• Versionsgeschichte

Konsistorium (evangelisch) (19./20. Jahrhundert)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Sitzungsprotokoll des protestantischen Oberkonsistoriums München, 30. Dezember 1818. (Landeskirchliches Archiv der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, OKM 782)
Titelblatt der Brandenburgisch-Nürnbergischen Kirchenordnung von 1591. (Landeskirchliches Archiv der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, 2° 1199)

von Hans-Peter Hübner

Konsistorien, die im evangelischen Bereich bis 1918 als staatliche Behörden das landesherrliche Kirchenregiment ausübten und die Kirche leiteten, entstanden im Raum des heutigen Bayern in einigen, aber nicht allen Territorien, die sich der Reformation angeschlossen hatten. Mit dem Übergang dieser Gebiete an Bayern wurden bis 1807 alle bisherigen Konsistorien aufgelöst. Nach einer Übergangsphase, in der 1808-1818 das Innenministerium und die Kreisregierungen das Kirchenregiment ausübten, entstanden 1818 ein zentrales Oberkonsistorium in München und drei untergeordnete Konsistorien in Ansbach, Bayreuth und Speyer. Abgesehen davon, dass das Konsistorium in Speyer 1849 direkt dem Kultusministerium unterstellt wurde, blieb diese Ordnung bis zum Ende des Königreichs gültig. Nach dem Ende des landesherrlichen Kirchenregiments wurden die Konsistorien 1920 als staatliche Behörden aufgelöst. Sie gingen in den Landeskirchenräten auf.

Begriff

Als Konsistorien werden im Bereich der evangelischen Landeskirchen die nach der Reformation gebildeten Kirchenbehörden bezeichnet, denen unter dem landesherrlichen Kirchenregiment zunächst die bis dahin von den Bischöfen geübte Gerichtsbarkeit und später auch kirchenleitende Befugnisse oblagen. Nach 1918 behielten einige, insbesondere die zur Altpreußischen Union gehörenden Provinzial- bzw. Landeskirchen, diese Bezeichnung für ihre obersten Dienst- und Verwaltungsbehörden bei.

Entwicklung in den Territorien

In den ehemals eigenständigen Territorien der Oberpfalz, Frankens und Schwabens war das evangelische Kirchenwesen wie folgt organisiert:

  • Im Herzogtum Pfalz-Sulzbach wurde die Konsistorialordnung aufgrund der Kirchenordnungen von 1543, 1554 und 1557 eingeführt. 1790 wurde die evangelische Regierung in Sulzbach aufgelöst, das Land der Regierung in Amberg unterstellt und als Konsistorialbehörde eine nicht paritätisch besetzte "Simultanische Religions-und Kirchendeputation" in Sulzbach eingesetzt.
  • Eigenständige Konsistorien hatten die Reichsstädte Rothenburg (Kirchenordnung von 1559), Regensburg (Konsistorialordnung von 1588) und Ulm (Kirchordnung von 1531, 1554 abgelöst durch die württembergische Kirchenordnung von 1553). In den übrigen Reichsstädten wurde das Kirchenregiment regelmäßig durch den Rat direkt ausgeübt.
  • Konsistorialbehörden bestanden ferner seit 1577 in Marktbreit für das Fürstentum Schwarzenberg (zuvor Seinsheim), 1579 in Öhringen für die Hohenloheschen Gebiete (Kirchenordnung von 1556/1683), in Thurnau für die Gräflich Giechischen Gebiete und in Kreuzwertheim für die Fürstlich Löwenstein-wertheimischen Lande.
  • Die fränkischen Markgraftümer der Hohenzollern erhielten aufgrund der Konsistorialordnung von 1594 Konsistorien mit kirchenleitenden Befugnissen in Ansbach und in Kulmbach bzw. ab 1604/1656 in Bayreuth. Als die fränkischen Markgrafentümer 1791 an Preußen fielen, wurde die Konsistorialgewalt dem zweiten Senat (Kriegs- und Domänenkammer) der Regierungen in Ansbach und Bayreuth übertragen.
  • In Coburg wurde 1593 ein Konsistorium geschaffen, das 1802 aufgelöst wurde. Bis zum Ende des Herzogtums Sachsen-Coburg 1918 übte dann die Landesregierung das Kirchenregiment direkt aus.

Neuorganisation im Königreich Bayern

Die Neuordnung des evangelischen Kirchenwesens im Königreich Bayern, deren Ziel es war, eine mit den Landesgrenzen übereinstimmende zentrale Organisationsform zu schaffen, vollzog sich in mehreren Schritten: Zunächst wurden die vorhandenen Kirchenbehörden bis 1807 zu fünf Konsistorien zusammengeführt. Diese bestanden bei der Generallandesdirektion München für die evangelischen Gemeinden in Altbayern, bei der Kriegs- und Domänenkammer in Ansbach für das Gebiet des ehemaligen Markgraftums Ansbach, bei der Landesdirektion Bamberg für die übrigen fränkischen Gemeinden, bei der Landesdirektion Amberg in der Nachfolge der Sulzbacher Deputation für die Oberpfalz und bei der Landesdirektion Ulm für Schwaben.

In einem zweiten Schritt wurde aufgrund des Edikts vom 8. September 1808 beim Ministerium des Inneren eine "Sektion in kirchlichen Angelegenheiten" gebildet, die einerseits die staatlichen Hoheitsrechte über die katholische und die evangelische Kirche ausübte und andererseits als "Generalkonsistorium" zentrale oberste Kirchenleitungsbehörde für alle evangelischen Gemeinden lutherischen und reformierten Bekenntnisses war. Anstelle der bisherigen Konsistorien wurden "Generaldekanate" (1809 zusätzlich eines in Augsburg; 1810 insgesamt nur noch vier in München, Regensburg, Ansbach und Bayreuth, wobei die Generaldekanate München 1815 und Regensburg 1817 aufgelöst wurden) eingerichtet, die keine eigenen Behörden waren, sondern vollständig in die staatlichen Mittelbehörden (Generalkreiskommissariate, seit 1817 Kreisregierungen) eingegliedert waren. Zur Ausübung der Kirchengewalt, die den Behördenvorständen oblag, wurde diesen jeweils ein theologischer "Kreiskirchenrat" unterstellt. Die Konsistorialordnung vom 8. September 1809 regelte im Einzelnen den Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Generalkonsistoriums und der Generalkommissariate.

Zu ihrem Abschluss kam die Entwicklung der konsistorialen Strukturen im Königreich Bayern mit dem der Verfassung vom 26. Mai 1818 beigegebenen Protestantenedikt. Danach wurde die Ausübung des Summepiskopates und der daraus abgeleiteten inneren Kirchenangelegenheiten dem als eigene und selbständige Behörde konzipierten "Oberkonsistorium" übertragen, welches in dienstaufsichtlicher Hinsicht dem Innenministerium untergeordnet war. Dem Oberkonsistorium gehörten insgesamt fünf Oberkonsistorialräte (vier - davon einer mit reformiertem Bekenntnis - geistliche und ein weltlicher) an. Außerdem wurden die Generaldekanate wieder in Konsistorien umgewandelt, die in ihrem Wirkungsbereich ebenfalls selbständige Behörden waren.

Für den Gesamtbereich Bayerns einschließlich der 1816 hinzugekommenen Rheinpfalz bestanden nun drei Konsistorien: Ansbach für Mittelfranken und Schwaben, Bayreuth für Oberfranken, die Oberpfalz, Niederbayern und Unterfranken sowie Speyer für die linksrheinische Pfalz; das Dekanat München, das weite Teile Oberbayerns umfasste, blieb weiterhin unmittelbar dem Oberkonsistorium zugeordnet. Übergeordnete Stelle war das Ministerium des Innern, ab 1847 das aus dem Innenressort gelöste Kultusministerium.

1849 wurde der Konsistorialbezirk Speyer auf Antrag der pfälzischen Generalsynode aus dem Zuständigkeitsbereich des Oberkonsistoriums ausgegliedert. Es unterstand seitdem unmittelbar dem Kultusministerium. Infolge dieser Änderung entfiel auch die Stelle des reformierten Oberkonsistorialrates im Oberkonsistorium.

Bei der Eingliederung der fränkischen Gebiete nach Bayern endete zwar die Tätigkeit der dortigen Konsistorien, so dass ab 1807 der dortige Adel Kirchenherrschaft nur noch unter Aufsicht der Konsistorien ausüben durfte. Das Edikt über die Standesherren ermöglichte diesen aber ab 1818, erneut eigene Konsistorien zu gründen, die direkt dem Oberkonsistorium in München unterstellt wurden (Mediatkonsistorien). Von dieser Möglichkeit machten aber nur die Grafen von Giech (bis 1847 in Thurnau) und die Fürsten von Löwenstein-Wertheim (bis 1851 in Kreuzwertheim) Gebrauch.

Die Auflösung der Konsistorien nach dem Ende des landesherrlichen Kirchenregiments

Nach dem Wegfall des landesherrlichen Kirchenregiments wurden das Oberkonsistorium und die Konsistorien mit Verordnung der Staatsregierung des nunmehrigen Freistaates Bayern vom 28. Januar 1920 als staatliche Behörden aufgelöst. Als kirchliche Behörden wurden sie mit ihren bisherigen Mitgliedern in die Landeskirchenräte der nun in die Eigenständigkeit entlassenen evangelischen Landeskirchen in Bayern rechts und links des Rheins (Pfälzische Landeskirche) überführt. Der Landeskirchenrat der evangelisch-lutherischen Kirche rechts des Rheins übernahm zugleich auch die Zuständigkeiten der Konsistorien in Ansbach und Bayreuth, unterhielt jedoch bis 1930 für das Finanzreferat eine Zweigstelle in Ansbach. Mit der Auflösung dieser Zweigstelle wurde mit Wirkung vom 1. April 1930 die Evangelisch-Lutherische Landeskirchenstelle Ansbach errichtet, die als dem Landeskirchenrat nachgeordnete kirchliche Mittelbehörde beratende und aufsichtliche Aufgaben bezüglich der vermögensrechtlichen Angelegenheiten der Kirchengemeinden wahrnimmt.

Präsidenten des Oberkonsistoriums
Name des Präsidenten Lebensdaten Amtszeit Bemerkungen Porträt
Carl August v. Seckendorff 1774-1828 1818-1828
Karl v. Roth 1780-1852 1828-1848 Oberkonsistorialpräsident Karl Friedrich von Roth. (Landeskirchliches Archiv der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, Fotosammlung [Roth, Friedrich] P 6)
Friedrich Christian v. Arnold 1786-1868 1848-1852
Adolf v. Harleß 1806-1879 1852-1879 Oberkonsistorialpräsident Adolf von Harleß. (Landeskirchliches Archiv der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, Fotosammlung [Harleß, Adolf] P 6)
Johann Matthias Meyer 1814-1882 1879-1882
Adolf v. Stählin 1823-1897 1883-1897
Alexander v. Schneider 1845-1909 1897-1909
Hermann v. Bezzel 1861-1917 1909-1917 Oberkonsistorialpräsident Hermann von Bezzel. (Landeskirchliches Archiv der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, Fotosammlung [Bezzel, Hermann] P 6)
Friedrich Veit 1861-1948 1917-1920 1921-1933 Kirchenpräsident

Dokumente

Literatur

  • Eva Altenhöfer, Das bayerische Staatskirchenrecht von 1818, Wien-Köln 2022.
  • Hartmut Böttcher, Die Entstehung der evangelischen Landeskirche und die Entwicklung ihrer Verfassung, in: Handbuch der Geschichte der Evangelischen Kirche in Bayern. Band II, Sankt Ottilien 2000, 1-29.
  • Werner Heun, Artikel "Konsistorium", in: Gerhard Müller (Hg.), Theologische Realenzyklopädie, Bd. 19, Berlin/New York 1990, 483-488.
  • Hans-Peter Hübner, Vom Oberkonsistorium zum Landeskirchenamt, in: Ders./Michael Maier (Hg.), Kirchenleitung am Königsplatz, München 2015, 60-63.
  • Walter Schärl, Die Zusammensetzung der bayerischen Beamtenschaft von 1806 bis 1918 (Münchener Historische Studien 1), Kallmünz 1955, 298-301. [Biogramme der Präsidenten des Oberkonsistoriums]
  • Wilhelm Volkert, Die protestantische Kirche, in: Ders. (Hg.), Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, München 1983, 229-233.
  • Heinrich de Wall, Die Verselbständigung der evangelischen Konsistorien in Preußen und Bayern im 19. Jahrhundert als Schritt zu kirchlicher Unabhängigkeit, in: Jahrbuch für europäische Verwaltungsgeschichte Bd. 14 (2002), 151-169.

Quellen

  • Ernst-Rudolf Huber/Wolfgang Huber (Hg.), Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. 1. Band, Berlin 2. Auflage 1990.
  • Die archivalische Überlieferung der Konsistorien im Bereich des heutigen Bayern befindet sich im Landeskirchlichen Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche Bayerns.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel

Oberkonsistorium, Mediatkonsistorium

Empfohlene Zitierweise

Hans-Peter Hübner, Konsistorium (evangelisch) (19./20. Jahrhundert), publiziert am 05.10.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Konsistorium_(evangelisch)_(19./20._Jahrhundert)> (15.10.2024)