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Mainfranken

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Titelseite des Buches "Mainfranken. Bamberg - Würzburg - Aschaffenburg. Eine fränkische Kunstgeschichte" von Prof. Dr. Fritz Knapp (1870-1938) aus dem Jahre 1928. Knapp prägte mit diesem Werk den Begriff Mainfranken. (aus: Knapp, Fritz: Mainfranken. Bamberg - Würzburg - Aschaffenburg. Eine fränkische Kunstgeschichte, Würzburg 1928. Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 4548 d)

von Herbert Schott

Ursprünglich aus dem kulturellen Kontext hergeleitete Bezeichnung für das Maingebiet um Würzburg, Bamberg und Aschaffenburg. Besondere Bedeutung erhielt der Begriff unter den Nationalsozialisten, die den NSDAP-Gau und den Regierungsbezirk Unterfranken und Aschaffenburg 1935 bzw. 1938 danach umbenannten. Da die Bezeichnung nach 1945 zunächst als belastet galt, hieß der Regierungsbezirk seit 1946 "Unterfranken". In den letzten Jahrzehnten zunehmend verwendet, steht "Mainfranken" heute meist synonym für den Regierungsbezirk Unterfranken.

Mittelalter

Der Name "Ostfranken" (Francia orientalis) ist für das Gebiet am Main östlich des Spessarts schon bald nach der Mitte des 8. Jahrhunderts belegbar. Mit "Ostfranken" ist einerseits das Reich Ludwigs des Deutschen (reg. 843-876) gemeint, andererseits bezieht es sich vorrangig auf das Herrschaftsgebiet des Bischofs von Würzburg, nach der Gründung des Bistums Bamberg 1007 auch auf dieses, mitunter aber auch auf alle zu Franken zu rechnenden Gebiete. Die moderne Forschung verwendet für dieses Gebiet mit "dem Main als Achse" häufig den Namen "Mainfranken". Vermutlich wurde dieser Begriff in dieser Bedeutung und für das Mittelalter erstmals 1913 von Günther Schmidt im Zuge seiner Forschungen über das Herzogtum Franken benutzt.

Knapps Mainfranken-Begriff

Der Begriff "Mainfranken" wurde im 19. Jahrhundert vereinzelt verwendet, erstmals belegt 1839 als Volksbezeichnung (bezogen auf das Mittelalter), als Regionenbezeichnung 1846. Einer der ersten, die den Begriff für ihre Gegenwart verwandten, war Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898), der in seinen 1898 erschienenen Memoiren von der Bevölkerung der "Mainfranken" sprach. Theodor Fontane (1819-1898) schrieb 1894 in seinem Buch "Meine Kinderjahre" ebenfalls von der Bevölkerung der "Mainfranken".

Bekannt und populär wurde der Begriff aber erst durch den Kunsthistoriker Fritz Knapp (1870-1938), der 1928 ein Buch mit dem Titel "Mainfranken. Würzburg, Bamberg, Aschaffenburg. Kunstgeschichtliche Heimatkunde" veröffentlichte. Knapp hatte von 1921 bis 1936 eine Professur für Kunstgeschichte an der Universität Würzburg inne. Für ihn ist "Mainfranken" ein Gebiet, das im Westen vom Spessart, im Norden von der Rhön und dem Thüringer Wald, im Süden vom Odenwald und im Osten von der Fränkischen Schweiz begrenzt wird. Als Zentrum sieht er das mittlere Maingebiet, die Haßberge und den Steigerwald. Politisch-historisch umfasst Mainfranken für Knapp vor allem das Gebiet der (katholischen) Hochstifte Würzburg und Bamberg, dazu Mainzer Gebiete um Aschaffenburg, während für ihn die markgräflichen Gebiete (die Fürstentümer Brandenburg-Ansbach bzw. -Bayreuth) "künstlerisch wie geistig eigene Wege gingen" und damit ausgeschlossen seien (Knapp, Mainfranken, 2). "Mainfranken" war demnach keine politische oder verwaltungsmäßige Einheit, sondern ein Begriff, der eine Kunstlandschaft der Zeit der Romanik bis zum Rokoko beschreiben sollte. In der 2. Auflage seines Buches erweiterte Knapp sein Mainfranken um Rothenburg, Dinkelsbühl und Nördlingen, d. h. um protestantische Städte, teils im ehemals Schwäbischen Reichskreis gelegen. 1920 wurde in Würzburg eine Studentenschaft Mainfranken gegründet, 1930 eine gleichnamige an der philosophisch-theologische Fakultät Bamberg.

Der Gauleiter von Mainfranken Otto Hellmuth (1896-1968). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-1564)
Nationalsozialistische Propagandabroschüre "Mainfranken im Aufbau", Würzburg 1935.
Karte der NSDAP-Gaue Mainfranken, Franken und Bayerische Ostmark, 1939. (Bayerische Staatsbibliothek)

Gauleiter Otto Hellmuth und "Mainfranken"

Große Verbreitung fand der Name "Mainfranken" erst im "Dritten Reich", genauer gesagt durch Gauleiter Otto Hellmuth (1896-1968). 1928 wurde er von Hitler zum Gauleiter des NSDAP-Gaus "Unterfranken" eingesetzt. Auf seinen Vorschlag hin benannte die Reichsleitung der NSDAP den Gau am 30. Juli 1935 in "Mainfranken" um – schon seit ca. 1930 hatte er "mainfränkisch" als Namensbestandteil in allen Bereichen soweit möglich gefördert. Hellmuth wollte sich damit vom Nürnberger Gauleiter Julius Streicher (1885-1946) (Gau Franken) absetzen.

Schon 1933 wurde der Begriff aber von Helmut Nicolai (1895-1955) für ein Verwaltungsgebiet verwendet. In seiner Adolf Hitler gewidmeten Schrift (Grundlagen der kommenden Verfassung. Über den staatsrechtlichen Aufbau des Dritten Reiches, Berlin 1933) schlugt der Staatsrechtler eine Aufteilung Deutschlands "nach völkischen Gesichtspunkten" in 14 Länder vor; dabei sollte "Main-Franken" aus den bayerischen Regierungsbezirken Ober-, Mittel- und Unterfranken bestehen. Der bayerische Innenminister Adolf Wagner (1890-1944), seit Mai 1934 Beauftragter der Reichsleitung für die Reichsreform, entwarf 1935 in einer Denkschrift die Einteilung des Reichs in Reichsgaue, der Reichsgau Mainfranken, der auch große Teile von Mittel- und Oberfranken umfassen sollte, zählte dabei zur Kernzone des Reichs. Es kam aber im Dritten Reich nicht mehr zu einer großen Reichsreform.

Der Regierungsbezirk hieß seit 1837 "Unterfranken und Aschaffenburg". Hellmuth, seit Ende 1934 auch Regierungspräsident, strebte auch die Umbenennung des Regierungsbezirks in "Mainfranken" an. Im Mai 1937 gewann er den bayerischen Ministerpräsidenten Ludwig Siebert (1874-1942) dafür, aber nur mit großer Mühe konnten sich die beiden gegen den Widerstand des bayerischen Innenministers Adolf Wagner durchsetzen. Gegner der Umbenennung hatten auf die erwartete Reichsreform verwiesen, der nicht vorgegriffen werden solle. Ab dem 1. Juni 1938 hieß der Regierungsbezirk offiziell "Mainfranken".

Hellmuth wollte aus "seinem" Gau Mainfranken einen Mustergau machen und der Bevölkerung eine Art mainfränkische Identität geben. Er sah Mainfranken als "Bauerngau" und den mainfränkischen "Stamm" in der Tradition der Bauern, die 1525 für ihre Freiheit gekämpft hatten. Neben Florian Geyer (um 1490-1525), dem Bauernführer von 1525, wurden Künstler und Dichter wie Wolfram von Eschenbach (1170/75-nach 1220) und Balthasar Neumann (1687-1753) als Vorbilder gepriesen. Hellmuth initiierte zum Beispiel einen Mainfränkischen Kunstpreis; das Attribut "Mainfranken" wurde vielen Namen beigegeben (Mainfränkisches Museum, Mainfränkische Zeitung und so weiter), er setzte die Errichtung eines Lehrstuhls für Mainfränkische Kunstgeschichte an der Universität Würzburg durch, der nach Kriegsende wieder abgeschafft wurde.

Die Gauausstellung "Mainfranken, wie es strebt und schafft" 1937 sollte ein umfassende Leistungsschau sein. Hellmuth versuchte, den Begriff der "Mainlinie" zu instrumentalisieren. Er betonte, er habe für Hitler die "Mainlinie" erobert, die für die BVP eine Grenzlinie politischen Denkens gewesen sei. Er strebte nach einem größeren Mainfranken als Einflussbereich. Hellmuth wollte über die Grenzen seines Gaues hinausgehen, 1939 strebte er offen danach, Gebiete in Baden (Landkreis Wertheim, Teile der Kreise Buchen und Mergentheim), Thüringen (Enklave Ostheim), Mittelfranken (Uffenheim) und Oberfranken (Bamberg, Lichtenfels, Coburg) seinem Gau zuzuschlagen, was aber am Widerstand der anderen Gauleiter und der Regierung scheiterte. Hellmuths Absicht, den Begriff "Mainfranken" auszudehnen, zeigt etwa die Umbenennung der Zeitschrift "Spessart", ab Mai 1935 hieß sie "Mainfranken. Illustrierte Monatsschrift für Spessart, Odenwald, Rhön und Steigerwald".

Der Begriff "Mainfranken" nach 1945

Da der Begriff "Mainfranken" nach 1945 vielen als durch das "Dritte Reich" belastet galt, wurde der Regierungsbezirk am 9. April 1946 durch eine Verordnung der Regierung Hoegner, die am 14. Juli 1946 publiziert wurde, in "Unterfranken" umbenannt. Für die Durchsetzung sorgte ab dem 15. Juli 1946 der Regierungspräsident Jean Stock (1893-1965). Der Zusatz "und Aschaffenburg" wurde trotz Protesten, insbesondere aus Aschaffenburg, nicht mehr hinzugefügt. In Politik und Verwaltung gab es Bedenken, deshalb wurde der ehemalige Leiter des Staatsarchivs Würzburg, Josef Friedrich Abert (1879-1959), vom Landkreisverband Unterfranken um ein Gutachten gebeten. Diese Diskussion griff die Zeitung "Main-Post" in Würzburg auf und veranstaltete im Herbst 1949 eine Umfrage, an der sich zahlreiche Leser beteiligten. Eine knappe Mehrheit sprach sich gegen die Bezeichnung Mainfranken und für Unterfranken aus. Nur wenige Institutionen behielten die Bezeichnung "mainfränkisch" bei, insbesondere das seit 1939 so benannte Mainfränkische Museum. Dessen neuer Leiter, Max H. von Freeden (1913-2001), propagierte wie kein anderer den Namen Mainfranken, der für ihn nicht nazistisch, sondern kulturell belegt war. Zusammen mit Prof. Wilhelm Engel (1905-1964) setzte er für den Zusammenschluss historischer und Kunstvereine den Namen "Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte" durch.

Die Bezeichnung Mainfranken hatte es in der Nachkriegszeit lange schwer, nur wenige Institutionen verwandten den Begriff. Stilbildend war vermutlich die seit 1950 durchgeführte Schau von Industrie und Handwerk unter dem Begriff "Mainfrankenmesse". Seit den 1960er Jahren wurden die Begriffe "Mainfranken" oder das Adjektiv "mainfränkisch" erst salonfähig, dann prägend für viele Namen. Das Mitteilungsblatt der Industrie- und Handelskammer in Würzburg veröffentlichte ab 1966 die Zeitschrift "Mainfränkische Wirtschaft" (seit 1994: "Wirtschaft in Mainfranken"), der Bayrische Rundfunk richtete die "Welle Mainfranken" ein, das Stadttheater Würzburg wurde in "Mainfrankentheater" umbenannt, die Sparkasse Würzburg fusionierte mit anderen zur "Sparkasse Mainfranken".

Der Name Mainfranken verdrängte den offiziellen Namen Unterfranken aus den Medien und steht heute meist synonym für den Regierungsbezirk Unterfranken oder auch immer häufiger für den Regierungsbezirk ohne das Untermaingebiet, z. B. "Industrie- und Handelskammer Mainfranken" (früher: IHK Würzburg-Schweinfurt). 1998 wurde die "Chancen-Region Mainfranken" als Regionalmarketing-Initiative gegründet. Würzburg bildet das Zentrum eines wie immer umschriebenen Mainfranken, das zwischen den Metropolregionen Frankfurt/Rhein-Main und Nürnberg seinen Weg sucht. Aus dem 2004 gegründeten Verkehrsverbund Mainfranken wurde am 1. Januar 2018 durch Beitritt der Main-Rhön-Region der neue Verkehrsverbund Mainfranken GmbH, der ganz Unterfranken ohne das Untermaingebiet (Stadt Aschaffenburg, Landkreise Aschaffenburg und Miltenberg) umfasst. Der Begriff Mainfranken wird zunehmend auf dieses Gebiet beschränkt, der Untermain firmiert jetzt oft als “Churfranken“.

Dokumente

Auszug aus Fritz Knapps Werk "Mainfranken. Bamberg - Würzburg - Aschaffenburg. Eine fränkische Kunstgeschichte" über Landschaft, Volk und Geschichte. (aus: Knapp, Fritz: Mainfranken. Bamberg - Würzburg - Aschaffenburg. Eine fränkische Kunstgeschichte, Würzburg 1928, 1-12. Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 4548 d)

Literatur

  • Max H. von Freeden, Mainfranken und Unterfranken, in: Ders., Erbe und Auftrag (Mainfränkische Studien 44), Würzburg 1988, 188-191.
  • Bettina Keß, Kunstleben und Kulturpolitik in der Provinz. Würzburg 1919 bis 1945 (Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte), Würzburg 2001.
  • Fritz Knapp, Mainfranken. Bamberg - Würzburg - Aschaffenburg. Eine fränkische Kunstgeschichte, Würzburg 1928.
  • Herbert Schott, Der Name "Mainfranken" und seine Geschichte, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 74 (2015), 273–324.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Herbert Schott, Mainfranken, publiziert am 11.05.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Mainfranken (19.03.2024)