Quickborn
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Aus dem Zusammenschluss verschiedener abstinenter Schülerzirkel 1917 entstandene katholische Jugendorganisation, die von Anfang an Mitglieder beiderlei Geschlechts hatte. Zentrum des Quickborn wurde die 1919 erworbene unterfränkische Burg Rothenfels, wo bis heute die regelmäßigen Treffen des Bundes stattfinden. Seit 1920 arbeitete der Theologe Romano Guardini (1885-1968) im Quickborn mit; der Bund beeinflusste in der Folgezeit die "liturgische Bewegung" wesentlich. Ab 1933 immer mehr in seiner Arbeit behindert, wurde Quickborn 1939 von den Nationalsozialisten verboten. 1946 entstand der Bund neu und erlebte vor allem in den 1960er Jahren erhebliche Veränderungen.
Entstehung und Gründung
Am bischöflichen Konvikt in Neiße (Oberschlesien) wurde 1909 auf Betreiben des Priesters Dr. Bernhard Strehler (1872-1945) ein abstinenter Schülerzirkel gegründet. Unabhängig davon entstanden weitere Abstinentenzirkel an Gymnasien, u. a. am Gymnasium Wertheim (Main). Der Name "Abstinenter Schülerzirkel" war wenig einladend, wie Hermann Hoffmann (1878-1972), neben Strehler und Klemens Neumann (1873-1928) eine der drei bestimmenden Personen der Frühzeit des Quickborn, rückblickend feststellte. Ein Schüler von Strehler schlug stattdessen "Quickborn" vor. Der Name geht zurück auf die Sammlung mundartlicher Lyrik des (plattdeutschen) Dichters Klaus Johann Groth (1819-1899). Nach Aussage Hoffmanns kam mit der Assoziation des lebendigen, sprudelnden Brunnens zum Ausdruck, was sie ersehnten: "das Empordrängen und Ausströmen echten, starken Jugendgeistes und Jugendlebens".
Ab 1913 gab Bernhard Strehler eine Zeitschrift mit dem Namen "Quickborn" heraus. Die Zahl der Bezieher stieg schnell auf 500, in der Zeit des Ersten Weltkrieges auf 5000. 1917 wurde der Name Quickborn allgemein eingeführt und der Verein der Quickbornfreunde e.V. gegründet. Es kamen immer mehr Gruppen hinzu, auch an Mädchenschulen. Bereits ab 1913 nahm der Quickborn auch Mädchen auf; Mädchen und Jungen gestalteten dann auch gemeinsam ihre Treffen. Für den katholischen Bereich war diese Situation koedukativer Jungendarbeit höchst ungewöhnlich. 1915 bildeten sich in Hessen, Franken und Schlesien eigene Organisationsstrukturen in Form von Gauen. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges stieg die Mitgliederzahl auf 7.000 an.
Am Anfang stand mit dem Abstinenten Schülerzirkel eine Vereinigung des sozialreformerischen Idealismus auf der Suche nach der Form eines modernen jugendgemäßen Lebens. Diese Ausrichtung sprengte den traditionellen Verbandskatholizismus. Der Durchbruch zur Jugendbewegung vollzog sich erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Diese Entwicklung teilt der Quickborn mit anderen Bünden der katholischen Jugendbewegung.
Entwicklung 1919 bis 1939
Nachdem sich bei der Suche nach einem Platz für das Quickborn-Sekretariat ein Grundstückskauf in Pflochsbach b. Lohr am Main nicht realisieren ließ, bot Fürst Alois von Löwenstein-Wertheim (1871-1952) die in der Nähe gelegene Burg Rothenfels zum Kauf an. Der Verein der Quickbornfreunde wurde im Februar 1919 Eigentümer der Burg und veranstaltete dort im August 1919 den ersten Deutschen Quickborntag. Der zweite Deutsche Quickborntag 1920 wählte Bernhard Strehler zum Bundesführer. Ein Teilnehmer dieser Tagung war Romano Guardini (1885-1968), der durch seine Leitungstätigkeit in der Juventus, einem Freundeskreis katholischer Mainzer Gymnasiasten, auf Burg Rothenfels aufmerksam geworden war. Ostern 1922 fand bereits die erste "Werkwoche" unter der Leitung von Romano Guardini statt. Mit Sanierung und Umbau der Burg wurde der 1924 zum Burgbaumeister gewählte Architekt Rudolf Schwarz (1897-1961) beauftragt.
Die ersten großen Bundestagungen im August 1919, 1920, 1921 hatten Themen wie das Verhältnis von Mädchen und Jungen, die Spannung von Autorität und Freiheit, die Frage der Abstinenz oder das Verhältnis zwischen dem einzelnen und der Gemeinschaft. Die jugendbewegte, vom benediktinischen Mönchtum geprägte Religiosität fand in den Folgejahren ihren deutlichsten Ausdruck in der Feier der Kar- und Ostertage unter der Leitung von Romano Guardini. Durch ihn kam es zu einer stärkeren Betonung der liturgischen Bewegung. Vom Quickborn und von Burg Rothenfels gingen insbesondere durch die mit einem ganzheitlichen pädagogischen Ansatz gestalteten Werkwochen wichtige Anstöße in Kirche und Gesellschaft (liturgische Bewegung, Kirchenbau, Jugend- und Erwachsenenbildung sowie Jugendmusikarbeit) aus.
In dieser Zeit entwickelte sich der Bund gleichzeitig in verschiedene Richtungen und kam zu unterschiedlichen Fragestellungen. Es entstanden verschiedene Organisationsformen und Teilgemeinschaften, etwa der Großquickborn oder die Quickborn-Jungengemeinschaft. Ferner kam es – insbesondere in den sog. Industriegauen - zunehmend zur Aufnahme von Berufstätigen.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Arbeit von "Quickborn" immer mehr erschwert. In den Jahren 1933 bis 1939 sicherte die "Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels e.V." den Weiterbestand; Ostern 1939 fand noch eine Ostertagung mit 900 Teilnehmern auf Burg Rothenfels statt. Aber bereits im August 1939 wurde die teilweise vom Reichsarbeitsdienst besetzte Burg beschlagnahmt und der Bund Quickborn verboten.
Die Quickborner hielten Verbindung untereinander und führten einzelne getarnte Treffen durch. Einige wurden Opfer der nationalsozialistischen Justiz. Dazu zählen Theo Hespers (1903-1943), der aus seinem niederländischen Exil Widerstand anregte, und Max Joseph Metzger (1887-1944), der Mitgründer des Friedensbundes Deutscher Katholiken und der Una Sancta-Bewegung. Illegale Rundbriefe erschienen, jährlich fanden an verschiedenen Orten Soldatentreffen statt. Quickborn-Bundesleiter Heinrich Bachmann (gest. 1946) gründete neue Arbeitsgemeinschaften und Gruppen, von denen fast alle Ansatzpunkte bei der Wiederbegründung des Bundes wurden. Bei Steingaden in Oberbayern hielt Gregor Lang OSB (1884-1962) jedes Jahr "Wochen auf der Wies" ab, die zuletzt mehr als vierhundert Teilnehmer hatten und damit auch entscheidend wurden für die Nachkriegs-Geschichte des Quickborn.
Neuanfänge in der Nachkriegszeit
1946 konnte sich der Bund wieder konstituieren. Nach dem Tod Bachmanns und den Konstitutionsbemühungen in den einzelnen Zonen wurde Wilhelm Mogge zum Bundesleiter gewählt. 1947 fand der erste Bundestag auf Burg Ludwigstein und 1948 das erste Bundestreffen des Quickborn auf Burg Rothenfels statt. Bestimmende Person dieser Jahre war der Oratorianer Heinrich Kahlefeld (1903-1980), dessen besondere Aufmerksamkeit auf Liturgie und Akademiearbeit lag. Damit begann gleichzeitig eine Verselbständigung der Burg als Bildungsstätte, später abgeschlossen mit der Konstitution als Heimvolkshochschule. Ab 1959 übernahmen Bernhard Casper (geb. 1931), Heinz Fleckenstein (1907-1995) und Bruno Leuschner (1910-1965) die Verantwortung.
Die ursprünglich einheitliche Struktur des Bundes erodierte in dieser Zeit zunehmend. Es entstanden die Teilgemeinschaften Älteren- und Jüngerenbund, Mittelschicht, Mädchengemeinschaft und Jungengemeinschaft. Die Quickborn-Jüngerengemeinschaft strukturierte sich 1950 um. Die Mittelschicht, die 20- bis 30-Jährigen, schlossen sich zur Mittlerengemeinschaft zusammen, in der es einen eigenen Quickborn-Hochschulring mit Hochschulgruppen an vielen Universitäten gab.
Im Zuge der Neu- und Umorientierung vieler Bereiche der Jugendarbeit kam es in den 1960er Jahren auch im Quickborn zu einem Umbruch. Die Quickborn-Mittelschicht und die Mädchen- und Jungengemeinschaft legten den Namen Quickborn ab. Mädchen- und Jungengemeinschaft fusionierten 1964 aber wieder zur Quickborn-Jüngerengemeinschaft, die sich 1966/67 in Bund Christlicher Jugendgruppen umbenannte. Ein anderer Teil der Quickborn-Jüngerengemeinschaft gründete 1967 in bewusster Aufnahme der ursprünglichen Tradition den Quickborn-Arbeitskreis. Die Mittelschicht benannte sich 1967 um in Rothenfelser Hochschulring und Rothenfelser Kreis; beide Gruppierungen wurden aber bereits 1969 bzw. 1970 aufgelöst.
Ein beim Auseinandergehen des Quickborn vereinbartes Dach aller früheren Quickborngemeinschaften, der "Rothenfelser Ring", kam nie zustande. Den Namen Quickborn tragen heute noch der Quickborn-Älterenbund, einige wenige, eher informelle Gruppen und der Quickborn-Arbeitskreis als Mitgliedsverband des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend.
Literatur
- Meinulf Barbers, Der Bund Quickborn 1945-1965, in: Historische Jugendforschung. Jahrbuch des Archivs der Deutschen Jugendbewegung NF 1 (2004), 211-240.
- Meinulf Barbers, Quickborn-Arbeitskreis, in: Günter Biemer/Werner Tzscheetzsch (Hg.), Handbuch kirchlicher Jugendarbeit. 4. Band: Jugend der Kirche. Selbstdarstellung von Verbänden und Initiativen, Freiburg im Breisgau 1988.
- Meinulf Barbers, Restauration oder Neubesinnung? Das Schicksal der Bündischen Jugendbewegung in Deutschland nach 1945. Am Beispiel des Quickborn 1945 bis 2011, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 70 (2012), 257-284.
- Johannes Binkowski, Jugend als Wegbegleiter. Der Quickborn 1909 bis 1945, Stuttgart 1981.
- Paul Hastenteufel, Katholische Jugend in ihrer Zeit. 1. Band: 1900-1918; 2. Band: 1919-1932, Bamberg 1988-1989.
Quellen
- Romano Guardini, Quickborn. Tatsachen und Grundsätze, Rothenfels 1921.
- Bernhard Strehler, Aus dem Werden und Leben Quickborns, Würzburg 1927.
Weiterführende Recherche
Externe Links
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Empfohlene Zitierweise
Godehard Ruppert, Quickborn, publiziert am 15.10.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Quickborn> (10.10.2024)