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Konkordatspolitik (seit 1945)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

von Hermann-Joseph Busley

Das Bayerische Konkordat von 1924/25 ist bis heute in Kraft. Nach zahlreichen Verstößen gegen seine Bestimmungen in der NS-Zeit blieb es nach 1945 zunächst unverändert. Angesichts des großen gesellschaftlichen Wandels seit den 1950er Jahren ließen sich eine Reihe von Bestimmungen zum Bildungswesen (Schulen, Hochschulen) nicht mehr halten. Das Konkordat wurde daher zwischen 1958 und 1988 achtmal geändert. Die katholische Kirche machte dabei große Zugeständnisse und verzichtete auf die konfessionelle Lehrerbildung, die Bekenntnisschule als Regelschule und die philosophisch-theologischen Hochschulen. Die Konkordatsänderungen garantieren der Kirche aber auch unter veränderten Rahmenbedingungen erhebliche Rechte im Bildungswesen und finanzielle staatliche Leistungen.

Die Weitergeltung des Konkordats von 1924/25

Das Bayerische Konkordat vom 29. März 1924 ist bis heute in Geltung. Auch das Reichskonkordat von 1933 hat die Länderkonkordate ausdrücklich anerkannt. Dass die NS-Regierung Reichs- und Länderkonkordate vor allem im Schulwesen und im universitären Bereich vielfach gebrochen hat, ist unbestritten. Trotz dieser Erfahrungen bestand nach 1945 zunächst kein Bedarf an Konkordatsänderungen, zumal die Bayerische Verfassung von 1946 in Art. 135 die Konfessions- als Regelschule festgeschrieben hatte.

Erst zwischen 1958 und 1988 wurde das Konkordat achtmal geändert – sei es in Form von Neufassungen einiger Artikel, sei es in Form von Verwaltungsabkommen oder zusätzlichen Verträgen, in denen nicht einmal auf das Konkordat Bezug genommen wurde. Inhaltlich ging es einerseits um Fragen der Konfessionsschule und der konfessionellen Lehrerbildung, anderseits um Neuordnung des theologischen Studiums (Schließung der Philosophisch-Theologischen Hochschulen, Gründung von fünf neuen Universitäten). Möglich waren diese Novellierungen des Konkordats von 1924 durch dessen Artikel 15.

Konfessionsschule und konfessionelle Lehrerbildung

Das Lehrerbildungsgesetz vom 14. Juni 1958 verpflichtete diejenigen Lehramtskandidaten, die später an einer Bekenntnisschule unterrichten wollten, an einer der neu errichteten, konfessionell geprägten Pädagogischen Hochschulen zu studieren. Über die weltanschaulich relevanten Fächer schlossen Bayern und der Heilige Stuhl am 29./30. August 1958 ein Verwaltungsabkommen.

Kriegs- und Nachkriegszeit hatten die Bevölkerungs- und Konfessionsstruktur erheblich verändert. Nachdem sich der Staat daher genötigt sah, sich zugunsten von Verbandsschulen von der dörflichen Zwergschule und somit zwangsläufig auch von der nur noch relativ selten anzutreffenden konfessionell geschlossenen Volksschule zu verabschieden, erklärte sich der Vatikan am 24. Juni 1966 mit der Einführung des sog. Minderheitenlehrers "für die Schüler des Minderheitsbekenntnisses an Bekenntnisschulen" einverstanden.

Aber der Ruf nach einer grundsätzlichen Änderung der Bayerischen Verfassung wurde immer lauter. Regierung und Opposition einigten sich nach zwei erfolgreichen Volksbegehren und einvernehmlichen Gesprächen mit den bayerischen Spitzen der beiden Kirchen auf eine durch Volksentscheid vom 7. Juli 1968 gebilligte Verfassungsänderung. Diese führte die "Christliche Gemeinschaftsschule" als Regelschule ein, ohne die Beibehaltung oder Bildung von konfessionseinheitlichen Schulen oder Klassen auszuschließen. Dieser Neuausrichtung stimmte der Heilige Stuhl im Vertrag vom 7. Oktober 1968 durch tiefgreifende Änderung der konkordatären Schulartikel 5 und 6 zu. Er hielt sich jedoch Optionen zu konfessioneller Erziehung und Lehrerausbildung (Erlaubnis zur Gründung einer eigenen kirchlichen Pädagogischen Hochschule) grundsätzlich offen und erreichte gleichzeitig die Errichtung von "katholischen" Professuren für Theologie und für Didaktik des Religionsunterrichts sowie für Philosophie und Pädagogik an den Pädagogischen Hochschulen.

Die Eingliederung der Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten 1970 machte erneut umfangreiche Novellierungen des Konkordats nötig. Verträge vom 4. September 1974 und vom 7. Juli 1978 besiegelten diese. Weit über den eigentlichen Anlass hinaus konnte sich die Kirche eine nicht unbeträchtliche Zahl neuer Rechte zusichern lassen: Immerhin wurden die Artikel 3–8 und 13 unter gleichzeitiger Berücksichtigung der inzwischen neu gegründeten Universitäten Augsburg, Passau, Regensburg und der Gesamthochschule Bamberg neu gefasst.

Die wichtigsten Änderungen waren:

  1. Nicht nur in jeder der sechs Katholisch-Theologischen Fakultäten wird ein Lehrstuhl für Didaktik des katholischen Religionsunterrichts errichtet, sondern auch in den Erziehungswissenschaftlichen Fachbereichen der eher evangelisch geprägten Universitäten Erlangen-Nürnberg und Bayreuth. Bei allen Berufungen ist zuvor die Zustimmung des jeweiligen Ortsbischofs einzuholen.
  2. Das Gleiche gilt für je einen Lehrstuhl für Philosophie, Gesellschaftswissenschaften und Pädagogik in den Erziehungswissenschaftlichen Fachbereichen sämtlicher Universitäten (ohne Bayreuth).
  3. Unter Berücksichtigung der Elternrechte werden die Rechte katholischer Erziehung in den Volksschulen wie schon 1968 bestätigt, allerdings verschärft durch ein Disziplinarrecht, das dem Bischof erlaubt, Missstände im religiös-sittlichen Leben der katholischen Schüler und nachteilige Beeinflussungen in der Schule bei der staatlichen Schulaufsicht zu beanstanden, die ihrerseits für Abhilfe zu sorgen hat.
  4. Förderung der katholischen Privatschulen in finanzieller und personeller Hinsicht (Lehreraustausch, Beurlaubung)

Auflösung der Philosphisch-Theologischen Hochschulen, Neugründung Theologischer Fakultäten

Mit der Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising (Vertrag vom 2. September 1966) und der Verlagerung der Theologen-Ausbildung an die Universität München wurde ein neues Kapitel der Konkordatsänderungen aufgeschlagen. Konnte man in München auf eine bestehende Katholisch-Theologische Fakultät zurückgreifen, so mussten im Zuge der Universitäts-Neugründungen dort zunächst einmal Katholisch-Theologische Fachbereiche bzw. Fakultäten errichtet werden. Mit deren Selbstverständnis als universitäre Institution schien es unvereinbar, dass die bisherigen, nun aber überflüssigen Philosophisch-Theologischen Hochschulen automatisch in Universitäts-Fakultäten umgewandelt wurden. In jedem Einzelfall wurden daher zwischen der Bayerischen Staatsregierung und dem Heiligen Stuhl Verträge zur Änderung oder auch Erweiterung des Konkordats von 1924 abgeschlossen, die einerseits die Zustimmung zur Errichtung einer neuen und mit allen üblichen universitären Rechten ausgestatteten Theologischen Fakultät, andererseits die Auflösung der bisherigen Philosophisch-Theologischen Hochschule beinhalteten.

  • 2. September 1966: Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising und Verlagerung der Theologen-Ausbildung an die Universität München
  • 2. September 1966: Zustimmung zur Errichtung einer Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Regensburg und zur Auflösung der dortigen Philosophisch-Theologischen Hochschule. In der Philosophischen Fakultät sind gem. Art.4 § 2 des Konkordats von 1924 je eine Professur für Philosophie und Geschichte (Konkordatslehrstühle) zu reservieren.
  • 17. September 1970: Zustimmung zur Errichtung eines Katholisch-Theologischen Fachbereichs (Fakultät) an der Universität Augsburg und zur Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschule Dillingen. Auf die Errichtung von Konkordatsprofessuren für Philosophie und Geschichte innerhalb der Philosophischen Fakultät gem. Art. 4 § 2 des Konkordats 1924 wird verzichtet zugunsten von je einer Professur für Systematische Philosophie, für Geschichte der Philosophie und für Grenzfragen der Theologie und Naturwissenschaft innerhalb der Katholisch-Theologischen Fakultät. Sofern ehemals Dillinger Professoren nicht im Wege eines üblichen Berufungsverfahrens an die Theologische Fakultät Augsburg berufen werden, sind für sie k.w.-Professuren innerhalb dieser Fakultät einzurichten.
  • 4. September 1974: Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschulen in Bamberg und Passau; an ihre Stelle treten Katholisch-Theologische Fakultäten der Gesamthochschule Bamberg bzw. der neu gegründeten Universität Passau. Selbstverpflichtung des Staates, Professoren der Philosophisch-Theologischen Hochschule Passau, die nicht im Wege eines üblichen Berufungsverfahrens an eine Katholisch-Theologische Fakultät berufen werden, ausreichende Lehr- und Forschungsmöglichkeiten zu gewährleisten.
  • 4. September 1974: Der Staat gewährleistet die Errichtung einer kirchlichen Gesamthochschule mit wissenschaftlichen Studiengängen für Katholische Theologie und zur Ausbildung von Lehrern "mit Schwerpunkt in den Geisteswissenschaften" (Ergänzung in der Konkordatsänderung vom 7. Juli 1978) sowie die Errichtung von Fachhochschulstudiengängen für Religionspädagogik und Sozialwesen. Er übernimmt 90 % der laufenden Kosten und der Investitionen. Im Einvernehmen mit dem Staat erlässt der Träger, d. h. die Kirche die Grundordnung, die Studien- und Prüfungsordnungen samt Promotions- und Habilitationsordnung. Die Prüfungen sind denjenigen an staatlichen Hochschulen gleichgestellt.
  • 8. Juni 1988: Ausweitung des Lehrangebots an der - seit 1980 - Katholischen Universität Eichstätt zusätzlich zu den Studiengängen und -abschlüssen seit 1974/78: Mathematik und Geographie (Diplom-, Magister- und Aufbaustudiengänge) und Errichtung der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Ingolstadt. Mit der Aufnahme des Studienbetriebs in Ingolstadt sinkt die staatliche Finanzierungsquote von 90 % auf 85 %.

Würdigung der Entwicklung nach 1945

Weder der Staat noch die Kirchen konnten sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den gewaltigen soziologischen Veränderungen und Umschichtungen verschließen, die unter dem Zwang von Flucht und Vertreibung von Ost nach West begonnen und sich seit den 1950er Jahren in Nord-Süd-Richtung auf der Suche nach günstigen Bedingungen für Ausbildung und Beruf fortgesetzt hatten. Die bis dahin für Bayern gültige Konfessionskarte mit ihren klaren Grenzen verlor ihre scharfen Konturen. Die Auswirkungen machten sich schon bald vor allem in den Schulen bemerkbar, obwohl die Bayerische Verfassung von 1946 die Konfessionsschule als Regelschule – wie schon 1919 bis in die Anfangsjahre des Dritten Reichs - wiederbelebt hatte. Die seit Ende der 1950er Jahre einsetzenden und nicht unbeträchtlichen Novellierungen des Konkordats von 1924 zeigen, dass die Kirche bereit war, den neuen Gegebenheiten Rechnung zu tragen – und zwar nicht nur äußerlich-organisatorisch, sondern auch aus innerer Überzeugung, wie die von beiden Kirchen mitgetragene Verfassungsänderung von 1968 beweist. Gleichwohl ist es der Kirche bis in die Gegenwart hinein gelungen, ihr konfessionelles Profil zu wahren, sei es in der bleibenden Verankerung christlicher Erziehung im Unterricht allgemein und insbesondere im Religionsunterricht, sei es in der Lehrerbildung.

Wie wichtig der katholischen Kirche gerade die Lehrerausbildung war und ist, lässt sich an der sprunghaften Vermehrung sogenannter Konkordatsprofessuren und -dozenturen ablesen. Nach Art. 3 und 4 des Konkordats von 1924 waren davon zwar alle Dozenten der Katholisch-Theologischen Fakultäten und der Philosophisch-Theologischen Hochschulen betroffen, aber nur je zwei "weltliche" Professuren (Philosophie und Geschichte) an den Universitäten München und Würzburg. Auf dem Umweg über die Integration der Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten kamen seit 1970 je Universität drei weitere (Philosophie, Gesellschaftswissenschaften, Pädagogik) hinzu. Gegenwärtig (2008/09) lässt sich v. a. unter den betroffenen Dozenten-Anwärtern eine starke Verunsicherung darüber ausmachen, wie weit die den Ortsbischöfen zugestandene Überprüfung "des katholisch-kirchlichen Standpunkts und des sittlichen Verhaltens" der Kandidaten unter Berücksichtigung des grundgesetzlich garantierten Gleichheitsgrundsatzes oder auch der Forschungsfreiheit gehen darf.

Kritik am Konkordat und an Staatsleistungen an die Kirche

Kritiker des Konkordats erkennen zwar an, dass die Kirche beispielsweise seit den 1970er Jahren der Auflösung der Philosophisch-Theologischen Hochschulen zugunsten einer qualifizierteren akademischen Theologenausbildung zugestimmt hat und sich neuerdings sogar nicht mehr grundsätzlich der Auflösung einiger Katholisch-Theologischer Universitätsfakultäten versperrt. Sie kritisieren aber die großen Zugeständnisse, die der Freistaat Bayern der katholischen Kirche bei der Finanzierung von deren Privatschulen oder der Katholischen Universität Eichstätt gemacht und sich dennoch zur Beachtung von deren weitgehender Autonomie verpflichtet hat.

Kritik wird auch an der staatlichen Alimentierung der Geistlichkeit und an den hohen Baukostenzuschüssen im Rahmen der Denkmalpflege laut. Längst nicht alle derartigen Zahlungen resultieren aus dem Konkordat, sondern zu einem erheblichen Teil aus den rechtsverbindlichen Nachfolgelasten der Säkularisation von 1803. Allerdings hat der Staat mit Art. 10 § 5 des Konkordats der Kirche das Recht zur Erhebung von Kirchensteuern eingeräumt. Sie beträgt in Bayern 8 % der Lohn- und Einkommensteuer und bildet die Haupteinnahmequelle der Kirchen. So wies der Haushalt des Erzbistums München und Freising für das Haushaltsjahr 2008 Einnahmen von insgesamt rund 444 Mio. € aus. 89 % (ca. 394 Mio. €) stammen aus der Kirchensteuer und lediglich 6 % (25,6 Mio. €) aus Leistungen des bayerischen Staates. Umgekehrt fließen 12 % (53,4 Mio. €) der Ausgaben in die Schulen und in die Bildungsarbeit, fast so viel wie in caritative und soziale Aufgaben.

Dokumente

Literatur

  • Alexander Hollerbach, Konkordat und Konkordatslehrstühle, in: Görres-Gesellschaft (Hg.), Staatslexikon. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft. 3. Band. Freiburg 7. Auflage 1987, Sp. 620-627.
  • Eugen Kleindienst, Das eigene Finanzaufkommen kirchlicher Rechtsträger nach der Säkularisation, in: Erwin Gatz (Hg.), Geschichte des kirchlichen Lebens in den deutschsprachigen Ländern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. 6. Band: Die Kirchenfinanzen, Freiburg 2000, 85-107.
  • Joseph Listl, Die konkordatäre Entwicklung von 1817 bis 1988, in: Walter Brandmüller (Hg.), Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte. 3. Band: Vom Reichsdeputationshauptschluß bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, Sankt Ottilien 1991, 427-463.
  • Winfried Müller, Schulpolitik in Bayern im Spannungsfeld von Kultusbürokratie und Besatzungsmacht 1945-1949, München 1995.
  • Winfried Müller, Staatsleistungen an die Katholische Kirche in Bayern, in: Erwin Gatz (Hg.), Geschichte des kirchlichen Lebens in den deutschsprachigen Ländern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. 6. Band: Die Kirchenfinanzen, Freiburg 2000, 108-126.
  • Ingo Schröder, Die staatlichen philosophisch-theologischen Hochschulen in Bayern von 1923 bis 1978, München 2003.

Quellen

  • Ernst Rudolf Huber/Wolfgang Huber (Bearb.), Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts. 4. Band: Staat und Kirche in der Zeit der Weimarer Republik, Berlin 1988.
  • Joseph Listl (Hg.), Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland. Textausgabe für Wissenschaft und Praxis, Berlin 1987.

Weiterführende Recherche

Empfohlene Zitierweise

Hermann-Joseph Busley, Konkordatspolitik (seit 1945), publiziert am 02.06.2009; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Konkordatspolitik_(seit_1945)> (5.10.2024)