Eine Hofmark war in Altbayern seit dem Mittelalter ein adeliger oder geistlicher Niedergerichtsbezirk. Die Besitzer, welche Verwaltungs- und Gerichtsbefugnisse über Untertanen ausübten, waren Adlige, kirchliche Institutionen sowie Städte und Märkte. Hofmarken waren in Bayern über Jahrhunderte die wirtschaftliche Basis des Adels und der Kirche. Die Hofmarksuntertanen waren mit verschiedenen Frondiensten belastet und häufig der Willkür der Herrschaft ausgesetzt. Bereits 1311 wurde in der Ottonischen Handfeste die Grundlage für landständische Freiheiten niedergeschrieben. Weitere Regelungen der Rechtsverhältnisse in den Hofmarken folgten im 16. Jahrhundert. Insgesamt bestand in den Hofmarken mit ihren zahlreichen Handwerkern und Taglöhnern eine deutlich kleinteiligere Besitzstruktur als in unmittelbar landesherrlichen Dörfern. Nach dem Dreißigjährigen Krieg waren viele Hofmarken verwüstet und ihre Besitzer verarmt. Reiche Klöster, Adelsfamilien, aber auch Patrizier und in den Adelsstand erhobene Bürger konnten Hofmarken mit ihren Gütern und Rechten aufkaufen. Der Gerichtsbesitz des Adels weitete sich bis zum 18. Jahrhundert deutlich aus. In der Zeit der Aufklärung galten Adel und Klöster in der Ausübung von umfassenden gerichts- und grundherrlichen Rechten allerdings zunehmend als nicht mehr zeitgemäß. Mit der Säkularisation 1803 fielen die geistlichen Hofmarken an den bayerischen Staat. Die Privilegien des Adels wurden zunächst eingeschränkt und 1848 endgültig aufgehoben. Heute erinnern vor allem Namen von Straßen, Brauereien, Gasthäusern oder Gebäuden an die Hofmarken.
Definition
Eine Hofmark war in Altbayern seit dem Mittelalter ein adeliger oder geistlicher Niedergerichtsbezirk, in dem der Inhaber zugleich die Grundherrschaft und andere Rechte ausübte. Der Begriff "Hofmark‘" ist erstmals 1242 nachweisbar: In einer Urkunde Bischof Siegfrieds von Regensburg (reg. 1227-1246) ist von seiner „hofmarchia“ Eugenbach die Rede (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kloster Landshut-Seligenthal Urkunden 3). Eine Hofmark bezeichnet sämtliche unmittelbar zu einem Adelssitz oder Kloster gehörenden Gebäude, Eigengüter (Landwirtschaft, Mühlen, Brauerei, Ziegelei u.a.) und Gründe (Waldungen mit niederer Jagd, Gewässer mit Fischrechten) samt aller Anwesen, die mit Niedergericht und Grundherrschaft dem Hofmarksherrn unterworfen waren. In geschlossenen Hofmarken unterstanden alle Bewohner dem Hofmarksherrn. In offenen („nicht geschlossenen“) Hofmarken lebten auch Untertanen des Landgerichts oder anderer Herren.
Mittelpunkt einer adeligen Hofmark war ursprünglich eine Burg, später ein Schloss oder Herrenhaus, dessen Inhaber nach altem Herkommen Verwaltungs- und Gerichtsbefugnisse über Untertanen, das sogenannte Dorfgericht, ausübte. Bei geistlichen Hofmarken handelte es sich zum Teil um alte Immunitätsbezirke. Viele Klöster waren nicht nur religiös-kulturelle Zentren, sondern auch wichtige Gerichts- und Verwaltungsmittelpunkte. Aufgrund der althergebrachten Rechtslage fehlen häufig Urkunden über die Entstehung der Hofmarken. Jüngere Hofmarksrechte beruhten in der Regel auf landesherrlichen Privilegierungen oder sie etablierten sich durch beständige Ausübung als eine Art Gewohnheitsrecht.
Hofmarksinhaber
Neben dem Adel, darunter auch der Herzog bzw. Kurfürst von Bayern, waren verbreitet kirchliche Institutionen wie Klöster und Stifte, Hochstifte und Domkapitel, Spitäler und Stiftungen, Bruderschaften und auch die Universität Ingolstadt vertreten. In weit geringerem Umfang gelangten Städte und Märkte in den Besitz von Hofmarken, so etwa die Stadt Amberg mit der Hofmark Großschönbrunn. Vereinzelt haben auch Patrizier, Mitglieder der städtischen Führungsschichten, Hofmarken erworben. Schon Ende des 16. Jahrhunderts gab es im Herzogtum Bayern etwa 900 Hofmarken; diese Zahl stieg noch bis Ende des 18. Jahrhunderts an. Um 1700 unterstand etwa die Hälfte der rund 86.000 altbayerischen Anwesen adeligen und geistlichen Hofmarken, die andere Hälfte war den herzoglichen Gerichten unmittelbar unterstellt.
Die rechtlichen Grundlagen
Die Geschichte der Hofmarken ist eng verknüpft mit der Einbindung autochthoner Besitzungen und Herrschaftsrechte des Adels und der Geistlichkeit in das entstehende wittelsbachische Territorialherzogtum und der Entwicklung der Landstände.
Ottonische Handfeste von 1311

Die Grundlage für die Freiheiten der drei Landstände Adel, Geistlichkeit und Städte/Märkte bildete für Niederbayern der Herrschaftsvertrag von 1311, die sogenannte Ottonische Handfeste, die in der Frühen Neuzeit als Basis der ständischen Freiheiten und Rechte in allen herzoglich-bayerischen Territorien galt: Die niederbayerischen Herzöge Otto III. (reg. 1290-1312), Heinrich XIV. (reg. 1310-1339) und Otto IV. (reg. 1310-1334) sowie die Herzoginnen Agnes (ca. 1293-1361) und Judith (ca. 1285-1320) gestehen dem niederbayerischen Adel die Niedergerichtsbarkeit über ihre Hintersassen, die sie „mit tür vnd mit tor (...) beslozzen“ haben, zu. Die drei (bzw. vier) höheren Strafrechtsfälle, „di zv dem tod ziehent“ – Diebstahl, Totschlag, Notzucht und Straßenraub – sowie das Gericht um Eigen und Lehen bleiben den herzoglichen Richtern vorbehalten. Im Gegenzug bewilligen die beteiligten Adeligen den Herzögen eine einmalige Steuer. Nach weiteren Bestimmungen folgt die Zusicherung des Bündnis- und Widerstandsrechts gegen unberechtigte Eingriffe von herzoglicher Seite.
Damit war zu Beginn des 14. Jahrhunderts eine gewisse Territorialisierung der Adelsrechte erreicht. Die Ottonische Handfeste und die vergleichbare Rechtssituation in den anderen bayerischen Herzogsgebieten beschränkte die ständische Gerichtsbarkeit auf geschlossene Güter (Hofmarken), wobei auch alle innerhalb der Markungsgrenzen gelegenen fremden Grundstücke diesem Jurisdiktionsbereich angehörten. Die Blutgerichtsbarkeit blieb allein dem Landesherrn vorbehalten.
Großes Hofmarkenprivileg für Klöster von 1330

Im großen landesherrlichen Gerichtsprivileg vom 23. April 1330 gewährte Kaiser Ludwig der Bayer (reg. 1328-1347) 18 oberbayerischen Klöstern und Stiften (Tegernsee, Benediktbeuern, Schäftlarn u.a.) die Befreiung ihrer Besitzungen von Steuern und Abgaben und die volle Gerichtsbarkeit über ihre Leute und Güter mit Ausnahme der drei todeswürdigen Delikte Diebstahl, Notzucht und Totschlag. Damit entsprach die Rechtslage weitgehend der in den Adelshofmarken.
Weitere Regelungen der Rechtsverhältnisse in den Hofmarken folgten im 16. Jahrhundert. In der Landesfreiheitserklärung von 1508 wurde die ständische Niedergerichtsbarkeit auf die Feldflur (Ettergerichtsbarkeit) ausgedehnt.
Erklärung der Edelmannsfreiheit 1557 und weitere Entwicklung
Im 60. Freibrief von 1557, der Erklärung der Edelmannsfreiheit für den landständischen Adel, wurde die vererbbare hofmärkische Niedergerichtsbarkeit „inner etters“ (innerhalb des Dorfzaunes) auch auf die sogenannten einschichtigen Güter, also auf die außerhalb geschlossener Hofmarken verstreut wohnenden Untertanen ausgedehnt. Wenn einschichtige Güter an Prälaten, Bürger oder Bauern veräußert wurden, unterstanden sie wieder der landgerichtlichen Niedergerichtsbarkeit. 1641 wurde noch klargestellt, dass für die Ausübung der Niedergerichtsbarkeit über einschichtige Güter das Volleigentum des Hofmarksherrn Voraussetzung ist. Damit war die verfassungsmäßige Stellung des Adels in Bayern bis in das beginnende 19. Jahrhundert in Grundzügen festgeschrieben. Die tatsächlichen rechtlichen Verhältnisse in den einzelnen Hofmarken und Sitzen waren komplexer als die allgemeinen "gesetzlichen" Grundlagen von 1311 und später vermuten lassen. In manchen Fällen gab es spezielle Gepflogenheiten und Verfahren in Verwaltung und Rechtspflege, die auf altem Herkommen beruhten und bis ins 19. Jahrhundert gültig waren.
Besonderheiten in der Oberpfalz
In der Oberpfalz gab es Hofmarken und Landsassengüter. Faktisch bestanden seit dem 16. Jahrhundert ganz ähnliche Rechtsverhältnisse wie in Ober- und Niederbayern. Viele Adelige übten als Inhaber von Landgütern, Dörfern oder ganzen Landstrichen in unterschiedlichem Umfang Herrschaftsrechte wie Niedergericht, Grundherrschaft, Steuer und Musterung über ihre Untertanen aus. Im 17. und 18. Jahrhundert kam es zu einer weitgehend synonymen Verwendung der Begriffe „Hofmark“ und „Landsassengut“. Dies sorgte gelegentlich für Verwirrung, denn Belege für eine vermeintliche Statusverbesserung waren nicht zu finden.
Karl-Otto Ambronn (Landsassen und Landsassengüter des Fürstentums der Oberen Pfalz, 1982) konnte die Entwicklung der Rechtslage detailliert nachzeichnen: Demnach unterschied man die adeligen Güter in der Oberpfalz seit dem 16. Jahrhundert in „Hofmarken“ und „Landsassengüter mit bloßer Edelmannsfreiheit“. Die hofmärkische niedere Gerichtsbarkeit besaßen zunächst allein die Hofmarksinhaber. Die 1527 von Kurfürst Ludwig V. (reg. 1508-1544) von der Pfalz bestätigte oberpfälzische Edelmannsfreiheit umfasste dagegen nur Mannschaft, Reis, Steuer und Scharwerk. Die Landsassenfreiheit war ursprünglich auf den Adel beschränkt, konnte aber auch an Nichtadelige wie bürgerliche Hammerherren verliehen werden. Die oberpfälzischen Landsassen strebten danach, die Geltung der niederbayerischen Ottonischen Handfeste von 1311 für die Oberpfalz durchzusetzen und kämpften dafür auf den Landtagen. Entscheidende Zugeständnisse konnten erreicht werden, so 1567 die hofmärkische Gerichtsbarkeit auch über einschichtige Güter, wenn es altem Herkommen entsprach, dann 1579 die Ausweitung der hofmärkischen Gerichtsbarkeit auf die Landsassengüter mit bloßer Edelmannsfreiheit. Damit war der oberpfälzische Adel dem bayerischen Adel faktisch gleichgestellt.
Nach dem Übergang der Oberpfalz an Bayern bestätigte Kurfürst Maximilian I. (reg. 1597-1651 als Herzog von Bayern, ab 1623 Kurfürst) 1629 den oberpfälzischen Adeligen ihre überlieferten Herrschaftsrechte persönlich, jedoch nur in Verbindung mit der Konversion zum katholischen Glauben, andernfalls waren sie zur Emigration gezwungen.
Eine Besonderheit in der Oberpfalz blieb auch nach 1579 und 1629 der personalrechtliche Charakter der Landsassenfreiheit: Sie war ein an die Person eines Landsassen und nicht wie bei der bayerischen Hofmark an den Besitz eines Gutskomplexes gebundenes Recht.
Leben in einer Hofmark

Die Zugehörigkeit zu einer Hofmark prägte alle Lebensbereiche der Untertanen. Es bestand ein deutlich engeres Abhängigkeitsverhältnis als bei den unmittelbar landesherrlichen Hintersassen. Die Hofmarksuntertanen waren stärker mit verschiedenen Frondiensten und Scharwerken belastet. Wege und Brücken mussten in Stand gehalten werden, diverse Bauarbeiten, Transport- und Handlangerdienste und die anfallenden land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten waren zu erledigen. Vielfach war der Untertan der Willkür seiner Herrschaft ausgesetzt.
Das typisch bayerische Hofmarksgericht umfasste die Niedergerichtsbarkeit und erstreckte sich über alle Strafsachen mit Ausnahme der Viztumshändel und über alle Zivilsachen mit Ausnahme der streitigen Gerichtsbarkeit über liegendes Gut und des Gantprozesses. Die Hochgerichtsbarkeit stand dem landesherrlichen Gericht zu. In den seit dem 16. Jahrhundert überlieferten Hofmarksbeschreibungen wird stets besonders hervorgehoben, an welcher Stelle genau die schweren Übeltäter an das Pfleggericht zu übergeben sind, an einem bestimmten markanten Baum, einer Hofmarkssäule oder einem Flurkreuz, einem Graben oder mitten in einem bestimmten Bach.
Auch die gesamte Polizeigewalt (Verwaltungsbefugnisse) innerhalb des Hofmarksbezirks lag beim Hofmarksinhaber. Sie umfasste die Wahrnehmung von Sicherheitsmaßnahmen, Gewerbe- und Sittenpolizei, Feuer- und Lebensmittelbeschau und die Überwachung von Maß und Gewicht. Der Hofmarksherr war darüber hinaus zuständig für die Steuererhebung und die Musterung der wehrhaften Mannschaften. Eine wichtige Einnahmequelle waren die in der Verwaltung anfallenden Gebühren, die der Hofmarksherrschaft im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit zustanden, also der Verbriefung von Heiraten, Verkäufen, Gutsübergaben (heute notarielle Aufgaben); außerdem das Recht zur Inventur von Nachlässen und die Bestellung von Vormundschaften. Weitere einträgliche Rechte eines Hofmarksherrn waren das Braurecht, die niedere Jagd in den zur Hofmark gehörenden Gründen und Wäldern und Fischereirechte.
Nicht selten kam es zu Konflikten zwischen Hofmarksinhabern und landesherrlichen Pflegern und Richtern. Meist ging es um Grenzstreitigkeiten, die Abgrenzung von Zuständigkeiten, Anmaßung von Rechten, das Überschreiten von Grenzen bei der Ausübung von Weiderechten oder Holznutzungen, aber auch um Jagdfrevel, Wasser- und Fischereirechte, Bierausschank außerhalb des eigenen Bereichs zum Schaden anderer Braustätten usw. Streitigkeiten aus allen Lebensbereichen einer Hofmark sind in großer Fülle überliefert.
Beispiel: Hofmark Viehhausen
Der Wening-Stich „Hochfreyherlich Rosenbuschisches Schloß und Hofmarch Ober- und Nieder Viehhausen“ zeigt eine typische niederbayerische Hofmark (Pfleggericht Kelheim, heute Lkr. Regensburg). Die im Verhältnis zum Dorf Viehhausen stark überhöhte Darstellung des Schlosses vermittelt einen Eindruck vom Selbstbewusstsein der Standesherren. Die zugehörigen Gebäude samt Gärten, Fluren und Untertanenhäuser werden detailreich dargestellt. In der Legende sind die zentralen Bestandteile von A bis O aufgelistet: Das Schloss, die Hofgebäude, Rossstall, Viehstall, Gartenhaus, Benefiziatenhaus, Schulhaus, Wirtshaus, Jägerhaus, Amthaus, Hüthaus, Altes Schloss Niederviehhausen (Turmruine am Horizont), das Dorf „Haubenrieth“ (Haugenried) und „Thallhöffe“ (Thalhof). Eine wichtige Rolle spielten die in der Hofmark betriebenen Gewerbe (um 1750): 2 Schmiede, 1 Wirt, 1 Bäcker, 1 Metzger, 1 Wagner, 1 Bader, 1 Schneider und 1 Mühle (in Alling). Den in einer Hofmark besonders wichtigen Wirtschaftszweig, das Brauwesen, konnte die Familie Rosenbusch durch die familieneigene Bräustatt mit zwei zugehörigen Söldenhäuschen im benachbarten Sinzing abdecken, die 1741 zu einem eigenen Sitz erhoben wurde. Brau- und Schankrechte waren in allen Hofmarken seit jeher sehr begehrte und umfassend gepflegte Tätigkeitsfelder. Zudem besaß die Familie Rosenbusch im Tal der Schwarzen Laber die unmittelbar benachbarte Hofmark Eichhofen mit 54 Anwesen, dem Eisenhammer Loch und vielen Gewerbetreibenden. Wie auch andernorts häufig vorkommend, war hier ein größerer adeliger Besitzkomplex mit vielschichtigen Strukturen und Erwerbsquellen in der Hand einer Familie entstanden. Der auffallende Gewerbereichtum in den Hofmarken des Adels, aber auch der Klöster, war strukturprägend gegenüber den landesherrlichen, eher bäuerlich geprägten Dörfern. In wirtschaftlicher Hinsicht waren Hofmarken zugleich auch Kompetenz- und Innovationszentren.
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Schloss Oberviehhausen, Kupferstich von Michael Wening (1645-1718), um 1720. (bavarikon) (Bayerische Vermessungsverwaltung, lizenziert durch CC BY-ND 4.0)
Entwicklung bis Ende des 18. Jahrhunderts


Besonders im 16. Jahrhundert ist zu beobachten, dass gerade kleine Hofmarken und Sitze ihren privilegierten Status wieder verloren. Manche Familien hatten keine Nachkommen, die Hofmarksrechte wurden vom Landgericht eingezogen. Nichtadelige Besitzer fanden keine Anerkennung als Hofmarksherren. Kleine Sitze, die nur ein gefreites Haus mit einem Ökonomiehof, einen Sedlhof, umfassten, sanken zu einfachen Höfen ab. Es gab aber auch Zeitspannen, in denen vermehrt Hofmarksrechte verliehen wurden, so unter Herzog Wilhelm V. (1548-1626, reg. 1579-1598).
Nach dem Dreißigjährigen Krieg waren viele Hofmarken verwüstet und ihre Besitzer verarmt. Reiche Klöster, gut situierte Adelsfamilien, aber auch Patrizier und in den Adelsstand erhobene Bürger konnten Hofmarken mit ihren Gütern und Rechten aufkaufen. Zu den besonders reichen Hofmarksherrschaften gehörten zum Beispiel die Familien Preysing, Closen, Toerring, Arco und Lerchenfeld. Um Kosten einzusparen und die Erträgnisse zu optimieren, wurden oftmals Verwaltungszentren gebildet, die für mehrere Hofmarken der gleichen Besitzer zuständig waren. Manche Schlösser, zum Teil schon durch Kriegsschäden in schlechtem Zustand, wurden nicht mehr instandgesetzt und waren seit dem 17. und 18. Jahrhundert dem Verfall preisgegeben. Hauptsitze großer Hofmarksherrschaften wurden dagegen prächtig ausgebaut.
Insgesamt weitete sich der Gerichtsbesitz des Adels bis zum 18. Jahrhundert deutlich aus. Immer mehr Adelige erlangten mit ihren Gütern und den damit verbundenen Niedergerichtsrechten den Hofmarksstatus. Auch einzelne Güter wurden, zum Teil in Verbindung mit einer Standeserhebung, zu adeligen Sitzen erhoben. Adel und Klöster spielten besonders im 18. Jahrhundert eine wichtige Rolle als Innovationsträger in Wirtschaft und Landwirtschaft (Landesausbau, Binnenkolonisation, land- und forstwirtschaftliche Sonderkulturen, frühindustrielle Anlagen, Hammerwerke u. a.). In diesen Bereichen war es wichtig, über ein großes Arbeiterreservoir zu verfügen und gerade arme Bevölkerungskreise zu motivieren, ihr Auskommen in Hofmarksorten zu suchen. Hofmarksherrschaften waren maßgeblich an der Populationspolitik beteiligt, woraus naturgemäß vielfach soziale Probleme erwuchsen. In der Folge hatten Hofmarken häufig eine äußerst kleinteilige Besitzstruktur mit armen Handwerkern, Arbeitern und Taglöhnern. Nach dem 30-jährigen Krieg gab es zunächst verbreitet Probleme, überhaupt genügend Leute für die Bewirtschaftung verödeter Anwesen und brachliegender Gründe zu finden. Vielfach förderten Hofmarksherren deshalb die Bildung von Sölden durch Vergabe von Gründen an Inhaber von Kleinstanwesen und Leerhäusln (meist 1/16 oder 1/32 Hof), um deren wirtschaftliche Basis zu stabilisieren und die Bleibeperspektive zu verbessern. Dabei konkurrierten Hofmarken des Adels auch mit geistlichen Hofmarken, die ihren Untertanen in der Regel bessere Rechte anbieten konnten.
In der Zeit der Aufklärung galten Adel und Klöster in der Ausübung von umfassenden gerichts- und grundherrlichen Rechten zunehmend als nicht mehr zeitgemäß. In fortschrittlichen Kreisen sah man es seit dem späteren 18. Jahrhundert als Pflicht des Landesherrn an, den Ausverkauf und die Privatisierung staatlicher Hoheitsrechte zu verhindern. Es kam vermehrt zur Überprüfung, inwieweit ausgeübte Hofmarksrechte juristisch fundiert waren. Es dauerte aber noch Jahrzehnte, bis die althergebrachten Herrschaftsverhältnisse grundlegend geändert wurden.
Auflösung der Hofmarken
Hofmarken waren in Bayern über Jahrhunderte die wirtschaftliche Basis des Adels und der Kirche. Mit der Säkularisation 1803 fielen die geistlichen Hofmarken an den bayerischen Staat. Gerade in Klosterdörfern war damit vielfach ein gesamtwirtschaftlicher Einbruch mit Abwanderung und Bevölkerungsrückgang verbunden. Die Privilegien des Adels wurden erst seit dem frühen 19. Jahrhundert schrittweise eingeschränkt, die Hofmarken in Patrimonialgerichte umgewandelt, zum Teil durch Ablösung dem Staat überlassen und 1848 endgültig aufgehoben.
Erbe
Die Erinnerung an die Hofmarken lebt vielerorts fort in Namen von Straßenbezeichnungen (Hofmark, Hofmarkstraße, In der Hofmark), Brauereien, Bierspezialitäten (z.B. Hofmark Pils, Hofmark Zwickl), Gasthäusern (z.B. „Alte Hofmark“ in Steinsberg, Brauereigasthof Hofmark Lenting, „Hofmark 1“ in Mallersdorf), oder einzelnen, oft denkmalgeschützten Gebäuden (Hofmarksrichterhäuser). Noch häufiger wird in alten Hofmarksorten in der Namengebung auf den Mittelpunkt der Hofmark, das Schloss, Bezug genommen (z.B. Schlossstraße in Saal a.d. Donau-Affecking, wo das Schloss längst verschwunden ist).
Quellenlage und Literatur
Die seit dem 15. Jahrhundert überlieferten bayerischen Landtafeln geben einen querschnittartigen Überblick über Inhaber und Bestand von Niedergerichtsbezirken des Adels und der Prälaten im Herzogtum Bayern. Die Landtafel von 1737, zum Teil mit Nachträgen bis 1803, listet die Hofmarken und Sitze der Landstände alphabetisch nach Orten auf und dokumentiert kurz die Inhaber seit dem 17. Jahrhundert (Lieberich, Übersicht) und vor der detaillierten Erfassung aller Güter in den Konskriptionen von 1752 und den Hofanlagsbüchern seit 1760 (Dallmeier/Franz). Für die Oberpfalz hat Ambronn die Landsassenregister des 16. Jahrhunderts ediert.
Die einzelnen Bände des Historischen Atlas von Bayern liefern detaillierte Informationen zu Rechts-, Besitz- und Wirtschaftsgeschichte der einzelnen Hofmarken und Sitze. Nur über wenige Hofmarken gibt es wissenschaftliche Einzeluntersuchungen, so über die Hofmarken Jettenbach und Aschau (Stephan Kellner) und die Hofmark Eurasburg (Klaus Kopfmann). Nicht zu vergessen sind zahlreiche Beiträge in der lokalgeschichtlichen Literatur und in Ortschroniken.
Literatur
- Dieter Albrecht, Staat und Gesellschaft. Zweiter Teil: 1500-1745, in: Max Spindler/Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 2. Band: Das alte Bayern. Der Territorialstaat vom Ausgang des 12. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 2. Auflage 1988, bes. 631-636.
- Pankraz Fried, Bayern en miniature. Die altbayerische Hofmark, in: Johannes Erichsen (Hg.), Blutenburg. Beiträge zur Geschichte von Schloß und Hofmark Menzing (Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 1), München 1985, 241-245.
- Pankraz Fried, Historisch-statistische Beiträge zur Geschichte des Kleinbauerntums (Söldnertums) im westlichen Oberbayern, in: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft München 51 (1966), 5-39.
- Pankraz Fried, Herrschaftsgeschichte der altbayerischen Landgerichte Dachau und Kranzberg im Hoch- und Spätmittelalter sowie in der frühen Neuzeit (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 1), München 1962.
- Wolfgang Jahn/Margot Hamm/Evamaria Brockhoff (Hg.), Adel in Bayern. Ritter, Grafen, Industriebarone - Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2008, Augsburg 2008 (bes. 78 f. [Hubertus Seibert], 104-117 [Klaus Kopfmann, Dietmar Stutzer, Wolfgang Schuster]).
- Josef Kirmeier/Manfred Treml (Hg.), Glanz und Ende der alten Klöster. Säkularisation im bayerischen Oberland 1803. Katalogbuch zur Ausstellung im Kloster Benediktbeuern 1991 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur Nr. 21/91), München 1991, bes. 231-242, 299-333.
- Reinhard Heydenreuter, Zur Rechtsstellung des landsässigen Adels im Kurfürstentum Bayern zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert, in: Walter Demel/Ferdinand Kramer (Hg.), Adel und Adelskultur in Bayern (Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Beiheft 32), München 2008, 43-105.
- Sebastian Hiereth, Die bayerische Gerichts- und Verwaltungsorganisation vom 13. bis 19. Jahrhundert (Historischer Atlas, Teil Altbayern, Einführung), München 1950, 8-10.
- Historischer Atlas von Bayern (HAB), hg. von der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München 1950 ff. (Ausführlich zu den einzelnen Hofmarken, Sitzen und Landsassengütern)
- Julian Holzapfl, Die bayerischen Landtafeln des 15. Jahrhunderts. Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung eines neuen Schriftguttypus, in: Archiv für Diplomatik 49 (2003), 297-391.
- Stephan Kellner, Die Hofmarken Jettenbach und Aschau in der frühen Neuzeit. Studien zur Beziehung zwischen Herrschaft und Untertanen in Altbayern am Beispiel eines adeligen Herrschaftsbereiches (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 10), München 1986.
- Klaus Kopfmann, Die Hofmark Eurasburg: ein Beitrag zur Geschichte der Bayerischen Hofmark, München 2005, 1-10.
- Heinz Lieberich, Die bayerischen Landstände 1313/40-1807 (Materialien zur bayerischen Landesgeschichte 7), München 1990.
- Emma Mages, Landsassengüter und Hofmarken in der Oberpfalz. Ein Beitrag zur Begriffsklärung, in: Die Oberpfalz 86 (1998), 1-7.
- Wolf-Dieter Peter, Johann Georg Joseph Graf von Königsfeld (1679-1750). Ein Adeliger des Ancien régime, (Regensburger Historische Forschungen 7), Kallmünz 1977, bes. 59-79 [zu den grundherrschaftlichen Verhältnissen in den Königsfeld-Hofmarken Alteglofsheim, Triftlfing, Langenerling, Hellkofen].
- Maria Rita Sagstetter, Der Adel, in: Karl-Otto Ambronn/Maria Sagstetter u.a. (Bearb.), Das Fürstentum der Oberen Pfalz. Ein wittelsbachisches Territorium im Alten Reich. Ausstellungskatalog des Staatsarchivs Amberg, Amberg 2004, 158-180, 318-330.
- Maria Rita Sagstetter, Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 120), München 2000, bes. 21-27, 37-131, 132-181, 302-316, 317-321, 322-567, 568-575.
- Eckart Schremmer, Die Wirtschaft Bayerns vom hohen Mittelalter bis zum Beginn der Industrialisierung. Bergbau, Gewerbe, Handel, München 1970, bes. 345-381.
- Max Spindler/Andreas Kraus, Landesherr und Landesadel. Die Anfänge der Ständebildung, in: Max Spindler/Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 2. Band: Das alte Bayern. Der Territorialstaat vom Ausgang des 12. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 2. Aufl. 1988, 125-139.
- Dietmar Stutzer, Klöster als Arbeitgeber um 1800. Die bayerischen Klöster als Unternehmenseinheiten und ihre Sozialstruktur zur Zeit der Säkularisation, München 1986.
- Wilhelm Volkert, Die älteren bayerischen Landtafeln, in: Archivalische Zeitschrift 75 (1979), 250-262.
- Wilhelm Volkert, Staat und Gesellschaft. Erster Teil: Bis 1500, in: Max Spindler/Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 2. Band: Das alte Bayern. Der Territorialstaat vom Ausgang des 12. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 2. Aufl. 1988, bes. 598-604.
- Andreas Otto Weber, Hofmarken der Münchner Patrizier, in: Neuburger Kollektaneenblatt 160 (2012), 135-149.
Quellen
- Bayerische Landtafeln im Bayerischen Hauptstaatsarchiv: Altbayerische Landschaft Lit. 21, 22a, 2; Altbayerische Landschaft Lit. 132-135 (nach Orten A-Z); Kurbayern Äußeres Archiv 677, 680, 682 (Landtafeln des 15. und 16. Jahrhunderts).
Gedruckte Quellen
- Albrecht Liess (Bearb.), Aus 1200 Jahren. Das Bayerische Hauptstaatsarchiv zeigt seine Schätze (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns 11), München 1979. [S. 110 Nr. 52: Ottonische Handfeste 1311; S. 162 f. Nr. 76: Erklärte Landesfreiheit 1508; S. 174 f. Nr. 82: Erklärung der Edelmannsfreiheit 1557].
- Karl-Otto Ambronn, Landsassen und Landsassengüter des Fürstentums der Oberen Pfalz im 16. Jahrhundert, im Überblick dargestellt nach den Landsassenregistern von 1518 bis 1599 (Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern, Reihe II, Heft 3), München 1982.
- Martin Dallmeier/Monika Ruth Franz, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kurbayern Hofkammer Hofanlagsbuchhaltung (Bayerische Archivinventare 44), München 1992.
- Duschl, Unterricht über das Hofmarksrecht in Baiern, Oberpfalz, Neuburg und Sulzbach: in einer Reihe von Briefen an einen jungen Herrn vom Stande, oder Handbuch zur Ausübung der niedern Gerichtsbarkeit, des Polizey- und Kammeralrechts in Hofmarken ..., 3 Teile, München 1803-1807 (Teil 1, Teil 2, Teil 3).
- Franz von Krenner (Hg.), Baierische Landtags-Handlungen in den Jahren 1429 bis 1513, 18 Bde., München 1803-1805 (Landtafel um 1470 in Bd. XV, 432).
- Heinz Lieberich, Übersicht über die selbständigen Gerichte im Herzogtum Bayern (Territorialbestand 1507-1803), in: Mitteilungen für die Archivpflege in Oberbayern 29-36 (1948-1950), 762-1074.
- Karl-Otto Ambronn/Achim Fuchs (Bearb.), Die Oberpfalz in alten Ansichten. Eine Ausstellung handgezeichneter Karten des Staatsarchivs Amberg (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns 23), Amberg 1988, 67 f., 74-76, 86-93, 100-103.
Weiterführende Recherche
Empfohlene Zitierweise
Emma Mages, Hofmark, publiziert am 19.08.2025, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Hofmark> (5.12.2025)