Schulpolitik (Weimarer Republik)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Die bayerische Schulpolitik der Weimarer Zeit prägten zwei höchst gegensätzliche Kultusminister, die antagonistische politisch-weltanschauliche Strömungen (Sozialismus, politischer Katholizismus) repräsentierten: Johannes Hoffmann (SPD, 1867-1930) und Franz Matt (BVP, 1860-1929). Im Mittelpunkt der von Hoffmann betriebenen Schulpolitik standen die das Volksschulwesen betreffenden Reformen zur Trennung von Schule und Kirche, während es im beruflichen und höheren Schulwesen nur zu geringfügigen Veränderungen kam. Hoffmanns kompromisslose, auf dem Verordnungsweg rasch durchgesetzte laizistische Schulpolitik traf im stark konfessionell geprägten Bayern auf zahlreiche Gegner. Sein Nachfolger Franz Matt korrigierte die Hoffmannschen Reformen: Er setzte die Rekonfessionalisierung des Schulwesens durch und stärkte den Einfluss der Kirchen auf die Volksschulen.
Regierung Eisner 1918/1919
Nachdem Kurt Eisner (USPD, 1867-1919) am 7./8. November 1918 König Ludwig III. (1845-1921, reg. 1912/13-1918) für abgesetzt erklärt und die Republik ausgerufen hatte, ernannte er den ehemaligen Pfälzer Volksschullehrer Johannes Hoffmann (SPD, 1867-1930) zum Kultusminister. Hoffmann war wie der weit überwiegende Teil der Sozialdemokratie von der Überzeugung getragen, dass Religion - ähnlich wie in Frankreich - als "Privatsache" anzusehen und daher Kirche und Staat (Schule) zu trennen seien. Damit würde der politische Umbruch auch zu einem kulturellen Aufbruch.
Hoffmann veranlasste schon kurz nach seinem Amtsantritt die Umbenennung des bisherigen Königlichen Staatsministeriums des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten in Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Diese Umbenennung war kennzeichnend für die neue Politik, deren Kernanliegen die Trennung von Kirche und Schule war. Dies zeigte sich auch kurze Zeit später, als am 15. November 1918 das schulpolitische Programm der neuen Regierung verkündet wurde, dessen wichtigste Anliegen die Trennung von Schule und Kirche, die fachmännische (nicht geistliche) Schulaufsicht, die Neuregelung der Gehalts- und Rechtsverhältnisse der Volksschullehrer, die Übernahme der Volksschullasten durch den Staat, die Reform der Lehrerbildung sowie organisatorische Änderungen im Schulbetrieb waren. Die Hauptsorge der Regierung galt jedoch der Konsolidierung des durch Kriegsfolgen beeinträchtigten Volksschulwesens.
Um im Schulbereich die Loslösung vom kirchlichen Einfluss zu vollziehen, setzte Hoffmann die Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht sowie die Bildung von Lehrerräten für das Volksschulwesen zur Ablösung einer autoritativen Schulleitung durch, was bei den Kirchen keine Klagen, bei der Lehrerschaft aber große Zustimmung auslöste. Zuvor war auch schon die geistliche Aufsicht über die Präparandenschulen aufgehoben worden. Die Bayerische Volkspartei (BVP), obwohl Nachfolgerin des Zentrums, erhob zu diesem Zeitpunkt gegen die genannten Verordnungen ebenso wenig Protest wie gegen die Abschaffung des obligatorischen Religionsunterrichts für alle Schüler. Auch das Recht der Volksschullehrer, keinen Religionsunterricht zu erteilen, wurde nicht in Frage gestellt. Dass es künftig in das Ermessen der Eltern gestellt werden sollte, ob ein Schüler den Religionsunterricht besuchen würde, traf beide Kirchen schwer in ihrem Selbstverständnis und veranlasste sie zu äußerst heftigen Protesten.
Regierungen Hoffmann 1919/1920
Nach dem Tod Eisners übernahm der Sozialdemokrat Hoffmann das Amt des Ministerpräsidenten und das des Kultusministers. Grundlage der zweiten Regierung Hoffmann war das "Bamberger Abkommen" von MSPD, BVP, Deutscher Demokratischer Partei (DDP) vom 30. Mai 1919, das u. a. die Aufhebung der Geistlichen Schulaufsicht als auch den "Religionserlass" vom 25. Januar 1919 billigte. Darüber hinaus ermächtigte das Abkommen die Regierung zur Regelung des Verhältnisses von Bekenntnis- und Simultanschulen sowie der Schulaufsichtsfrage.
Als Umsetzung dieser Koalitionsvereinbarung und in Anlehnung an die kommende Reichsverfassung erließ Hoffmann am 1. August 1919 eine Verordnung über die Bildung von Schulsprengeln, nach der es dem Mehrheitswillen der Erziehungsberechtigten überantwortet wurde, ob deren Kinder eine Bekenntnis- oder eine gemischt konfessionelle Schule besuchen sollten. Die Ausführungsbestimmungen der "Hoffmannschen Simultanschulverordnung" zeigten entgegen ihrem Wortlaut jedoch eindeutig die Tendenz, die Einrichtung von gemischtkonfessionellen Simultanschulen zu erleichtern.
Nachdem bereits die Regierung Eisner die dringlich gewordene Neuregelung der Gehalts- und Rechtsverhältnisse der Volksschullehrer in Aussicht gestellt hatte, wurden ein Volksschullehrer- und ein Schulbedarfsgesetz erarbeitet. Kernstück des Volksschullehrergesetzes war die Beschäftigung aller Volksschullehrkräfte als Staatsbeamte. Weiterhin wurden die bisher zwischen Lehrerinnen und Lehrern bestehenden besoldungsmäßigen Ungleichheiten ebenso beseitigt wie die Unterschiede der Besoldung auf dem Land und in der Stadt. Im zeitnah verabschiedeten Schulbedarfgesetz wurde festgelegt, dass für öffentliche Volksschulen kein Schulgeld erhoben werden durfte und die Gemeinden den Sachbedarf der Volksschulen zu bestreiten hatten.
Regierung Kahr 1920/21
Nach Übernahme der Regierungsverantwortung durch die konservative Landtagsmehrheit im März 1920 wurde unter Ministerpräsident Gustav von Kahr (BVP, 1862-1934) von dem neuen Kultusminister Franz Matt (BVP, 1860-1929) eine radikale Umkehr dieser Politik vollzogen und zunächst die "Simultanschulverordnung" faktisch außer Vollzug gesetzt. Damit blieb die Bekenntnisschule erneut die Regelschule (Ausnahmen: Pfalz, einige Städte). Die Aufhebung der Simultanschulverordnung war nur ein erster Schritt in dem Bemühen, die in der Ära Hoffmann geschaffenen schulpolitischen Fakten einer durchgreifenden Revision zu unterziehen. Kurze Zeit später schränkte Matt auch die bis dato jederzeit mögliche Abmeldung eines Schülers vom Religionsunterricht sehr ein, ebenso die Möglichkeit der Lehrer, keinen Religionsunterricht zu halten. Für Schüler und Lehrer galt fortan eine Frist von acht Tagen nach Schulbeginn, um zu erklären, dass sie keinen Religionsunterricht besuchen bzw. ihn nicht halten würden.
Bereits eine Woche nach Amtsantritt der Regierung Kahr hatte der Bayerische Landtag außerdem ein Gesetz zur Änderung des Volksschullehrergesetzes und des Schulbedarfgesetzes von 1919 beschlossen. Der entsprechende Gesetzentwurf war noch von der Regierung Hoffmann vorgelegt worden, um Forderungen der Reichsverfassung, z. B. der Aufhebung aller Sonderbestimmungen für weibliche Beamte (u. a. das Verehelichungsverbot für Volksschullehrerinnen), nachzukommen. Das Gesetz wurde von der konservativen Mehrheit in weiten Teilen umformuliert und anschließend in völlig veränderter Form verabschiedet. In der verabschiedeten Form war das Gesetz jedoch auch weiterhin nicht mit der Reichsverfassung vereinbar. Erst nach einer Entscheidung des Reichsgerichts im Mai 1921 wurden die bayerischen Beamtinnen ihren männlichen Kollegen zumindest formal gleichgestellt.
Regierung Lerchenfeld 1921/22
Da sich nach Ansicht Matts weder die kollegiale Schulleitung noch die neu geregelte Schulaufsicht und die Schulpflege bewährt hatten, brachte er 1922 unter der Regierung Lerchenfeld ein Gesetz über Schulpflege, Schulleitung und Schulaufsicht an den Volksschulen ein, das der Landtag nach heftigen Diskussionen im August 1922 verabschiedete. Nach dem neuen "Schulaufsichtsgesetz" sollte künftig wieder für jede Schule eine eigene Schulpflegschaft bestehen mit dem jeweiligen Pfarrvorstand als ständigem Mitglied. Statt der kollegialen Schulleitung wurde wieder die Einsetzung einer autoritativen Schulleitung sowie eines Bezirksschulrats festgelegt, der ausschließlich vom Kultusministerium und ohne Mitwirkung der Lehrerschaft aus ihr zu bestimmen war.
Regierungen Knilling und Held 1924-1933
Den Höhepunkt in dem Bemühen, die Hoffmannschen Schulreformen zu revidieren, waren das Bayerische Konkordat und die Verträge mit den evangelischen Kirchen, mit denen die "christliche Schule" endgültig gesichert werden sollte. Schulpolitischer Hauptpunkt dieser drei im Jahr 1925 zu einem Mantelgesetz zusammengefassten Verträge war die staatliche Verpflichtung, auf Antrag der Erziehungsberechtigten eine Bekenntnisschule einzurichten, auch wenn diese beispielsweise in einem überwiegend von Gläubigen der anderen Konfession bewohnten Gebiet lediglich in Form einer ungeteilten Schule geführt werden konnte. Damit wurde de facto die Bekenntnisschule wieder zur Regelschule.
Daneben wurde den Kirchen ein Recht auf Einflussnahme auf die Ausbildung und Anstellung von Lehrern an diesen Bekenntnisschulen zugestanden. Das Recht der Lehrkräfte, keinen Religionsunterricht zu erteilen, wurde unter Missachtung der Reichsverfassung de facto durch die Zusage der bayerischen Regierung aufgehoben, dass nur solche Lehrer angestellt würden, die geeignet und bereit seien, im Geiste des jeweiligen Bekenntnisses in verlässlicher Weise zu erziehen und Religionslehre zu unterrichten.
Um den Bestimmungen der Reichsverfassung gerecht zu werden, wäre auch eine Revision der Ausbildung der Volksschullehrer notwendig gewesen, da diese bislang noch nicht nach den Grundsätzen für die höhere Bildung (in der Regel an einer Universität) geregelt war. In der zu diesem Zweck eingerichteten Reichsschulkonferenz kam es jedoch zu keiner Einigung, nicht zuletzt deswegen, weil Bayern ein Hochschulstudium für Volksschullehrer entschieden ablehnte und zudem seit dem Abschluss des Konkordats die konfessionelle Lehrerbildung an einer Lehrerbildungsanstalt auch gesetzlich festgeschrieben war.
Nachdem Franz Matt im Oktober 1926 aus gesundheitlichen Gründen vom Amt zurückgetreten war, ernannte Ministerpräsident Heinrich Held (BVP, 1868-1938) den bisherigen Ministerialrat im Kultusministerium Franz X. Goldenberger (BVP, 1867-1948) zum neuen Kultusminister. Unter ihm kam mit der Einbringung verschiedener Gesetzesvorlagen zwar erneut Bewegung in die Frage der Lehrerbildung; diese Bemühungen führten letztendlich aber zu keinem Ergebnis. Die unter Matt eingeleitete Rekonfessionalisierung des Schulwesens konnte sich etablieren.
Literatur
- Diethard Hennig, Johannes Hoffmann. Sozialdemokrat und bayerischer Ministerpräsident. Biographie, München u. a. 1990.
- Hubert Buchinger, Die Schule in der Zeit der Weimarer Republik, in: Max Liedtke (Hg.), Handbuch der Geschichte des Bayerischen Bildungswesens. Band 3, Bad Heilbrunn 1997, 15-75.
- Lydia Schmidt, Kultusminister Franz Matt (1920-1926), Schul-, Kirchen- und Kunstpolitik in Bayern nach dem Umbruch von 1918 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 126), München 2000.
Weiterführende Recherche
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Empfohlene Zitierweise
Lydia Großpietsch, Schulpolitik (Weimarer Republik), publiziert am 07.05.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Schulpolitik_(Weimarer_Republik) (10.12.2024)