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Buchmalerei (Spätmittelalter)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Psalter Kalenderblatt April. Würzburg, um 1260-65. (Bayerische Staatsbibliothek, Clm 3900, f. 3r)
Psalter Gastmahl des Herodes und Enthauptung Johannes d. T.. Augsburg, um 1260. (Bayerische Staatsbibliothek, Clm 2640, f. 17v)
"Goldenes Buch von Hohenwart": Maria mit Kind, vor denen eine weibliche Stifterfigur kniet. Regensburg, bald nach 1250. (Bayerische Staatsbibliothek, Clm 7384, f. 3v)

von Karl-Georg Pfändtner

Buchmalerei war im Spätmittelalter nicht mehr Werk klösterlicher Skriptorien, sondern lag weitgehend in der Hand von Laienwerkstätten. Illuminiert wurden dennoch vor allem liturgische Werke und private Gebetbücher. Wichtigstes Zentrum der spätmittelalterlichen Buchmalerei im heutigen Bayern war Regensburg. Im 15. Jahrhundert etablierten sich auch Nürnberg und Augsburg als Produktionszentren. Nach der Blüte im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert verlor die Buchmalerei spätestens gegen 1530 an Bedeutung.

Die Entwicklung von 1250 bis 1400

Die Buchmalerei des Spätmittelalters auf dem Gebiet des heutigen Bayern spiegelt die politische Situation der Vielzahl voneinander unabhängiger Territorien wider und ist bisher nur partiell untersucht. Spätestens nach der Mitte des 13. Jahrhunderts war in allen Gebieten die Blüte der monastischen Skriptorien vorbei. Ambitionierte Reformversuche, wie sie etwa in Oberalteich und Aldersbach, Schäftlarn und Fürstenfeld bzw. Ebrach im Steigerwald in der zweiten Hälfte des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts unternommen wurden, brachten nur einzelne Meisterwerke hervor. Ansonsten gelangte die Tätigkeit mit wenigen Ausnahmen über das Herstellen und Schreiben von Büchern mit einfachem ornamentalen oder Fleuronnée-Schmuck nicht hinaus.

In den Städten mit geistlichen Institutionen wie Würzburg, Augsburg und Regensburg blieben die kirchlichen Kreise die maßgeblichen Träger der Entwicklung und Produktion der Buchmalerei. Sie waren nun Auftraggeber für die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts die Miniaturmalerei prägenden Laienwerkstätten. Diese lieferten nicht nur Miniaturen für die von den Klöstern, Stiften und Kapiteln benötigten liturgischen Bücher und Bibeln, sondern auch für die bei hochgestellten Laien (insbesondere Frauen) beliebten Prachtpsalterien, wie etwa Clm 3900 (Würzburg, um 1260-65) und Clm 2640 (Augsburg, um 1260) der Bayerischen Staatsbibliothek.

Die Regensburger Produktion mit ihrer Ausrichtung nach Frankreich, wie sie in Deutschland in dieser Zeit sonst nur in Köln zu finden ist, dürfte von den dort früh niedergelassenen Bettelorden angeregt worden sein. Initialwerk ist die ergänzende Ausstattung, die bald nach der Mitte des 13. Jahrhunderts in das aus dem 11./12. Jahrhundert stammende Goldene Buch von Hohenwart, Clm 7384 der BSB, eingetragen wurde. Ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts schufen die Regensburger Werkstätten Musterbücher mit den wichtigsten Themen der Heilsgeschichte. Vorwiegend für weltliche Klientel wurden in Regensburg zwischen 1250 und 1350 deutschsprachige illustrierte Handschriften hergestellt, wie etwa der 1328 datierte "Welsche Gast" der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (Cod. poet. et philol. 2° 1). Der um 1280 entstandene hebräische Pentateuch im Jerusalem Museum (Ms. 180/52) zeugt von der Tätigkeit der Werkstätten für jüdische Bürger. Die Regensburger Buchmalerei strahlte auch auf die umliegenden Klöster aus.

Dem Trend zur Verpflichtung spezialisierter Fachkräfte schlossen sich auch Klöster außerhalb der Städte an. So wirkt für das schwäbische Zisterzienserkloster Kaisheim der Lohnschreiber Werner von Eichstätt, der ein 1300 datiertes Blatt der Staatlichen Graphischen Sammlung München (Inv. Nr. 40229 Z) signierte. Laut Klosterchronik war Peter von Ulm als Buchmaler für das Kloster tätig.

Stilbildend, nicht nur für den oberbayerischen Raum, war auch die Buchmalerei-Werkstatt, die für Kaiser Ludwig den Bayern (reg. 1314-1347) arbeitete. Für ein um 1330-1340 geschaffenes Schäftlarner Antiphonar (BSB Clm 17003) stiftete offenbar Ludwig selbst die Illumination der ersten beiden Blätter, auf welchen er sich als thronender Kaiser mit seiner Gemahlin Margarete (Ende 13. Jahrhundert-1356) darstellen ließ. Bereits hier spielt die Rezeption italienischer Kunst eine größere Rolle. Von einem die Buchmalerei Bolognas nachahmenden Bayern ist Cgm 1506 der BSB, eines von drei bekannten, in diesem Stil illuminierten Exemplaren des Oberbayerischen Landrechts.

Aus Passau hat sich aufgrund der wiederholten Stadtbrände wenig erhalten, doch zeugt der Rotulus eines zwischen 1333 und 1340 entstandenen Reliquienverzeichnisses (BSB Clm 30.035) davon, dass auch hier Bedeutendes geschaffen worden sein muss. Noch nicht genauer lokalisierbar, aber im Raum Passau entstanden, sind die deutschsprachigen Handschriften der Weltchronik des Rudolf von Ems (BSB Cgm 6406, um 1300) oder das Gebetbuch BSB Cgm 101 (um 1310).

In Nürnberg etablierte sich eine eigenständige Buchmalerei wohl bereits mit den um 1330/40 entstandenen Miniaturen in Msc.Hist.149 der Staatsbibliothek Bamberg, die sich eng an gleichzeitigen Kölner Erzeugnissen orientieren. Träger der Buchkultur scheinen hier neben Lohnschreibern vor allem die Nonnen des Klarissen- und, etwas später, des Katharinenklosters. Aufwändige Deckfarbenminiaturen wurden zunächst noch an Laienwerkstätten gegeben, wie etwa in dem vor 1387 von Adelheid von Streitberg (Äbtissin des Klarissenklosters) geschriebenen Magdalenenbuch Msc.Hist.159 der Staatsbibliothek Bamberg. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts entstanden bereits Hauptwerke der Nürnberger Buchmalerei wie das Leitbuch des Heiliggeistspitals (Stadtbibliothek Nürnberg Hs. 3.2°) und die Legende des hl. Johannes in der Forschungsbibliothek Gotha (Bibl. Membr. I, 68).

Das 15. Jahrhundert

Im 15. Jahrhundert blieb die Produktion von qualitätvollen illuminierten Codices fast gänzlich in Händen von Laienwerkstätten. Zwar bewirkten Klosterreformen wie etwa die Melker Reform die Wiedereinrichtung von Skriptorien zum Beispiel in Tegernsee, doch wurde mit Ausnahme von St. Ulrich und Afra in Augsburg nirgends höhere Qualität erreicht.

Stilprägende Zentren der Buchherstellung und Buchmalerei waren vor allem die Reichsstädte Regensburg, Nürnberg und Augsburg. Würzburg glänzte mit Cent III,34 der Stadtbibliothek Nürnberg, 1442 im Auftrag des Würzburger Kanonikers Ludwig Til (Kanoniker in Bamberg St. Jakob 1439, in Würzburg Stift Haug 1440) gefertigt, und mit Arundel Ms. 108 der British Library, einem von Bischof Gottfried von Limpurg (reg. 1443–1455) für den Würzburger Dom gestifteten Missale.

a) Altbayern

Höchste Qualität und die Kenntnis altniederländischer Malerei zeigt der Miniator, der vermutlich in München in den 1440er Jahren für Herzog Albrecht III. (reg. 1438-1460) die Miniaturen der "24 Alten", heute auf mehrere Bibliotheken weltweit verteilt, geschaffen hat. Bescheidener nimmt sich der ab den 1470er Jahren für den Münchner Hof geschaffene Buchschmuck aus. Ulrich Fütrers (ca. 1430-1496) "Bayerische Chronik" (BSB Cgm 43), in München zwischen 1478 und 1487 entstanden, zeigt neben einer reichen Wappentafel in Deckfarben relativ einfachen ornamentalen Initial- und Rankenschmuck, ebenso "Das Buch der Abenteuer" (BSB Cgm 1) aus dem Besitz Herzog Albrechts IV. (reg. 1465/67-1508). Das Exemplar der Wiener Nationalbibliothek Cod. 3037-3038, um 1490-1500 in Bayern entstanden, zeigt hingegen aufwändige, lebensnahe Federzeichnungsillustrationen. Das für Herzog Sigismund von Bayern-München (reg. 1460-1467) 1494 geschriebene, allerdings von Nürnberger Kräften ausgemalte Erbauungsbüchlein Cgm 134 hingegen ist reich und qualitätvoll mit Deckfarben illuminiert, ebenso die im Besitz des Wittelsbacher Ausgleichsfonds befindliche Genealogie des Hauses Bayern aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts, deren genaue Lokalisierung allerdings noch geklärt werden muss.

Auch in Freising bzw. Weihenstephan scheint man im 15. Jahrhundert wieder illuminiert zu haben. Zeugnisse dafür sind die Ausstattungen von Clm 6207 bzw. Clm 21597. Letztere Handschrift, ein 1462 im Auftrag des Abtes Johannes Geisenfelder (reg. 1448-1481) von Priester Laurentius geschriebenes Lektionar, enthält zusätzlich zum reichen Rankenschmuck acht hervorragende, allerdings einzeln eingehängte Miniaturen, die sich an Tafelmalerei in der Art der Wasserburger Katharinenlegende im Bayerischen Nationalmuseum orientieren.

Anspruchsvolle Federzeichnung wurde auch in Niederbayern gepflegt, wie die reich ausgestattete Biblia Pauperum zeigt, die 1462 für Lienhart Schmatz zu Weihmörting, Kastenpropst in Griesbach, angelegt wurde (Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Ms. EL.f.51b).

Ab den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts arbeitete die Werkstatt Sigmund Gleismüllers, Hofkünstler der reichen Herzöge in Landshut, auch an anspruchsvollen Miniaturmalereien, wie sie etwa im sechsbändigen Antiphonar (2° Cod. ms. 159 - 2° Cod. ms. 164) der Universitätsbibliothek München überliefert sind, das laut Eintrag 1487 unter dem Prior des Landshuter Dominikanerklosters Pater Johann Kaufman von Georg Dachauer geschrieben wurde. Regensburg übernahm bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wieder eine überregional bedeutende Stellung. Die Buchmalerei unterlag in großen Teilen böhmischem Einfluss; es lassen sich aber auch schlesische, holländische und italienische Maler nachweisen. Ab ca. 1415-1420 wurde die Wiener Hofkunst wichtigstes Vorbild und erneuerte die böhmisch geprägte Kunst des "schönen Stils" durch Aufgreifen italienischer und wohl auch westlicher Anregungen.

Aus der Werkstatt des in Wien ausgebildeten und in Regensburg wirkenden Meisters der Worcester-Kreuztragung im Art Institute in Chicago, der selbst Buchmaler war, gingen die zwei der drei Meister hervor, die für Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt (reg. 1413-1447) die Ottheinrich-Bibel illuminierten und eine breite Nachfolge hatten. Martinus Opifex (gest. 1456), unmittelbar aus den Werkstätten der Ottheinrich-Bibel hervorgegangen und eventuell sogar bereits an deren Ausstattung beteiligt, arbeitete später vorübergehend für Kaiser Friedrich III. (reg. 1440-1493) in Wien. Hauptwerk ist die noch in Regensburg entstandene Geschichte des Trojakrieges Cod. 2773 der Österreichischen Nationalbibliothek Wien, in welcher er seinen Namen nennt. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gab Regensburg seine führende Stellung als Handelsmacht an Wien, Passau und Nürnberg ab. Die einzige Werkstatt, die sich in Regensburg in dieser Zeit überregional behaupten konnte, war die Berthold Furtmeyrs (gest. 1501), der im Umkreis von Martinus Opifex gelernt hatte.

b) Nürnberg

In Nürnberg lässt sich im 15. Jahrhundert eine bedeutendere Anzahl von Miniatoren nachweisen, die meist unter böhmischem Einfluss standen und zum Teil wohl auch dort geschult wurden. Zu ihnen gehört der Miniator, der die Nachzeichnung des Bamberger Rationale in der Schlossbibliothek Pommersfelden, Hs. 373, und die Vorzeichnung des Chormantels der hl. Kunigunde im Bamberger Diözesanmuseum besorgte. Ihm ist auch die Psalterhandschrift Cent. III,14 der Stadtbibliothek Nürnberg, seiner Werkstatt das Speculum Sapientiae Ms. Egerton 1121 der British Library zuzuweisen. Eine zumindest temporäre Schulung in dieser Werkstatt zeigen die Miniaturen in den beiden Codices Clm 8201 und 8201d der BSB, die in den Jahren 1414/15 im Benediktinerkloster Metten in Niederbayern geschrieben und illuminiert wurden. Nahe steht das Einzelblatt in der Staatlichen Graphischen Sammlung München, Inv. Nr. 39836 Z, mit dem Marientod und dem Jüngsten Gericht, das ein Verbindungsglied zur Nürnberger Tafelmalerei darstellt.

Eine andere Gruppe von Miniatoren arbeitete im 1421 gestifteten Graduale von St. Lorenz (Nürnberg, Landeskirchliches Archiv, St. Lorenz Nr. 3) zusammen. Auch hier bestehen Beziehungen zur Tafelmalerei. In den 1440/50er Jahren dominierte die auch später - etwa in den Gradualen aus Altenhohenau - nachwirkende Werkstatt des Göttweiger Missale ecclesiae Bambergensis. Zu dieser Zeit arbeitete im Katharinenkloster die malende Nonne Barbara Gwichtmacherin (gest. 1491). 1476 sind die hervorragenden Miniaturen in Cgm 127 entstanden. Von exzeptioneller Qualität sind die in Drucken des Nürnberger Predigerklosters enthaltenen Miniaturen eines zwischen 1463 und 1479 nachweisbaren Buchmalers, der die Ausstattung von Inc.59.2° und Inc.70.2° der Nürnberger Stadtbibliothek ausführte. Nicht fern stehen diesem die Darstellung des hl. Dominikus auf Blatt 27r des 1480/81 datierten und von Anna Zinerin (Priorin von Altenhohenau 1484-1512) geschriebenen Graduale Altenhohenau Chorbuch Nr. 3 der Bibliothek des Metropolitankapitels der Erzdiözese München-Freising. Die partielle Illumination der bei Anton Koberger (gest. 1513) gedruckten Bücher ist weniger anspruchsvoll, wurde aber von einer zum Teil auch in Handschriften nachweisbaren Werkstatt ausgeführt.

Gegen 1500 ist ein neuer Aufschwung bemerkbar, der in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts hinausgriff und in den Arbeiten Jacob Elsners (gest. 1517) und der Glockendons gipfelte. Auch die Dürerwerkstatt bzw. Albrecht Dürer (1471-1528) selbst wandten sich bereits vor 1500 in Einzelfällen der Miniaturmalerei zu, wie das Blatt der Heiligen Familie im Rotterdamer Museum Bijmans van Beuningen zeigt.

c) Augsburg

In Konkurrenz zu Nürnberg setzte sich als Produktionsstätte von illuminierten Büchern im großen Stil die Reichsstadt Augsburg durch. Neben reich mit kolorierten Federzeichnungen illustrierten Handschriften, wie der bereits in den 1440er Jahren entstandenen Geschichte der Zerstörung Trojas (BSB Clm 61) oder den Chroniken der Brüder Georg (gest. 1501/02) und Hector Mülich (gest. 1489/90) in der Art von 2° Cod.Aug.72 der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, entstanden ab der Mitte des 15. Jahrhunderts auch reich mit Deckfarben illuminierte Handschriften. Die Anfänge dieser Entwicklung sind eng mit den Klöstern Tegernsee, Scheyern und St. Ulrich und Afra in Augsburg verknüpft, die sich alle der Melker Reform angeschlossen hatten und dieselben Augsburger Maler beschäftigten. Am Beginn stand der Augsburger Schreiber Heinrich Molitor (um 1420-1482/83), der zwischen 1448 und 1451 für und in Tegernsee zwei illuminierte Bände der Vita Christi (BSB Clm 18075 und Clm 18076) schrieb und auch weiterhin für dieses Kloster und Scheyern tätig war. Sehr wahrscheinlich wurden die Bücher auch von ihm ausgemalt, ja vermutlich hat Molitor in den beiden Klöstern auch Mönche ausgebildet, die mit ihm zusammenarbeiteten und später auch selbständig tätig waren. Zu ihnen zählte Antonius Pelchinger (gest. 1465), der von 1442 bis 1465 Angehöriger des Klosters war und z. B. Cod. 2656 der Österreichischen Nationalbibliothek Wien ausgemalt hat. In St. Ulrich und Afra zu Augsburg gelang es unter Melchior von Stammheim (Abt 1458-1474) – er hatte zuvor seine Profess in Melk abgelegt –, eigene Kräfte im Kloster zu rekrutieren. Heinrich Pittinger (gest. 1483) etwa war Goldschmied, Illuminator und Schreiber, und auch der Mitbruder Johannes Franck (gest. 1472) ist als Illuminist dokumentiert, der unter anderem Chorbücher wie das 1459 datierte Antiphonar Clm 4302, aber auch Cent I,65 des Nürnberger Egidienklosters ausgemalt hatte. Mit Conrad Wagner (gest. 1496) hatte Franck einen Nachfolger, der in DM I 11 des Diözesanmuseums Augsburg, einem Graduale für St. Ulrich und Afra, sein Monogramm und die Jahreszahl 1490 anbrachte.

Den Höhepunkt erreichte die Augsburger Buchmalerei mit zwei Laienwerkstätten. Johannes Bämler (gest. 1504) - Schreiber, Illuminator und Buchdrucker - entwickelte bis 1465 ein Motivrepertoire, das durch verschiedene Werkstatt-Filiationen die Buchmalerei großer Teile Süddeutschlands und Österreichs prägte. Auf einem Doppel-Blatt mit der Kreuzigung Christi und der Befreiung eines Gefangenen durch den hl. Leonhard in der Pierpont-Morgan-Library (Morgan 45) nennt er seinen Namen und das Datum 1457. In seinen frühen Jahren auch an der Ausstattung der Londoner Haggadah (London, British Library Add. Ms. 14762) beteiligt, spezialisierte er sich später auf die massenhafte Herstellung von reich mit Miniaturen ausgestatteten Missalien, die überregional vertrieben wurden, und unterhielt zu diesem Zweck eine größere Werkstatt. Ein schönes Beispiel dieser Erzeugnisse stellt M III 12 der Handschriftensammlung der Universitätsbibliothek Salzburg dar. Neben Handschriften wurden auch Drucke illuminiert, wie z. B. Rar. 288 der BSB. Ab 1472 war er selbst als Drucker tätig.

An Bämler knüpfte nach dessen Tod der Buchmaler Georg Beck (gest. 1512) an, dessen erstes signiertes Werk das 1495 datierte, zweibändige Prachtpsalterium für St. Ulrich und Afra in der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek, Cod. 49a, darstellte. Er übernahm von Bämler nicht nur das ausgereifte Werkstatt-Konzept und den Stil, sondern auch dessen Auftraggeber außerhalb des Augsburger Bereichs. Mit seinem Sohn führte er die große Werkstatt über die Jahrhundertwende hinaus. Zusammen mit Ulrich Taler (erw. 1513-1514) illuminerte diese die reiche Ausstattung der auf 1495 datierten fünf Bände (von ehemals zwölf) des Graduale und Antiphonars für das Münchner Angerkloster, von welchen sich Teile unter anderem in der Bayerischen Staatsbibliothek und der Staatlichen Graphischen Sammlung München befinden.

Augsburg lieferte - wie Nürnberg - auch nach dem Ende der Blütezeit der Buchmalerei in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts mit den Werken von Nikolaus Bertschi (um 1480/90-1541/42) und Jörg Gutknecht (geb. um 1482) Handschriften und Miniaturen für höchste Ansprüche.

Forschungsstand

Einen ersten größeren Überblick über das 15. Jahrhundert gab bereits 1895 Berthold Riehl (1858-1911). Die Kataloge von Elisabeth Klemm und Béatrice Hernad zu den Handschriften in der Bayerischen Staatsbibliothek geben bisher die einzige umfassende detaillierte Übersicht zur spätmittelalterlichen Buchmalerei in Bayern bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, während Ulrich Merkls Untersuchung die Buchmalerei der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts detailliert vorstellt. Für die Zeit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und das 15. Jahrhundert gibt es eine zunehmende Fülle von Einzelstudien. Bestens aufgearbeitet ist etwa durch Robert Suckale (geb. 1943) die Buchmalerei für Ludwig den Bayern, ebenso die Regensburger Buchmalerei. In Augsburg ist es das 15. Jahrhundert, das sehr gut erforscht ist. Und auch die Nürnberger Miniaturen fanden seit Eberhard Lutzes (1908-1974) Arbeiten von 1930/31 immer wieder Beachtung in der Kunstforschung. Erst seit jüngster Zeit steht hier vor allem das 15. Jahrhundert im Fokus der Wissenschaft.

Literatur

  • Christine Beier, Missalien massenhaft. Die Bämler-Werkstatt und die Augsburger Buchmalerei im 15. Jahrhundert, in: Codices Manuscripti 48/49 (2004), 55-72.
  • Helmut Engelhart, Die Würzburger Buchmalerei im hohen Mittelalter. Untersuchungen zu einer Gruppe illuminierter Handschriften aus der Werkstatt der Würzburger Dominikanerbibel von 1246 (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg XXXIV), Würzburg 1987.
  • Thomas Eser (Hg.), Heilige und Hasen. Bücherschätze der Dürerzeit. Ausstellungskatalog Germanisches Nationalmuseum Nürnberg 10. Juli bis 12. Oktober 2008 (mit Beiträgen von Thomas Eser, Katharina Georgi, Anja Grebe, G. Ulrich Großmann, Christine Sauer) (Ausstellungskataloge des Germanischen Nationalmuseums), Nürnberg 2008.
  • Jeffrey Hamburger/Robert Suckale, Der Buchschmuck und die daran beteiligten Künstler, in: Die Ottheinrich-Bibel. Kommentar zur Faksimile-Ausgabe der Handschrift Cgm 8010/1.2 der Bayerischen Staatsbibliothek München, Luzern 2002, 139-147.
  • Randall Herz, Buchmalerei in der Offizin Anton Kobergers (ca. 1472-1504), in: Dürer-Forschungen. 2. Band: Buchmalerei der Dürerzeit. Dürer und die Mathematik. Neues aus der Dürerforschung. Nürnberg 2009, 39-64.
  • Franz Jacobi, Studien zur Geschichte der bayerischen Miniatur des XIV. Jahrhunderts (Studien zur Kunstgeschichte 102), Straßburg 1908.
  • Eberhard Lutze, Die Buchmalerei, in: Nürnberger Malerei 1350-1450, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums (1930/31), Nürnberg 1932, 7-21.
  • Ulrich Merkl, Buchmalerei in Bayern in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Spätblüte und Endzeit einer Gattung, Regensburg 1999.
  • Florentine Mütherich (Hg.), Regensburger Buchmalerei. Von frühkarolingischer Zeit bis zum Ausgang des Mittelalters. Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek München und der Museen der Stadt Regensburg (Bayerische Staatsbibliothek. Ausstellungskataloge 39), München 1987. (mit zwei wichtigen Beiträgen von Robert Suckale zur Regensburger Buchmalerei)
  • Karl-Georg Pfändtner, Das Missale ecclesiae Bambergensis der Stiftsbibliothek Göttweig und die Nürnberger Miniaturmalerei der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Codices Manuscripti 48/49 (2004), 43-54.
  • Karl-Georg Pfändtner, Ein Buchmaler für Anton Koberger? Gutenberg Jahrbuch (2009), 253-270.
  • Karl-Georg Pfändtner, Ergänzende Anmerkungen zur Nürnberger Handschriftenproduktion der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Codices Manuscripti 71/72 (2009), 59-72.
  • Karl-Georg Pfändtner, Masse exklusiv - Funktion und Gebrauch illuminierter Inkunabeln und Drucke des deutschsprachigen Raums im 15. und 16. Jahrhundert. Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte (2009), 219-238.
  • Berthold Riehl, Studien zur Geschichte der bayerischen Malerei des 15. Jahrhunderts, München 1895.
  • Christine Sauer, Vor den Glockendons. Nürnberger Buchmalerei aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in der Inkunabelsammlung der Stadtbibliothek Nürnberg, in: Dürer-Forschungen. 2. Band: Buchmalerei der Dürerzeit. Dürer und die Mathematik. Neues aus der Dürerforschung. Nürnberg 2009, 11-38.
  • Christine Sauer, Zwischen Kloster und Welt. Illuminierte Handschriften aus dem Dominikanerinnenkonvent St. Katharina in Nürnberg, in: Jeffrey F. Hamburger u. a. (Hg.), Frauen - Kloster - Kunst : neue Forschungen zur Kulturgeschichte des Mittelalters: Beiträge zum Internationalen Kolloquium vom 13. bis 16. Mai 2005 anlässlich der Ausstellung "Krone und Schleier", Turnhout 2007, 113-129.
  • Björn Statnik, Sigmund Gleismüller. Hofkünstler der Reichen Herzöge zu Landshut (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte, 69), Petersberg 2009.
  • Erich Steingräber, Die kirchliche Buchmalerei Augsburgs um 1500 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 8), Augsburg 1956.
  • Robert Suckale, Die Hofkunst Kaiser Ludwigs des Bayern, München 1993.
  • Robert Suckale, Untersuchungen zu den Mettener Handschriften (clm 8201 und clm 8201 d). Habilitationsschrift München 1975.
  • Gude Suckale-Redlefsen/Robert Suckale (Hg.), Guido de Columnis. Der Trojanische Krieg. Codex 2773 der Österreichischen Nationalbibliothek. Kommentarband, Gütersloh 2008. (u. a. Beiträge zum Buchmaler Martinus opifex)

Quellen

  • Béatrice Hernad, Die gotischen Handschriften deutscher Herkunft in der Bayerischen Staatsbibliothek. 1. Band: Vom späten 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Katalog der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek in München 5,1), Wiesbaden 2000.
  • Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters. Begonnen von Hella Frühmorgen-Voss (+), fortgeführt von Norbert H. Ott zusammen mit Ulrike Bodemann (Veröffentlichungen der Kommission für Deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften), München 1991 ff.
  • Elisabeth Klemm, Die illuminierten Handschriften des 13. Jahrhunderts deutscher Herkunft in der Bayerischen Staatsbibliothek (Katalog der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek in München 4), Wiesbaden 1998.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Illuminierte Handschriften

Empfohlene Zitierweise

Karl-Georg Pfändtner, Buchmalerei (Spätmittelalter), publiziert am 05.05.2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Buchmalerei_(Spätmittelalter) (19.03.2024)