Vereinfachung der Staatsverwaltung (Weimarer Republik)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Vor allem in den Jahren 1928 bis 1932 durchgeführte Reform der Staatsverwaltung auf allen Ebenen. Am einschneidendsten war die Auflösung dreier Ministerien (Wirtschaft, Soziales, Agrar) sowie die Zusammenlegung der Regierungsbezirke Niederbayern und Oberpfalz sowie Ober- und Mittelfranken.
Definition und Ziele der staatlichen Verwaltungsvereinfachung
Ein allgemeines Phänomen der Verwaltungsgeschichte sind Reformen bzw. Reformversuche. In der Regel handelt es sich dabei um Bestrebungen, die die Wirksamkeit von Verwaltung erhöhen, gleichzeitig aber den Aufwand begrenzen sollen. Im Unterschied zu Rationalisierungsmaßnahmen, die auf rein administrativer Ebene angesiedelt sind, besitzen umfassendere Verwaltungsreformen, die sich auf den gesamten Staatsaufbau richtet, eine ausgesprochen politische Dimension. Dies trifft auf die Vereinfachung der Staatsverwaltung in Bayern während der Weimarer Republik zu.
Bereits kurz nach dem Umsturz von 1918 wurden ältere Überlegungen zu einer Verwaltungsreform aufgegriffen und den veränderten Verhältnissen angepasst. Im Kern handelte es sich darum, die Behörden und ihre Personal zu verringern, die Ober- und Mittelbehörden zu entlasten und den Geschäftsbetrieb der Staatsverwaltung insgesamt zu rationalisieren. Während die Notwendigkeit dazu politisch und gesellschaftlich weitgehend anerkannt war, unterlagen die Lösungsansätze den mitunter stark differierenden politischen Präferenzen und Zielsetzungen der beteiligten Kreise. Trotz erheblicher Bemühungen und konkreten Maßnahmen, insbesondere im Zeitraum zwischen 1928 und 1932, blieben die Ergebnisse der Staatsvereinfachung hinter den Erwartungen zurück.
Motive
Den Anstoß für die Staatsvereinfachung lieferte das deutliche Missverhältnis zwischen Staatsaufgaben und staatlichem Verwaltungsapparat. Seit dem beginnenden 20. Jahrhundert und insbesondere im Ersten Weltkrieg wuchsen die Staatsaufgaben stark an, während Haushaltsmittel nur begrenzt zur Verfügung standen. Durch die Finanzverfassung der Weimarer Republik waren die Länder zu Kostgängern des Reichs geworden, zudem belasteten die ökonomischen Krisen die Länderhaushalte schwer. Vor diesem Hintergrund sind die bayerischen Bemühungen um die Staatsvereinfachung in den Kontext der zeitgenössischen Föderalismusdebatte einzubetten. Angesichts unitaristischen Strömungen im Reich rang Bayern dabei um seine finanzielle Lebensfähigkeit und Eigenstaatlichkeit. Aber auch andere deutsche Ländern und das Reich sahen sich in der Weimarer Republik zu Verwaltungsreformen gezwungen, wobei die bayerische Verwaltung vor allem für das Reich als Vorbild galt.
Institutioneller Rahmen
Anfangs bearbeiteten die einzelnen Staatsministerien die Angelegenheiten der Staatsvereinfachung unter Federführung eines besonderen Vereinfachungsreferats im Innenministerium. Auf Ministerratsbeschluss übernahm 1927 eine aus Ministerialreferenten gebildete Kommission für Verwaltungsvereinfachung unter der Leitung des ehemaligen Regierungspräsidenten Theodor von Winterstein (1861-1945) diese Aufgabe. Die Entscheidungsbefugnis über die Aufhebung von Behörden lag beim Ministerrat.
Neuordnung der Staatsministerien ab 1928
Politisch besonders umstritten war die Reform der Ministerialorganisation, die durch die drei so genannten „Revolutionsministerien“ (Soziale Fürsorge, Landwirtschaft sowie Handel, Industrie und Gewerbe) 1918/19 erweitert worden war. Ansätze zur Vereinigung dieser drei Ministerien in einem Wirtschaftsministerium scheiterten ebenso wie die unter Ministerpräsident Johannes Hoffmann (1867-1930) angeregte Umwandlung des Außenministeriums in eine Staatskanzlei. Als Symbol für die Eigenstaatlichkeit Bayerns stand das Außenressort unter dem besonderen Schutz der konservativen BVP, insbesondere des Ministerpräsidenten Heinrich Held (1868-1938). Unter dessen maßgeblichem Einfluss und inspiriert durch das Subsidiaritätsprinzip der katholischen Staatslehrer verloren stattdessen die wirtschafts- und sozialpolitischen Ministerien 1928/32 schrittweise ihre Eigenständigkeit und wurden in die ursprünglichen Ressorts zurückgegliedert.
Kurz nach ihrer "Machtergreifung" in Bayern revidierten die Nationalsozialisten diese Regelung und setzten beide älteren Projekte, die Errichtung der Staatskanzlei und des Wirtschaftsministeriums, in die Tat um. In der ersten umfassenden Formationsverordnung seit 1825 wurden 1933 die Geschäftsbereiche der verbliebenen fünf Staatsministerien neu definiert und abgegrenzt. Eine gemeinsame Geschäftsordnung kodifizierte die Richtlinien der Arbeitsweise in den Ministerien.
Behördenabbau auf mittlerer und unterer Verwaltungsebene
Auch auf mittlerer und unterer Instanzenebene wurden Behörden und Gerichte - bis 1933 waren es beinahe 100 - aus Gründen der Sparsamkeit aufgehoben und zusammengelegt. Betroffen waren davon 1932 die Kreisregierungen Niederbayerns und der Oberpfalz (bis 1959, Sitz Regensburg) und 1933 die Kreise Oberfranken und Mittelfranken (bis 1948, Sitz Ansbach).
Die Reform der unteren staatlichen Verwaltungsebene, die ob ihrer Kleinteiligkeit gleichermaßen unzweckmäßig wie kostenintensiv war, blieb nach der Aufhebung von sechs Bezirksämtern in den Jahren 1929/31 stecken.
Im Bereich der Justizverwaltung wurden von 1925 bis 1933 31 Amtsgerichte, drei Landgerichte und das Oberlandesgericht Augsburg aufgelöst.
Abbaupläne bei den berufsständischen Selbstverwaltungskörperschaften (Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Bauernkammern) scheiterten am Widerstand der betroffenen Wirtschaftskreise.
Neben dem Freistaat beteiligte sich auch das Reich am Abbau seiner Verwaltung in Bayern, indem es bis 1934 etwa die Aufhebung von 57 Finanzämtern sowie diverser Zoll- und Versorgungsbehörden verfügte.
Reform des Instanzenzugs und der Verwaltungstätigkeit
Parallel zur Auflösung von Behörden erfolgte eine Dezentralisierung von Kompetenzen durch Verlagerung von den Ministerien auf Mittelbehörden bzw. von diesen auf die Außenbehörden. Im Justizwesen ging etwa 1924 die erstinstanzliche Zuständigkeit in Strafsachen von den Land- auf die Amtsgerichte über. Auch die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung 1927 im Rahmen der Bayerischen Gemeindeordnung zählt zu diesen Maßnahmen. Die Kreisregierungen verloren 1931 ihre schwerfällige Kollegialverfassung.
Erstmals regelte die "Allgemeinen Dienstordnung" (ADO) vom 12. Januar 1933 den Dienstbetrieb sämtlicher Staatsbehörden einheitlich und passte diesen den Bedürfnissen einer rationelleren Gestaltung der verwaltungsinternen Geschäftsabläufe an (gültig bis 1953). Wie die gemeinsame Geschäftsordnung für die Staatsministerien war die ADO ein Ergebnis der sog. Büroreform, die etwa seit der Jahrhundertwende die Verwaltungen im Reich wie in den Ländern beschäftigt hatte.
Verhältnismäßig geringe Auswirkungen hatten die Maßnahmen zur Verringerung der staatlichen Beamten und Angestellten (Personalabbauverordnung 1923). Obwohl deren Gesamtzahl durch die Übernahme von Finanz-, Zoll-, Post- und Eisenbahnverwaltungen auf das Reich im Vergleich zur Vorkriegszeit zwar bedeutend geschrumpft war. Gegenüber 81.558 etatmäßigen Staatsbeamten im Jahr 1914 waren 1926 nunmehr 48.387 zu verzeichnen, was einer Abnahme von knapp 41% entspricht. Im selben Zeitraum hatte sich der Anteil der Beamtenbesoldung an den Ausgaben des ordentlichen Staatshaushalts indes von 27,8% auf 40,6% erhöht. Zurückzuführen war diese Entwicklung auf eine erhebliche Mehrung der Staatsdiener in den verbliebenen Verwaltungsbereichen, etwa durch die Übernahme der Volksschullehrer in den Staatsdienst. Zudem waren eine deutliche Verschiebung auf mittlere und höhere Gehaltsklassen und erhebliche Mehrungen der nichtetatmäßigen Stellen (bei den Zentralstellen zwischen 1914 und 1926 um 414,8%) zu verzeichnen gewesen. Umfassend ließ sich diese Entwicklung kaum mehr wirkungsvoll umkehren.
Ansätze zu einer Bereinigung und Sammlung der landesrechtlichen Vorschriften, deren Unübersichtlichkeit den Verwaltungsablauf zunehmend behinderte, blieben ohne greifbare Ergebnisse. Dazu kam es erst in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre, als eine umfassende Rechtsbereinigung durchgeführt wurde.
Literatur
- Angelika Menne-Haritz, Geschäftsprozesse der Öffentlichen Verwaltung. Grundlagen für ein Referenzmodell für Elektronische Bürosysteme (Schriftenreihe Verwaltungsinformatik 19), Heidelberg 1999.
- Georg-Christoph von Unruh, Verwaltungsreformen - Vorhaben und Ergebnisse seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts, in: Rudolf Morsey (Hg.), Verwaltungsgeschichte. Aufgaben, Zielsetzungen, Beispiele (Schriftenreihe der Hochschule Speyer 66), Berlin 1977, 23-60.
- Wilhelm Volkert, Die Staats- und Kommunalverwaltung, in: Max Spindler (Begr.)/Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Vierter Band: Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. Zweiter Teilband: Die innere und kulturelle Entwicklung, München 2. Auflage 2007, 72-153, hier 84-86.
- Wilhelm Volkert (Hg.), Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, München 1983.
Quellen
- Staatsvereinfachung in Bayern. Gutachten der Arbeitsgemeinschaft für Staatsvereinfachung, Teil I, München 1955.
Weiterführende Recherche
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Staatsvereinfachung, Verwaltungsvereinfachung
Empfohlene Zitierweise
Michael Unger, Vereinfachung der Staatsverwaltung (Weimarer Republik), publiziert am 08.06.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Vereinfachung_der_Staatsverwaltung_(Weimarer_Republik)> (9.10.2024)