Judentum (nach 1945)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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Nach dem Holocaust gründeten vor allem osteuropäische Displaced Persons (DP) neue jüdische Kultusgemeinden, die anfangs vor allem in DP-Lagern und größeren Städten angesiedelt waren. Seit 1947 sind die überwiegend orthodox geprägten Gemeinden im Landesverband Israelitischer Kultusgemeinden in Bayern organisiert. Ab 1989 hat sich durch die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion die Zahl der Gemeindemitglieder mehr als verdreifacht. In der Zeit nach 1945 gab es immer wieder antisemitische Übergriffe und ab den 1970er Jahren auch antiisraelisch motivierte Terroranschläge, die 1972 in das Attentat auf die israelische Olympiamannschaft in München mündeten.
Jüdische Bevölkerung in Bayern
Von den etwa 35.000 Juden, die 1933 noch in Bayern lebten, konnten nur einige hundert die NS-Zeit in Deutschland überleben. Zu diesen wenigen bayerisch-jüdischen Überlebenden kam nach 1945 eine wesentlich größere Zahl osteuropäischer Displaced Persons (DPs) hinzu, die den Grundstock für den Aufbau einer neuen jüdischen Gemeinde legten. Nach deren Wegzug Ende der 1940er Jahre blieben noch 13 Kultusgemeinden (zum Vergleich 1933: 198) bestehen, die sich in einem Landesverband zusammenschlossen. Deren Mitgliederzahl wuchs seit der Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion von etwa 5.500 im Jahr 1990 auf über 18.000 im Jahr 2019 an.
Die unmittelbaren Nachkriegsjahre
Bayern war in den ersten Nachkriegsjahren Durchgangsstation für weit über Hunderttausend osteuropäische Juden. Sie hatten die Verfolgungszeit überlebt und waren nun in ihren Heimatländern mit neuerlicher antisemitischer Gewalt konfrontiert. Da der Staat Israel erst 1948 gegründet wurde, die Briten die Tore Palästinas verschlossen hielten und auch für die USA restriktive Einwanderungsgesetze galten, wurde die amerikanische Besatzungszone zur Hauptanlaufstelle jüdischer Überlebender. Wegen ihrer Palästinapolitik ließen die britischen Behörden kaum neue jüdische Flüchtlinge in ihre Gebiete zuwandern. Hinzu kam die Tatsache, dass sich die bis zuletzt aufrecht erhaltenen Konzentrationslager Flossenbürg und Dachau in Bayern befanden. In Bayern endeten schließlich auch einige der berüchtigten Todesmärsche, mit denen Konzentrationslagerhäftlinge in langen Fußmärschen aus Lagern evakuiert wurden.
Ein Teil der jüdischen Holocaustüberlebenden wurde in DP-Lagern untergebracht. Die größten jüdischen DP-Lager befanden sich 1947 in Südbayern. Orte wie Pocking (Lkr. Passau), Landsberg, Feldafing (Lkr. Starnberg) oder Föhrenwald, die früher keine jüdischen Gemeinden hatten, zählten nun vorübergehend einige Tausend jüdische Bewohner. Das DP-Lager in Föhrenwald (heute der Stadtteil Waldram in Wolfratshausen [Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen]) existierte bis 1957. Auch in Nordbayern gab es DP-Lager, so etwa in Hof, Bamberg, Fürth und Vilseck (Lkr. Amberg-Sulzbach). In vielen Ortschaften lebten die DPs allerdings außerhalb der Lager inmitten der deutschen Bevölkerung.
Die jüdischen Flüchtlinge hatten eine wichtige politische Funktion während der ersten Nachkriegsjahre, hielten sie doch der Weltöffentlichkeit die Notwendigkeit der Gründung eines jüdischen Staates vor Augen. So besuchten viele prominente Zionisten, unter ihnen der spätere erste Ministerpräsident des Staates Israel, David Ben Gurion (1886-1973), die jüdischen DPs in Bayern.
Sowohl in den DP-Lagern als auch in den städtischen Gemeinden richteten sie bald eine rege Infrastruktur ein, mit Synagogen, Kindergärten und Schulen (in München sogar mit einem hebräischen Gymnasium), Talmudschulen und landwirtschaftlichen Ausbildungsstätten (eine davon auf Julius Streichers [1885-1946] ehemaligem Landsitz Pleikershof in Cadolzburg im Landkreis Fürth). Sie bereiteten die DPs auf die weitere Auswanderung vor und sollten durch geregelte Erziehung wieder einen Hauch von Normalität in das Leben jener Menschen, die zumeist ihre ganzen Familien verloren hatten, bringen. Jüdische Theatergruppen führten in jiddischer Sprache heitere Stücke wie auch Tragödien auf, die an die unmittelbare Vergangenheit erinnerten. In München und Regensburg wurden zahlreiche jiddische Bücher gedruckt. In der vielfältigen jiddischen Presse lesen wir auch über die sportlichen Aktivitäten jener Jahre. Mehrere jüdische Fußballligen bestanden damals in Bayern, wo Vereine mit Namen wie Maccabi und Hakoah gegeneinander antraten.
Unter den DPs gab es zunächst wenig Neigung, jüdisches Leben in Deutschland längerfristig zu planen. Die Mehrzahl deutsch-jüdischer Überlebender waren ältere Menschen. So verstanden sich die meisten Gemeinden als Provisorien. Oftmals gaben sie einen Großteil des Gemeindevermögens an die Jewish Restitution Successor Organization (IRSO oder JRSO) ab, die internationale Nachfolgeorganisation des verwaisten jüdischen Vermögens. Diese ging davon aus, dass jüdisches Leben in Deutschland keine Zukunft hätte, und veräußerte den ehemals jüdischen Besitz, um ihn den jüdischen Gemeinden in Israel und anderen Teilen der Welt zuzuführen. In einigen Fällen kam es allerdings zwischen der IRSO und den lokalen Gemeinden zu Unstimmigkeiten, die sich bis zu Gerichtsverhandlungen erstreckten.
Gemeindestrukturen
Die wenigen aus Bayern stammenden Juden legten die Grundlagen für eine zukünftige Existenz, als sie unmittelbar nach Kriegsende jüdische Gemeinden wieder begründeten. In München, wo sich unmittelbar nach Kriegsende gerade noch 84 Juden befanden, wurde die Israelitische Kultusgemeinde am 19. Juli 1945 wieder begründet. Erster Präsident wurde der Kinderarzt Dr. Julius Spanier (1880-1959). Unter den ungefähr 2.800 Mitgliedern, die im März 1946 bei der Gemeinde registriert waren, befanden sich 796 Personen, die bereits vor dem Krieg der Israelitischen Kultusgemeinde München angehört hatten. Bis 1970 war die Münchner Gemeinde auf 3.500 Mitglieder angewachsen. Damit lebte die Mehrzahl der Juden Bayerns in der Landeshauptstadt.
Alle anderen Gemeinden waren wesentlich kleiner, obwohl manche von ihnen nun alle Juden in einem Regierungsbezirk repräsentierten, so Augsburg für Schwaben, Würzburg für Unterfranken und Straubing (nach Auflösung der Passauer Gemeinde) für Niederbayern. 1970 zählten nur Augsburg (236) und Nürnberg (223) mehr als 200 Mitglieder, während die Hälfte der Gemeinden unter 100 Mitglieder aufwies.
Die Gemeinden schlossen sich in dem am 12. Januar 1947 begründeten Landesverband Israelitischer Kultusgemeinden in Bayern zusammen, der noch im selben Jahr als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt wurde. Erster Präsident wurde Philipp Auerbach (1906-1952), Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte, der 1951 wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Wiedergutmachungsangelegenheiten verhaftet wurde und sich in der Nacht nach der Urteilsverkündigung am 14. August 1952 das Leben nahm. Obwohl die meisten Juden Bayerns aus Osteuropa stammten (über 90 %), waren ihre führenden Repräsentanten häufig deutsche Juden. Neben Auerbach waren dies als Präsidenten des Landesverbands Heinz Meier (gest. 1970) und Josef Schuster (geb. 1954) (seit 2002), fast alle Präsidenten der Gemeinden München (Julius Spanier, Fritz (Siegfried) Neuland [1889-1969], Hans Lamm [1913-1985] und Charlotte Knobloch [geb. 1932]), Nürnberg (Adolf [1900-1974] und Arno Hamburger [1923-2013]), Regensburg (Hans Rosengold [1923-2011]) und Würzburg (David [1910-1999] und Josef Schuster [geb. 1954]). Aus Polen stammten die meisten Vorsitzenden der kleinen Gemeinden sowie der Präsident des Landesverbands Simon Snopkowski (1925-2001).
In einigen Gemeinden versuchte die Minderheit der deutschen Juden, das Wahlrecht oder sogar die Gemeindezugehörigkeit der nichtdeutschen Staatsbürger einzuschränken. In Augsburg zogen sich die Streitigkeiten bis Mitte der 1950er Jahre hin.
Religiöses und kulturelles Leben
Hinter diesen Auseinandersetzungen standen auch Fragen um die religiöse Identität der Gemeinden. Die religiöse Ausrichtung der zumeist aus Polen stammenden Juden war durchwegs orthodox, während viele deutsche Juden den liberalen Ritus gewohnt waren. Die Orthodoxie setzte sich jedoch in allen Gemeinden durch. Nur wenige Gemeinden hatten in den ersten Nachkriegsjahren ihre eigenen Rabbiner. Außer München waren dies noch Fürth, Regensburg und Amberg. Mit David Kahane Spiro (1901-1970), der in den 1930er Jahren das jüngste Mitglied des Warschauer Rabbinatskollegiums gewesen war, lebte der angesehenste orthodoxe Rabbiner Deutschlands in Fürth. Die Gründungsversammlung der "Vereinigung für Toratreues Judentum" 1954 fand ihm zu Ehren in Fürth statt. In den 1970er und 1980er Jahren gab es nur noch einen Rabbiner für sämtliche bayerischen Gemeinden. Andernorts amtierten Religionslehrer, die oftmals mehrere Gemeinden bedienten. Die einzige jüdische Grundschule besteht seit Ende der 1960er Jahre in München. Erst seit den 1990er Jahren gibt es in Bamberg, Weiden und der liberalen Gemeinde Beth Schalom in München (ab 1995) auch nichtorthodoxe Gemeinden. In Weiden amtierte mit Gesa Ederberg (geb. 1968) ab 2003 die erste Rabbinerin in Bayern.
In den meisten Städten reichten zunächst provisorische Bethäuser zur Durchführung von Gottesdiensten und Gemeindeveranstaltungen aus. In einigen Gemeinden wie Amberg, Weiden, Bayreuth und Straubing standen noch die Vorkriegssynagogen, die nun wieder restauriert wurden. Neue Synagogen wurden in Würzburg (1970), Regensburg (1971) und Nürnberg (1984) errichtet. In Augsburg stand die großartige Jugendstilsynagoge nur noch als Ruine; sie wurde erst in den 1980er Jahren wieder aufgebaut. Lediglich in München besteht mehr als eine Synagoge. Als Hauptsynagoge diente bis 2006 die am 20. Mai 1947 eingeweihte "Reichenbachschul". Die kleinste der Münchner Vorkriegssynagogen befand sich in einem Hinterhof und war daher 1938 nicht niedergebrannt worden.
In einigen Orten ohne eigene jüdische Gemeinde, wie Ansbach und Floß (Lkr. Neustadt a. d. Waldnaab), wurden die historischen Synagogen restauriert. In Bad Kissingen finden während der Kursaison jüdische Gottesdienste statt. Hier gibt es auch das einzige koscher geführte Hotel in Deutschland.
In München existierten nach Abwanderung der DPs noch zwei jüdische Zeitungen: die in jiddischer Sprache von den Gebrüdern Garfunkiel gedruckte "Naye yidishe tsaytung" (1950-1974) und die in deutscher Sprache unter der Redaktion Moses Lustigs (1906-1976) publizierten "Münchener Jüdischen Nachrichten" (1951-1976). Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden gibt drei Mal jährlich ein Mitteilungsblatt heraus; einige Gemeinden haben ihre eigenen Nachrichtenblätter.
Mit dem aus dem schwedischen Exil zurückgekehrten Hans-Joachim Schoeps (1909-1980) lehrte an der Universität Erlangen von 1948 bis 1980 ein auch in der jüdischen Geistesgeschichte ausgewiesener Religionswissenschaftler. Die erste Professur für Judaistik wurde an der Universität München eingerichtet, wo seit seiner Habilitation 1962 Leo Prijs (1920-1988) lehrte. 1997 wurde an der Ludwig-Maximilians-Universität ein Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur eingerichtet; 2008 folgte eine Professur für mittelalterliche jüdische Geschichte.
Im Gegensatz zur Vorkriegszeit gab es unter den Juden im Nachkriegsbayern wenige Namen, die in der breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden. Einige Schauspieler, so Fritz Kortner (1892-1970) und Therese Giehse (1898-1975), kehrten aus der Emigration zurück und fanden in den Kammerspielen eine neue Heimat. Der aus Israel zurückgekehrte Bankier Walter Feuchtwanger (1916-1999) war einer der entscheidenden Antriebskräfte, um die Olympischen Spiele 1972 in seine Heimatstadt München zu holen. Charlotte Knobloch war die erste in Bayern ansässige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland (2006-2010). Einige Lokalpolitiker der ersten Stunde waren jüdischer Abstammung, so der erste Augsburger Oberbürgermeister Ludwig Dreifuß (1883-1960) und der erste Landrat des Landkreises Schwabach, Eugen Tanhauser (1895-1970).
Antisemitismus
Das jüdische Leben in Bayern blieb auch nach dem Holocaust nicht von antisemitischen Angriffen verschont. Bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit kam es zu Schändungen jüdischer Friedhöfe. In den 1970er Jahren machte der antiisraelische Terror auch nicht vor München halt. Nur drei Tage nachdem arabische Terroristen 1970 am Flughafen Riem Passagiere einer israelischen El Al-Maschine, die auf dem Weg von Tel Aviv nach London in München zwischengelandet war, angegriffen und dabei eine Person getötet hatten, kam es zu einem bis heute ungeklärten Brandanschlag auf das Altenheim der Israelitischen Kultusgemeinde, der sieben Todesopfer forderte. Innerhalb weiterer acht Tage wurden wiederum Flugzeuge auf dem Weg nach Israel entführt und in die Luft gesprengt. Ihren traurigen Höhepunkt erreichte die Terrorwelle mit der Ermordung von zehn israelischen Sportlern und einem deutschen Sicherheitsbeamten am 5. September 1972 während der als "fröhliche Spiele" eingeläuteten Olympischen Spiele. 2003 wurde kurz vor der Grundsteinlegung der Hauptsynagoge am Münchner Jakobsplatz ein geplanter Bombenanschlag rechtsextremer Kreise aufgedeckt. Auch außerhalb Münchens gab es verschiedene antisemitische Aktionen. Der Mord am ehemaligen Nürnberger Gemeindevorsitzenden Shlomo Lewin (1911-1980) und seiner Lebensgefährtin Frida Poeschke (1923-1980) 1980 wurde mit der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann in Verbindung gebracht.
Die Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion
Die Situation im Jahr 1989 zeigte eine klare Überalterung der meisten Gemeinden. Nur in München schien es längerfristige Zukunftsaussichten für ein aktives Gemeindeleben zu geben. Diese Situation änderte sich durch die Möglichkeit für Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, nach Deutschland einzuwandern. Da zunächst ein bestimmtes Kontingent von Zuwanderern festgelegt wurde, wurden sie als "Kontingentflüchtlinge" bezeichnet. Insgesamt kamen weit über 100.000 Juden sowie zahlreiche Familienangehörige im Zuge dieser Zuwanderung nach Deutschland. Die jüdischen Gemeinden Bayerns wuchsen von etwa 5.500 auf etwa 18.000 Mitglieder an.
Die Mitgliederzahlen der einzelnen Gemeinden (die Gemeinde München und Oberbayern bildet einen eigenen Landesverband) entwickelten sich wie folgt:
Mitglieder in | 1990 | 2009 | 2018 |
---|---|---|---|
München | 4.050 | 9.497 | 9.316 |
Nürnberg | 316 | 1.767 | 2.260 |
Augsburg | 199 | 1.493 | 1.315 |
Würzburg | 179 | 1.048 | 908 |
Regensburg | 117 | 996 | 999 |
Bamberg | 106 | 927 | 681 |
Straubing | 141 | 906 | 837 |
Bayreuth | 39 | 505 | 508 |
Hof | 36 | 404 | 355 |
Weiden | 48 | 291 | 223 |
Fürth | 179 | 288 | 337 |
Amberg | 74 | 134 | 113 |
Erlangen | - | 114 | 105 |
Als Folge dieser Entwicklung wurden 1997 in Hof sowie 2005 in Bamberg und 2019 in Regensburg neue Synagogen und 2006 in Würzburg und München neue Gemeindezentren eingeweiht. Das Würzburger Zentrum "Shalom Europa" beherbergt ein Museum und Dokumentationszentrum über jüdisches Leben sowie den Holocaust in Unterfranken. Darüber hinaus stehen mit dem "Lauder Chorev Zentrum" Seminar- und Unterkunftsräume zur Verfügung, die besonders für die Begegnungen jüdischer Jugendlicher aus ganz Europa genutzt werden. Neben der neuen Synagoge mit Gemeindezentrum und Grundschule entstand in München in städtischer Trägerschaft ein jüdisches Museum. Bereits vorher waren in Augsburg und Fürth jüdische Museen etabliert worden. Eine neue jüdische Gemeinde wurde in Erlangen gegründet. Es spiegelt sowohl die größere Zahl der in Bayern lebenden israelischen Staatsbürger wie auch den Ausbau der bayerisch-israelischen Beziehungen wider, dass 2011 ein israelisches Generalkonsulat in München eingerichtet wurde. Bereits zwischen 1948 und 1953 war ein israelisches Konsulat bei den amerikanischen Behörden in München akkreditiert gewesen.
Auf der Grundlage der neuen zu meisternden Herausforderungen für den Landesverband israelitischer Kultusgemeinden, der neben den jüdischen Gemeinden auch über 100 verwaiste jüdische Friedhöfe zu betreuen hat, schlossen er und der Freistaat Bayern im August 1997 einen Staatsvertrag ab. Der bayerische Staat verpflichtet sich darin, das jüdische Gemeindeleben mit regelmäßigen finanziellen Leistungen zu unterstützen.
Da in der Sowjetunion die Ausübung der jüdischen Religion praktisch unmöglich war, müssen die neuen Mitglieder erst mit dem Judentum vertraut gemacht werden. Zudem müssen sie eine neue Sprache erlernen und sich in eine neue Lebenswelt einfinden. Der Zuwachs durch die "Kontingentflüchtlinge" gewährleistet zwar das Weiterbestehen der Gemeinden für die nächsten Generationen, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die langfristigen Aussichten jüdischen Lebens in Bayern angesichts einer Zahl von 27 Geburten gegenüber 225 Todesfällen im Jahr 2018 weiterhin mit Vorsicht beurteilt werden müssen.
Literatur
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- Michael Brenner, Impressionen jüdischen Lebens in der Oberpfalz nach 1945, in: Michael Brenner/Renate Höpfinger (Hg.), Die Juden in der Oberpfalz (Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern 2), München 2009, 231-248.
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- Michael Brenner/Daniela Eisenstein (Hg.), Die Juden in Franken, München 2011.
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- Marita Krauss, Theaterremigranten - Fritz Kortner und andere. Die Münchner Kammerspiele als Beispiel, in: Irmela von der Lühe (Hg.), "Auch in Deutschland waren wir nicht wirklich zu Hause". Jüdische Remigration nach 1945 (Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden 34), Göttingen 2008, 339-355.
- Susanne Schönborn (Hg.), Zwischen Erinnerung und Neubeginn. Zur deutsch-jüdischen Geschichte nach 1945, München 2006.
- Elmar Schwinger, Deportation, Durchgangslager, Völkermord. Der Exodus der mainfränkischen Juden 1941-1944, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 66 (2014), 239-286.
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- Roman P. Smolorz, Juden auf der Durchreise. Die Regensburger Jewish Community 1945-1950. Eine Migrationsgemeinde (Regensburger Studien 16), Regensburg 2010.
- Matthias Stickler, Inferno und Aufbruch. Der Wiederaufbau Würzburgs und die jüdische Gemeinde, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 62 (Archiv des Historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg 133), Würzburg 2011, 371-388.
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- Jim G. Tobias/Peter Zinke (Hg.), Nurinst 2010. Beiträge zur deutschen und jüdischen Geschichte. 5. Band: Schwerpunktthema: Leben danach - Jüdischer Neubeginn im Land der Täter, Nürnberg 2010.
- Yeshayahu A. Yellinek, Like an Oasis in the Desert: The Israel Consulate in Munich, 1948-1953, in: Studies in Zionism 9 (1988), 81-98.
- Juliane Wetzel, Jüdisches Leben in München 1945-1950. Durchgangsstation oder Wiederaufbau? (Miscellanea Bavarica Monacensia 135), München 1987.
Quellen
- Gemeindeblatt der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg.
- Roman Haller, Davidstern und Lederhose. Eine Kindheit in der Nachkriegszeit, Zürich/München 2001.
- Roman Haller (Hg.), ... und bleiben wollte keiner, München 2004.
- IKG Schwaben/Augsburg, Gebt Ehre der Lehre, Augsburg 1963.
- Mitteilungsblatt des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern.
- Münchener Jüdische Nachrichten.
- Nachrichten für den jüdischen Bürger Fürths.
- Nurinst.
- Baruch Ophir, Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945, München 1979.
- Yidishe tsaytung.
Weiterführende Recherche
Externe Links
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- Judentum (Weimarer Republik)
- Jüdisches Schulwesen in Bayern (1804-1918)
- Jüdisches Schulwesen in Bayern (1918/19-1945)
- United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA)
Juden, jüdisches Leben, Israelitisch
Empfohlene Zitierweise
Michael Brenner, Judentum (nach 1945), publiziert am 03.05.2011 (aktualisierte Version 29.01.2020); in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Judentum_(nach_1945) (15.10.2024)