Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Weimarer Republik)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
1847 begründetes Ministerium, das schon bei seiner Einrichtung am Münchner Salvatorplatz angesiedelt wurde und in dessen Kompetenzbereich das gesamte Bildungswesen sowie Kirchenfragen gehörten. In der Zeit der Weimarer Republik führte das Ministerium den Namen "Staatsministerium für Unterricht und Kultus". Es wurde von drei verschiedenen Ministern geleitet: 1918-1920 von Johannes Hoffmann (SPD, 1867-1930), auf den 1920-1926 Franz Matt (BVP, 1860-1929) und dann bis 1933 Franz X. Goldenberger (BVP, 1867-1948) folgten. Während Hoffmann auf eine strikte Trennung von Staat und Kirche hinarbeitete, setzte Matt das Mantelgesetz durch, das das mit der katholischen Kirche abgeschlossene Konkordat sowie die mit den evangelischen Landeskirchen vereinbarten Kirchenverträge zusammenschloss und den Kirchen weitgehenden Einfluss auf das Schulwesen einräumte. Goldenberger führte im Wesentlichen Matts Politik fort.
Geschichte
Das bayerische Kultusministerium, Nachfolgeinstitution des die Kirchenhoheit ausübenden "Geistlichen Rat" (1570 begründet) und des "Departement für Geistliche Angelegenheiten" (seit 1764), geht in seiner Konzeption auf Maximilian von Montgelas (1759-1838) zurück. König Ludwig I. (1786-1868, reg. 1825-1848) nahm ab 1847 die Kompetenzen für die kirchlichen Angelegenheiten aus dem bisherigen Innenministerium heraus und übertrug sie einem eigenen Ministerium. Noch im selben Jahr wurde das neu geschaffene Ministerium um den Bildungs- und Erziehungsbereich erweitert und führte von nun an den Namen "Königliches Ministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten". Mit einer kurzen Unterbrechung besteht es seither durchgehend, in den Jahren 1918-1986 firmierte es unter der Bezeichnung (Bayerisches) Staatsministerium für Unterricht und Kultus.
Aufgaben
Die Zuständigkeit des Kultusministeriums in der Weimarer Zeit war weit gespannt; sie reichte von Universitäten über alle Arten von weiterführenden Schulen und Spezialschulen bis zu Volksschulen und Lehrerbildung, von Bibliotheken und Museen bis zur Jugendfürsorge. Schließlich war das Ministerium aus seiner ursprünglichen Tradition heraus auch verantwortlich für das katholische und das protestantische Kirchenwesen einschließlich der Stiftungen. Mit all diesen Aufgaben waren in den 1920er Jahren insgesamt ca. 80 Personen befasst.
Kultusminister Johannes Hoffmann
Nach dem Umsturz vom 7./8. November 1918 einigten sich SPD und USPD bei der Bildung der Regierung von Kurt Eisner (USPD, 1867-1919) darauf, den SPD-Politiker Johannes Hoffmann (1867-1930) zum neuen Kultusminister zu berufen. Mit ihm wurde erstmals kein Jurist, sondern ein ehemaliger Volksschullehrer mit der Leitung des Ministeriums betraut. Hoffmann veranlasste die Umbenennung in "Staatsministerium für Unterricht und Kultus", er setzte die Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht sowie des obligatorischen Religionsunterrichts in den staatlichen Volksschulen durch. Mit dem Volksschullehrergesetz gelang eine dauerhafte, völlige Neuordnung des schulischen Dienst- und Besoldungsrechts (siehe auch Schulpolitik). Die in Anlehnung an die kommende Reichsverfassung durchgesetzte "Simultanschulverordnung" wurde von Hoffmanns Nachfolger umgehend wieder aufgehoben (vgl. Gemeinschaftsschule).
Kultusminister Franz Matt
Am 17. März 1920 berief der neu ernannte Ministerpräsident Gustav von Kahr (BVP, 1862-1934) den katholischen, langjährigen Verwaltungsbeamten im Kultusministerium Franz Matt (BVP, 1860-1929) zum Nachfolger Hoffmanns im Amt des Kultusministers. Matt hob die meisten Verordnungen seines Vorgängers wieder auf - bereits am 22. Juni 1920 wurde die Bekenntnisschule wieder zur Regelschule erklärt -, er ordnete die Schulaufsicht neu und musste schließlich auf Anweisung des Reiches auch verheiratete Volksschullehrerinnen zum Schuldienst zulassen.
Im Bereich des Schwerpunkts "Kultus" schloss Matt 1924/25 nach mehrjährigen Verhandlungen im Rahmen eines Mantelgesetzes mit dem Heiligen Stuhl das Konkordat und mit den evangelischen Kirchen die Kirchenverträge. Das Konkordat sicherte der katholischen Kirche nach außen den Schutz durch den Staat zu bei gleichzeitiger völliger Unabhängigkeit nach innen, beispielsweise bei der Bischofsernennung. Die Verträge mit den evangelischen Landeskirchen garantierten diesen im Rahmen von Verwaltungsverträgen die Eigenständigkeit gegenüber dem Staat und erhoben sie erneut in den Rang von privilegierten Religionsgemeinschaften. Mit dem Abschluss der Verträge war Bayern beispielgebend für spätere Konkordate (z. B. Preußen 1929, Baden 1932) und Kirchenverträge (z. B. Preußen 1931, Baden 1932) einzelner deutscher Länder.
Kultusminister Franz X. Goldenberger
Nachdem Matt aus gesundheitlichen Gründen vom Amt zurückgetreten war übernahm der langjährige Ministerialdirektor im Kultusministerium Franz Xaver Goldenberger (BVP, 1867-1948), ebenfalls katholischer Jurist, am 9. November 1926 die Leitung des Ministeriums. Die schon von Matt auf den Weg gebrachte Schulordnung mit Schülersatzung schloss er im Jahr 1928 ab. Sie erlangte noch im selben Jahr Gesetzeskraft. Die Nationalsozialisten brachte er gegen sich auf, indem er zahlreiche Mitglieder des Nationalsozialistischen Lehrerbunds aus dem Schuldienst entließ. Goldenbergers Amtszeit endete am 15. März 1933; bald darauf wurde er von den neuen Machthabern für mehrere Wochen inhaftiert. Sein Nachfolger wurde am 16. März 1933 der Reichswalter des Nationalsozialistischen Lehrerbunds, Hans Schemm (NSDAP, 1891-1935).
Beamtenschaft
Der Übergang von der Monarchie zur Republik innerhalb der Beamtenschaft des Kultusministeriums erfolgte problemlos. Die Beamten stellten sich "zur Vermeidung eines allgemeinen Chaos" unmittelbar nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte der neuen Regierung zur Verfügung, allerdings "unter Wahrung unserer Gesinnung und Überzeugung" (schriftliche Erklärung aller Beamten im Kultusministerium vom 11. November 1918, Bayerisches Hauptstaatsarchiv MK 19135). Diese Formulierung zwang niemanden, seine monarchische Haltung aufzugeben oder zu verleugnen.
Trotz der Umbenennung des Ministeriums ließ der sozialdemokratische Kultusminister Hoffmann die innere Struktur des Ministeriums unangetastet. Die Beamten behielten ihre jeweiligen Zuständigkeiten, alle 13 Referenten arbeiteten in ihren bisherigen Funktionen weiter. Auch nach der Übernahme der Regierungsverantwortung durch die konservative Landtagsmehrheit schied kein einziger Beamter aus eigenem Entschluss aus. Beides ist ein Indiz dafür, dass der Übergang von der monarchischen zur revolutionären und später auch zur republikanischen Verwaltung wie überall reibungslos vonstatten ging.
Organisation des Ministeriums
Während die personelle Besetzung in der gesamten Zeit der Weimarer Republik von großer Kontinuität geprägt war, wurde das Ministerium selbst 1922 umfassend neu organisiert.
Die Gründe für die Verwaltungsreform sind u. a. darin zu sehen, dass durch die Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht und die Neuorganisation der evangelischen Landeskirchen einige Verwaltungsaufgaben entfielen, andererseits erwuchsen dem Ministerium durch die Auflösung der Hofverwaltung auch neue Geschäftsbereiche, beispielsweise die Verwaltung der ehemals königlichen Sammlungen und Liegenschaften. Wichtigste Neuerung war hierbei die Einrichtung eines eigenen Referats für das weibliche Erziehungswesen. Zuständige Referentin wurde die streng antisozialistische und katholische Marie von Gebsattel (1885-1958), wogegen sowohl der Bayerische Volksschullehrerinnen-Verein als auch der Bayerische Volksschullehrer-Verein heftig protestierten.
Name | Partei | Lebensdaten | Amtszeit | Bemerkungen | Porträt |
---|---|---|---|---|---|
Johannes Hoffmann | SPD | 1867-1930 | 8. November 1918 - 14. März 1920 | ||
Franz Matt | BVP | 1860-1929 | 17. März 1920 - 11. Oktober 1926 | ||
Staatsrat Jakob Korn | 1873-1938 | 11. Oktober - 8. November 1926 | interimistische Leitung | ||
Franz X. Goldenberger | BVP | 1867-1948 | 9. November 1926 - 15. März 1933 | seit 20. August 1930 geschäftsführend |
Literatur
- Diethard Hennig, Johannes Hoffmann. Sozialdemokrat und bayerischer Ministerpräsident. Biographie, München u. a. 1990.
- Hermann Rumschöttel, Geschichte des bayerischen Kultusministeriums von der Errichtung bis zum Ende des zweiten Weltkriegs, in: Tradition und Perspektive. 150 Jahre Bayerisches Kultusministerium, München 1997, 45-101.
- Lydia Schmidt, Kultusminister Franz Matt (1920-1926). Schul-, Kirchen- und Kunstpolitik in Bayern nach dem Umbruch von 1918 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 126), München 2000.
Weiterführende Recherche
Externe Links
Verwandte Artikel
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- Bekenntnisschule
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- Religionsunterricht (Weimarer Republik)
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- Schulpolitik (Weimarer Republik)
- Schulwesen (Weimarer Republik)
Kultusministerium, Kultusminister
Empfohlene Zitierweise
Lydia Großpietsch, Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Weimarer Republik), publiziert am 02.11.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Staatsministerium_für_Unterricht_und_Kultus_(Weimarer_Republik) (06.12.2024)