zurückgreifen kann.
Wesentlich schwieriger ist die Frage nach der Quellenlage zu beantworten. Eine ganze Reihe von Spitälern hat ihr Archiv erhalten. Es handelt sich dabei vornehmlich um Protokoll- und Rechnungsbände, weniger um Akten. Ihre Aufbewahrung entspricht vielfach durchaus heutigen Ansprüchen. Allerdings sind diese Archivbestände in den wenigsten Fällen erschlossen. Nur große und finanzkräftige Spitäler (siehe unten 'Quellen') haben Repertorien über ihre Bestände. Daher sind alle Bestrebungen, diesen Zustand zu verbessern, sehr zu unterstützen. Joachim Wild (geb. 1942) (Hospitäler in Bayern und ihre Archivbestände, in: Artur Dirmeier [Hg.], Organisierte Barmherzigkeit, 23ff.) hat dazu begrüßenswerte Initiativen angekündigt, die jeden, der sich mit Spitalgeschichte befasst, mit Zuversicht erfüllen.
Literatur
- Sabine Begon, De Iure Hospitalium. Das Recht des deutschen Spitals im 17. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Abhandlungen von Ahasver Fritsch und Wolfgang Adam Lauterbach, Marburg 2002. [Darin auch Spitalgeschichte des Mittelalters und der Spitalorden]
- Egon Boshof, Untersuchungen zur Armenfürsorge im fränkischen Reich des 9. Jahrhunderts, in: Archiv für Kulturgeschichte 58 (1976), 265-339.
- Artur Dirmeier, Die Spitäler im Bistum Regensburg, in: Peter Morsbach (Hg.), 1250 Jahre Kunst und Kultur im Bistum Regensburg, München u. a. 1989, 209-227.
- Artur Dirmeier (Hg.), Organisierte Barmherzigkeit. Armenpflege und Hospitalwesen in Mittelalter und Früher Neuzeit, Regensburg 2010.
- Gisela Drossbach (Hg.), Hospitäler in Mittelalter und Früher Neuzeit. Frankreich, Deutschland und Italien. Eine vergleichende Geschichte, München 2007.
- Walter Gabelmann, Geschichte des Hospitals, in: Das Münster 45 (1992), 196-204.
- Axel Hof, Der soziale Ort der Gesundheit. Topographische Bibliographie zur Sozialgeschichte des Fürsorge-, Hospital-, Medizinal- und Wohlfahrtswesens, Regensburg 2000. (leider sehr lückenhaft)
- Dieter Jetter, Geschichte des Hospitals. 1. Band: Westdeutschland von den Anfängen bis 1850 (Sudhoffs Archiv. Beiheft 5), Wiesbaden 1966.
- Ulrich Knefelkamp, Die Heilig-Geist-Spitäler in den Reichsstädten, in: R. A. Müller (Hg.), Reichsstädte in Franken. 2. Band, 2. Teil: Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, München 1987, 107-121.
- Ulrich Knefelkamp, Stadt und Spital im späten Mittelalter, in: Peter Johanek (Hg.), Städtisches Gesundheits- und Fürsorgewesen vor 1500 (Städteforschung A 47), Köln/Weimar/Wien 2000, 19-40.
- Peter Kolb, Das Spitalwesen, in: Peter Kolb/Ernst Günter Krenig (Hg.), Unterfränkische Geschichte. 2. Band: Vom hohen Mittelalter bis zum Beginn des konfessionellen Zeitalters, Würzburg 1992, 357-373. (mit einer Zusammenstellung aller unterfränkischen Spitäler im Untersuchungszeitraum)
- Friedrich Merzbacher, Das Spital im kanonischen Recht bis zum Tridentinum, in: Archiv für Katholisches Kirchenrecht 48 (1979), 72-92.
- Alois Mitterwieser, Geschichte der Stiftungen und des Stiftungsrechts in Bayern, in: Forschungen zur Geschichte Bayerns 13 (1905), 166 (Teil I und II), und 14 (1906), 41ff. bzw. 192ff. (Teil III und IV).
- Christian Probst, Das Hospitalwesen im hohen und späten Mittelalter und die geistliche und gesellschaftliche Stellung der Kranken, in: Sudhoffs Archiv 50 (1966), 246-258.
- Siegfried Reicke, Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter. 2 Teile (Kirchenrechtliche Abhandlungen 111/112 bzw. 113/114), Stuttgart 1932.
- Martin Scheutz u. a. (Hg.), Europäisches Spitalwesen. Institutionelle Fürsorge in Mittelalter und Früher Neuzeit, 2008.
- Walther Schönfeld, Die Xenodochien in Italien und Frankreich im frühen Mittelalter, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 43 (1922), 1-54.
- Christian Tenner, Die Ritterordensspitäler im süddeutschen Raum (Ballei Franken), München 1969.
- Alfred Wendehorst, Mainfränkisches Spitalwesen im Mittelalter, in: Das Juliusspital in Würzburg. 1. Band: Kulturgeschichte, Würzburg 1976, 5 ff.
Quellen
- Hans-Wolfgang Bergerhausen (Bearb.)/Ulrich Wagner (Hg.), Quellen zur Geschichte des Bürgerspitals Würzburg 1500–1650 (Fontes Herbipolenses 8), Würzburg 2014, 1 CD-ROM.
- Michael Diefenbacher (Bearb.), Das älteste Urbar des Nürnberger Heilig-Geist-Spital, hg. vom Stadtarchiv Nürnberg, Nürnberg 1991.
- Artur Dirmeier, Das Archiv des St. Katharinenspitals zu Regensburg, in: Mitteilungen für die Archivpflege in Bayern 31 (1989), 57-68.
- Siegfried Hofmann, Aussätzigenhaus und Beneficium zum Heiligen Kreuz 1317-1500 (Quellen zur Ingolstadter Geschichte 1), Ingolstadt 1963.
- Peter Kolb, Repertorium des Stadtarchivs Rothenfels, 2003.
- Stefan König/Artur Dirmeier, Die ältesten Urkunden des St. Katharinenspitals in Regensburg (1145-1250), 2003.
- Ekkard Schöffler (Bearb.)/Ulrich Wagner (Hg.), Urkundenbuch des Bürgerspitals Würzburg 1300-1499 (Fontes Herbipolenses 7), Würzburg 1994.
- Hubert Vogel, Urkunden des Heilig-Geist-Spitals München von 1250 bis 1500 (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte N. F. 16/1), München 1960.
- Quellenzusammenstellung für den Untersuchungszeitraum entnommen (und ergänzt) aus Joachim Wild, Hospitäler und ihre Archivbestände, in: Artur Dirmeier (Hg.), Organisierte Barmherzigkeit. Armenfürsorge und Hospitalwesen in Mittelalter und Früher Neuzeit, Regensburg 2010, 23ff.
Weiterführende Recherche
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Spital, Hospital, Hospitalwesen, Bürgerspital, Heilig-Geist-Spital
Empfohlene Zitierweise
Peter Kolb, Spitalwesen, publiziert am 29.07.2015; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Spitalwesen (6.12.2024)