Deutscher Orden (19.-21. Jahrhundert): Unterschied zwischen den Versionen
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Udo Arnold, Deutscher Orden (19.-21. Jahrhundert), publiziert am 19.11.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: < | Udo Arnold, Deutscher Orden (19.-21. Jahrhundert), publiziert am 19.11.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Deutscher_Orden_(19.-21._Jahrhundert)> ({{CURRENTDAY}}.{{CURRENTMONTH}}.{{CURRENTYEAR}}) | ||
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Version vom 7. März 2024, 17:04 Uhr
Der Deutsche Orden oder auch "Brüder und Schwestern vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem" ist ein 1190 entstandener Ritterorden mit eigenem Staat unter der Leitung eines sog. Hochmeisters. Im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 verlor der Orden seine Gebiete im bayerischen Raum; es blieben ihm nur seine beiden Häuser in Nürnberg und Regensburg. Sein zweites im mährisch-schlesischen Raum liegendes sog. Meistertum konnte der Orden bis zu seiner Auflösung durch die Nationalsozialisten halten. Reformen innerhalb des Ordens führten zu einer Umwandlung des Ritterordens mit Priestern und Schwestern in einen rein klerikalen Orden mit einem Brüder- und einem Schwesternzweig. Bei Kriegsende 1945 kamen im Zuge von Flucht und Vertreibung Lazarettschwestern aus Ostmitteleuropa nach Passau, die verschiedene Niederlassungen im bayerischen Raum errichteten, von denen heute (2013) nur noch wenige existieren (u. a. das Mutterhaus in Passau). Die Schwestern sind seither v. a. im Pflegedienst sowie im Schul- und Erziehungsbereich tätig. Auch Ordensbrüder übersiedelten im Zuge der Vertreibungen nach Deutschland und begründeten 1949 einen Konvent in Darmstadt (Hessen). Zunächst befand sich ihr Priorat in Frankfurt am Main (Hessen), ist aber seit 1998 im ehemaligen Augustiner-Chorherren-Stift Weyarn (Lkr. Miesbach) angesiedelt. 1990 gründeten die Brüder die Deutschordenswerke, die sich in der Kranken-, Alten-, Behinderten-, Jugend- und Suchthilfe engagieren (2013: 25 Stationen in Bayern). Wichtig für den Wiederaufbau des Ordens war die Errichtung des Familiareninstituts (Familiaren = Angehörige der Ordensgemeinschaft ohne Gelübde) unter Hochmeister Marian Tumler (1887-1987) nach dem Zweiten Weltkrieg, das mehrere sog. Komtureien in Bayern unterhält.
Lage der Niederlassungen und Organisationsform
Auf dem Gebiet des heutigen Bayern lagen vor 1800 etliche Niederlassungen der Ordensprovinz (= Ballei) Franken, die bereits seit dem 13. Jahrhundert bestand. Das Zentrum bildete die Landkommende Ellingen (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) als Sitz des Provinzoberen (Landkomturs). Ihm unterstanden die übrigen Komture der Kommenden Nürnberg, Regensburg, Gangkofen (Lkr. Rottal-Inn), Blumenthal (Lkr. Aichach-Friedberg), Donauwörth (Lkr. Donau-Ries), Oettingen, Würzburg, Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) und Virnsberg (Lkr. Ansbach). Ihnen waren öfter ein oder mehrere Ämter zugeordnet, Besitzschwerpunkte, wo normalerweise ein weltlicher Verwalter saß. Weitere Niederlassungen der Ballei befanden sich im heutigen Baden-Württemberg. Als Außenstation der Ballei Biesen im Rhein-Maas-Gebiet lag noch eine Kommende in Aschaffenburg.
In der 1789 von Hochmeister Maximilian Franz von Österreich (1756-1801, Kurfürst von Köln 1784-1801, Hochmeister des Deutschen Ordens seit 1780) durchgeführten Verwaltungsreform wurde die Ballei Franken dem Meistertum (= direkt dem Meister unterstehende Gebiete) mit dem Zentrum Mergentheim (Baden-Württemberg) inkorporiert. Dort lag seit der Reformation der offizielle Sitz des Ordensoberhauptes (= Administrator des Hochmeistertums in Preußen, Meister des deutschen Ordens in deutschen und welschen Landen, kurz Hoch- und Deutschmeister). Ellingen bildete fortan ein Oberamt des Meistertums. An den Besitzungen des Ordens als Streubesitz innerhalb sie umgebender anderer Herrschaften wie auch an den Jurisdiktionsverhältnissen innerhalb der Besitzungen änderte jene Inkorporation nichts.
Enteignung und Vertreibung um 1800
Die entscheidenden Änderungen erfolgten im Zuge der "großen Politik". 1796 usurpierte Preußen, durch das Markgraftum Ansbach und das Markgraftum Bayreuth Nachbar der Ordensniederlassungen, die von ihm umschlossenen Ordensniederlassungen mit dem Ergebnis, dass der Orden viele Untertanen und Einkünfte verlor. Im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 und der damit verbundenen Säkularisation sollte der Orden für seine Verluste entschädigt werden, u. a. durch in Bayern gelegene Klöster, doch die Verhandlungen zogen sich so lange hin, dass auch der Vertragsabschluss des Ordens mit Bayern von 1805 über einen Ausgleich überrollt wurde vom Vorrücken Napoleon Bonapartes (1769-1821, französischer Kaiser 1804-1814) im Dritten Koalitionskrieg (1805). Damit verbunden war die Beschlagnahmung und anschließende Ergreifung der Landeshoheit der Ordensbesitzungen innerhalb des Kurfürstentums Bayern und an seinen Rändern.
Die Verbündeten Napoleons arrondierten ihre Territorien gegen alle bisherigen Rechtsnormen des Reiches; Bayern und Napoleon gingen bei der Enteignung gemeinsam vor. Der Pressburger Friede von 1805/06 sanktionierte das Ergebnis auch seitens Österreichs, das das Ordenserbe in Mergentheim, Münnerstadt und Würzburg antrat (in Würzburg mit der toskanischen Linie des Hauses Habsburg, wobei jedoch die Ordensbesitzungen von Bayern reklamiert wurden). Auf heute bayerischem Boden blieben dem Orden nur noch die in den Reichsstädten Nürnberg und Regensburg gelegenen Häuser ohne deren Außenbesitz. Noch 1806 erreichte Bayern auch von Frankreich die Übergabe der durch Preußen annektierten Ordensniederlassungen Virnsberg und Ellingen. Schon 1806 hatte Bayern begonnen, Ordensbesitz zu versteigern (Gangkofen, Teile von Regensburg).
Alle Rechtsmittel gegen die bisherigen Entwicklungen wie auch die Hoffnungen auf eine Restitution waren mit dem Wiener Kongress 1815 endgültig obsolet geworden. Der seit 1210 (Regensburg und Aichach) in Bayern ansässige Orden war enteignet und aus dem Deutschen Reich vertrieben. Seine Ballei Franken hatte am Ende des Alten Reiches von allen Balleien die meisten Ritter (14) und Priester (13) gehabt (jeweils gut 20 % des gesamten Personalstandes des Ordens, 120). Seit 1808 liefen Verhandlungen mit Bayern zur Übernahme der Pensionen der Ordensritter und Versorgung der Priester und Beamten aus den Niederlassungen, deren Einkünfte sich das Kurfürstentum angeeignet hatte. Im Mergentheimer Kongress 1815 wurde dies generell geregelt.
Der Orden im mährisch-schlesischen Raum bis 1945
Die Rückkehr des Deutschen Ordens nach Bayern im 20. Jahrhundert geschah ebenfalls im Rahmen einer Enteignung und Vertreibung. Nachdem die Herrschaft Freudenthal 1620 an Österreich gefallen war und sie 1621 von Kaiser Ferdinand II. (1578-1637, röm.-dt. König und Kaiser seit 1619) als Tafelgut an Hochmeister Erzherzog Karl von Österreich (1590-1624, Bischof von Brixen 1613–1624, Bischof von Breslau 1608-1624, Hochmeister des Deutschen Ordens 1619–1624) übereignet worden war, baute der Orden durch Arrondierung weiterer Gebiete im schlesisch-mährischen Raum ein weiteres Meistertum auf. Nach der Vertreibung des Ordens aus dem Deutschen Reich bildete es den entscheidenden Rückhalt für den Hochmeister, da das ab 1803 neu entstandene habsburgische Kaiserreich keine Säkularisation vornahm. Dort hatte der Orden nach der Wiedererrichtung seines Schwesternzweiges 1837 bis 1854 und der Reorganisation des Priesterzweiges ab 1854 in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Schwerpunkt seiner seelsorgerischen und karitativen Tätigkeit entwickelt. Mit dem "Anschluss" Österreichs 1938 und der "Zerschlagung der Rest-Tschechei" 1939 erfolgte in beiden Ländern die Auflösung und Enteignung des Ordens durch das nationalsozialistische Deutsche Reich.
Erste Schwestern in Passau 1945
Im Februar und Juli 1945 kamen die ersten Lazarettschwestern – sie stammten aus dem Reservelazarett der deutschen Wehrmacht in Freudenthal sowie aus einem Prager Lazarett – nach Hof. Nach der Eroberung der Stadt durch die Amerikaner gelang im August die Übersiedlung in das Flüchtlingslager "Sommekaserne" (ehemaliges Augustinerkloster St. Nikola) in Passau. Nach dem Potsdamer Abkommen (2. August 1945) erfolgte die Flucht und Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei. Davon waren auch die deutschen Ordensangehörigen betroffen, von denen viele nach Österreich und Bayern aussiedelten, wo die Not der Nachkriegszeit ein umfangreiches Arbeitsfeld für soziale Tätigkeiten bot und dadurch weitere Schwestern anzog. Sie errichteten dort ein Säuglingsheim, betrieben eine Lagerküche und erteilten Schulunterricht.
Neue Schwesternniederlassungen in Bayern
Fast 50 Schwestern waren nach Österreich ausgesiedelt, etwa dreimal so viele nach Bayern. Noch im Herbst 1945 erfolgte die Übergabe des Kinderheims in Perlesreut (Lkr. Freyung-Grafenau) und des Bischöflichen Guts Stelzlhof bei Passau von den Englischen Fräulein sowie die Errichtung je einer Niederlassung in Johanniskirchen (Lkr. Rottal-Inn), Tittling (Lkr. Passau), Rinchnach (Lkr. Regen) und Simbach (Lkr. Rottal-Inn). 1946 kamen hinzu:
- Ruhstorf (Lkr. Passau)
- das Versehrtenkrankenhaus der Caritas Bad Alexandersbad (Lkr. Wunsiedel i.Fichtelgebirge)
- das Schwesternaltersheim Schloss Grießenbach (Lkr. Landshut)
- das Benediktinerklerikat Bergfried
- Indersbach (Lkr. Dingolfing-Landau)
- das Caritashaus Zwiesel (Lkr. Regen)
- das Flüchtlingsaltersheim Schloss Münchsdorf (Lkr. Rottal-Inn)
- das Kriegsversehrtenheim Schloss Kleeberg (Lkr. Passau)
- Margarethenberg (Lkr. Altötting)
- die Dr. W. Schlaeglsche Privatklinik Günzburg
- das Caritas-Siechenheim Schloss Rabenstein (Lkr. Regen)
- das Flüchtlingsaltersheim Eichstätt
- das Salesianernoviziat Ensdorf bei Amberg
- das Exerzitienhaus der Vatikanischen Delegation der Ungarn Schloss Guttenburg (Lkr. Mühldorf am Inn)
- das Städtische Bürgerspital und Bruderhaus Vilshofen
- das Flüchtlingsaltersheim der Caritas Schloss Rain bei Straubing
- das Flüchtlingsaltersheim Schloss Teisbach (Lkr. Dingolfing-Landau)
- ein Studentinnenheim in München
1947 wurden noch Stationen in Kirchdorf am Inn (Lkr. Rosenheim) und in Hohenschwangau (Lkr. Ostallgäu) errichtet, ebenso in Oberköllnbach (Lkr. Landshut), Ulrichsberg (Lkr. Deggendorf), Tann (Lkr. Rottal-Inn), Bischofsreut (Lkr. Freyung-Grafenau), Grafenau (Lkr. Freyung-Grafenau), Regen und Burghausen (Lkr. Altötting). In den Niederlassungen lebten zwischen zwei und elf Schwestern; das Passauer Kloster St. Nikola wurde zum Mutterhaus. Als treibende Kraft hinter vielen Übernahmen agierte der Passauer Caritasdirektor Ludwig Penzkofer (1909-1999). Er setzte ausgesiedelte Schwestern bevorzugt in Orten ein, an denen sich Flüchtlinge und Vertriebene befanden und in Stationen, die von anderen Orden nicht mehr besetzt werden konnten. Gleichzeitig bot er den Deutschordensschwestern damit ein neues Heim und eine Betätigung in von ihnen erlernten Berufsfeldern, etwa dem Pflege- oder Schuldienst. Fast 160 Schwestern, Novizinnen und Postulantinnen lebten und wirkten 1947 in Bayern.
Ordensbrüder in Bayern
Etwa gleichviel Brüder waren nach Österreich und nach Deutschland übersiedelt, fast alles Priester. Da es keinen Konvent gab, lebten die meisten von ihnen (10) verteilt im ganzen Land (Passau, Landshut-Berg, Geisenhausen bei Landshut, Etting bei Weilheim, Uttenhofen, München, Aschaffenburg, Eichstätt, Augsburg und Freising). Erst 1949 errichteten die Brüder einen Konvent in Darmstadt (Hessen), dem auch die sechs weiterhin in Bayern wirkenden Priester zugeordnet wurden. 1977 starb der letzte von ihnen in Bad Alexandersbad.
Schwestern in Bayern heute
Die Zahl der Schwestern hat sich in allen Orden in den letzten Jahrzehnten dramatisch verringert - so auch im Deutschen Orden. Schon vor 1980 hatten sich die Schwestern deshalb aus den meisten der Niederlassungen zurückziehen müssen. Von den ersten waren geblieben das Mutterhaus in Passau, das Altenheim in Tittling, die Niederlassungen in Perlesreut und Rinchnach und das Altenheim in Bad Alexandersbad, ebenso wie die inzwischen hinzugekommenen Stationen Sondernohe (Lkr. Ansbach, 1949), Blumenthal (1952), Tann (1953) und Windischeschenbach (Lkr. Neustadt a.d. Waldnaab, 1955).
Heute (2013) gibt es nur noch das Mutterhaus in Passau, die Niederlassungen in Tittling, Bad Alexandersbad und Windischeschenbach sowie je eine Schwester in Sondernohe und Rinchnach. Die Schwestern sahen in allen traditionellen und aktuellen Arbeitsfeldern ihre Aufgabe: als Krankenpflegerin, Laborantin, Altenpflegerin, im Säuglings- und Kinderheim, im Kindergarten, in der Katechese, in der Verwaltung etc. Sie entwickelten aber auch selbst innovative Vorstellungen neuer Aufgabenfelder. So errichteten sie z. B. schon 1960 in Passau eine Fachakademie für Sozialpädagogik, die seitdem mit großem Erfolg ausbildet. Bereits 1973 erlangten sie den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Freistaat Bayern.
Brüder in Bayern heute
Die Brüder der deutschen Provinz sahen in Frankfurt am Main keine räumliche Ausbaumöglichkeit. Deshalb verlegten sie 1998 gleichzeitig mit der Erlangung des Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts im Freistaat Bayern ihr Priorat nebst Konvent in das ehemalige Augustiner-Chorherren-Stift Weyarn (Lkr. Miesbach) in der Erzdiözese München und Freising. Von dort aus betreuen sie als Seelsorger Pfarren in Weyarn, Neukirchen (Lkr. Miesbach) und Feldkirchen-Westerham (Lkr. Rosenheim), die Pfarrverbände Darching (Lkr. Miesbach) und Otterfing (Lkr. Miesbach) sowie – wegen Umstrukturierung der Pfarrverbände inzwischen wieder aufgegeben – die frühere Ordenspfarre St. Elisabeth in Nürnberg. In der ehemaligen Ordens-Wallfahrtskirche Maria Birnbaum richteten sie einen zweiten Konvent und das Noviziat ein und betreuen die Pfarren Sielenbach (Lkr. Aichach-Friedberg), Wollomoos (Lkr. Dachau) und Altomünster (Lkr. Dachau). Die Nachwuchssituation ist gut (Stand: 2013); die Brüder sind im Altersdurchschnitt der jüngste Orden in Deutschland.
Deutschordenswerke
1990 wurde durch die deutsche Brüderprovinz des Deutschen Ordens das Deutschordens-Hospitalwerk als GmbH begründet. Die davon betriebenen Institutionen von Kranken-, Alten-, Behinderten-, Jugend- und Suchthilfe entsprachen zwar dem Ordensideal und dem 1969 durch einen Buchtitel in der Buchreihe "Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens" angeregten, neu kreierten Wahlspruch "Helfen und Heilen"; die finanzielle Situation geriet jedoch infolge zu rascher Expansion zur Katastrophe, die erhebliche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregte. Nur durch gewaltige Anstrengungen des gesamten Ordens, der katholischen Kirche in Deutschland und der öffentlichen Hand konnte nach Veräußerung vieler Einrichtungen die Weiterarbeit in kleinerem Umfang als "Deutschordenswerke" - nunmehr voll im Besitz der deutschen Brüderprovinz - gewährleistet werden. Die Arbeitsfelder mit mehreren tausend Mitarbeitern sind Alten-, Behinderten-, Jugend- und Suchthilfe. Es ist derzeit die wohl größte Suchthilfeorganisation in Deutschland mit allein 25 Stationen in Bayern. Hinzu kommen in Bayern Einrichtungen der Altenhilfe in Wunsiedel und Schloss Hochaltingen in Fremdingen (Lkr. Donau-Ries).
Familiaren in Bayern
Wichtig für den Wiederaufbau des Ordens nach dem Krieg wurde das Institut der Familiaren (Familiaren = Angehörige der Ordensgemeinschaft ohne Profess). Bereits im Mittelalter schlossen sich dem Orden Laien und Kleriker ohne Gelübde an, die ihn unterstützten. Die Wiederbelebung dieses mit der Reformation untergegangenen Instituts gelang mit der neuen Ordensregel von 1929; das Verbot des Ordens durch die Nationalsozialisten in Österreich und der Tschechoslowakei 1938/39 verhinderte jedoch eine Etablierung. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg gelang unter Hochmeister Marian Tumler (1887-1987) der Aufbau des Familiareninstituts (seit 1965 Institut päpstlichen Rechts). Der erste bayerische Familiare wurde 1947 der spätere Bischof von Regensburg, Rudolf Graber (1903-1992), der erste Ehrenritter aus Bayern 1956 Josef Kardinal Wendel (1901-1960, Erzbischof von München-Freising 1952-1960).
Organisatorisch im Sinne des deutschen Vereinsrechts wurden die Familiaren ab 1957 im Deutschherrenbund zusammengeschlossen, nach Erlass des päpstlichen Statuts in der parallelen Familiarenballei Deutschland. Der Wunsch nach einer eigenen bayerischen Ballei mündete in der organisatorischen Untergliederung in Komtureien (Komturei = Konventshaus und Verwaltungseinheit geistlicher Ritterorden seit dem Mittelalter). 1966 wurde für das Gebiet der bayerischen Erzbistümer und Bistümer die Komturei "An der Donau" gegründet. Inzwischen sind mit steigender Mitgliederzahl die Komtureien "An Isar, Lech und Donau" sowie "Franken" hinzugekommen. Da Bistums- und Ländergrenzen nicht übereinstimmen, greift Franken über Bayern hinaus. Die Komtureien zählen jeweils ca. 50 Mitglieder (2010). Prominente Mitglieder sind heute u. a. die Ehrenritter Max Emanuel Herzog in Bayern (geb. 1937, Ehrenritter 1959) und Senator e.h. Dieter Salch (geb. 1940, Ehrenritter 2012) sowie der Familiare Edmund Stoiber (CSU, geb. 1941, Familiare 1996, Ministerpräsident 1993-2007).
Bewertung
Der Deutsche Orden um 1800 war in erster Linie ein Versorgungsinstitut für den niederen Adel. Aufgrund seiner Reformen im 19. und 20. Jahrhundert und der damit verbundenen Umwandlung von einem Ritterorden mit Priestern und Schwestern in einen rein klerikalen Orden mit einem Brüder- und einem Schwesternzweig sowie einem adscribierten Familiareninstitut hat sich sein Erscheinungsbild auch in Bayern grundlegend gewandelt.
Name | Lebensdaten | Hochmeister von-bis | Weitere Ämter |
---|---|---|---|
Erzherzog Maximilian Franz von Österreich | 1756-1801 | 1780-1801 | Kurfürst von Köln (1784-1801) |
Erzherzog Karl Ludwig von Österreich-Teschen | 1771-1847 | 1801-1804 | |
Erzherzog Anton Viktor von Österreich | 1779-1835 | 1804-1835 | Bischof von Münster (1801), Vizekönig des lombardisch-venetianischen Königreiches (1816-1828) |
Erzherzog Maximilian Joseph von Österreich-Este | 1782-1863 | 1835-1863 | |
Erzherzog Wilhelm Franz Karl von Habsburg-Lothringen | 1827-1894 | 1863-1894 | |
Erzherzog Eugen von Österreich | 1863-1954 | 1894-1923 | |
Norbert Johann Klein | 1866-1933 | 1923-1933 | Bischof von Brünn 1916-1926 |
Paul Heider | 1868-1936 | 1933-1936 | |
Robert Schälzky | 1882-1948 | 1936-1948 | |
Marian Tumler | 1887-1987 | 1948-1970 | |
Ildefons Pauler | 1903-1996 | 1970-1988 | |
Arnold Othmar Wieland | geb. 1940 | 1988-2000 | |
Bruno Platter | geb. 1944 | 2000-2018 | |
Frank Bayard | geb. 1971 | seit 2018 |
Literatur
- Udo Arnold (Hg.), Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 40), Marburg 1998.
- Gerhard Bott/Udo Arnold (Hg.), 800 Jahre Deutscher Orden. Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg in Zusammenarbeit mit der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens vom 30.6.-30.9.1990, Gütersloh/München 1990.
- Charivari Spezial, Der Deutsche Orden und Weyarn, in: Charivari 24/25 (1998/99), 51-76.
- Michael Diefenbacher, Der Deutsche Orden in Bayern (Hefte zur bayerischen Geschichte und Kultur 10), München 1990.
- Erentraud Gruber, Hinter dem Eisernen Vorhang. Deutschordensschwestern in der CSR/CSSR 1945 bis 1989 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 71), Weimar 2012.
- Hanns Hubert Hofmann, Der Staat des Deutschmeisters. Studien zu einer Geschichte des Deutschen Ordens im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 3), München 1964.
- Gerard Müller, Die Familiaren des Deutschen Ordens (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 13), Marburg 2. korrigierte Auflage 2010.
- Klaus Oldenhage, Kurfürst Erzherzog Maximilian Franz als Hoch- und Deutschmeister 1780-1801 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 34), Bad Goesberg 1969.
- Maximilian Reiss, Deutschordensfamiliaren in Deutschland in drei Jahrzehnten (1957-1988). Eine Bildmonographie (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 46), Marburg 1991.
- Magdalena Rückert (Hg.), Das "virtuelle Archiv des Deutschen Ordens." Beiträge zu einer internationalen Tagung im Staatsarchiv Ludwigsburg am 11. und 12. April 2013, Stuttgart 2014.
- Schätze des Deutschen Ordens. Ausstellungskatalog Deutschordensmuseum Bad Mergentheim 2016, Bad Mergentheim 2016.
- Ada Stützel, Im Zeichen des schwarzen Kreuzes. Der Deutsche Orden in Franken, in: Pax Geschichte 3 (2007), 52-55.
- Friedrich Täubl, Der Deutsche Orden im Zeitalter Napoleons (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 4), Bonn 1966.
Quellen
- Catalogus Ordinis Teutonici, später Personalstand des Deutschen Ordens, Wien 1947-2010.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Brüder und Schwestern vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem
Empfohlene Zitierweise
Udo Arnold, Deutscher Orden (19.-21. Jahrhundert), publiziert am 19.11.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Deutscher_Orden_(19.-21._Jahrhundert)> (31.10.2024)