Holzschnitt (15./16. Jahrhundert)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Die in Ostasien entwickelte Holzschnitt-Technik wurde um 1420 nach Europa importiert. Parallel zur wachsenden Handschriftenproduktion erfuhren Holzschnitte im Laufe des 15. Jahrhunderts starke Verbreitung, vor allem als Einblattdrucke, seltener als sog. Blockbücher. Erstmals 1461 in Bamberg wurden Holzschnitte als Illustrationen in gedruckte Bücher integriert. Im späten 15. Jahrhundert erschienen insbesondere in Nürnberg, Augsburg und Ulm zahlreiche mit Holzschnitten illustrierte Bücher. Holzschnitte mit deutlichem künstlerischen Anspruch, wie die von Albrecht Dürer (1471-1528) und Lucas Cranach (1472-1553) oder die 1512-1515 hergestellte Ehrenpforte Kaiser Maximilians (reg. 1486-1519), entstanden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Seit ca. 1570 wurde der Holzschnitt durch den Kupferstich verdrängt. Vor allem seit der Jahrtausendwende hat sich die Sichtweise auf die Entwicklung des Holzschnitts grundlegend verändert, was bei der Rezeption älterer Literatur unbedingt zu berücksichtigen ist.
Definition
Der Holzschnitt ist eine graphische Hochdrucktechnik. Auf einer vorzugsweise aus Birnbaumholz bestehenden Platte, die parallel zur Faser zugesägt wurde, werden alle nicht zum Bildmotiv gehörenden Elemente mit Schneidewerkzeugen entfernt. Das erhöht stehende, seitenverkehrte Bildmotiv lässt sich mit Farbe einfärben und mittels Druck auf einen Bedruckstoff, meist Papier, übertragen. Der Druck wurde anfänglich durch Abreiben oder Stempeln erzeugt, später nahm man die Buchdruckpresse zu Hilfe.
Das Besondere des Holzschnitts im Vergleich zu anderer Kunst zu Beginn des 15. Jahrhunderts ist der mediale Aspekt – die Möglichkeit der Vervielfältigung und damit der schnellen und weiten Verbreitung (Schmidt 2005).
Differenziert wird zwischen Holzschnitten für Einblattdrucke und für die Buchillustration. Eine Illustrierung im Holzschnitt bot sich an, da auch der für den Text genutzte Bleisatz eine Hochdrucktechnik ist und daher eine gleichzeitige Verwendung in der Buchdruckpresse erlaubt. Eine kurzzeitige Sonderform stellte das Blockbuch dar, bei dem das gesamte Buch inklusive des Textes von Holztafeln gedruckt wurde. Die Anfänge sind umstritten; aufgrund von Papieranalysen kann keines der erhaltenen Blockbücher vor 1450 datiert werden (Stevenson 1991). Der Holzschnitt wurde auch für die Herstellung von Spielkarten genutzt, die sich archivalisch 1430 und materiell ab 1440 belegen lassen. Zu nennen ist auch der Zeugdruck, also die Bedruckung von Stoff, dessen Beginn man in Europa in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts vermutet (Field 2005).
Bei der Betrachtung eines Holzschnitts muss man sich bewusst sein, es mit der Reproduktion einer Vorlage zu tun zu haben: Der Entwurf war erst auf den Druckstock zu übertragen und erhielt durch den Schnitt eine weitere Bearbeitung. Das letztlich zu betrachtende Motiv entsteht jedoch erst durch den Farbabdruck des Holzstocks auf Papier. Das ursprüngliche Motiv unterliegt daher einer mehrfachen Transformation.
Anfänge des Holzschnitts in Europa
Der Grund für die Einführung des in Ostasien erfundenen Holzschnittes in Europa ist nach derzeitiger Forschungslage unklar. Alle bisherigen Erklärungsversuche, um 1400 hätten das Aufkommen von Papier, die Herstellung von Spielkarten und eine aufkommende Frömmigkeit verbunden mit einer Individualisierung des religiösen Verhaltens den Holzschnitt hervorgebracht, lassen sich nach neuerer Forschung komplett widerlegen. Demnach zeichnet sich als Beginn die Zeit nach 1420 ab, da nun die zuvor eingeleiteten Klosterreformen griffen, die sich auch in einem sprunghaften Anstieg der Handschriftenproduktion bemerkbar machen. Ebenso lässt sich das Stereotyp, der Holzschnitt mit seiner einfachen Form wäre für das "einfache Volk" bestimmt, nicht halten. Alle überlieferten Informationen zu Benutzern und Funktionskontexten stammen nicht aus den unteren sozialen Schichten (Schmidt 2005).
Für die ersten Jahre lassen sich nur wenige Holzschnitte zuordnen. Hilfsmittel ist hier die Papieranalyse. So kann beispielsweise das Papier des Holzschnitts "Die Marter des Heiligen Sebastian" (Staatliche Graphische Sammlung München, Inv. Nr. 171 505), für den Zeitraum 1406-1412 belegt werden. Der in einer 1410 datierten Handschrift des Klosters St. Zeno in Reichenhall bei Salzburg eingeklebte Holzschnitt wird um 1410-1420 datiert (Anfänge 2005, Nr. 26). Der Holzschnitt "Tod der Maria" ist auf 1422 in Ansbach nachgewiesenem Papier Nürnberger Provenienz gedruckt worden und wird "vor 1422?" datiert (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Inv. Nr. H2; Anfänge 2005, Nr. 84). Weitere Holzschnitte ohne entsprechende Belege werden stilkritisch dieser Periode zugeordnet. Aber auch datierte Stöcke sind stilkritisch zu hinterfragen. So zeigt der aufgrund der mitabgedruckten Jahreszahl 1423 berühmte "Hl. Christophorus" aus dem Kloster Buxheim nahe dem schwäbischen Memmingen (Lkr. Unterallgäu) Formenmerkmale (etwa die je nach umrissener Objektform unterschiedlichen Linienstärken, die Feinheit des Gewandaufbaus und die detaillierten Gesichtszüge), die erst bei um 1450 datierbaren Holzschnitten realisiert sind (Schmidt 2005, Nr. 35).
Erhalten haben sich die meisten Einblattdrucke, weil sie in Bücher eingeklebt wurden. Bei diesen Büchern lässt sich häufig noch die Provenienz feststellen, die insbesondere in den oberdeutschen Raum weist. Doch wurde durch die Sammelpraxis des 19. Jahrhunderts vielfach der Fundzusammenhang zerstört. Die ältesten bekannten europäischen Holzschnitte weist man dem damaligen deutschsprachigen Südosten zu (Schmidt 2005, Field 2005).
Konsolidierung des Holzschnitts
Mit dem massiven Anstieg der Handschriftenproduktion ab 1440 nahm auch die Produktion von Holzschnitten stark zu. Den größten Anteil hieran hat der "Gulden puchlein-Typus". Hierbei handelt es sich um einen umfangreichen kleinformatigen Holzschnittzyklus des Lebens und Leidens Christi, der in Handschriften eingeklebt wurde (Schmidt 2005). Durch die konsequente Reduktion und Standardisierung von Ikonographie und Komposition ließ sich dieser Zyklus vielfach einsetzen, neben der Vita Christi und Passionstraktaten auch für das Marienleben und verschiedene Gebetszyklen. Beispiel hierfür ist eine von dem Nürnberger Dominikaner Conrad Forster (gest. ca. 1460) geschriebene, als "Gulden puchlein" bezeichnete Handschrift mit dem Text eines Marienlebens, in die 1450 49 Holzschnitte dieses Typus eingeklebt wurden und die wohl für die Schwestern seines Ordens vorgesehen war (Bayerische Staatsbibliothek München, Dauerleihgabe der Staatlichen Graphischen Sammlung München; Schmidt 2005).
Anfänge der Buchillustration
Mit Aufkommen des Typendrucks Mitte des 15. Jahrhunderts bot sich der Holzschnitt aus den oben genannten Gründen als Illustrationstechnik an. Im Gegensatz zu den Problemen der Einblattdrucke sind die als Buchillustration verwendeten Holzschnitte fest integrierte Elemente des gedruckten Buches; damit ist ihre "Überlebenschance" ungleich größer. Ott (1995, 1999) spricht bei den Holzschnitten von "Imitationen von Federzeichnungen". Diese waren in Handschriften des 15. Jahrhunderts allgegenwärtig und damit stilistisches Vorbild für den Buchholzschnitt.
Tatsächlich wurde nur wenige Jahre nach Erfindung des Typendrucks im fränkischen Bamberg erstmals ein gedrucktes Buch mit Holzschnitten versehen: Ulrich Boners (gest. 1340) "Edelstein" (GW 4839). Albrecht Pfister (gest. 1466) hatte es am 14. Februar 1461 fertiggestellt, wobei er den Typensatz und die Holzschnitte noch nacheinander und nicht gleichzeitig druckte, was wohl mit Problemen bei der Farbannahme der unterschiedlichen Druckmaterialien zusammenhing.
Ausbreitung der Buchillustration im oberdeutschen Raum
Es vergingen allerdings weitere zehn Jahre, bis sich der Holzschnitt als Buchillustration zu verbreiten und durchzusetzen begann. Für die Ausbreitung in den 1470er Jahren waren vor allem die schwäbischen Metropolen Ulm und Augsburg entscheidend, wo die Buchdrucker den Holzschnitt für die Buchillustration perfektionierten und zu einer rationalisierteren Formensprache gelangten. Erst jetzt ist auch eine Differenzierung des thematischen Spektrums zu beobachten. So finden sich komplexe Text-Bild-Kombinationen oder didaktische Diagramme (Schmidt 2005).
1471 lassen sich Buchholzschnitte erstmals in Augsburg bei Günther Zainer (gest. 1478) belegen, der sie im Winterteil der deutschen Ausgabe der "Legenda aurea sanctorum" des Jacobus de Voragine (wohl gest. 1298) einsetzte (1472 folgte der Sommerteil; HC*9968). Im Winterteil sind 131 Abbildungen enthalten, wobei nur vier Holzstöcke mehrfach verwendet wurden. Sechs der Stöcke setzte Zainer dann auch für die 127 Illustrationen des Sommerteils ein und wiederholte diesmal 24 Stöcke (Ott 1999).
Im schwäbischen Ulm können Buchholzschnitte erstmals 1473 bei Johann Zainer (gest. um 1523) in Giovanni Boccaccios (1313-1375) "De claris mulieribus" nachgewiesen werden (GW 4483).
Nachdem 1461 bereits in Bamberg Holzschnitte für die Buchillustration verwendet worden waren (s. o.), nutzte sie Friedrich Creussner (gest. 1496) in der fränkischen Reichsstadt Nürnberg erst 1472/1473 in "Super arboribus consanguinitatis et affinitatis" von Johannes Andreae (gest. 1348; GW1676).
Altbayern folgte beim illustrierten gedruckten Buch deutlich später als die anderen Landesteile. Die ersten Holzschnitte finden sich hier um 1481/1482 in Passau in einem "Almanach für 1482" (GW1360), gedruckt bei Benedictus Mayr (belegt 1480-1482).
Konsolidierung der Buchillustration
Als Hochburgen des mit Holzschnitten illustrierten gedruckten Buchs kristallisierten sich im späteren 15. Jahrhundert Ulm, Nürnberg und vor allem Augsburg heraus. Bei der bildlichen Ausstattung ihrer Werke konnten die Augsburger Drucker auf eine reiche, in der Augsburger Buchmalerei entwickelte ikonographische Tradition zurückgreifen. So folgt Johann Bämler (gest. nach 1507) 1473 in der bildlichen Ausstattung seiner Ausgabe von Johannes Hartliebs (gest. 1468) Darstellung der "Geschichte von Alexander dem Großen" (GW 884) handschriftlichen lokalen Vorbildern, wobei alle weiteren Drucke wiederum diesen Schnitten folgen (Ott 1995). Andererseits verwendete Bämler auch Motive bekannter Holzschnitte: So nahm er sich für die zweibändige Ausgabe "Der Heiligen Leben" von 1475 (H*9970) die oben genannte "Legenda aurea sanctorum" von Günther Zainer zum Vorbild. Bämlers Stöcke finden sich wiederum 1478 in dem von Anton Sorg (gest. 1493) gedruckten "Heiligenleben" wieder (H*9972; Ott 1999).
In Ulm ist insbesondere der von Heinrich Steinhöwel (1411-1479) bearbeitete "Aesop" hervorzuheben, der 1476/1477 bei Johann Zainer gedruckt wurde (GW 351) und 130 Nachdrucke bis 1500 erlebte (Geck 1982). Eine weitere Besonderheit in Ulm ist die 1482 fertiggestellte "Cosmographie" des Ptolemaeus (um 100-160; HC 13539*). Dies ist die erste Ausgabe in Deutschland; sie wurde von dem Drucker Lienhart Holle (belegt 1482-1492) mit 32 Holzschnitt-Karten versehen. Die Weltkarte hebt erstmals die Anonymität der Formschneider auf, da sich hier ein "Johann Schnitzer von Armsheim" nennt (Geck 1982).
In Nürnberg zeichnen sich weitere Entwicklungen des Buchholzschnittes ab. Zunächst wurden auch hier, wie an anderen Orten, ganze Bilderfolgen aus den Handschriften bis ins Detail für den Holzschnitt kopiert und dabei auch die übliche Kolorierung der Federzeichnungen in Handschriften für die Holzschnitte der Drucke übernommen (Ott 1999). Die Bildkomposition ist in der Regel auf das notwendige, durch kräftige Umrisslinien markierte Handlungspersonal beschränkt. Erst die nachträgliche Kolorierung von Hand organisierte die Komposition (Ott 1999). Die "Heiligenleben"-Ausgabe von Johann Sensenschmidt (ca. 1420-1491) von 1475 (H*9969) zeigt jedoch - im Gegensatz zu der Bämlers in Augsburg desselben Jahres (H*9970) - bereits eine stärkere Strukturierung des Motivs durch die Verwendung von Schraffuren. Diese wurden in der Nürnberger Ausgabe von Anton Koberger (um 1440-1513) von 1488 (H 9981*; C 6505) noch intensiviert und erforderten eine sehr subtile nachträgliche Kolorierung (Ott 1999). Genau diese versuchte Erhardt Ratdolt (1447-1527/1528) in Augsburg durch die Verwendung des Mehrfarbendrucks zu umgehen. 1485 lässt sich im "Breviarium Augustense" erstmalig der Mehrfarbendruck in der Buchillustration belegen (GW 5265). Der hohe Druckaufwand bot sich bei den liturgischen Drucken mit ihren wenigen Holzschnitten an. 1496 findet sich diese Technik letztmalig im "Missale Augustense" angewendet (H 11261; Reske 2003).
Entwicklungen um 1500
Hatte der Holzschnitt zunächst nur den Zweck, die Inhalte verständlicher zu machen, erhielt nun der künstlerische Aspekt mit namentlich bekannten Künstlern zunehmende Bedeutung: Die Künstler treten aus ihrer Anonymität, wie in der 1493 bei Koberger in Nürnberg gedruckten Schedelschen Weltchronik, deren Kolophonen die Künstler zu entnehmen sind, die für die über 1.800 Abbildungen der am reichhaltigsten illustrierten Inkunabel (lateinische und deutsche Ausgabe) verantwortlich zeichnen: die Nürnberger Maler Michael Wolgemut (gest. 1519) und Wilhelm Pleydenwurff (gest. 1494).
Den Höhepunkt erreichte der Holzschnitt im 15. Jahrhundert mit den zwölf ganzseitigen Holzschnitten zur "Apokalypse", die der Nürnberger Künstler Albrecht Dürer (1471-1528) 1498 herausbrachte. Dürer zeigt hier eine bis dahin unbekannte Virtuosität der Linienführung, die jegliche nachträgliche Kolorierung obsolet machte. Im weiteren Verlauf setzte sich die Strukturierung des Bildganzen mittels Schraffuren durch, wie dies die Augsburger Ausgabe des "Heiligenleben" von Johann Otmar (gest. 1516) 1513 in Perfektion zeigt (VD16 H1475/76; Ott 1999).
Der Holzschnitt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
Der frühere enge Text-Bild-Bezug weichte zunehmend auf. Es wurde variiert, kopiert, wiederholt, und es wurden Holzstöcke weitergereicht (Ott 1999). Das Titelblatt mit ornamentaler Rahmung setzte sich durch (Kunze 1993). Immer mehr große Künstler bemühten sich um den Holzschnitt und das Buch.
Von Dürer stammen etwa die Vorzeichnungen zu den zwei Widmungsblättern der "Sechs Komödien" der Roswitha von Gandersheim (gest. nach 973), die als Teil der "Opera" (VD16 H5278, ZV22183) 1501 von dem Humanisten Conrad Celtis (1459-1508) herausgegeben und in der Druckerei Sodalitas Celtica in Nürnberg gedruckt wurden. Weitere sechs große Holzschnitte, mit denen die Geschichten der Komödien beginnen, stammen von den Nürnberger Künstlern Wolf Traut (gest. 1520) und Hans von Kulmbach (gest. 1522; Geck 1982). Mit einem Umfang von 600 Blatt und etwa 1.600 Holzschnitten stellt "Der beschlossen gart des rosenkrantz marie" (VD16 P2806) des Nürnberger Arztes Ulrich Pinder (gest. 1518/1519) ein Großprojekt dar. Es wurde 1505 von Friedrich Peypus (gest. 1535) auf Pinders Privatpresse in Nürnberg gedruckt. Die Holzschnitte stammen vor allem von dem Augsburger Künstler Hans Schäufelein (um 1480/85-um 1539), beteiligt waren aber wohl auch Traut und von Kulmbach sowie mit Hans Baldung Grien (1484/1485-1545) ein weiterer Augsburger Künstler (Kunze 1993).
Welche künstlerische Bedeutung dem Holzschnitt Anfang des 16. Jahrhunderts zukam, zeigen die ambitionierten Projekte von Kaiser Maximilian I. (reg. 1486-1519), für die er die namhaftesten Künstler der Zeit beschäftigte. Bei der zwischen 1512-1515 entstandenen, fast 3,5 m hohen "Ehrenpforte", deren Planung auf seinen Hofmaler Jörg Kölderer (gest. 1540) und seinen Hofhistoriographen Johannes Stabius (gest. 1522) zurückgingen, wurden die Triumphbögen der römischen Kaiserzeit zitiert. Die Entwürfe der 192 von dem Nürnberger Formschneider und Drucker Hieronymus Andreae (gest. 1556) geschnittenen Holzstöcke stammen von Dürer, dem Regensburger Albrecht Altdorfer (gest. 1538) und den Nürnbergern Traut und Hans Springinklee (gest. 1540; Lexikon der Kunst 1991; Kunze 1993). Von 1512 bzw. 1516-1518 dauerten die Arbeiten zum 54 m langen "Triumphzug", dessen Planung ebenfalls bei Kölderer und Stabius lag. Die Hälfte der 136 Stöcke wurde von dem Augsburger Hans Burgkmaier d. Ä. (1473-1531) entworfen, der Rest von Altdorfer, dem Augsburger Leonhard Beck (um 1480-1542), dem seit 1515 in Passau tätigen Wolf Huber (um 1480-1553) sowie Schäufelein und Springinklee. Der Druck erfolgte erst 1526, sieben Jahre nach dem Tod des Kaisers, mit einem Triumphwagen von Dürer, der den eigentlich vorgesehenen, sog. großen Triumphwagen bereits 1522 selbständig veröffentlicht hatte (Lexikon der Kunst 1991). Bei seinem Hofbuchdrucker Hans Schönsperger in Augsburg ließ Maximilian 1517 seinen Versepos "Theuerdank" drucken (VD16 M1649, ZV22337, ZV17067, 2. Ausgabe 1519: M1650, M1651). Die 118 von den Formschneidern Jost de Negker (gest. um 1544) und Heinrich Kupferwurm geschnittenen Holzschnitte stammen vor allem von Beck, 13 von Burgkmaier und 20 von Schäufelein (Geck 1982; Kunze 1993). Mit diesen Holzschnitten löst sich der Buchholzschnitt endgültig aus seiner dienenden Funktion und wird zur autonomen graphischen Gattung (Ott 1999).
In Augsburg kann noch ein weiterer bedeutender Künstler für den Buchholzschnitt gefasst werden: der sog. Petrarcameister. Er war von 1518-1522 für die Offizin von Sigmund Grimm (um 1480-um 1530) und Marx Wirsung (gest. wohl 1521) tätig und schuf unter anderem die bemerkenswerten, äußerst malerisch wirkenden Holzschnitte zu Francesco Petrarcas (1304-1374) "Arznei beider Glück". Gedruckt wurden sie erst 1532 von Heinrich Steiner (gest. 1548), der die Stöcke aufgekauft hatte (VD16 P1725; Ott 1999, Geck 1982). Bei Steiner finden sich aber noch ältere Stöcke wiederverwendet: So nutzte er für seine Ausgabe des "Heldenbuchs" von 1545 (VD16 H1567) 168 der ursprünglich 229 von Schönsperger 1491 erstmals eingesetzten Holzstöcke, die ihrerseits ihre Vorbilder in einer Ausgabe des Straßburger Druckers Johann Prüß d. Ä. (gest. 1510) aus dem Jahr 1479 fanden (Ott 1999).
Im Zuge der Reformation wurde der Holzschnitt auch propagandistisch eingesetzt, vor allem in Flugblättern. Zentrum war Wittenberg, wo der aus dem oberfränkischen Kronach stammende Künstler Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553) mit seiner Werkstatt sehr erfolgreich tätig war. Kaum ein Buch erschien hier ohne Illustrierung (Geck 1982). Nürnberg konnte seine Stellung in der Kunst behaupten. So sind die Arbeiten für den Holzschnitt der Nürnberger Künstler Georg Pencz (gest. 1550), Peter Flötner (gest. 1546) sowie Sebald (1500-1550) und Barthel Beham (1502-1540) nach wie vor herausragend. Dies zeigt "Das Kunst und Lehrbuchlein Sebalden Behams, malen vnd Reissen zu lernen, nach rechter proporcion, mass und austheilung des circkels, angehenden Malern vnd kunstbaren werckleuten dienlich", das 1546 in Frankfurt am Main erschien (VD16 B1476) und bis 1605 acht Auflagen erlebte (Kunze 1993).
Der Holzschnitt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
Nach der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde im Zuge der Gegenreformation das zuvor nur vereinzelnd auftretende Gnadenbild als Wallfahrtsmotiv Hauptgegenstand der Druckgraphik (Schmidt 2005). Die Neigung zum Dekorativen und zum Beiwerk trat verstärkt auf; die Motive zeigten nun Lebenslust und Freude (Kunze 1993). Doch zeichnete sich bereits eine Verflachung des Holzschnitts ab. Nur noch wenige Künstler ragten heraus, wie der Nürnberger Virgil Solis (gest. 1562). Er gehörte zu den sog. Kleinmeistern, die sich auf kleinformatige Illustrationen spezialisierten (Kunze 1993). Von ihm stammen die Holzschnitte der 1560 in Frankfurt gedruckten "Biblischen Figuren des Alten und Neuen Testaments" (VD16 S6973). Seine Werkstatt führte Jost Amman (1539-1591) fort, der unter anderem die Holzschnitte der Karte von Bayern schuf, bei denen er sich 1567 an den Aufzeichnungen des Mathematikers, Geographen und Druckers Philipp Apianus (1531-1589) orientierte, der sie 1568 in Ingolstadt als "Bairische Landtaflen. XXIII." druckte (VD16 A3114, ZV662; 1569 ZV663). Die insbesondere bei Amman zu findenden, überladenen Titelblattgestaltungen sind typisch für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts, doch werden diese ab etwa 1570 zunehmend durch den Kupferstich realisiert (Kunze 1993). Die Ablösung des Holzschnitts durch den Kupferstich als primäres graphisches Verfahren hatte begonnen.
Forschungslage
In der wissenschaftlichen Betrachtung der Frühzeit des Holzschnittes hat sich in den letzten Jahren ein Wandel vollzogen. Im Bewusstsein, dass Kopieren innerhalb des Genres Holzschnitt völlig gängig war und durch die Vervielfältigung ein Motiv schnell und weit verbreitet werden konnte, lässt sich eine kunsthistorische Kategorie wie "Lokalstil" - also Elemente einer Formensprache, die man regional zuordnen zu können glaubt - nicht wissenschaftlich fundiert anwenden (Schmidt 2005). Das bedeutet, dass die umfängliche lokale Zuordnung von Holzschnitten durch die Stilkritik, wie sie die bis in die Gegenwart rezipierte Fachliteratur vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts vorgenommen hat, in Frage zu stellen ist.
Die Datierbarkeit von frühen Holzschnitten ist ebenfalls problematisch, da Kompositionen über längere Zeit tradiert wurden. So ergab beispielsweise eine Papieranalyse des bisher aus stilistischen Gründen in die Zeit zwischen 1420 und 1430 datierten sog. Tegernseer Kruzifix, dass das Papier aus dem Jahre 1486/87 stammt. Hier wurde anscheinend in den 1480er Jahren ein altes Motiv kopiert (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Inv. Nr. H5583; Schmidt 2005; Anfänge 2005, Nr. 38).
Über den Berufsstand der ersten Formschneider oder eine mögliche Arbeitsteilung zwischen Entwerfer und Formschneider ist nichts bekannt. Ende des 15. Jahrhunderts berichten archivalische Quellen über die Arbeitsteilung bei der Herstellung von Holzschnitten in Nürnberg. Einer Kostenaufstellung des Jahres 1497 ist zu entnehmen, dass ein Maler den Entwurf erstellte, den ein Reißer auf den Stock übertrug, den wiederum ein Formschneider bearbeitete. Dabei erhielt der Reißer dreimal mehr Geld und der Formschneider sogar 12,5-mal mehr Geld als der Entwerfer, und für 1493 kann auch die Auflagenbeständigkeit eines Holzstocks mit 25.000 Abdrucken belegt werden (Reske 2009).
Literatur
- Blockbücher des Mittelalters. Bilderfolgen als Lektüre. Ausstellung im Gutenberg-Museum, Mainz, 22. Juni 1991 bis 1. September 1991, Mainz 1991, darin u. a.: Allan Stevenson: The Problem of the Blockbooks, 229-262.
- Max J. Friedländer/Hans Möhle, Der Holzschnitt (Handbücher der königlichen Museen zu Berlin 16), Berlin 4. Auflage 1970.
- Elisabeth Geck, Grundzüge der Geschichte der Buchillustration (Grundzüge 46), Darmstadt 1982.
- Arthur M. Hind, An Introduction to a History of Woodcut. 2 Bände, New York 2. Auflage 1963.
- "Holzschnitt" in: Harald Olbrich/Gerhard Strauß (Hg.), Lexikon der Kunst. 3. Band, Leipzig 1991, 324-326.
- Paul Kristeller, Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten, Berlin 4. Auflage 1922.
- Horst Kunze, Geschichte der Buchillustration in Deutschland. Das 15. Jahrhundert. 2 Bände, Frankfurt am Main u. a. 1975.
- Horst Kunze, Geschichte der Buchillustration in Deutschland. Das 16. und 17. Jahrhundert. 2 Bände, Frankfurt am Main u. a. 1993.
- Heinrich Theodor Musper, Der Holzschnitt in fünf Jahrhunderten, Stuttgart 1964.
- Norbert H. Ott, Die Handschriften-Tradition im 15. Jahrhundert, in: Barbara Tiemann (Hg.), Die Buchkultur im 15. und 16. Jahrhundert. 1. Halbband, Hamburg 1995, 47-124.
- Norbert H. Ott, Frühe Augsburger Buchillustration, in: Helmut Gier/Johannes Janota (Hg.), Augsburger Buchdruck und Verlagswesen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1997, 201-241.
- Norbert H. Ott, Leitmedium Holzschnitt. Tendenzen und Entwicklungslinien der Druckillustration in Mittelalter und früher Neuzeit, in: Barbara Tielmann (Hg.), Die Buchkultur im 15. und 16. Jahrhundert. 2. Halbband, Hamburg 1999, 163-252.
- Peter Parshall/Rainer Schoch (Hg.), Die Anfänge der europäischen Druckgraphik. Holzschnitte des 15. Jahrhunderts und ihr Gebrauch, Nürnberg 2005; darin: Peter Parshall/Rainer Schoch, Vorwort, VII-IX; Richard Field, Der frühe Holzschnitt. Was man weiß und was man nicht weiß, 19-35; Peter Schmidt, Das vielfältige Bild. Die Anfänge des Mediums Druckgraphik, zwischen alten Thesen und neuen Zugängen, 37-56.
- Christoph Reske, Der Holzstock bzw. Holzschnitt am Ende des 15. Jahrhunderts. Aspekte der Arbeitsteilung, Kosten und Auflagenhöhe, in: Gutenberg-Jahrbuch 84 (2009), 71-78.
- Christoph Reske, Erhard Ratdolts Wirken in Venedig und Augsburg, in: Venezianisch-deutsche Kulturbeziehungen in der Renaissance (Pirckheimer-Jahrbuch 18), Wiesbaden 2003, 25-43.
- Ursula Timann, Untersuchungen zu Nürnberger Holzschnitt und Briefmalerei in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit besonderer Berücksichtigung von Hans Guldenmund und Niclas Meldeman (Kunstgeschichte 18), Münster 1993.
Quellen
- Max Geisberg/Walter Leopold Strauss, The German single-leaf woodcut. 1500-1550. 4 Bände, New York 2. Auflage 1974.
- Paul Heitz (Hg.), Einblattdrucke des Fünfzehnten Jahrhunderts. 100 Bände, Straßburg 1899-1942.
- Detlef Hoffmann (Bearb.), Altdeutsche Spielkarten 1500-1650. Katalog der Holzschnittkarten mit deutschen Farben aus dem Deutschen Spielkarten-Museum Leinfelden-Echterdingen und dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Nürnberg 1993.
- Hollstein's German engravings, etchings and woodcuts. Ca. 1400-1700. 45 Bände, Rotterdam 1954-1998.
- Albert Schramm (Begr.), Der Bilderschmuck der Frühdrucke. 23 Bände, Leipzig 1920-1943 (Nachdruck Stuttgart 1981-1990); 1. Band: Pfister in Bamberg (1922, ND 1988); 2. Band: Günter Zainer in Augsburg (1920, ND 1981); 3. Band: Johann Baemler in Augsburg (1921, ND 1990); 16. Band: Die Drucker in Speyer, Würzburg, Eichstätt, Passau, München, Ingolstadt, Zweibrücken, Freising, Memmingen (1933, ND 1981); 17. Band: Anton Koberger in Nürnberg (1934, ND 1981); 18. Band: Die Drucker in Nürnberg außer Koberger (1934, ND 1982); 23. Band: Die Drucker in Augsburg (1943, ND 1981).
- Wilhelm L. Schreiber (Bearb.), Handbuch der Holz- und Metallschnitte des XV. Jahrhunderts. 12 Bände, Stuttgart 3. bearbeitete Auflage 1969-1976.
- Walter Leopold Strauss u. a. (Hg.), The illustrated Bartsch, New York 1978ff.
- The new Hollstein German engravings, etchings and woodcuts 1400-1700, Rotterdam 1996ff.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Empfohlene Zitierweise
Christoph Reske, Holzschnitt (15./16. Jahrhundert), publiziert am 21.01.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Holzschnitt_(15./16._Jahrhundert)> (2.11.2024)