Handwerk in Altbayern (Spätmittelalter/Frühe Neuzeit)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
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In Altbayern entstand der Handwerkerstand ab dem 8. Jahrhundert; zu den frühesten Handwerkssparten zählten Metzger, Bäcker, Brauer, Müller, Schmiede, Zimmerer und Schreiner. Obwohl eigentlich ein vorwiegend städtisches Phänomen, war das Handwerk in Bayern auch auf dem Land verbreitet, da Bayern eine relativ städtearme Region war. Anders als auf dem Land waren die in den Städten tätigen Handwerker in Zünften organisiert. Wichtige Auftraggeber in ländlichen Gebieten waren u. a. Grundherren und Klöster. Ländliches Handwerk wurde oft in unselbständiger Lohnarbeit im Verlag unter schlechten Arbeits- und Lohnbedingungen ausgeübt. Im Hochmittelalter bildeten sich aufgrund des gestiegenen und differenzierteren Warenbedarfs handwerkliche Produktionszentren in den Städten. Zahlenmäßig war die Handwerkerschaft in der Regel die wichtigste Berufsgruppe innerhalb der städtischen Gesellschaft.
Definition
Handwerk gehört neben der agrarischen Produktion zu den "ursprünglichsten geschichtsübergreifenden und geschichtsgestaltenden Faktoren der Menschheit" (Winfried Reinighaus). Das Zedlersche Lexikon von 1735 definiert Handwerk als "eine Wissenschaft, so man mit Fleisse erlernet hat" und die dazu befähigt, "aus einer gewissen Materie allerley im menschlichen Leben nöthige und nützliche Dinge durch die Hand zu verfertigen". Handwerk gilt als eine gewerbliche Betriebsform, bei der zwar "Werkzeuge und Maschinen zur Ergänzung der Handarbeit eingesetzt werden" (Karl-Heinz Kaufhold), die sich aber von der Produktion innerhalb von Manufakturen und ihm Rahmen des Verlags vor allem aufgrund der wirtschaftlichen Autonomie des Handwerkers unterscheidet. Neben der Anfertigung von einfachen Dingen für den Eigenbedarf bildete sich ein Handwerkerstand heraus, dessen Entstehen für Bayern ab dem 8. Jahrhundert nachgewiesen werden kann. Zu den ganz frühen Handwerkssparten gehörten neben den Metzgern, Bäckern und Brauern die Müller, Schmiede, Zimmerer und Schreiner.
Differenzierung und Spezialisierung der Handwerkssparten
Handwerkliche Betätigung stellt ein weites Feld dar. Eine Untergliederung der Handwerkssparten in Bau-, Metall-, Holz-, Bekleidungs- und Nahrungsmittelgewerbe hat sich seit langem durchgesetzt. Oftmals diente der Werkstoff als Unterscheidungskriterium der unterschiedlichen Gewerke. Die wichtigsten Handwerksgruppen im Mittelalter machten die Lebensmittelgewerbe mit den Brauern, Bäckern und Metzgern, die Bekleidungsgewerbe mit den Schustern, Schneidern und Webern, das lederverarbeitende Handwerk mit den Gerbern, Sattlern und Kürschnern, das holzverarbeitende Gewerbe mit den Drechslern und Schreinern und schließlich das metallverarbeitende Gewerbe mit den Schmieden aus.
Grundlegend für die Geschichte des Handwerks ist der ständige Transformations- und Anpassungsprozess an die jeweiligen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse, dem die einzelnen Gewerke unterlagen. Differenzierung und Spezialisierung ist demnach ein wesentlicher Grundzug der Handwerksgeschichte. Aufgrund der Herausbildung einer finanziell gut ausgestatteten Konsumentenschicht mit verfeinerten Bedürfnissen, vor allem aber durch die entstehenden Städte mit einer komplexer werdenden Gesellschaft, differenzierte sich die handwerkliche Produktion im Laufe der Zeit immer stärker aus. In den Städten existierte bereits früh hochspezialisiertes Luxus- und Kunsthandwerk.
Territorialisierung des Gewerbes
Das "alte Handwerk" verstand sich vornehmlich als städtisches Phänomen und war in Zünften organisiert. Es definierte sich durch die Leitbegriffe "Nahrung" und "Ehrbarkeit" und versuchte sich durch gesetzliche Bestimmungen vom ländlichen Handwerk abzusetzen, deren Angehörige man als "Pfuscher" und "Störer" bezeichnete. Die Begriffspaare Stadt – Handwerk und Land – Landwirtschaft treffen jedoch für das relativ städtearme und vornehmlich agrarisch strukturierte Bayern nicht zu. Ein wesentliches Charakteristikum der bayerischen Wirtschafts- und Gewerbelandschaft war dessen dezentrale Struktur. Eckart Schremmer betonte, dass die "übliche Trennung zwischen Agrargeschichte und Handwerksgeschichte" für Bayern wenig Sinn mache. Er wies nach, dass für das Herzogtum und Kurfürstentum Bayern "die Ausbreitung des Gewerbes über die Mauern der Städte hinaus auf das flache Land mit seinen Dörfern, Klöstern und Hofmarken" spezifisch sei. Ein "weitverzweigtes, ländliches [...] und leistungsfähiges Handwerk" sorgte für eine intensive Durchmischung von Landwirtschaft und Handwerk und eine hohe Handwerkerdichte auch in den ländlichen Regionen. Neben den städtischen Gewerbezentren besaßen auch die Klöster und Hofmarken als wirtschaftlich relativ autonome Gebilde eine wichtige Bedeutung im bayerischen Wirtschaftsleben.
Städtisches Handwerk
Eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung als frühmittelalterlicher Handelsknotenpunkt im städtearmen Herzogtum Bayern besaß Regensburg, dessen Kaufleute und Händler weitverzweigte Handelsbeziehungen unterhielten. Auch die Dombauhütte und der exklusive Warenbedarf des Bischofshofs waren für den wirtschaftlichen Aufschwung Regensburgs bedeutsam. Von wirtschaftlich weit größerer Bedeutung war jedoch die Lage an der Donau, die als die wichtigste Handelsachse und Verkehrsader für das Herzogtum galt. Der Donauhandel verlief über Regensburg, Linz, Ybbs und Mautern (Österreich) bis ins Großmährische Reich und nach Russland. Schon früh wurde mit Salz, Eisen und Wein gehandelt, wie etwa die Raffelstetter Zollordnung von 903/906 belegt. Diese wichtigste Quelle für die bayerische frühmittelalterliche Wirtschaft benennt die Zollsätze für die gehandelten Waren im Raum zwischen dem Ostrand des Passauer Waldes bis zum niederösterreichischen Mautern. Während die Bayern Wachs, Pferde, Gewürze, aber auch Sklaven aus dem Osten einführten, so exportierten sie ostwärts vor allem Salz.
Aufgrund des Bevölkerungswachstums und der Städtegründungen seit dem Hochmittelalter und dem damit gestiegenen Warenbedarf bildeten sich handwerkliche Produktionszentren aus. Städte besaßen als Ansiedlungsplatz für unterschiedlichste Gewerke, aber auch aufgrund ihrer Verteilerfunktion als Umschlagplätze für agrarische und handwerkliche Produkte eine große wirtschaftliche Bedeutung. Alte städtische Ansiedlungen wie die bayerischen Bischofssitze Passau, Freising und Eichstätt wurden in wirtschaftlicher Hinsicht bereits im ausgehenden 13. Jahrhundert vom relativ jungen München überflügelt, das seit 1255 Residenzstadt des Teilherzogtums Oberbayern war und von den Wittelsbachern mit vielfältigen Handelsprivilegien ausgestattet wurde. Trotz einer erheblichen Intensivierung gewerblicher Aktivitäten des spätmittelalterlichen München darf jedoch nicht verkannt werden, dass es die Residenzstadt hinsichtlich wirtschaftlicher Potenz mit Augsburg oder Nürnberg nicht aufnehmen konnte. Wirtschaftliche Bedeutung für das Herzogtum besaßen aber auch die Residenzstädte Straubing, Ingolstadt, Burghausen (Lkr. Altötting), vor allem aber Landshut, das durch die "reichen Herzöge" im 15. Jahrhundert eine Blütezeit erlebte.
Neben den Kaufleuten waren die Handwerker die wohl "innovativste Wirtschaftsgruppe der mittelalterlichen Stadt" (Anne-Marie Dubler). Zahlenmäßig war die Handwerkerschaft in der Regel die wichtigste Gruppe innerhalb der städtischen Gesellschaft, wobei nicht übersehen werden darf, dass vor allem in den Kleinstädten und Märkten Handwerk und Landwirtschaft eng miteinander gekoppelt waren und die eine Tätigkeit die andere nicht ausschloss. In München gingen etwa im Jahr 1370 über 900 Menschen der ca. 8.000 Einwohner einem Handwerk nach, wobei die Schuster, Handelsleute, Tuchmacher, Schneider, Metzger und Bäcker die Gewerbelisten zahlenmäßig anführten. Von der Bautätigkeit des Spätmittelalters profitierte vor allem das Baugewerbe, eine Sonderstellung besaßen die mittelalterlichen Dombauhütten. In den Städten war teilweise hochspezialisiertes Handwerk anzutreffen wie beispielsweise Brillenmacher, Kupferstecher, Graveure, Petschierstecher, Saitenmacher, Pergament- und Papiermacher, Glasschleifer, Spiegelmacher, Leinwanddrucker, Geigen-, Klavier- und Orgelbauer, Perücken- und Uhrenmacher, Alabasterer und Posamentierer.
Die Zünfte
Städtisches Handwerk war in der Regel in Zünften organisiert, die vielfältige Funktionen ausübten. In München wurde 1290 die erste Zunft, nämlich die der Schuhmacher in den Quellen erwähnt; rund 200 Jahre später existierten in der Residenzstadt bereits 44 Zunftverbände. Die Zünfte, die exklusive Aufnahmekriterien hatten und über die kollektive Handwerksehre wachten, übten für das städtische Handwerk vielfältige Funktionen aus: Neben Maßnahmen des Produzenten- und Konsumentenschutzes – die auch öffentlich durch Backproben, Wiegen, Probeschlachtungen und -sude vollzogen wurden – nahmen diese "Zwangsverbände" auch eine Fülle politischer, militärischer, religiöser und karitativer Aufgaben wahr. Die Zünfte regelten alle Belange des Handwerks von den Fragen der Ausbildung, der Löhne und Preise bis hin zur Qualitätssicherung der handwerklichen Produkte. Unermüdlich versuchten die städtischen Zünfte, lästige Konkurrenten vom Markt zu drängen, d. h. nichtzünftigen Kollegen "das Handwerk zu legen". Die Bannmeile, die für diese als Pfuscher und Störer bezeichneten Handwerker festgelegt wurde, betrug für München 7,5 km. Seit 1310 war es den "fremden", "auswärtigen" Handwerkern jenseits der Bannmeile erlaubt, auf der Münchner Jakobi-Dult ihre Handwerksprodukte zu verkaufen.
Ländliches Handwerk
Das ländliche Handwerk war im Allgemeinen (mit Ausnahme der Ehaften) nicht an die Reglements der Zünfte gebunden. Zur Versorgung der dörflichen Bevölkerung waren insbesondere Handwerker im holzverarbeitenden Bereich zu finden wie die Zimmerer und Schreiner, aber auch Schmiede und Töpfer produzierten wichtige Güter für den täglichen Bedarf. Selbständige betriebene handwerkliche Tätigkeit findet sich vor allem in den Mühlen. Zu bedenken gilt, dass im ländlichen Bereich die große Anzahl von anfallenden Reparatur- und Instandsetzungsmaßnahmen und nicht nur die Neuproduktion von Handwerksgütern von Bedeutung war.
Eine Sonderstellung im ländlichen Handwerk nahmen die sog. Ehaften ein. Auf den Dörfern waren nur diese Gewerke – meist für die dörfliche Versorgung unentbehrliche Berufe wie die der Wirte, Schmiede, Bader, Müller oder Bäcker – im Rahmen der Zunft erlaubt. Es handelte sich um sog. Banngewerbe, die von der "gmain" oder dem Hofmarksherrn vergeben wurden. Diesen Handwerkern wurde ein Ehaftbrief ausgestellt, der sie vertraglich verpflichtete, bestimmte Preise einzuhalten und die ihnen anvertrauten Arbeiten ordnungsgemäß auszuführen. Im Gegenzug hatten die Ehaften quasi eine Monopolstellung im Dorf und keine Konkurrenz durch andere Handwerker zu fürchten.
Schon vor der Entstehung von Hofmarken im späten Mittelalter waren die Grundherren auf den Adelssitzen wichtige Auftraggeber für das ländliche Handwerk. In den Hofmarksdörfern selbst gab es aufgrund dieser verstärkten Nachfrage oft eine breite Palette von Handwerkern im Lebensmittel-, Bau-, Textil- und metallverarbeitenden Gewerbe. Einhergehend mit der Bevölkerungsvermehrung und der Ansiedlungspolitik der Hofmarksherren seit dem 15. Jahrhundert kam es mit der zunehmenden Söldenbildung zur bereits erwähnten "Territorialisierung des Gewerbes". Die Angehörigen der unter- und nebenbäuerlichen Schichten standen unter verstärktem wirtschaftlichen Druck und waren im Rahmen der "Ökonomie des Notbehelfs" (Rainer Beck) auf den Zuerwerb durch handwerkliche Verrichtungen aller Art angewiesen.
Ländliches Handwerk wurde in vielen Fällen in unselbständiger Lohnarbeit im Verlag ausgeübt. Im Rahmen des Verlagswesens, das in Form von Heimgewerbe vor allem in der Weberei weite Verbreitung fand, produzierten Handwerker und deren Familien in drückender Abhängigkeit unter schlechten Arbeits- und Lohnbedingungen. Von einer wirtschaftlichen Autonomie des Handwerkers konnte hier keine Rede sein.
Handwerk in den Klöstern
Klöster waren für die ganze Region als Arbeitgeber und als Konsument ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Für den eigenen alltäglichen Bedarf gab es zwar vor allem im Bereich der Konversen zahlreiche Arbeitskräfte, die innerhalb der Klostermauern handwerkliche Tätigkeiten ausübten, wichtiger aber waren die handwerklichen Verrichtungen der klösterlichen Hintersassen. Klöster wirkten in den meisten Fällen handwerksförderlich und gaben Impulse hinsichtlich neuer Handwerkstechniken. Besondere Bedeutung für den Bedarf der Klöster besaßen die Zeidler (Bienenzüchter), die das Wachs für den liturgischen Bedarf herstellten, und die Kerzenzieher. Auch die Herstellung textiler Produkte durch Weber und Näher oder die Feinschmiede und Drechsler im kunsthandwerklichen Bereich waren im klösterlichen Bereich gefragt. Für den klösterlichen Wirtschaftsbetrieb von Bedeutung waren zudem die Bierbrauer.
Dass Produkte des sakralen Kunstgewerbes nicht unbedingt nur in den Städten bezogen wurden, zeigt eindrucksvoll das Beispiel Wessobrunn (Lkr. Weilheim-Schongau). Das Benediktinerkloster in der Nähe von Weilheim (Lkr. Weilheim-Schongau) war namensgebend für Generationen von Baumeistern, vor allem für Stuckateure vom 16. Jahrhundert bis zur Säkularisation. Die im Ort ansässigen Stuckateure wie die Schmuzer, Feichtmayr, Finsterwald, Gigl oder Merck hatten aufgrund ihres herausragenden handwerklichen Könnens einen großen Wirkungsradius. Interessant ist des Weiteren das handwerkliche Spektrum der Klosterhofmark Wessobrunn, wie das Ehaltenbuch von 1621 dokumentiert: Benannt werden Amtmann, Bader, Bäcker, Bildhauer, Bote, Brotkellner, Chirurg, Drechsler, Eisenschmied, zwei Fischer, Förster, Gärtner, Gastdiener, Glaser, Gipsmeister, Goldschmied, Hafner, zehn Holzfäller, Hufschmied, zwei Jäger, Kämmerer, Kistler, zwei Köche, Krämer, Kürschner, Kupferschmied, Lehrer, Lederer, Marstaller, Maurer, Mesner, Metzger, Müller, Ölschlager, Organist, Pförtner, Rechenmacher, zwei Richter, Sattler, Schäffler, Schlosser, Schneider, Schreiner, Schuster, Sporer, Strohschneider, Uhrmacher, Verwalter, Wagner, Weger, Weiherhüter, Wirt, Ziegler und ein Zimmermann. Die allermeisten der 45 aufgeführten Berufe betrieben neben ihrem Handwerk eine kleine Hofstelle.
Handel und bayerische Exportartikel
Auch wenn Aventin (1477-1534) 1526 in seiner Bayerischen Chronik über seine Landsleute feststellte "[…] achten nit der kaufmannschaft, kumen auch die kaufleut nit vast zu inen […] Es sein auch wenig kaufleut, die grossen handl füeren", so gab es im Herzogtum eine ganze Reihe von Kaufleuten, die mit handwerklichen Produkten handelten und die zu den absoluten Spitzenverdienern der mittelalterlichen Gesellschaft gehörten. München konnte sich hinsichtlich der Waren- und Verkehrsströme nicht mit Augsburg (Nord-Süd-Verkehr auf der Via Claudia Augusta) oder Nürnberg messen. Doch auch in der Residenzstadt konnte man mit Handel (etwa mit Tuchen und Wein) den Sprung in die städtische Elite schaffen, denkt man etwa an Handelsgeschlechter wie die Barth, Gollier, Ligsalz, Pütrich, Ridler, Schrenk, Wadler. Eine weitere wichtige Handelsachse war die bereits genannte Ost-West-Verbindung über die Donau oder der "Goldene Steig", der zwischen Passau, Regensburg über den Bayer- und Böhmerwald nach Prag führte.
Das Herzogtum Bayern war nicht allzu reich bedacht mit Kohle und Eisenerz und besaß abgesehen von Holz nur wenige natürliche Rohstoffe. Exportiert wurden vor allem Getreide und Vieh; handwerklich hergestellte Produkte spielten lediglich eine geringe Rolle. Eine Ausnahme bildete das Salz. Die älteste deutsche Saline wurde in Reichenhall (Lkr. Berchtesgadener Land) betrieben, deren Salzproduktion im 12. Jahrhundert ungeachtet der starken Konkurrenz von Salzburg und Berchtesgaden eine Blüte erreichte. Einen Grundzug der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wirtschaftsgeschichte bildete das landesherrliche Bemühen, Handels- und Produktionsmonopole an sich zu ziehen. Für das Salz gelang dies den bayerischen Herzögen im 16. Jahrhundert. Ebenfalls ist dieser Prozess bei einem weiteren Handwerksprodukt, dem Bier, zu beobachten.
Bergbau
Der Abbau von Eisenerzen und Edelmetallen wurde seit dem frühen Mittelalter im südlichen Teil des Herzogtums betrieben. Schwerpunkte des Bergbaus bildeten das oberbayerische Alpen- bzw. Alpenvorland (Erzstift Salzburg, Aschau [Lkr. Rosenheim], Bergen bei Traunstein [Lkr. Traunstein]; Silber-, Blei- und Kupferminen bei Kufstein, Kitzbühel, Schwaz und Rattenberg [alle Österreich]), die niederbayerisch-böhmische Grenzregion Zwiesel, um den Großen Arber, Bodenmais (beide Lkr. Regen) und Lam (Lkr. Cham) und schließlich die Oberpfalz, die man als "Ruhrgebiet des Mittelalters" (Eckart Schremmer) bezeichnen kann. Die Oberpfalz verfügte neben reichen Eisenerzvorkommen mit seinem Holz- und Flüssereichtum über ideale Bedingungen. Seit dem 14. Jahrhundert entstanden in der Region um Amberg, Sulzbach (Lkr. Amberg-Sulzbach), Bodenwöhr (Lkr. Schwandorf) und Fichtelberg (Lkr. Bayreuth) zahlreiche Hammerwerke, in denen Halbfertigprodukte hergestellt wurden. Die große Nachfrage an roh- und schmiedeeisernen Produkten bzw. nach "Amberger Eisen" nährte Anfang des 17. Jahrhunderts rund ein Viertel der Bevölkerung der Oberpfalz.
Die für die Eisenverarbeitung notwendige Holzkohle kam vor allem aus dem Isarwinkel und von Tölz (Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen). Die Köhlerei und die Pechgewinnung waren für die bayerische Wirtschaft nicht unerheblich. Diese Produkte wurden vor allem auf dem Wasserweg mittels Flößerei an die jeweiligen Produktionszentren transportiert.
Textilgewerbe
Die Herstellung von Textilien war ein bedeutender Handwerkszweig in Bayern. Während in Oberschwaben vor allem die Leinen- und Barchentherstellung überregionale Bedeutung besaß, so verarbeitete man im Herzogtum überwiegend Schafwollgewebe, in geringerem Maß auch Leinen und Halbleinen. Produziert wurde etwa eine eigene Leinwandart, der sog. Federritt für die Inletts von Federbetten, die vor allem von Erdinger und Münchner Leinwebern hergestellt wurde. Seit dem 14. Jahrhundert erlebte die Lodenherstellung einen großen Aufschwung. Abgesetzt und vertrieben wurden die Textilprodukte nicht nur über den überregionalen Handel, sondern auch auf den großen Wollmärkten, die seit Ende des 16. Jahrhunderts in Straubing, Mühldorf, Eggenfelden (Lkr. Rottal-Inn), Neumarkt (Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) und Schrobenhausen (Lkr. Neuburg-Schrobenhausen) abgehalten wurden. Der Textilsektor bildete die Keimzelle der Proto-Industrialisierung und frühkapitalistischer Wirtschaftsweisen. Nicht nur das städtische Handwerk lebte von der Herstellung von Textilien; die Verlagsarbeit auf dem Land in Form von Spinnen und vor allem Weben war weit verbreitet.
Quellenlage
Sieht man von den archäologischen Überresten wie Metall-, Holz- oder Knochenfunden ab, so stehen als Grundlage für die Geschichte des mittelalterlichen Handwerks unterschiedliche Quellengattungen zur Verfügung: Von den landesherrlichen normsetzenden Verordnungen und Satzungen wie etwa Monopolen und Regalen spannt sich der Bogen über die große Anzahl von Quellen, die im kommunalen Kontext überliefert sind. Eine Fülle von städtischen Amtsbüchern, Ratsprotokollen und Rechnungsbüchern (hier vor allem für den Leitsektor Bauwirtschaft) sowie Steuerlisten dokumentiert ein wichtiges Stück Handwerksgeschichte in den bayerischen Städten und Märkten. Dies betrifft in besonderem Maße die mittelalterlichen Spitäler, deren enorme wirtschaftliche Bedeutung eine große Zahl von schriftlichen Hinterlassenschaften nach sich zog. In besonderer Weise gilt dies auch für die großen Dombauhütten, die Schriftgut hinterlassen haben, das eine genauere Quantifizierung der beschäftigten Handwerker und Handwerksleistungen erlaubt. Die klösterliche Wirtschaftsführung lässt sich aus den klostereigenen Archivalien wie Rechnungsbüchern und Auftragslisten, teilweise aber auch aus den Plänen der Klosteranlagen und Annalen sowie Chroniken nachzeichnen.
Reichhaltige Quellenbestände finden sich im Bereich des städtischen Zunftregiments mit seinem ausgeprägten Ordnungs- und Regelungsbedarf: Von den Zunfturkunden, Statuten, Protokoll-, Kassen- und Einschreibbüchern und Gesellenordnungen lassen sich gesicherte Befunde über die Regelungen der handwerklichen Ausbildung, Qualitätskontrolle, Preise und Löhne, aber auch zu den Funktionen der Zünfte im sozialen und religiösen Bereich ableiten.
Für den dörflichen Bereich geben Dorfordnungen und Ehaftbriefe Aufschluss über die wirtschaftliche Dimension des ländlichen Handwerks. Ergänzt werden diese Quellen dann in der frühen Neuzeit durch Konzessionsanträge, Handwerkerverzeichnisse, Herdstättenzählungen oder Fremdenbüchern, die die Herkunft und Verweildauer wandernder Handwerker wiedergeben.
Der überwiegende Teil der Quellen entstammt somit dem normativen Bereich, während Aussagen zum Alltag und zur konkreten Lebenswirklichkeit der Handwerker anhand der vorhandenen Quellen "gegen den Strich" gelesen werden müssen. Aufzeichnungen und Egodokumente aus der Hand von Handwerkern sind für das Mittelalter eher selten. Reiseführer für Handwerksgesellen, Handwerkskundschaften, Wanderbücher, aber auch Herbergs- und Gesellenbücher entstanden in nennenswerterem Umfang erst im Laufe der Frühen Neuzeit.
Spuren des Handwerks
Das Handwerk hat kulturgeschichtlich deutliche Spuren hinterlassen in Form von Familiennamen, Bezeichnungen städtischer Gassen und Straßen, auf den Aushängeschildern bzw. Zunftzeichen auf Kirchenfenstern, und es begegnet uns in Märchen, Sagen und Liedern. Auch nach den vielfältigen Transformationsprozessen, die das Handwerk durchlaufen hat, wird seine Geschichtsmächtigkeit durch die zahlreichen Sprichwörter und Sprachübernahmen aus dem Handwerksbereich ("flickschustern", "zünftig", "blau machen", "das Handwerk legen" etc.) deutlich.
Literatur
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- Jörg-Peter Niemeier, Keltische Siedlung und mittelalterliches Handwerk - Eine Stadtkerngrabung auf dem Passauer Neumarkt, in: Karl Schmotz (Hg.), Vorträge des 27. Niederbayerischen Archäologentages, Rahden/Westf. 2009, 215-237.
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- Michael Schattenhofer, Wirtschaftsgeschichte Münchens. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. u. erw. von Willibald Karl, München 2011.
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- Eckart Schremmer, Gewerbe und Handel. Erster Teil: Vom hohen Mittelalter bis zum Beginn des Merkantilismus, in: Max Spindler (Begr.)/Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der Bayerischen Geschichte. 2. Band, 2. Teil, München überarbeitete Auflage 1988, 754-775.
- Helga Schultz, Die Handwerksgesellen, in: Peter Moraw (Hg.), Unterwegssein im Spätmittelalter, Berlin 1985, 71-92.
- Knut Schulz, Handwerk, Zünfte und Gewerbe. Mittelalter und Renaissance, Darmstadt 2010.
- Helmut Wolf, Die Bayerische Eisenstraße. Eine Reise durchs Ostbayerns Kultur- und Industriegeschichte, in: Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.), Amberg-Sulzbacher Land (Edition Bayern 7), 18-21.
- Helmut Wolf, Vom Hammerwerk zum Industrieareal, in: Werner Kraus (Hg.), Schauplätze der Industriekultur in Bayern, Regensburg 2006, 194-199.
Quellen
- Bayerisches Handwerk in seinen alten Zunftordnungen. Ein Beitrag zur Geschichte des bayerischen Handwerks und Zunftwesens, München 1927.
- Wolfram Fischer (Hg.), Quellen zur Geschichte des deutschen Handwerks. Selbstzeugnisse seit der Reformationszeit, Göttingen 1957.
- Heinrich Letzing, Die Augsburger Handwerksgeschichte im Spiegel ihrer Quellen und Literatur, Augsburg 1999.
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Externe Links
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Empfohlene Zitierweise
Barbara Kink, Handwerk in Altbayern (Spätmittelalter/Frühe Neuzeit), publiziert am 17.09.2014; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Handwerk in Altbayern (Spätmittelalter/Frühe Neuzeit)> (13.12.2024)