Straubinger Tagblatt
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Das seit dem 1. Oktober 1860 erscheinende Straubinger Tagblatt gehört zu den wichtigsten Tageszeitungen Bayerns. Von einer anfänglich gemäßigt-liberalen Ausrichtung wandelte es sich nach dem Tod des Gründers Clemens Attenkofer (1838-1866) unter der Führung seiner Witwe zu einem ausgeprägt katholisch-konservativen Blatt. Im Laufe der Jahre konnten die nachfolgenden Inhaber des bis heute unter "Cl. Attenkofer'sche Kunst- und Buchdruckerei" firmierenden Verlags zahlreiche Lokal- und Regionalblätter unter einem Dach vereinen. Während der NS-Zeit wurde das Straubinger Tagblatt zwar gleichgeschaltet, es konnte sich aber im Unterschied zu den meisten anderen Heimatzeitungen gegen die von NS-Organisationen aufgebauten Konkurrenzblätter behaupten. Nach Kriegsende erhielt Dr. Georg Huber (1905-1989) als "Altverleger" von der amerikanischen Besatzungsmacht keine Presselizenz. Erst mit Einführung der Pressefreiheit im August 1949 konnte das Straubinger Tagblatt wieder erscheinen. Es ist mit seinen mittlerweile 15 verschiedenen Ausgaben, insbesondere der 1951 übernommenen Landshuter Zeitung, neben der Passauer Neuen Presse die bedeutendste Tageszeitung Niederbayerns.
Die Anfänge des Straubinger Tagblatts
Am 1. Juli 1860 erwarb Clemens Attenkofer (1838–1866), Buchhändler aus Landshut, in Straubing die Buchdruckerei des Franz Seraph Lerno. Attenkofer ließ sich in Straubing aber nicht nur nieder, um in gewohnter Weise Bücher und Broschüren, Todesanzeigen, Billets und Ähnliches zu drucken. Zusammen mit seinem Stiefvater Johann Baptist von Zabuesnig (1820–1898), der 1849 die Landshuter Zeitung gegründet hatte, war von Anfang an geplant, in Straubing eine bisher fehlende Tageszeitung zu gründen. An anderen Orten hatten sich im Zuge der Revolution von 1848, als die liberale, demokratische, nationale Bewegung vor allem Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit einforderte, dauerhaft Tageszeitungen etablieren können. In Straubing, einer Stadt mit damals etwa 9.500 Einwohnern, waren zaghafte Versuche zu Revolutionszeiten gescheitert. Es gab weiterhin nur das Straubinger Wochenblatt, das als amtliches Organ des Rathauses fast ausschließlich wichtige Verlautbarungen des Königs, der Ministerien, des Magistrats, dazu gelegentlich Vereins- und Werbeanzeigen enthielt und bei Lerno gedruckt wurde.
Am Montag, den 1. Oktober 1860 erschien die erste vierseitige Ausgabe des Straubinger Tagblatts. Attenkofer versprach darin als Devise seiner Zeitung: "...ohne sich in Partheidifferenzen einzulassen, ohne das religiöse Gefühl zu verletzen, ohne irgendwie Anstoß zu erregen, wird es treu dem Könige und Vaterlande einfach und wahrheitsliebend, kurz und gut die politischen Ereignisse berichten, Oertliches, Bayerisches und vermischte Nachrichten geben, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden, die Mittelstraße zu wandeln suchen." (Straubinger Tagblatt, 1.10.1860). Dass Clemens das Straubinger Unternehmen und die Herausgabe der Zeitung selbstbewusst und eigenständig führte, beweist die politische Richtung, die sein Straubinger Tagblatt trotz der Ankündigung der parteipolitischen Neutralität einschlug und die entgegen der katholisch-konservativen Ausrichtung der "Landshuter Zeitung" seines Stiefvaters eine gemäßigt-liberale Tendenz zeigte.
Der junge Unternehmer richtete in der Flurlgasse eine moderne Akzidenz- und Zeitungsdruckerei sowie eine Verlagsbuchhandlung ein. Zu seinen festen Aufträgen gehörte weiterhin die Herstellung des Straubinger Wochenblattes und die Herausgabe des seit 1597 erscheinenden Straubinger Kalenders. Rasch hatte er sich auch in der Straubinger Gesellschaft Anerkennung und Ansehen verschafft, gehörte beispielsweise zu den Mitbegründern der Freiwilligen Feuerwehr (1861) und des Turn- und Sportvereins (TSV 1861). Mit 28 Jahren erlag Clemens Attenkofer seinem Tuberkuloseleiden. Seine Witwe Josephine Rohrmayr (1842–1920), eine Landauer Brauerstochter, führte den Druckereibetrieb und die Zeitung weiter, wobei sie mit der Einstellung des Priesters Georg Aichinger (1835–1916) als Redakteur einen radikalen Wechsel von der liberalen Tendenz des Straubinger Tagblatts zu einer ausgeprägt katholisch-konservativen Ausrichtung vollzog. 1868 gründeten liberale Kräfte daher das Konkurrenzblatt Straubinger Zeitung, das aber 1883 wieder einging. Josephine Attenkofer fand 1870 in dem aus Neuburg a. d. Donau stammenden Buchhändler Georg Huber (1839–1904) einen neuen Ehe- und engagierten Zeitungsmann. Der Name des Gründers lebt aber bis heute fort im Firmennamen "Cl. Attenkofer'sche Kunst- und Buchdruckerei".
Etablierung und Expansion bis 1933
Sohn Georg Huber (1874–1947) übernahm im April 1900 den Betrieb und stattete ihn mit den modernsten Druckmaschinen aus. So wurde beispielsweise im November 1901 eine Zeilensetz- und Gießmaschine "Linotype", die erste in Niederbayern/Oberpfalz, aufgestellt. Damit war Huber auch gerüstet für sein Kinder- und Bilderbuchprogramm, das in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg pädagogisch und künstlerisch wertvolle Kinderbücher auf den Markt brachte (beispielsweise Julie Conz/Julie Neunhöffer, Wer kommt?, Straubing 1910; Lothar Meggendorfer/Josef Fumian, Bruder Straubinger, Straubing 1910; Ludwig Fahrenkrog/Juliane Peter, Märchenkessel, Straubing 1910; Fritz Herz, Kasperls heimliche Streiche, Straubing 1911; Erna Bercht/Hermann Dreßler, Kinder-Eisenbahn-Knigge, Straubing 1911; Olga Kopetzky, Das Nürnberger ABC, Straubing 1912). Außerhalb der großen Verlagszentren Berlin, Leipzig oder Nürnberg entwickelte sich damals in der niederbayerischen Kleinstadt Straubing eine ungewöhnliche, hervorragende Kinderbuchkultur. Der Verleger engagierte sich auch in der Kommunalpolitik, initiierte ein Industrie-Propaganda-Büro in Straubing, stand dem Fremdenverkehrsverein vor und gründete den Verein Bayerischer Zeitungsverleger mit. Für seine Verdienste wurde er vom bayerischen Handelsministerium mit dem Titel "Kommerzienrat" ausgezeichnet. Eine Großinvestition startete Huber mit dem Bau eines neuen repräsentativen Verlags-, Druckerei- und Wohngebäudes zwischen Ludwigsplatz und Rosengasse; es wurde von der Bau- und Immobilien AG Heilmann & Littmann München/Berlin entworfen und am 9. März 1929 eingeweiht (Ludwigsplatz 32).
Das Zeitungsgeschäft erweiterte Georg Huber durch Kauf oder Gründung folgender Zeitungen:
- Wörther Volks-Zeitung (1928)
- Vilstaler Zeitung (1928)
- Arnstorfer Zeitung (1929)
- Kötztinger Zeitung (1929)
- Falkensteiner Volks-Zeitung (1930)
- Donau-Post (1930)
- Falkensteiner Waldbote (1930)
- Aufhausener Tagblatt (1930)
- Allgemeine Laaber-Zeitung (1931)
- Geisenhausener Zeitung (1933)
Zu Jahresbeginn 1933 existierten in Straubing, einer Stadt mit knapp 26.000, fast ausschließlich katholischen Einwohnern, drei Zeitungen: der seit 1896 erscheinende, eher linksorientierte Niederbayerische Anzeiger, der Straubinger Beobachter, ein seit September 1932 von der Ortsgruppe der NSDAP herausgegebenes Nachrichtenblatt, und als ältestes Presseorgan das Straubinger Tagblatt, gegen dessen lokale Dominanz und überregionale Bedeutung keine andere Zeitung ankam. Verbreitet war das Straubinger Tagblatt in den Bezirksämtern:
- Cham
- Dingolfing (Lkr. Dingolfing-Landau)
- Eggenfelden (Lkr. Rottal-Inn)
- Kötzting (Lkr. Cham)
- Landau (Lkr. Dingolfing-Landau)
- Mallersdorf (Lkr. Straubing-Bogen)
- Osterhofen (Lkr. Deggendorf)
- Regensburg-Land
- Roding (Lkr. Cham)
- Rottenburg (Lkr. Landshut)
- Viechtach (Lkr. Regen)
- Vilsbiburg (Lkr. Landshut)
- Vilshofen (Lkr. Passau)
Es nannte sich daher zu Recht "führende Heimatzeitung Niederbayerns" und war zudem "Amtliches Publikations-Organ für Niederbayern".
In nationalsozialistischer Zeit
Nach der "Machtergreifung" betrieben die Nationalsozialisten rasch und vehement die Beseitigung der Partei- und Gewerkschaftszeitungen, die Aus- oder Gleichschaltung der bürgerlichen Zeitungen und die Verbreitung der nationalsozialistischen Presseerzeugnisse. In einer ersten Phase der Gleichschaltung wurde am 21. März 1933 das Straubinger Tagblatt für acht Tage verboten, weil es im Vorfeld der Reichstagswahlen vom 5. März 1933 vor einer Wahl der NSDAP gewarnt hatte. Dieses Verbot für das Straubinger Tagblatt war nur der Anfang nationalsozialistischer Maßnahmen gegen die Zeitung, die sowohl die führenden Persönlichkeiten in Verlag und Redaktion ausschalten als auch den Betrieb wirtschaftlich ruinieren sollten. Die "schwarze Tante", wie das Straubinger Tagblatt von Nationalsozialisten verächtlich genannt wurde (zitiert nach Frithjof Hecht, Die Durchsetzung der NSDAP als neuer Machtträger in der bayerischen Mittelstadt Straubing, in: Jahrbuch des Historischen Vereins Straubing 99. Jg. [1997], Straubing 1998, 321–446, hier: 368), war der NSDAP schon länger ein Dorn im Auge. Denn das Straubinger Tagblatt vertrat überzeugt den politischen Katholizismus, warb sogar als "Organ der Bayerischen Volkspartei" für sich und trug maßgeblich zu den schlechten Wahlergebnissen der NSDAP in der Region bei.
Besonders Hans Kapfinger (1902–1985; gründete später die Passauer Neue Presse), seit 1927 Mitarbeiter und seit 1932 leitender Redakteur, hatte die Politik der Nationalsozialisten und ihren Führer Adolf Hitler (1889-1945) stets heftig angegriffen. Am 4. Mai 1933 wurde er demonstrativ im Verlagsgebäude verhaftet. Das Straubinger Tagblatt passte sich nun in seinen Artikeln der nationalsozialistischen Ideologie an, behielt aber insbesondere in der lokalen Berichterstattung seine katholische Grundausrichtung bei.
Mit dem Amtsantritt des neuen NSDAP-Kreisleiters Alfons Putz (1905-1940) im Juni 1934 begann die zweite Phase der Gleichschaltung, die sich gegen den Verleger Georg Huber und seinen Sohn Georg Huber jr. (1905–1989) - beide weigerten sich beispielsweise, der Partei oder Parteiorganisationen beizutreten oder den "Deutschen Gruß" zu verwenden - richtete. Putz wollte das moderne Verlags- und Druckereigebäude der Familie Huber zum niederbayerischen Druckzentrum der Nationalsozialisten machen und zudem das Straubinger Tagblatt durch die NS-Zeitung Bayerische Ostwacht bzw. Bayerische Ostmark ersetzen. Am 29. Mai 1935 wurde Verleger Georg Huber senior, der wegen antinationalsozialistischer Äußerungen denunziert worden war, in Schutzhaft genommen; am selben Tag veranstaltete die NSDAP auf dem Straubinger Stadtplatz eine Kundgebung gegen das Straubinger Tagblatt, das erneut für zwei Tage verboten wurde. Am 2. September 1935 schloss man Huber schließlich aus dem Reichsverband deutscher Verleger wegen "politischer Unzuverlässigkeit" aus; damit verlor er das Recht, als Verleger tätig zu sein. Er übergab daher den Betrieb an seinen Sohn Dr. Georg Huber. Der Betrieb zählte zu diesem Zeitpunkt rund 70 Mitarbeiter; das Straubinger Tagblatt hatte mit Nebenausgaben eine Auflage von 14.500 (Winter)/12.000 (Sommer) Exemplaren.
Durch den Protest der Schweizer Verwandtschaft beim Reichswirtschaftsministerium in Berlin – 1935 hatte Dr. Georg Huber Elsy Wipf (1908–2006), die Tochter eines Verpackungsunternehmers aus Zürich, geheiratet – konnte eine vollständige Übernahme des "Straubinger Tagblatts" durch die Nationalsozialisten und eine drohende Enteignung des Betriebs verhindert werden. Als Kompromiss wurde - ein vermutlich einzigartiger Vorgang in der nationalsozialistischen Pressepolitik - die Verlag Straubinger Tagblatt GmbH gegründet, die zu 55 % der nationalsozialistischen Phönix Zeitungsverlag GmbH und zu 45 % Dr. Georg Huber gehörte. Inhaltlich war das Straubinger Tagblatt nun endgültig gleichgeschaltet, konnte sich aber dank der Treue seiner Leser und seiner weiterhin umfangreichen Lokalberichterstattung gegen die NS-Konkurrenzpresse behaupten: Die Bayerische Ostmark stellte im Oktober 1939 ihre Ausgabe für das Straubinger Gebiet ein. Während des Kriegsdienstes von Dr. Georg Huber leitete seine Frau Elsy den Betrieb. Akzidenzdruckerei und Zeitungsverlag liefen trotz nationalsozialistischer Schikanen wie Beschlagnahme von Maschinen und Autos, Überwachung von Post und Telefon, Kürzung der Papier- und Benzinzuweisungen weiter, während etliche andere Heimatzeitungen wie die Münchener Zeitung, der Fränkische Kurier, der Bayerische Anzeiger oder die Landshuter Zeitung unter dem Vorwand kriegswirtschaftlicher Gründe von den Nationalsozialisten stillgelegt wurden. So waren im Herbst 1944 80 % der privaten Zeitungen aus der Zeit vor 1933 verschwunden. Die letzte Ausgabe des Straubinger Tagblatts im "Dritten Reich" erschien am 18. April 1945; der schwere Luftangriff, der Straubing an diesem Tag traf, unterbrach die Strom-, Wasser- und Gasversorgung und verhinderte damit auch den weiteren Druck des Straubinger Tagblatts.
Die Wiederbegründung 1949
Mit Kriegsende bestimmten die alliierten Siegermächte, dass sämtliche bisher erscheinenden Zeitungen eingestellt werden mussten. Da auch der Rundfunk schwieg, gab es für die Bevölkerung zu dieser Zeit fast keine Informationsmöglichkeit - bis auf amtliche Mitteilungsblätter. In Straubing waren dies die "Mitteilungen des Oberbürgermeisters", die zumindest notwendiges Wissen über Anordnungen der Besatzungsmacht, die Lebensmittelversorgung, die Gottesdienstordnung, Todesanzeigen oder Neuigkeiten über Vermisste und Gefallene vermittelten und in der Cl. Attenkofer'schen Druckerei hergestellt wurden.
Mitte Juli 1945 bestimmte die US-Militärregierung, dass Lizenzen für neue Zeitungen nur an politisch völlig unbelastete Personen vergeben werden durften. Die Lizenz Nr. 1 wurde für die Süddeutsche Zeitung (SZ) erteilt, die am 6. Oktober 1945 in München zum ersten Mal erschien. Prinzipiell erhielt niemand eine Lizenz, der vor und in nationalsozialistischer Zeit als Verleger tätig gewesen war, selbst wenn er unter politischem Zwang gehandelt hatte. Das Nachsehen bei dieser Lizenzvergabe hatten daher die "Altverleger" der vielen traditionellen Heimatzeitungen. Betroffen waren auch Georg Huber senior und junior, die sich nach Kriegsende vergeblich um eine Lizenz bemühten. Weiterführen konnte die Familie Huber die Cl. Attenkofer'sche Buch- und Kunstdruckerei.
Am 29. August 1947 erschienen in Straubing mit der Lizenz Nr. 22 zum ersten Mal die Niederbayerischen Nachrichten als neues Straubinger Mitteilungsorgan. Sie wurden herausgegeben von Albert König (1899-1983) und Hans Wetzel (1904-1985), die sich zur Niederbayer. Verlags-GmbH Straubing zusammengeschlossen hatten. Gedruckt wurden sie im Huber'schen Verlagshaus, wobei Georg Huber erst auf Betreiben der Militärregierung hin den Lohndruckvertrag unterschrieben hatte.
Als die Aufhebung des Lizenzzwanges für Zeitungen im Frühsommer 1949 absehbar wurde, wurden die Vorgänge im Straubinger Pressewesen dramatisch, denn der frühere Straubinger Schriftleiter Hans Kapfinger, der am 15. Februar 1946 die Lizenz Nr. 16 für die Passauer Neue Presse erhalten hatte, wollte auch den Straubinger Zeitungsmarkt erobern. Zwischen Huber und Kapfinger entwickelte sich ein erbitterter Konkurrenz- und Machtkampf. Als Kapfinger im Einvernehmen mit den Lizenzträgern König und Wetzel am 3. Juni 1949 die Schriftleitung der Niederbayerischen Nachrichten übernahm, legte die Belegschaft der Cl. Attenkofer'schen Druckerei die Arbeit nieder. Die Niederbayerischen Nachrichten wurden nun in Passau gedruckt. Dr. Georg Huber bereitete hingegen den Neuanfang für das Straubinger Tagblatt vor: Am 12. August 1949 brachte er rechtzeitig zum Beginn des Gäubodenvolksfestes eine "unverkäufliche Probenummer" des Straubinger Tagblatts heraus - als "Nummer 1" des 89. Jahrgangs. Zehn Tage später hob die Militärregierung den Lizenzzwang der Zeitungen auf, womit auf dem Pressemarkt wieder der freie Wettbewerb eintreten konnte. So wie das Straubinger Tagblatt erschienen nach dem Erlass der Generallizenz viele "alte" Heimatzeitungen. Sie konnten sich aber zum Großteil gegen die inzwischen wirtschaftlich und politisch etablierte Lizenzpresse nicht mehr behaupten, gingen ein oder fusionierten mit den Lizenzzeitungen. 1951 bedienten in Bayern 20 ehemalige Lizenzverlage drei Viertel der Gesamtauflage von 1,61 Mio. Exemplaren, während die noch existierenden 119 Heimatzeitungen nur knapp 25 % des Auflagenanteils erreichten. Das Straubinger Tagblatt war hierbei die einzige größere, nicht lizenzierte Tageszeitung in Bayern, die sich nicht nur auf dem Markt halten, sondern als selbständiges Publikationsorgan auch auf Dauer durchsetzen konnte. Alle Konkurrenzzeitungen wie die Niederbayerischen Nachrichten (1947–1949), die Straubinger Post (eine Tochterzeitung der Landshuter Isar-Post, 1949) und die Straubinger Neue Presse (als Nebenausgabe von Kapfingers Passauer Neuen Presse, 1949-1952), stellten ihr Erscheinen ein. Die Passauer Neue Presse und das Straubinger Tagblatt teilten sich in der Folge Niederbayern in zwei Einflussgebiete auf.
Dass sich letztlich die Familie Huber durchsetzte, hat mehrere Gründe. Sie gab - so wie in nationalsozialistischer Zeit - ihr Recht auf das Straubinger Tagblatt nie auf. Nicht unterschätzen darf man hierbei ihre gesicherte finanzielle Situation, die sich mit Geschäftssinn und -taktik paarte: Man bezahlte Konkurrenten aus und bereitete - gestützt auf eine hervorragend ausgestattete Druckerei und treues Fachpersonal - die Wiederbegründung des Straubinger Tagblatts geschickt vor.
Expansion und Modernisierung seit den 1950er Jahren
Verleger Georg Huber investierte laufend in moderne Drucktechnik, z. B. 1955 in die Einführung des Lino-Quick-Systems mit vier derartigen Setzmaschinen, und erweiterte das Zeitungsgeschäft. Zum 1. Januar 1951 pachtete er den Verlag der Landshuter Zeitung mit der Thomann'schen Buch- und Kunstdruckerei in der niederbayerischen Regierungsstadt; 1974 schließlich erwarb man die Zeitung von der letzten Vertreterin der Gründerfamilie Käthe von Zabuesnig. 1952 wurde die Landauer Zeitung und 1955 die Vilsbiburger Zeitung (in Nachfolge der 1938 letztmals erschienenen Vilstaler Zeitung) ins Leben gerufen, 1959 mit der Wälischmiller Druck- und Verlags GmbH eine Kooperation zur Herausgabe des 1922 von Heinrich und Franz Wälischmiller gegründeten Dingolfinger Anzeigers geschlossen. Ebenfalls 1959 ging die Landshuter Zeitung eine Arbeitsgemeinschaft mit der Mainburger Zeitung ein, die nun unter dem Titel Hallertauer Zeitung erschien (1999 gingen die Anteile der Pinsker-Zeitungsverlag GmbH an der Hallertauer Zeitung an die Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung über). 1960 wurden in Deggendorf der Plattlinger Anzeiger (seit 2004 in Deggendorf Donau-Anzeiger) und 1967 die Chamer Zeitung gegründet. 1968 übernahm die Landshuter Zeitung die seit 1880 bestehende Moosburger Zeitung.
1963 trat Hermann Balle (geb. 1937), der ein Jahr vorher Christa, die Tochter von Georg Huber, geheiratet hatte, in die Verlagsleitung ein. Das Ehepaar trug gemeinsam die wirtschaftliche und verlegerische Verantwortung. Balle engagierte sich u. a. von 1966 bis 2006 im Aufsichtsrat der Deutschen Presseagentur (dpa) und von Juni 1995 bis Mai 2007 als erster Vorsitzender des Verbandes bayerischer Verleger. 2004 erhielt er die Ehrenbürgerwürde der Stadt Straubing, da er sich unter anderem maßgeblich für die Gründung des Kompetenzzentrums für Nachwachsende Rohstoffe und damit für Straubing als Hochschulstandort engagiert hatte. Die Familientradition setzt Sohn Martin Balle (geb. 1963) fort, der seit 1995 im Verlag tätig und seit 2002 persönlich haftender Gesellschafter ist.
Man begann sich im Lokalrundfunk und –fernsehen zu engagieren: Die erste Sendung des Straubinger Lokalradios AWN startete am 11. September 1987 vom Tagblattgebäude aus; am 1. Oktober 1988 folgte Unser Radio Deggendorf, an dem die Verlagsgruppe Landshuter Zeitung/Straubinger Tagblatt ebenfalls beteiligt war. Am 19. Juli 1994 startete Donau-TV; weitere Beteiligungen existieren seit 1990 am Regionalfernsehen Landshut und seit 1996 an TVA Regensburg. Die Internetpräsenz setzte am 13. Dezember 1996 ein (www.idowa.de). Die im Bezug kostenlosen Anzeigenblätter wurden gegründet: 1990 Landshut aktuell und Chamland aktuell, 1991 Gäuboden aktuell, 1992 Deggendorf aktuell, 1994 Isar aktuell, 1999 Moosburg aktuell, 2005 Sonntag aktuell, 2007 Viechtach aktuell. Seit 1992 gibt der Verlag Attenkofer belletristische und sachbezogene Publikationen zur niederbayerischen Region heraus. Im Dezember 1997 wurde die Benefiz-Aktion "Freude durch Helfen" des "Straubinger Tagblatts" eröffnet und unterstützt seitdem bedürftige Menschen sowie soziale und karitative Einrichtungen der Region (beispielsweise das Frauenhaus Straubing, Klinik-Clowns in Seniorenheimen). Im März 2006 nahm Idomail, der Post-Service für Privat- und Geschäftskunden, den Betrieb auf; seit 2011 firmiert er als Idopost GmbH.
In der Drucktechnik erfolgte die Umstellung vom Bleisatz über den Fotosatz auf den digitalen Lichtsatz. 1991 wurde im Süden Straubings ein neues Druckzentrum in Betrieb genommen, das 2010 um eine Nassoffsetrotationsmaschine "Commander CT" der Firma Koenig & Bauer erweitert wurde; damit können 45.000 Zeitungsexemplare mit 64 Seiten pro Stunde, nach Wunsch durchgängig farbig, gedruckt werden.
2010 feierten die Firma Cl. Attenkofer'sche Buch- und Kunstdruckerei. Verlagsbuchhandlung (KG) und das Straubinger Tagblatt das 150-jährige Jubiläum; den Festakt besuchte auch Bundespräsident Christian Wulff (geb. 1959, Bundespräsident 2010-2012). Im Betrieb waren zu diesem Zeitpunkt etwa 550 feste und 1.500 freie Mitarbeiter sowie 1.500 Zusteller beschäftigt. Die Akzidenzdruckerei erledigt Druckaufträge jeglicher Art. Im Verlag erscheinen 15 Tageszeitungen mit einer Wochenendauflage von über 143.000 Exemplaren (davon 96 % Abonnements), die 360.000 Leser erreichen. Neben den Hauptausgaben Straubinger Tagblatt (Auflage rund 29.000 Stück, wochentags: 48 Seiten stark, samstags: bis zu 100 Seiten) und Landshuter Zeitung werden folgende Bezirksausgaben verlegt:
- Allgemeine Laber-Zeitung
- Bogener Zeitung
- Chamer Zeitung (mit dem 2007 gegründeten Viechtacher Anzeiger)
- Dingolfinger Anzeiger
- Donau-Anzeiger
- Donau-Post
- Hallertauer Zeitung
- Kötztinger Zeitung
- Landauer Zeitung
- MoosburgerZeitung
- Plattlinger Anzeiger
- Rottenburger Anzeiger
- Vilsbiburger Zeitung
Verkaufsauflage des Straubinger Tagblatts im jeweils vierten Quartal. (Quelle: Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.)
Forschungs- und Quellenlage
Das 150-jährige Jubiläum im Jahr 2010 war Anlass zur Aufarbeitung der bisher in der bayerischen und deutschen Pressegeschichte vernachlässigten Geschichte des Straubinger Tagblatts, insbesondere seines Sonderwegs in der nationalsozialistischen Zeit. Das 2010 entdeckte Verlagsarchiv, das im Stadtarchiv Straubing aufbewahrt wird, bietet vor allem für die Pressegeschichte Bayerns in der Nachkriegszeit noch nicht ausgewertetes Quellenmaterial.
Literatur
- Cl. Attenkofer'sche Buch- und Kunstdruckerei von 1860 bis 2010. 150 Jahre Straubinger Tagblatt. Eine Chronik, hg. v. Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung, Straubing 2010.
- Heinrich Egner, Clemens Attenkofer (1838 bis 1866) und die Anfänge des "Straubinger Tagblatts". Ein Lebens- und Zeitbild, in: Cl. Attenkofer’sche Buch- und Kunstdruckerei von 1860 bis 2010. 150 Jahre Straubinger Tagblatt. Eine Chronik, hg. v. Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung, Straubing 2010, 49-81.
- Alois Fink, Straubinger Zeitungsgeschichte, ms. Dissertation München 1953.
- Frithjof Hecht, Die Durchsetzung der NSDAP als neuer Machtträger in der bayerischen Mittelstadt Straubing, in: Jahrbuch des Historischen Vereins Straubing 99 (1997), Straubing 1998, 321-446.
- Andreas Jobst, Pressegeschichte Regensburgs von der Revolution 1848/49 bis in de Anfänge der Bundesrepublik Deutschland, Regensburg 2002.
- Kurt Koszyk, Publizistik und Medien, in: Max Spindler/Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Band IV/2, München 2. Auflage 2007, 495-535.
- Dorit-Maria Krenn/Karl Blaume (Hg.), Attenkofer'sche Kinder-, Bilder- und Märchenbücher, Straubing 2002.
- Dorit-Maria Krenn, "Dem Feinde unserer Bewegung ein dreifaches 'Nieder'". Das Straubinger Tagblatt in nationalsozialistischer Zeit, in: Cl. Attenkofer’sche Buch- und Kunstdruckerei von 1860 bis 2010. 150 Jahre Straubinger Tagblatt. Eine Chronik, hg. v. Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung, Straubing 2010, 117-146.
- Dorit-Maria Krenn, "Endlich Pressefreiheit". Die Wiederbegründung des "Straubinger Tagblatts" 1949, in: Cl. Attenkofer’sche Buch- und Kunstdruckerei von 1860 bis 2010. 150 Jahre Straubinger Tagblatt. Eine Chronik, hg. v. Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung, Straubing 2010, 149-172.
- Gabriele Riffert/Patricia Schmidt-Fischbach, Das Straubinger Tagblatt, in: Hans Wagner/Ursula E. Koch/Patricia Schmidt-Fischbach (Hg.), Enzyklopädie der bayerischen Tagespresse, München 1990, 241-250.
- Gertraud Schraml, Die politischen Strömungen in Straubing, ms. Zulassungsarbeit Regensburg 1979.
- Heinrich Wurstbauer, Lizenzzeitungen und Heimatpresse in Bayern, ms. Dissertation München 1952.
- Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt, Landshuter Zeitung (Hg.), Cl. Attenkofer'sche Buch- und Kunstdruckerei von 1860 bis 2010. 150 Jahre Straubinger Tagblatt, eine Chronik, Straubing 2010.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Cl. Attenkofer'sche Kunst- und Buchdruckerei
Empfohlene Zitierweise
Dorit-Maria Krenn, Straubinger Tagblatt, publiziert am 26.11.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Straubinger_Tagblatt> (3.12.2024)