Thingspiele
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Thingspiele sind eine im Nationalsozialismus geschaffene und in den Anfangsjahren des sog. Dritten Reiches intensiv propagierte Schauspielform auf eigens dafür errichteten Spielplätzen. Das bisher übliche Theatergeschehen in klassisch-hochkultureller Stilistik mit Guckkastenbühne und Illusionstheater sollte durch kultische Sprechchordramen abgelöst werden. Um die Schaffung einer neuen Theaterform mit eigenständiger NS-Stilistik konkurrierten mehrere Gruppierungen innerhalb der NSDAP. Im Wesentlichen konnte Joseph Goebbels (NSDAP, 1897–1945, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda 1933–1945) über sein Ministerium jedoch über Jahre hinweg seinen Anspruch auf die offizielle Vertretung der Thingbewegung behaupten. Da diese Schauspielform nicht zu den erhofften Ergebnissen führte, brach Goebbels die staatliche Förderung 1935/1936 in mehreren Schritten ab. Die Bestrebungen wurden aber teilweise in modifizierter Form und ohne die bisherige propagandistische Unterstützung bis in die 1940er Jahre fortgeführt.
Begriffsfindung „Thing“
Der ab Juli 1933 offiziell verwendete Begriff „Thing“ geht zurück auf den Kölner Professor der Theaterwissenschaft Carl Niessen (1890–1969). Dieser verband damit die Idee einer rechtlich-politischen Versammlung innerhalb eines mit Steinen begrenzten Kreises. Den damit hergestellten Bezug zur altgermanischen Volks- und Gerichtsversammlung griff man im NS-Staat bewusst auf. Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff für Veranstaltungen mit nationalem Charakter am Anfang des 19. Jahrhunderts sowie um die Jahrhundertwende für großen Lagertreffen der Jugendbewegung (u.a. Quickborn) verwendet. Hinter dieser Anlehnung an den Begriff und sein Bedeutungsumfeld stand die „Vorstellung einer germanischen Variante des griechischen Theaters in neuzeitlicher Form“ (Stommer 1985, S. 12).
Ausgangslage und Grundidee
Die sozialistische Bewegung entwickelte in den 1920er Jahren mit den Massenschauspielen mit hunderten Akteuren sowie Sprech- und Bewegungschören einen besonderen Typ, der sich gegen das Kapital, Faschismus und Krieg richtete und die Emanzipation aus abhängigen Arbeits- und Lebensverhältnissen rauschhaft feierte. Ab 1933 generierte die Thingbewegung ähnliche Formen, deren beabsichtigtes Massenerlebnis sich allerdings gegen den liberalen Geist von Weimar und seine volksfeindlichen Elemente richtete.
Als sich das deutsche Theater 1932/1933 auf dem Höhepunkt einer Krise befand (Zuschauerschwund, Subventionskürzungen, Theaterschließungen, arbeitslose Schauspieler etc.), gründeten führende Vertreter des Theaters sowie die Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger im Dezember 1932 den „Reichsbund zur Förderung der Freilichtspiele e.V.“, dessen Zweck in der Orientierung auf Schauspiele zur Volksbildung unter besonderer Berücksichtigung der Interessen der bildungsferneren Bevölkerungskreise lag.
Mit dieser Intention suchte der Reichsbund 1933 Kontakt mit den neuen staatlichen Einrichtungen und kam dabei mit dem Konkurrenzsystem der verschiedenen innerparteilichen NS-Gruppierungen in Berührung:
- die Gruppe um Joseph Goebbels (NSDAP, 1897–1945, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda 1933–1945), die eher expressionistisch orientiert war und federführend für die Thingspiele in der NS-Zeit wurde;
- die eher völkisch ausgerichtete Gruppe um Alfred Rosenberg (NSDAP, 1893-1946), die der Thingbewegung kritisch bis abweisend gegenüberstand und sich um eine Alternative in Form von archaisierenden „Landschaftsbühnen" (Bsp. Freilichtbühne Stedingsehre nahe Bremen) bemühte;
- die Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) und der Führer der „Deutschen Arbeitsfront“ Robert Ley (NSDAP, 1980-1945) mit der Variante von „Werkspielen“;
- die Laienspieler und Spielscharen, die sich in der Hitlerjugend (HJ), der Sturmabteilung (SA) sowie im „Reichsbund Volkstum und Heimat“ formierten, welcher 1934 aufgelöst und als „Amt Volkstum und Heimat“ der KdF angegliedert wurde.
Alle genannten Gruppierungen blieben der Thingbewegung mit unterschiedlichen Ansätzen verbunden und behielten sowie beanspruchten auch partielle organisatorische Zuständigkeiten. Durch Kontakte zu Otto Laubinger (NSDAP, 1892-1935, seit April Ministerialrat und Leiter der Abteilung Theater) im Reichspropagandaministerium konnte der geschäftsführende Vorsitzende des Reichsbundes Wilhelm Karl Gerst (1887-1968) diesen dort eingliedern. Im Mai 1933 formulierte Joseph Goebbels in einer Rede an die deutschen Theaterleiter seine Vorstellungen eines neuen Volkstheaters. Auf der Suche nach einem neuen Raumempfinden sollte die Spielhandlung auf die Geschichte und den Naturraum am Aufführungsort Bezug nehmen. Speziell gestaltete Thingplätze in der Natur sollten als Aufführungsorte für Zuschauermassen dienen. Großgruppen von Akteuren waren integraler Bestandteil der Spielkonzeption wie auch Aufmärsche, Sprech- und Bewegungschöre, musikalische Elemente, Pantomime, Tanz sowie Dämmerung, Licht und Feuer. Aus dem Spielinhalt und seiner Gestaltung sollte eine geistige Atmosphäre und Haltung ausgehen, die die Anwesenden in ihrem nationalen Empfinden anrührt und zu einem feierlichen Erlebnis und Bekenntnis zur Volksgemeinschaft führt.
Diese Konzeption übernahm der Reichbund. Der Verein wurde durch das Ministerium zur Zwangsorganisation der Freilichtbühnen, diente als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für arbeitslose Berufsschauspieler und ordnete Laienschauspieler zu chorisch auftretenden Spielgemeinden.
Porträt Otto Laubingers, 1934. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-2616)
Wilhelm Karl Gerst auf dem CDU Parteitag 1952. (Foto: Lothar Gielow, Bundesarchiv, Bild 183-16834-0003, lizenziert durch CC BY-SA 3.0 DE Deed via Wikimedia Commons, bearbeitet)
Der Thingspiel-Dichterkreis
Anfang Juli 1933 fand eine Tagung deutscher Dramatiker und Naturbühnenleiter statt, auf welcher diese sich zu einer Gemeinschaft zusammenschlossen. Zum Kreis der Dichter gehörten neben Kurt Heynicke (1891-1985) unter anderem Max Barthel (1893-1975), Kurt Eggers (1905-1943) und Eberhard Wolfgang Möller (1906-1972). Nach Otto Laubinger sollten die Stücke das NS-Gedankengut vermitteln und das chorische Drama, historische Dramen und Gegenwartsstücke beinhalten, die eine Heroisierung Deutschlands betreiben. Als erstes Modellstück dieser Art wurde Anfang Juni 1934 „Neurode“ von Kurt Heynicke auf der Thingstätte „Brandberge“ in Halle (Sachsen-Anhalt) realisiert.
Das NS-Feierjahr mit seinen Aufmärschen der Fahnen und Formationen und Versammlungen bot neue Arten von Massenveranstaltung, deren Impulse die Thingbewegung aufgriff. Anlässlich von Grundsteinlegungen und Einweihungen von Thingstätten wurden vielfach Weihespiele oder größere Sprechchorwerke aufgeführt, die im Ministerium jedoch nicht als relevante Ansätze für Thingspiele gewertet worden sind. Hier hatte man die Schaffung einer neuen Form eines gefühlsbildenden und bekenntnishaften Massenschauspiels unter freiem Himmel im Blick.
Thingsschauspiele
Im Winter 1933/1934 brachte man den Typus „vorbereitender Spiele“ zur Aufführung, u.a. „Das Spiel von Job dem Deutschen“ von Kurt Eggers. Ein intendierter Werbeeffekt der Thing-Idee auf die politischen und kulturellen Kreise sowie Gemeinden, als wesentliche Träger der Spieleorganisation sowie als Bauträger und Finanziers der Spielstätten, brachte aber kaum Resonanz.
Autor | Lebensdaten | Titel | Entstehung | Bemerkung |
---|---|---|---|---|
Becker, Julius Maria | 1887-1949 | Deutsche Notwende | 1933 | offiziell genehmigtes Thingspiel; Epischer Sprechchor |
Eggers, Kurt | 1905-1943 | Das große Wandern. Ein Spiel vom ewigen deutschen Schicksal | 1934 | offiziell genehmigtes Thingspiel |
Euringer, Richard | 1891-1953 | Deutsche Passion 1933 | 1933 | offiziell genehmigtes Thingspiel; erst Hörspiel, dann Thingspiel |
Euringer, Richard | 1891-1953 | Totentanz | 1935 | offiziell genehmigtes Thingspiel |
Heynicke, Kurt | 1891-1985 | Neurode. Ein Spiel von deutscher Arbeit | 1934 | offiziell genehmigtes Thingspiel |
Heynicke, Kurt | 1891-1985 | Der Weg ins Reich | 1935 | offiziell genehmigtes Thingspiel |
Zerkaulen, Heinrich | 1892-1954 | Der Arbeit die Ehr! Ein deutsches Weihespiel für die Freilichtbühne | 1934 | offiziell genehmigtes Thingspiel |
Barthels, Max | 1893-1975 | Das Spiel vom deutschen Arbeitsmann | 1934 | |
Hinrichs, August | 1879-1956 | Die Stedinger. Spiel vom Untergang eines Volkes | 1934 | |
Lersch, Heinrich | 1889-1936 | Werdendes Volk | 1935 | als Thingwerk betitelt |
Philipp, Franz | 1890-1972 | Chorische Sonnenwendfeier zur Einweihung der Thingstätte am Heiligen Berg, Heidelberg | 1935 | nicht offiziell als Thingspiel anerkannt; zur Einweihung der Thingstätte in Heidelberg aufgeführt; |
Withalm, Berthold H. | 1893-1953 | Es muß sein! (Golgatha im Reich) | 1934 | nicht offiziell als Thingspiel anerkannt; in Bad Schmiedeberg u. Halle aufgeführt |
Roßkopf, Veit | Spiel am Meer | 1934 | nicht offiziell als Thingspiel anerkannt; in Heringsdorf aufgeführt | |
Bergmann, Albrecht | Die Heilige Straße | 1934 | nicht offiziell als Thingspiel anerkannt; in Stolzenau u. Holzminden aufgeführt. | |
Kempf, Udolf | Deutsche Feier | 1934 | nicht offiziell als Thingspiel anerkannt; in Bad Schmiedeberg aufgeführt. | |
Möller, Eberhard Wolfgang | 1906-1972 | Frankenburger Würfelspiel | 1936 | zur Olympiade in Berlin uraufgeführt |
Baumann, Hans | 1914-1988 | Für unsere Treue gibt es keinen Tod | 1935 | in Passau aufgeführt |
Baumann, Hans | 1914-1988 | Das Feuertor | 1936 | in Passau aufgeführt |
Baumann, Hans | 1914-1988 | Rüdiger von Bechelaren. Das Passauer Nibelungenspiel. | 1939 | in Passau aufgeführt |
Baumann, Hans | 1914-1988 | Konradin. Ein Weihespiel mit Chören der Jugend. | 1941 | in Passau aufgeführt |
Quelle: Eichberg, Thing-Fest- und Weihespiele im Nationalsozialismus, 22-27; Stommer, Die inszenierte Volksgemeinschaft; Seifert, Die Thingbewegung in Passau.
Nur die Stücke „Deutsche Passion 1933“ „Neurode“ und „Frankenburger Würfelspiel“ konnten das Propagandaministerium überzeugen. An diesen drei Stücken lässt sich das grundlegende Handlungsmuster der Thingspiele skizzieren: Es wurden Stoffe der jüngeren und älteren Vergangenheit gewählt, in denen das Volk gegen ungerechte Herrscher bzw. Arbeitgeber, Kriegsgewinnler etc. revoltiert und dabei entscheidende Unterstützung durch die abstrakte Gestalt eines namenlosen Soldaten, eines Volksgenossen oder eines schwarzen Ritters erhält, der schließlich gegen den bösen Geist des Volksfeindes obsiegt und das entfremdete Volk zur Volksgemeinschaft einen und befreien kann. Als gestalterische Mittel kamen dabei Fahneneinmärsche, Fackeln bzw. entflammende Holzstöße, Grußzeremonien, Sprech-, Bewegungs- und Singchöre, Musik, Einzelsprecher und ein rauschhaft-feierlicher Abschluss zum Einsatz, die mit umfangreicher Licht- und Tontechnik unterstützt wurden. Die journalistischen Kritiken in Zeitungen waren der Meinung, dass für den insgesamt gelungenen architektonischen Rahmen der offiziellen Thingstätten keine adäquaten Werke gefunden seien. Die in 1933 und 1934 erfolgten Produktionen von Thingspielen blieben hinter den Erwartungen zurück und der Dichterkreis enttäuschte weitgehend.
Die Architektur der Thingplätze
Der Reichsbund richtete Ende August 1933 eine Arbeitsgemeinschaft für Architekten ein, die sich der Entwicklung der neu zu errichtenden Freilicht-Spielstätten widmen sollte. Es war geplant, durch Entwürfe für Thingstätten den Dichtern eine Vorstellung für deren zukünftige Aufführungsorte und die dortigen Inszenierungsmöglichkeiten zu geben. An einem Treffen der Arbeitsgemeinschaft nahmen 80 Architekten teil, die sich mit dem neuen Bautypus vertraut machen sollten. Die meisten der zuvor geschaffenen Freilicht-Spielräume und Stadien stufte der Reichsbund als ungeeignet ein. Schließlich sollten die Thingplätze festliche Orte für politische Massenversammlungen und Aufführungen der teilnehmerstarken chorischen Dichtwerke bilden. Man beauftragte die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft nach geeigneten Bauplätzen zu suchen und dafür Entwürfe in Form von Ideenskizzen vorzulegen. Man wollte anschließend mit den Gemeinden verhandeln und allgemein durch eine geplante Ausstellung die Thing-Idee geeignet präsentieren.
Thingplatz auf dem Heiligenberg bei Heidelberg, Foto von 1935. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-49050)
Das Engagement des Freiwilligen Arbeitsdienstes
Im Januar 1934 sagte der Freiwillige Arbeitsdienst in einem Abkommen den Bau von zunächst 20 geplanten Thingplätzen zu. Er versprach sich durch sein Engagement propagandistisch den Nachweis, auch auf praktischem Gebiet zu beachtlichen Leistungen auf dem Gebiet kultureller Erneuerungen fähig zu sein. Bei der Umsetzung der Bauvorhaben zog sich der Arbeitsdienst jedoch mit der Zeit immer mehr zurück, weil er die nötigen Facharbeiten nicht leisten konnte. Neun Thingplätze konnte der Arbeitsdienst errichten, bevor er im April 1935 seinen fast kompletten Rückzug aus dem Bauprogramm bekannt gab.
An den Aufführungen blieb er bis 1937 aktiv beteiligt und entwarf und führte selbst ebenfalls solche Stücke auf. So betätigte sich eine Arbeitsdienstgruppe bei der Einweihung des Thingplatzes in Koblenz im März 1935 mit eigenen Sprechchorwerken und Liedern. An der feierlichen Eröffnung des Thingplatzes in Burg an der Wupper (August/September 1935) wirkte ebenfalls der Arbeitsdienst am Spielgeschehen mit etwa 500 Mann mit.
Bauprojekte

Die Ausgestaltung des nationalsozialistischen Feierjahres mit seinen großen Massenveranstaltungen (insbesondere die Feier des 1. Mai auf dem Tempelhofer Feld in Berlin und des Reichserntedankfestes auf dem Bückeberg bei Hameln 1933) strahlte auf die Konzeption der konkreten Thingplätze aus. So wurden anstelle der bis Ende 1933 verwendeten Vorbilder des antiken griechischen Stadions (u.a. Rhodos Stadt und Ephesus) und der Gestaltung von Kriegerdenkmälern und Friedhöfen der 1920er Jahre nun Oval-, Kreis(segment)- und Ellipsenformen mit fließendem Übergang zwischen Zuschauerraum und weitläufigem Bühnenbereich verwendet. Des Weiteren wurden die Zuschauerdimensionen von ursprünglich 3.000 bis 5.000 Personen auf 10.000 bis 20.000 erweitert.
Im März 1934 waren bereits 14 Thingstätten im Bau. Die zu den Reichfestspielen in Heidelberg im dortigen Rathaus ab dem 28. Juli gezeigte Ausstellung „Nationalsozialistische Thingstätten im Bau“ präsentierte Baupläne, Skizzen und Modelle von ca. 35 Thingstätten. Die von Wilhelm Gerst zugesagten finanziellen Zuschüsse vom Reich und der Partei sowie deren Organisationen sorgten für ein großes Interesse der Gemeinden für die Thingbewegung. Es kam zu überstürzten Baubeginnen, weshalb die Einhaltung der Genehmigungsverfahren angemahnt wurde. Bereits im August 1934 verfügte Minister Goebbels einen vorläufigen Genehmigungstopp, um die Lage wieder zu entspannen.
Obwohl nur als vorübergehende Maßnahme gedacht, wurden danach nur noch wenige Bauanträge genehmigt. Auch die geplante weitergehende finanzielle Förderung durch die Partei, das Propagandaministerium bzw. sonstige Reichsstellen war nicht mehr abzusehen. Die Errichtung von Thingplätzen wurde damit in vielen Fällen allein Angelegenheit der Gemeinden. 1934 waren sechs Thingstätten vollendet worden (Halle, Heringsdorf, Holzminden, Jülich, Schmiedeberg, Stolzenau) und ca. 22 im Bau. Insgesamt sind gemäß Stommer (1985, 205-220) 32 Thinganlagen errichtet worden.
Kundgebung zum 1.Mai 1933 auf dem Tempelhofer Feld in Berlin. Der Aufbau der Rednerbühne floss in die Gestaltung der Thingspielpätze mit ein. Foto: Heinrich Hoffmann. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-67217)
NS-Reichserntedankfest auf dem Bückeberg (Niedersachsen) am 3. Oktober 1937. Das von Albert Speer (NSDAP, 1905-1981) gestaltete Festgelände hatte ebenfalls Einfluss auf die Gestaltung der Thingspielstätten. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-16134)
Die Einweihung von Thingplätze wurde in der Regel feierlich begangen, wie zum Beispiel in Heringsdorf (Mecklenburg-Vorpommern) am 1. Mai 1934. Foto: Heinrich Hoffmann. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-69111)
Gauleiter Robert Wagner (1895-1946) bei der Gundsteinlegung des Thingplatzes Heidelberg am 31. Mai 1934. Foto: Heinrich Hoffmann. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-69146)
Die Spielgemeinschaften
Die „Spielgemeinschaften für nationale Festgestaltung“ waren für die Realisierung der Inszenierungen zuständig und sollten gleichzeitig als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Schauspieler dienen. Der Reichsbund bedurfte geschulter bzw. ausgebildeter Kräfte, weshalb er die Vermittlung theoretischer Grundlagen des chorischen Spiels sowie praktischer Erfahrungen in der Massenregie plante. Es wurde im August 1933 während der Arbeitstagung der Architekten die Gründung der „Rheinischen Spielgemeinschaft für nationale Festgestaltung“ beschlossen. Deren Aufbau und Arbeit sollte beispielgebend für weitere zu gründende Spielgemeinschaften sein, von denen 18 geplant und nur zwölf umgesetzt wurden. Sie sollten in allen 13 Landespropagandastellen errichtet werden und dort als rechtliche Träger der vom Reichsbund initiierten Spiele agieren.
Die Spielgemeinschaften setzten sich aus wenigen Berufsschauspielern, die bisher arbeitslos waren und für jedes Spiel neu verpflichtet wurden, sowie Gruppenformationen aus NS-Organisationen (u.a. Sturmabteilung (SA), Arbeitsdienst, Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädel) als Laienschauspieler und -schauspielerinnen für die Chöre an den einzelnen Aufführungsorten zusammen. Diese Spielgemeinschaften erreichten dramaturgisch eingesetzte Gruppengrößen von 2.000 Personen und mehr. Über 500 Darsteller wurden im November 1933 bei der Kölner Aufführung Kurt Eggers´ „Das Spiel von Job dem Deutschen“ eingesetzt, die vom Reichbund als Modell-Veranstaltung vermarktet worden ist. Doch die Einrichtung weiterer Spielgemeinschaften ging langsam voran. Im Februar 1935 wurde die Bayerische Spielgemeinschaft als zwölfte und letzte Spielgemeinschaft gegründet.
Otto Laubinger hatte besonders die Arbeitsbeschaffung für Schauspieler im Blick und verfügte deshalb 1934, dass Aufführungsgenehmigungen nur erteilt werden, wenn in tragenden Rollen Berufsschauspieler angestellt seien. Insgesamt waren etwa 100 Schauspieler in den bestehenden Spielgemeinschaften beschäftigt.
Ende der Förderung der Thingspielbewegung durch das Reichministerium für Volksaufklärung und Propaganda
Die Qualität der bis 1935 produzierten Thingspiele blieb in den Augen von Reichspropagandaminister Goebbels hinter den Erwartungen eines neuen Gesinnungs-Schauspiels zurück. Die wenigen offiziellen Thingspiele waren Umarbeitungen bekannter Stücke, insbesondere von Hörspielen. Sie setzten sich mit der Weimarer Republik und der Kampfzeit auseinander. Erwartet wurde vielmehr ein kultisches Erlebnis als Bekenntnisschwur eines weltanschaulichen Glaubens, worüber sich Spieler und Zuschauer zusammenschließen. Man habe also noch keine passende Form und keinen adäquaten Inhalt gefunden für den architektonischen Rahmen der Thingstätten.
Infolge dieser Neuausrichtung löste Goebbels die Spielgemeinschaften Ende 1935 auf und entzog der Thingbewegung somit die organisatorische Basis für die Aufführungen. Der Versuch, aus den Thingspielen durch die Verbindung von Propaganda und Theater die zukunftsweisende Aufführungsform der NS-Kultur zu machen, scheiterte damit. Im Mai 1936 erfolgte das Sprechchorverbot für die Veranstaltungen der Partei und ihrer Gliederungen durch Goebbels, da deren aus der Arbeiterbewegung übernommene Form nicht mehr mit den Vorstellungen einer die Bevölkerung aktiv einbindenden Volksgemeinschaftsfeier vereinbar gesehen wurde. Die Sprechchöre wurden als egalitäres Element der Gesellschaft verstanden. Das Ministerium wollte die Gesellschaft aber mittlerweile eher als nach dem Führerprinzip ständisch-hierarchisch geordnet ansehen und empfand diese daher nicht mehr als passend. Daneben blieb auch eine inhaltlich-konzeptionelle Problematik der bisherigen produzierten Werke. Sie enthielten eine unerwünschte Ambivalenz zwischen der gewollten Machtinszenierung des NS-Regimes und seiner Kulturpolitik und der thematisierten Revolte des Volkes gegen seine Obrigkeit. Zudem hob Goebbels 1936 die Reichswichtigkeit der Freilichtbühnen einschließlich der Thingplätze auf, wodurch diesen die offizielle Unterstützung entzogen wurde und sie ihre Förderung verloren.
Olympiade 1936 und „Frankenburger Würfelspiel“

Goebbels´ Verbote haben die Thingspielbewegung nicht vollständig zum Erliegen gebracht. So wurde im Rahmen der Olympischen Spiele 1936 in Berlin das im Auftrag von Goebbels verfasste „Frankenburger Würfelspiel“ von Eberhard Wolfgang Möller im Begleitprogramm am 2. August 1936 auf der bis dato größten Thingstätte „Dietrich-Eckart-Bühne“ (heutige Waldbühne) mit 20.540 Sitzplätzen uraufgeführt. Zu diesem Stück kamen an den vier Aufführungstagen insgesamt 73.122 Zuschauer, was das Bedürfnis des Publikums nach solchen Aufführungen verdeutlichte. Auch im Ministerium galt es als gelungenes Modellstück. Zudem erhielt es im Ausland meist positive Bewertungen. Infolgedessen wurde es über 1936 hinaus auf vielen Thingplätzen (u.a. Passau) und anderen Freilichtbühnen aufgeführt.
Weitere Entwicklung ab 1936
Die Aktivitäten liefen jenseits der Olympiade 1936 trotzdem bei solchen Spielstätten weiter, wo es kommunalen und regionalen Initiatoren gelegen und gelungen war, die Thingstätten weiter zu nutzen. Dort konnten konkurrierende NS-Verbände (die eher völkisch ausgerichtete Gruppe um Alfred Rosenberg, die Organisation „Kraft durch Freude“ sowie die „Deutsche Arbeitsfront“ und die Hitlerjugend) ihre alternativen Konzepte fortführen. Außerdem lockerten das Reichspropagandaministerium und der Reichsbund ab 1937 wieder ihre restriktive Politik. Die offiziellen Statistiken weisen ab 1937 ein beständiges Wachsen der Thingplätze, der Aufführungen und der Zuschauerzahlen aus. Auch bot der Reichsbund nun wieder Hilfestellungen zur Absicherung des künstlerischen und finanziellen Erfolges der Aufführungen. Nach Kriegsende plante man erneut an der Ausweitung der Tätigkeit der Freilichtbühnen mit dem Ziel einer Erneuerung des Theaterwesens zu arbeiten. So wollte man strategisch ein Überleben der Thingbewegung sichern. 1945 beendete der Reichsbund nach dem Einmarsch der Roten Armee in Berlin de facto seine Existenz.
Auch in Lagertreffen konnten Thingplätze einbezogen werden. 1935 fanden u.a. während des HJ-Deutschlandlagers auf dem Thingplatz Kuhlmühle (Brandenburg) Veranstaltungen statt. Foto von Heinrich Hoffmann. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-11118)
Thingplätze bzw. NS-Freilichtbühnen in Bayern

Eine Übersichtskarte von 1934 weist für das Gebiet des heutigen Bayern sieben offiziell projektierte Standorte aus (Würzburg, Bamberg, Regensburg, Passau, München, Bad Tölz, Immenstadt). Dichter geplante Regionen befanden sich in Mitteldeutschland und Nordrhein-Westfalen. Die Karte ist aber ungenau und zeigt die nicht abgeschlossenen Planungen.
Für Bayern sind 28 Standorte bekannt, an denen Thingplätze bzw. NS-Freilichtbühnen geplant waren oder Versammlungsplätze als "Thingplätze" bezeichnet wurden. Die Planungen erfolgten fast ausschließlich 1934 (22 Standorte) und 1935 (3 Standorte). Zur Ausführung gelangten lediglich fünf Standorte: Eichstätt, Giebelstadt, Passau, Sonthofen und Windsheim.
Den ins Bauprogramm des Reichsbundes aufgenommenen 17 Standorten in Bayern stehen insgesamt acht Standorte gegenüber, die unabhängig hiervon entweder durch kommunale Akteure (NSDAP-Ortsgruppe bzw. deren Vorsitzender und Bürgermeister: Marktredwitz, Eichstätt, Bad Windsheim, Giebelstadt, Augsburg) oder durch Konkurrenten zu Goebbels realisiert worden sind oder von denen keine konkreten Planungen bekannt sind (Neustadt a.d. Aisch, Burgbernheim, Aschau). Doch von den in Bayern fertiggestellten sechs Standorten war nur Passau Teil des offiziellen Bauprogramms. Der Thingplatz in der NS-Ordensburg Sonthofen ist durch die DAF errichtet worden. Die übrigen entstanden auf kommunale Initiative hin.
Beim 1934 errichteten Thingplatz in Giebelstadt handelte es sich um ein bereits vor 1933 als Freilichtbühne genutztes Gelände vor der Ruine des Geyerschlosses, auf dem das Heimatspiel über den Reichsritter Florian von Geyer aufgeführt wurde. Der Zuschauerraum wurde auf 4.000 Plätze vergrößert. Die Anlage ist also eigentlich kein Thingplatz, wurde aber als solcher ab 1935 so bezeichnet. Der in Passau am 22. September 1935 eingeweihte Thingplatz war der erste und einzige fertiggestellte aus dem offiziellen Bauprogramm für Bayern. Auf ihm wurden bis 1941 Thingspiele aufgeführt. Im Jahr 1936 wurde der Platz Windsheim eingeweiht, der durch die Ortsgruppe der NSDAP initiert wurde. Er diente aber als Versammlungsplatz und nicht als Freilichtbühne. Im ersten Bauabschnitt der Ordensburg Sonthofen findet sich im zwischen dem umrahmenden Gebäudegeviert von Offizierskasino und Unteroffiziersheim eine Kanzel, die u. a. für Thingspiele genutzt werden sollte. Die Thingstätte in Eichstätt wurde 1937 eingeweiht. Das Gelände befindet sich auf dem Nordhang des Altmühltales mit Blick auf die Willibaldsburg.
Nur ein kleiner Teil der geplanten Bauprojekte wurde tatsächlich realisiert bzw. fertiggestellt. Es blieb vielfach bei bloßen Planungen und Modellen sowie deren visueller Verbreitung über gedruckte Abbildungen und Filme. Damit konnte eine umfangreiche Bautätigkeit suggeriert werden.
Ort | Gau | Jahr | Kategorie (nach Stommer, 1985,191-193) | Bau/Planung | Quelle | Bemerkung |
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Passau | Bayerische Ostmark | 1934 | B1: offizieller Thingplatz; fertiggestellt | Bau | St., B1/2; Nerd., 358. | offizieller Thingplatz neben der Festung Oberhaus, 1935 eingeweiht und bis 1941 bespielt. |
Regensburg | Bayerische Ostmark | (1934) | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte; bauvorbereitende Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B3/49; Nerd., 360; Mös., 609. | Planungen für drei Standorte: Karthäuser Höhe; Stadtpark, Dörnbergpark; nur literar. Notiz, keine Akten vorhanden; thingspielartiges Weihespiel an der Walhalla am 1.8.1937 im Rahmen eines Sommerfestes des Unteroffizierskorps in Regensburg. |
Kulmbach | Bayerische Ostmark | 1934 | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte; bauvorbereitende Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B3/37; Schob., 422; Nerd., 347. | Bürgermeister initierte 1934 Beantragung des Thingplatzes auf der stadtabgewandten Seite der Plassenburg. Genehmigung des RMVP mit finanziellen Auflagen, worauf Stadtrat den Plan am 29.3.1935 auf Eis legte. |
Marktredwitz | Bayerische Ostmarkt | 1934-1940 | C1: Anlagen, deren Fertigstellung gesichert ist oder eine Bautätigkeit nachweisbar ist. | Planung | Nerd., 348f.; Koob, 36 D. | auf dem 24-Örter-Stein oberhalb von Marktredwitz geplant; umgewidmet zu Ehrenmahl; nur Planierungsarbeiten. |
Bamberg | Bayerische Ostmark | 1934 | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte; bauvorbereitende Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B3/2; Nerd., 340. | Planungen für die Schillerwiese an der Regnitz bzw. bei der Altenburg; nur literar. Notizen keine Akten vorhanden. |
Coburg | Bayerische Ostmark | 1934 | B2: offizielle Aufnahme des Baubetriebes gesichert oder Baupläne überliefert | Planung | St., B3/2; Nerd., 342. | Planung für Himmelsacker unterhalb des Bismarckturmes; nach abschlägigem NSAD-Schreiben vom 3.4.1935 wohl aufgegeben; nur ebenfalls geplantes Ehrenmal scheint erstellt worden zu sein. |
Windsheim | Franken | 1935/36 | C1: Anlagen, deren Fertigstellung gesichert ist oder eine Bautätigkeit nachweisbar ist. | Bau | St., C1/21; Nerd., 339. | NSDAP-Ortsgruppe initiert Bau am Weinturm; Planierung und Pflanzung von 16 Eichen in Reihe; Versammlungsplatz. |
Eichstätt | Franken | 1935-1938; 1935-1936 | C1: Anlagen, deren Fertigstellung gesichert ist oder eine Bautätigkeit nachweisbar ist. | Bau | St., C1/6; Nerd., 342. | unterhalb des Hohen Kreuzes am Geisberg mit Blick auf die Willibaldsburg; Grundsteinlegung 1935; Einweihung 1936. |
Ehingen (Hesselberg) | Franken | 1934 | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte; bauvorbereitende Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B3/34;
Nerd., 342. |
Plan des Ausbaues des provisorischen Versammlungplatzes auf dem Hesselberg zur Thingstätte; nur literar. Notiz, keine Akten vorhanden; nicht ausgeführt. |
Hilpoltstein | Franken | 1934 | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte; bauvorbereitende Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B3/35; | nur literar. Notiz; keine Akten vorhanden. |
Burgbernheim | Franken | 1934? | C3: Standorte, die diskutiert werden | Diskussion | Nerd., 341. | keine konkreten Planungen bekannt. |
Rothenburg ob der Tauber | Franken | 1934 | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte; bauvorbereitende Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B3/50; Nerd., 360. | vermutlich Planung eines Aufmarschplatzes auf dem Areal der staufischen Burganlage; erster Spatenstich sollte 1934 erfolgen (Meldung in: Fränkischer Anzeiger 9.7.1934); keine konkreten Planungen bekannt. |
Würzburg | Mainfranken | 1934 | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte; bauvorbereitende Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B3/65. | nur literar. Notiz, keine Akten vorhanden. |
Schweinfurt | Mainfranken | 1934 | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte; bauvorbereitende Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B3/53. | Vorhaben, das bis 1936 errichtete Willy-Sachs-Stadion auch für Thingspiele zu nutzen. |
Schweinfurt | Mainfranken | 1934-1936 | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte;bauvorbereitendene Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B3/53; Nerd., 360; Strobl 2021. | Oberbürgermeister initierte Planung eines Thingplatzes im Bereich Deutschhöfer-/Zeller-Straße; kam wegen fehlender Mittel nicht zur Umsetzung, danach Nutzungspläne für Stadion. |
Giebelstadt | Mainfranken | 1934 | C1: Anlagen, deren Fertigstellung gesichert ist oder eine Bautätigkeit nachweisbar ist. | Ausbau | St., C1/8; Nerd., 345. | Erweiterung der bereits vor 1933 als Freiluftspielstätte genutzten Anlage vor dem Geyerschloss; Festspiele ab 1935 als "Freiheitsspiele" und Ort als Thingstätte bezeichnet. |
München | München-Oberbayern | 1934/35 | D10: Entwürfe, die innerhalb von Bebauungsplänen gemacht wurden | Planung | St., D10/1+2;
St., B2/18; Nerd., 354. |
zuerst Plan einer Thingstätte auf dem Ausstellungsgelände (Bavariapark), dann aber Ausgestaltung der gesamten Theresienwiese geplant; zwei Pläne mit Thingplatz-ähnlichen Entwürfen; nicht ausgeführt. |
München | München-Oberbayern | 1934 | D10: Entwürfe, die innerhalb von Bebauungsplänen gemacht wurden | Planung | Nerd., 354. | Weihebau für die Reichskleinsiedlung Am Hart; nicht ausgeführt. |
Bad Tölz | München-Oberbayern | 1934 | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte; bauvorbereitende Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B3/60; Nerd., 339. | nur literar. Notiz, keine Akten vorhanden; keine konkreteren Planungen bekannt. |
Raubling | München-Oberbayern | 1934/35 | C3: Standorte, die diskutiert werden | Planung | Nerd., 171; Dt. Bauhütte, 32f. | Gemeinschaftshaus sowie Sportplatz mit Sitzrängen und Kampfbahn für SA errichtet (alter Teil mit Vollwalmdach und Dachreiter des heutigen Inntalstadions); zusätzlich projektierte Freilichtbühne wurde vermutl. nicht errichtet; nur literar. Notiz. |
Grassau | München-Oberbayern | 1933/34 | B2: offizielle Aufnahme des Baubetriebes gesichert oder Baupläne überliefert | Anlage als Naturbühne | OG., 252-283. | 1925 Planung eines Freilichtspieles zur 1000-Jahrfeier; 1933 u. 1934 auf Freilichtbühne am Fuß der Zeppelinhöhe aufgeführt; 1934 als offizieller Thingplatz bestätigt. |
Aschau im Chiemgau | München-Oberbayern | 1938 | ? | ? | Chiemgau-Zeitung 24.6.1938. | Bericht von "Thingplatz", auf dem HJ, BDM, weibl. Arbeitsdienst eine Sommersonnenwendefeier veranstalten; keine Nachweise im Gemeindearchiv. |
Burghausen | München-Oberbayern | 1934/35 | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte; bauvorbereitende Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B 3/13; Nerd., 342; Gilch 2021. | Initiiert durch NSDAP-Ortsgruppe bzw. dem Ersten Bürgermeister August Fischer; sollte bestehende Freilichtbühne auf der Burg im Zusammenhang mit deren Wiederherstellung zum Thingplatz umgebaut werden; nicht ausgeführt. |
Augsburg | Schwaben | 1935 | D7: Entwürfe aus Wettbewerben, in denen Thingplätze - auch unverlangt - erscheinen | Planung | St., D7/1; Nerd., 338. | Wettbewerb "Stadthalle", erster Preis (Thomas Wechs) mit Thingplatz im Umfeld sollte ausgeführt werden; nach längeren Planungen zugunsten eines Gauforums aufgegeben. |
Nördlingen | Schwaben | 1935 | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte; bauvorbereitende Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B3/45 | nur literar. Notiz; keine Akten vorhanden |
Mindelheim | Schwaben | 1934/1937/38 | B3: alle weiteren vorgesehenen oder diskutierten Standorte; bauvorbereitende Maßnahmen (Grundstücksauswahl, Vermessung) | Planung | St., B3/43; Nerd., 349 | nur literar. Notiz; Vorhaben das geplante Stadion auch als Thingstätte zu nutzen. |
Immenstadt | Schwaben | 1934 | B2: offizielle Aufnahme des Baubetriebes gesichert oder Baupläne überliefert | Planung | St., B2/13. | Planung einer offiziellen Thingstätte für 6.000 Zuschauer auf dem Schießplatz-Festgeländes; Genehmigung zurückgestellt und wegen fehlender Finanzierung nicht umgesetzt. |
Sonthofen | Schwaben | 1936 | C1: Anlagen, deren Fertigstellung gesichert ist oder eine Bautätigkeit nachweisbar ist. | Bau | St., C1/15. | "Sportkanzel" im Innenhof der NS-Ordensburg Sonthofen errichtet; konnte auch für Thingspiele genutzt werden. |
Liste der Thingplätze und Thingplatzplanungen in Bayern gemäß der Gaugliederung ab 1933
St. = Stommer 1985, Katalog der Thingplätze,191-258; Strobl 2021 = Stadtarchiv E-Mail v. 15.11.2021; Nerd. = Nerdinger 1993; Gilch 2021 = Stadtarchiv E-Mail v. 11.10.2021; Dt. Bauhütte = Artikel „Ein Gemeinde- und Gemeinschafts-Haus“ 1937, 32-33; Mös. = Karl Möseneder (Hg.): Feste in Regensburg. Von der Reformation bis zur Gegenwart. Regensburg 1996; Koob = Hanna Koob/Albrecht Holl: Städtebauliche Maßnahmen während der NS-Zeit. In: Stadt Marktredwitz (Hg.): Alltag in Marktredwitz in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Marktredwitz 1995, 34-40; Schob. = Wolfgang Schoberth: Fritz Schuberth – vom „Eisberg“ an den Kabinettstisch. Aufstieg und Fall eines einflussreichen Nationalsozialisten, in: Die Plassenburg. Heft 53, 407-454; OG. = Olaf Gruß: Sommerfrische, Fremdenverkehr und Tourismus. In: Marktgemeinde Grassau (Hg.): Die Geschichte der Marktgemeinde Grassau. Band Verkehr und Tourismus in Grassau und Rottau. Grassau 2014, 253-283.
Thingplatz-Kategorien (nach Stommer 1985, 191-193) mit der jeweiligen Anzahl in Bayern:
B: offizielle Thingplätze: insges. 15; für Bayern B1: 1; B2: 3; B3: 12.
C: nichtoffizielle Thingplätze: insges. 8; für Bayern C1: 5; C3: 3.
D: Wettbewerbe, Bebauungspläne und freie Entwürfe: insges. 3; für Bayern D7: 1; D10: 2
Die Thingplätze nach 1945
Viele Thingplätze wurden nach 1945 weiter für Veranstaltungen genutzt. In Bayern lässt sich dies für die Standorte Passau, Eichstätt, Bad Windsheim und Marktredwitz nachweisen. In Eichstätt fand 1946 auf dem Thingplatz ein Chortreffen statt. 1963 nutze man ihn für den Diözesan-Frohschartag mit Messen, Volkstänzen, Spielen und Theaterstücken. Der Passauer Thingplatz wurde 1950 für Veranstaltungen im Rahmen des 74. Deutschen Katholikentags verwendet. Bis in die 1960er Jahre folgten Zeltlager der Pfadfinder (1961/1970) sowie 1967/1968 die Vereidigung von Rekruten der Bundeswehr. Seither scheint diese weithin unkritische Indienstnahme der Thingstätten passé.
Rund zehn Jahre später entdeckten popkulturelle Jugendinitiativen diese Plätze für Ihre Open-Air-Festivals: Seit 1977 findet das Weinturm-Festival in Bad Windsheim und von 1980 bis 1998 das Pfingst-Open Air in Passau auf den Thingplätzen statt, 2021 ebenfalls in Passau das Cute-Festival. Die Nachnutzungen sind in der Forschung bislang nur schlecht erforscht, so dass hier nur ein grober, exemplarischer Eindruck für jene bis zur Gegenwart bestehende Qualität der Thingplätze als Veranstaltungs- und Feierorte möglich ist.
Zeitgenössischer Blick auf den Thingplatz und die Willibaldsburg vom Hohen Kreuz Eichstätt. (Foto: WaldiWuff lizenziert durch CC0 1.0 Deed via Wikimedia Commons)
Literatur
- Henning Eichberg u. a., Massenspiele: NS-Thingspiel, Arbeiterweihespiel und olympisches Zeremoniell, Stuttgart/Bad Cannstadt 1977.
- Henning Eichberg, Das Fest der Bewegung. Arbeitermassenspiel und NS-Thingspiel, Dijon 2008.
- Rainer Stommer, Die inszenierte Volksgemeinschaft. Die „Thing-Bewegung“ im Dritten Reich, Marburg 1985.
- Winfried Nerdinger (Hg.), Bauen im Nationalsozialismus. Bayern 1933–1945, München 1993.
- Katharina Bosse, Thingstätten. Von der Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart, Bielefeld 2020.
- Günter Rühle (Hg.), Theater für die Republik im Spiegel der Kritik 1917-1933, 2 Bde., Frankfurt a. M., 2. Aufl., 1987.
- Manfred Seifert, Die Thingbewegung in Passau. Zu den lokalen Aktivitäten im nationalsozialistischen Freilichtschauspiel zwischen 1934 und 1943, in: Winfried Becker (Hg.), Passau in der Zeit des Nationalsozialismus. Ausgewählte Fallstudien, Passau 1999, 289–306.
- Manfred Seifert, Der Thingplatz in Passau. Architektur und Baugeschichte, in: Ostbaierische Grenzmarken 41 (1999), 153–179.
- Manfred Seifert, Kulturarbeit im Reichsarbeitsdienst. Theorie und Praxis nationalsozialistischer Kulturpflege im Kontext historisch-politischer, organisatorischer und ideologischer Einflüsse, Münster/New York 1996, 298–308.
Weiterführende Recherche
Externe Links
- Wörterbuch zur Theaterpädagogik: Lemma "Thingspiel"
- Thingstätten-Projekt
- Virtuelle Ausstellung „Kult(ur)orte. Vergangenheit und Gegenwart der NS-Thingstätten“
Empfohlene Zitierweise
Manfred Seifert, Thingspiele, in: Historisches Lexikon Bayerns, publiziert am 18.12.2023, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Thingspiele> (15.03.2025)