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Jugendherbergen

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Eva Kraus

Die Idee zur Einrichtung von Jugendherbergen stammt aus Deutschland und geht zurück auf die Anfänge des 20. Jahrhunderts. Sie hat ihren Ursprung in den Konzepten von Reformpädagogik und Jugendbewegung und wollte wandernden Jugendlichen günstige Unterkünfte zur Verfügung stellen. In Bayern waren die Keimzellen für die landesweite Etablierung der Jugendherbergsbewegung Nordbayern, die Pfalz und Südbayern, wo in den 1920er Jahren in rascher Folge mehrere Häuser eingerichtet wurden. Schnell etablierte sich diese Idee im ganzen Reichsgebiet und sogar darüber hinaus. In der NS-Zeit wurde das "Deutsche Jugendherbergswerk" (DJH) in die Hitlerjugend (HJ) eingegliedert. Nach 1945 veränderte sich das vormals auf wandernde Jugendgruppen ausgerichtete Konzept in Richtung einer temporären Unterkunft für Schulklassen, ähnlich den Schullandheimen. Zahlreiche neue Häuser wurden ab den 1950er Jahren in ganz Bayern errichtet. Erst Anfang der 2000er Jahre rückte man von der Fokussierung auf Schulklassen ab und öffnete sich auch für andere Reisende.

Das Deutsche Jugendherbergswerk

Richard Schirrmann, der Gründer des Deutschen Jugendherbergswerkes (1874-1961). (Foto: Deutsches Jugendherbergswerk Detmold, aus: Deutsches Jugendherbergswerk Detmold [Hg.], Jugendherbergen, Detmold 1957, 21)
Ernst Enzensperger (1877-1975). (Foto: Deutsches Jugendherbergswerk Detmold, aus: Karl Götz, 50 Jahre Jugendwandern und Jugendherbergen 1909-1953, Detmold 1959, 32f.)
Die 1924 eröffnete Jugendherberge Jägersbrunn. (Foto: Deutsches Jugendherbergswerk Detmold, aus: Deutsches Jugendherbergswerk [Hg.], Jugendherbergen, Detmold 1957, 68)
Die 1932 eröffnete Jugendherberge Waldhäuser. (Foto: Deutsches Jugendherbergswerk Detmold, aus: Deutsches Jugendherbergswerk [Hg.], Jugendherbergen, Detmold 1957, 146)
Die Jugendherberge in Berchtesgaden. (aus: Moderne Bauformen. Monatshefte für Architektur und Raumkunst 36 [1937], 226)
Plan der Jugendherberge Berchtesgaden. (aus: Moderne Bauformen. Monatshefte für Architektur und Raumkunst 36 [1937], 233)
Gemeinschaftslager in der Jugendherberge Berchtesgaden. (aus: Moderne Bauformen. Monatshefte für Architektur und Raumkunst 36 [1937], 232)
Modell der Jugendherberge in Lam (Lkr. Cham) der Regensburger Architekten J. G. Dorner und Hans Wenz. (aus: Rodatz, Johannes: Das großdeutsche Jugendherbergswerk 1938, Berlin 1939)
Modell der Jugendherberge in Regensburg der Architekten J. G. Dorner und Hans Wenz. (aus: Johannes Rodatz, Das großdeutsche Jugendherbergswerk 1938, Berlin 1939)
Die Jugendherberge Urfeld am Walchensee (Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen). (aus: Johannes Rodatz, Erziehung durch Erleben. Der Sinn des deutschen Jugendherbergswerkes, Berlin 1939, 40)
Tagesraum der Jugendherberge Nürnberg in der Kaiserstallung die 1952 wieder errichtet worden war. (Foto: Deutsches Jugendherbergswerk Detmold, aus: Deutsches Jugendherbergswerk [Hg.], Jugendherbergen, Detmold 1957, 37)

Das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) geht auf den ostpreußischen Volksschullehrer Richard Schirrmann (1874-1961) zurück, der um 1909 im Kontext von Lebensreform, Reformpädagogik und Jugendbewegung die Idee entwickelte, günstige Unterkünfte für "die gesamte deutsche Jugend" einzurichten. Ziel war es, Jugendlichen mehrtägiges Wandern zu ermöglichen und dadurch deren Heimat- und Vaterlandsliebe, die Volksgesundheit sowie die deutsche Wehrkraft zu stärken. 1919 wurde in Altena (Westfalen) der Hauptausschuss für deutsche Jugendherbergen (ab 1928: Reichsverband) gegründet, der seine Tätigkeit im Laufe der Weimarer Republik über das gesamte Deutsche Reich ausbreitete und ein dichtes Netz von mehr als 2.000 Jugendherbergen aufbaute.

Während Hauptausschuss bzw. Reichsverband vor allem Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit betrieb, kam den zwischen 1918 und 1924 gegründeten Zweigausschüssen (ab 1926: Gaue, seit 1935: Landesverbände) die eigentliche Haupttätigkeit des DJH zu: der Bau und Betrieb von Jugendherbergen. 1933 wurde das Jugendherbergswerk gleichgeschaltet. 1949 erfolgte die Neugründung des DJH-Hauptverbands auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Detmold (Nordrhein-Westfalen). 1990 traten die Landesverbände der neuen Länder dem DJH bei. In Deutschland gibt es heute rund 540 Jugendherbergen, davon 70 in Bayern.

Organisatorische Anfänge des Jugendherbergswerks in Bayern

In Bayern hat das Jugendherbergswerk drei regionale Ursprünge: Nordbayern, die Pfalz und Südbayern. Der DJH-Zweigausschuss Nordbayern wurde im Dezember 1920 in Nürnberg, der Zweigausschuss Pfalz-Rheinhessen (später: Rheinpfalz, Sitz: Speyer) im Juli 1921 gegründet. 1923 löste sich der neue Zweigausschuss Unterfranken (Sitz: Würzburg) aus dem Zweigausschuss Nordbayern (Sitz: Nürnberg). Im Oktober 1924 schloss sich der seit 1913 bestehende "Ortsausschuss München für Jugendalpenwanderungen" als Zweigausschuss Südbayern dem DJH an. Auf Wunsch des bayerischen Kultusministeriums, welches das Jugendherbergswesen in Bayern finanziell stark unterstützte, fusionierten die vier Zweigausschüsse am 19. Dezember 1926 zum "Landesverband Bayern für Jugendwandern und Jugendherbergen, DJH Gau Bayern e. V." (Sitz: München; seit 1946: DJH Landesverband Bayern e. V.). Erster Vorsitzender wurde der Münchner Studienprofessor Ernst Enzensperger (1877-1975). Die organisatorischen Keimzellen des bayerischen Jugendherbergswerks waren wie in den übrigen Regionen des Deutschen Reiches Gebirgs- und Wandervereine. Während sich das Jugendherbergswesen in Südbayern aus dem "Deutschen und Österreichischen Alpenverein" (DÖAV bzw. DuÖAV) heraus entwickelte, bestanden in Nordbayern enge Verbindungen zum Fränkischen Albverein sowie zum Touristenverein "Die Naturfreunde". Die ehrenamtlich Aktiven des DJH waren lange Zeit überwiegend Lehrer und Kommunal- bzw. Verwaltungsbeamte.

Der Gau Bayern im DJH-Reichsverband während der Weimarer Republik

Der DJH-Gau Bayern war innerhalb des DJH-Reichsverbands bis 1933 der flächengrößte Gau sowie derjenige mit den meisten Jugendherbergen. An Mitgliedern und Übernachtungen stand er jedoch weit hinter anderen Regionen (v. a. Rheinland, Westfalen, Brandenburg und Sachsen) zurück. Die Zusammenarbeit des DJH-Gaues Bayern mit den übrigen Gauen und insbesondere mit der Führung des Reichsverbands verlief während der Weimarer Republik nicht immer ohne Reibungen. Ein Streitpunkt war die "Erwachsenenfrage", also die Frage, ob neben Jugendlichen auch Erwachsene zur Übernachtung in den Herbergen aufgenommen werden sollten (wogegen vor allem die Südbayern waren). Der bayerische Jugendherbergsverband gab seine weltweite Sonderstellung in dieser Frage erst 2005 auf.

Vor dem Hintergrund zunehmender Unfälle unerfahrener Bergtouristen in den Alpen handhabte der Gau Bayern zudem den Zugang zu den eigenen Jugendherbergen, insbesondere jener im Alpengebiet, sehr viel restriktiver als dies im übrigen Reich der Fall war. Dort handelte man nach der Devise, die "Tore zur Natur" möglichst weit zu öffnen und keine zusätzlichen Schranken aufzubauen. Zu diesen sachlichen Unstimmigkeiten kam das grundsätzliche Unbehagen der auf ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bedachten Münchner Gauführung (Ernst Enzensperger, Hans Ritter von Drechsler u. a.) mit einer übergeordneten Verbandsebene, die zentrale Vorgaben für sämtliche Reichsteile machte.

Die ersten Jugendherbergen in Bayern

Die ersten bayerischen Jugendherbergen wurden wie überall im Reich in Schulen, Turnhallen, Scheunen, Gasthöfen, alten Burgen, Stadttoren etc. eingerichtet. Sie bestanden zunächst überwiegend aus Matratzenlagern mit einfachster Waschgelegenheit und standen den jugendlichen Wanderern zumeist nicht das ganze Jahr über zur Verfügung. Um dauerhafte Unterkünfte für Jungwanderer zu schaffen, richtete der Jugendherbergsverband zunehmend eigene Häuser als Jugendherbergen ein, die sog. Eigenheime. Die erste bayerische Jugendherberge im Eigentum des Ortsausschusses München entstand 1924 in Jägersbrunn (Lkr. Starnberg; heute: Kinderhaus der Tabaluga-Stiftung), das erste nordbayerische Eigenheim 1925 in Rudolfshof bei Lauf an der Pegnitz (Lkr. Nürnberger Land).

Zwischen 1924 und 1933 richtete der bayerische Jugendherbergsverband insgesamt 49 solcher Eigenheim-Jugendherbergen ein, darunter die Jugendherbergen Waldhäuser (Lkr. Freyung-Grafenau) und Saldenburg (Lkr. Freyung-Grafenau) im Bayerischen Wald sowie die Jugendherberge "München-City" in Neuhausen, die 1927 als erste "Großstadt-Jugendherberge der Welt" eröffnet wurde. Daneben bestanden weiterhin Jugendherbergen in der Trägerschaft anderer Verbände, Vereine sowie Kommunen. Insgesamt gab es Anfang 1933 in 264 bayerischen Orten Jugendherbergen unterschiedlichster Größe und Ausstattung. Gemäß den lebensreformerischen und pädagogischen Vorstellungen Richard Schirrmanns herrschte in ihnen ein striktes Alkohol- und Tabak-Verbot.

Gleichschaltung und DJH unter HJ-Führung (1933-1945)

Nach Adolf Hitlers (NSDAP, 1889-1945) Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 versuchten die mehrheitlich nationalistisch orientierten führenden Funktionäre des Jugendherbergsverbands, den Nationalsozialisten durch Maßnahmen der Selbstgleichschaltung (Entfernen der sozialdemokratischen und jüdischen Funktionäre aus ihren Ämtern, zahlreiche NSDAP-Beitritte) ihre Kooperationsbereitschaft zu demonstrieren. Der "Hitlerjugend" (HJ) wurden einige Plätze in den Führungsgremien des Verbandes angeboten. Die HJ gab sich damit jedoch nicht zufrieden, sondern verlangte von der DJH-Reichsführung die Übergabe der Verbandsgeschäfte. Am 12. April 1933 schlossen Richard Schirrmann und Baldur von Schirach (NSDAP, 1907-1974, seit 1933 "Jugendführer des Deutschen Reichs") das "Kösener Abkommen" (eigtl. "Kösener-Abkommen zur Zusammenarbeit von Jugendherbergsverband und Reichsjugendführung der NSDAP") und besiegelten damit die Gleichschaltung des DJH-Reichsverbands mit der HJ.

In Bayern konnte die HJ ihren Machtanspruch zunächst nicht durchsetzen, da der Gau-Vorsitzende Ernst Enzensperger auf seine guten Kontakte zu Ministerpräsident Ludwig Siebert (NSDAP, 1874-1942, Ministerpräsident 1933-1942) und Kultusminister Hans Schemm (NSDAP, 1891-1935, Kultusminister 1933-1935) baute und sich der HJ zunächst widersetzte. Im Juni 1933 traten schließlich aber auch im DJH-Gau Bayern die beiden Vorsitzenden zurück und wurden von HJ-Führern ersetzt. Nachfolger Enzenspergers wurde der HJ-Führer Friedrich Ehrlicher, der dem Gau bis zu dessen Zerschlagung 1935 vorstand und von 1938 bis 1945 das Münchner Stadtjugendamt leitete. Zwischen 1933 und 1945 war der Reichsverband für Deutsche Jugendherbergen organisatorisch der Reichsjugendführung angegliedert, blieb aber auf dem Papier als eingetragener Verein und damit als juristische Person bestehen. Bei den Gauen verfuhr die HJ analog: In den regionalen HJ-Gebietsverwaltungen wurde jeweils eine für das Herbergswesen zuständige Abteilung geschaffen, deren Leiter in Personalunion auch dem DJH-Gau vorstand. 1936 wurde der DJH-Gau Bayern in Angleichung an die HJ-Gebietseinteilung in die neuen Landesverbände Hochland, Bayerische Ostmark und Franken aufgeteilt. Die Umbenennung wurde aufgrund der Namensgleichheit mit den Parteigauen der NSDAP vorgenommen. 1941 wurden die Landesverbände aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und des kriegsbedingten Personalmangels bei der HJ aufgelöst; der Reichsverband blieb hingegen bis 1945 bestehen.

Die Jugendherbergen in der NS-Zeit

Zwischen 1934 und 1939 entstanden etwa 300 bis 400 neue Jugendherbergen im gesamten Reichsgebiet, bevorzugt jedoch im deutschen Osten und entlang der Reichsgrenzen. Teilweise wurden bestehende Häuser angekauft und entsprechend umgebaut, hauptsächlich aber baute die HJ neue Jugendherbergsgebäude. In Bayern entstanden neun Neubauten:

Architektonisch folgte man weitgehend den Maßgaben Richard Schirrmanns aus den frühen 1920er Jahren: Die Jugendherbergen sollten unter Verwendung regionaler und traditioneller Materialien und Formen errichtet werden, damit die Jugendherbergen keine architektonischen Fremdkörper würden, sondern sich in die jeweilige Landschaft einfügten ("Heimatstil"). Anders als vor 1933 wurden nun aber vor allem auf den Massenbetrieb ausgerichtete Jugendherbergen gebaut. Die "Adolf Hitler-Jugendherberge" Berchtesgaden (Lkr. Berchtesgadener Land) etwa sollte mit 1.000 Betten die größte Jugendherberge der Welt sein. Neben der Unterbringung von HJ-Gruppen und Schulklassen wurden die Jugendherbergen als Schulungs- und Tagungsstätten genutzt, zur Unterbringung sudetendeutscher Flüchtlinge oder als Unterkunft für Lager des Reichsarbeitsdiensts. Einzelgäste wurden zwar geduldet, gerieten aber immer mehr in den Hintergrund; Juden war die Benutzung verboten. Während des Krieges dienten die Herbergen als Lazarette, als Umsiedlerlager, für die Wehrmacht oder als Unterkunft für Zwangsarbeiter. Vor allem aber wurden die Jugendherbergen, gerade in Bayern, ab 1940 als Unterkünfte für die erweiterte "Kinderlandverschickung" (KLV) herangezogen, in deren Rahmen Kinder aus vom Luftkrieg gefährdeten Großstädten in sichere ländliche Regionen evakuiert wurden.

Nachkriegszeit

Ab Sommer 1945 bemühte sich der frühere Vorsitzende des DJH-Landesverbandes Bayern, Ernst Enzensperger, um den Wiederaufbau des bayerischen Jugendherbergswerks. In enger Zusammenarbeit mit dem bayerischen Kultusministerium und unterstützt von der amerikanischen Militärregierung nahm er eine Bestandsaufnahme der bayerischen Jugendherbergen vor. Zwei Häuser waren zerstört (Kempten und Nürnberg), die übrigen 48 Eigenheime erhalten geblieben, jedoch größtenteils geplündert und herabgewirtschaftet oder mit Flüchtlingen belegt. Im April 1946 berief das bayerische Kultusministerium Enzensperger zum Beauftragten für Jugendherbergen, im Oktober wurde der Bayerische Jugendherbergsverband mit Enzensperger als Vorsitzendem wiedergegründet. 1947/48 beschlagnahmte das Landesamt für Vermögensverwaltung die bayerischen Jugendherbergen als NS-Eigentum. Erst nach einem Protestmarsch der Jugendverbände vor dem Bayerischen Landtag und dem Eingreifen der Staatsregierung wurden sie dem Verband rückübereignet. 1949 trat Enzensperger zugunsten von Anton Graßl (1909-1990) vom Amt des 1. Vorsitzenden zurück.

Entwicklung des Herbergsnetzes in Bayern seit den 1950er Jahren

In den 1950er und 1960er Jahren entstanden zahlreiche Herbergsneubauten, so dass die Zahl der Jugendherbergen in Bayern bis 1971 auf 124 Häuser stieg. Die Standorte für neue Häuser richteten sich noch immer in erster Linie nach der Eignung des Ortes für das Wandern (z. B. im Alpengebiet: Garmisch, Mittenwald [Lkr. Garmisch-Partenkirchen], Lenggries [Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen], Prien [Lkr. Rosenheim], Oberammergau [Lkr. Garmisch-Partenkirchen], Oberstdorf [Lkr. Oberallgäu] u. a.). Besonders viele neue Jugendherbergen wurden, unterstützt durch Mittel aus der Grenzlandförderung, im Bayerischen Wald errichtet (entlang des nördlichen Kammwanderwegs: Frauenberg [Lkr. Freyung-Grafenau], JH Mauth [Lkr. Freyung-Grafenau], Eisenstein [Lkr. Regen], Zwiesel [Lkr. Regen] u. a.). In Nordbayern wiederum waren, anders als in Südbayern, anstelle des Landesverbands selbst zumeist Kommunen die Bauträger neuer Herbergen. Mit der zunehmenden Erweiterung der Jugendherbergen auf andere Übernachtungsgruppen und dem schwächer werdenden Wandergedanken erwies sich das an Tageswanderentfernungen orientierte Herbergsnetz in manchen Regionen als zu dicht; nicht alle Häuser wurden ausreichend ausgelastet, so dass der Landesverband das Netz durch Standortschließungen ausdünnte.

Das Haus "Untersberg" der Jugendherberge Berchtesgaden. (Aufnahme zur Verfügung gestellt vom Deutschen Jugendherbergswerk Landesverband Bayern e. V.)
Das Haus "Jenner" der Jugendherbe Berchtesgaden. (Aufnahme zur Verfügung gestellt vom Deutschen Jugendherbergswerk Landesverband Bayern e. V.)

Entwicklung der inhaltlichen Ausrichtung

Leitbilder des Jugendherbergsverbands sind heute (2013) die Förderung von Bildung und Erziehung, des Umweltbewusstseins, der internationalen Begegnung sowie des Gemeinschaftserlebnisses. Der Bayerische Jugendherbergsverband bietet in seinen Jugendherbergen bereits seit den 1960er Jahren zusätzlich zu Übernachtung und Verpflegung verstärkt inhaltliche Programme an, die zunächst überwiegend von Schulklassen im Rahmen von Schullandheimaufenthalten genutzt wurden. Seit Anfang des neuen Jahrtausends haben sich die bayerischen Jugendherbergen von ihrer Fokussierung auf die Kernzielgruppe Schulklassen gelöst und sich anderen Nutzergruppen, insbesondere Familien, geöffnet. 2003 verabschiedete der Landesverband eine neue Satzung, in der in § 3 die "Förderung der Erziehung und Bildung junger Menschen" fest verankert wurde.

Mit der "Passauer Erklärung" vom Mai 2004 positionierte sich der Landesverband erneut im Bildungs- und Erziehungsbereich, indem er seine Jugendherbergen als "Lernorte" versteht. So gibt es inzwischen zahlreiche Jugendherbergen mit speziellem inhaltlichem Profil, etwa die "Umweltstudienplätze" Waldhäuser und Eichstätt, die "Kulturstudienplätze" Landshut, Nürnberg, Passau und Regensburg sowie die "Alpinstudienplätze" Mittenwald, Oberammergau und Garmisch-Partenkirchen. Dem historischen Erbe der Jugendherbergsidee als Bewegung zur Förderung des Wanderns wird insofern auch heute noch Rechnung getragen, als seit 1948 in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Kultusministerium in den Jugendherbergen Lehrgänge für Schulwandern und Schulfahrten stattfinden. Da sich der Betrieb der Jugendherbergen selbst tragen muss (staatliche Fördergelder werden nur für bauliche Maßnahmen gewährt), bewegt sich die Jugendherbergsarbeit im Spannungsfeld zwischen ideellen Zielen auf der einen und wirtschaftlichen Zwängen auf der anderen Seite.

Das Internationale Jugendherbergswerk

Die Jugendherbergsbewegung überschritt bereits in den 1920er Jahren die Reichsgrenzen. Manche Reisende aus anderen europäischen Ländern bemühten sich im eigenen Land um den Aufbau eines ähnlichen Netzes günstiger Übernachtungsmöglichkeiten für Jugendliche nach deutschem Vorbild. So entstanden u. a. in der Schweiz, in Polen, Skandinavien, Großbritannien, Frankreich und in den Niederlanden Jugendherbergsverbände. Aus dem Interesse dieser neuen Jugendherbergsverbände, mit dem Reichsverband für deutsche Jugendherbergen Gegenseitigkeitsabkommen zur Anerkennung der jeweiligen nationalen Herbergsausweise zu schließen, entstand 1931/32 der Gedanke einer internationalen Tagung der verschiedenen nationalen Herbergsverbände. Auf Einladung des niederländischen Jugendherbergsverbands fand im Oktober 1932 die erste "Internationale Tagung der Jugendherbergs-Landessekretäre" mit Teilnehmern aus zehn europäischen Jugendherbergsverbänden in Amsterdam statt. Sie hatte informellen Charakter; die Teilnehmer trafen sich lediglich zu einem Meinungs- und Erfahrungsaustausch.

Dennoch wurde hier der Grundstein für die künftige internationale Zusammenarbeit gelegt, denn man einigte sich auf eine Wiederholung der Tagung und schloss sich zur "Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Jugendherbergen" zusammen, deren 1. Vorsitz Richard Schirrmann bis 1937 innehatte. Die Arbeitsgemeinschaft traf sich bis 1938 jährlich und musste dann ihre weitere Arbeit kriegsbedingt einstellen. Bereits 1946 wurde die Arbeit wieder aufgenommen, nun unter britischer Führung. Schon 1952 nahm man mit Anton Graßl, seit 1949 Vorsitzender des DJH-Landesverbands Bayern, wieder einen deutschen Vertreter in die erweiterte Vorstandschaft auf. 1957 wurde er Vize-Präsident, 1962 sogar (bis 1976) Präsident der "International Youth Hostel Federation" (IYFH). Er hatte zwei bayerische Nachfolger in diesem Amt, Otto Wirthensohn (1937-2021; von 1982 bis 1988; parallel Vorsitzender des DJH-Hauptverbands sowie des DJH-Landesverbands Bayern) sowie Friedrich Muth (von 1994 bis 2000; parallel stellvertretender Vorsitzender im DJH-Landesverband Bayern). Der seit 2006 unter dem Namen „Hostelling International“ firmierende Dachverband umfasst 90 nationale Jugendherbergsverbände und hat seinen Sitz in Welwyn Garden City bei London.

Gewandelte Haltung des DJH zu Richard Schirrmann seit Anfang der 2000er Jahre

Richard Schirrmann wurde vom Jugendherbergsverband lange als Gründervater verehrt; die höchste Auszeichnung des DJH-Hauptverbands war bis 2009 die "Richard-Schirrmann-Medaille". Im Zuge der Vorbereitungen auf das einhundertste Gründungsjubiläum der Jugendherbergsidee im Jahr 2009 begann jedoch eine erste Auseinandersetzung mit der verbandseigenen Vergangenheit und insbesondere auch der Rolle Schirrmanns während Gleichschaltung und NS-Zeit. Im Zuge neuer Erkenntnisse aus einer Dissertation [der Verfasserin] zu diesen Fragen distanzierte sich der DJH-Hauptverband von seinem bis dato ausschließlich positiven Bild Schirrmanns und benannte die "Richard-Schirrmann-Medaille" in "Silberne Ehrennadel" um. Eine intensive Diskussion mit Schirrmann und der Vergangenheit des Verbands steht allerdings noch aus.

Vorsitzende (ab 2004: Präsidenten) des Bayerischen Jugendherbergswerks
Name Amtszeit
Ernst Enzensperger 1926-1933
Friedrich Ehrlicher 1933-1935
Ernst Enzensperger 1946-1949
Anton Graßl 1949-1983
Otto Wirthensohn 1983-2008
Gerhard Koller 2008-2018
Klaus Umbach seit 2018

Literatur

  • Eva Kraus, Das Deutsche Jugendherbergswerk 1909-1933. Programm - Personen - Gleichschaltung, Berlin 2013.
  • Peter Morsbach, Die erste Regensburger Jugendherberge war im Altenheim. Die frühen Jahre der Regensburger Jugendherberge (1920-39), in: Regensburger Almanach 34 (2000), 122-130.
  • Jürgen Reulecke/Barbara Stambolis (Hg.), 100 Jahre Jugendherbergen 1909-2009. Anfänge - Wandlungen - Rück- und Ausblicke, Essen 2009.

Quellen

  • Ernst Enzensperger, Von Jugendwandern und Bergsteigertum. Eine Geschichte des Bayerischen Jugendherbergswerkes, München 1951.
  • Anton Graßl/Graham Heath, The Magic Triangle. A Short History of the World Youth Hostel Movement, 1982.
  • Anton Graßl, Unterwegs in der Welt - auf der Suche nach Jugendherbergen, Detmold 1984.

Weiterführende Recherche

Jugendherbergswerk

Empfohlene Zitierweise

Eva Kraus, Jugendherbergen, publiziert am 17.06.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Jugendherbergen> (19.04.2024)