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Amerikahäuser

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Außenansicht Amerikahaus München, Standort Arcisstr., 1952. (Bayerisch-Amerikanisches Zentrum im Amerika Haus München e.V.)
Bibliothek im Amerikahaus, München 1957. (Foto: Bayerisch-Amerikanisches Zentrum im Amerika Haus München e.V.)
Abschied im Amerikahaus, Fränkische Presse, Nr. 229/9. Jg., Freitag, 02. Oktober 1953.
Nordost-Ansicht des Münchner Amerikahauses mit dem Karolinenplatz im Vordergrund. (Foto: Amerikahaus München)
Außenansicht des Amerikahauses Hof, 1954. (Foto: Stadtarchiv Hof)
Außenansicht des Amerikahauses in Nürnberg, Gleißbühlstraße 13, 1956. (Foto: Amerikahaus Nürnberg)
Büchermobil des Amerikahauses Nürnberg, 1950er Jahre. (Foto: Amerikahaus Nürnberg)
Stand des Amerikahauses Hof auf der Gewerbeschau Hof, 1955. (Foto: Stadtarchiv Hof)

von Reinhild Kreis

Als Einrichtungen der Reorientation-Politik der USA nach dem Zweiten Weltkrieg erlangten die Amerikahäuser große Bekanntheit und Beliebtheit. Seit den frühen 1950er Jahren standen sie im Dienst der auswärtigen Kultur- und Informationspolitik der USA in der Bundesrepublik – teils als rein amerikanisch finanzierte Amerikahäuser, teils als binationale Deutsch-Amerikanische Institute. Sie entwickelten sich zu Symbolorten für "Amerika" im lokalen Kontext und widmen sich bis heute der Pflege der deutsch-amerikanischen Beziehungen.

Gründung

Die Amerikahäuser gehen auf Information Centers zurück, die von der amerikanischen Militärregierung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als interne Informationsstellen für ihr Personal gegründet wurden. Erst mit ihrer offiziellen Aufnahme in das Reorientation-Programm durch die Besatzungsdirektive JCS 1779 im Juli 1947 wurden die Einrichtungen schnell zu wichtigen Elementen der amerikanischen Besatzungspolitik. Bis in die frühen 1950er Jahre erfolgte ein rascher Ausbau des Amerikahaus-Netzes in allen drei westlichen Besatzungszonen, sodass 1953 in der Bundesrepublik 36 Amerikahäuser mit etwa 130 angeschlossenen Lesesälen in kleineren Städten existierten. In Bayern bestanden solche Häuser – überwiegend 1946 oder 1947 gegründet – in Augsburg, Bamberg, Bayreuth, Coburg, Erlangen, Hof, München, Nürnberg, Passau, Regensburg und Würzburg; hinzu kamen Zweigstellen. Woher der Name "Amerikahäuser" kommt, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei klären. Meist wird darauf verwiesen, es sei die deutsche Bevölkerung gewesen, die sich in Umfragen für diesen Namen und gegen eine englischsprachige Bezeichnung ausgesprochen habe.

Ziele und Aufgaben während der Besatzungszeit

Als Elemente des Reeducation- bzw. Reorientation-Programms der USA sollten die Amerikahäuser demokratisches Gedankengut in der deutschen Bevölkerung fördern und ein positives Bild der USA, ihrer Politik, Geschichte, Werte und Kultur vermitteln. Mit dem beginnenden Kalten Krieg trat ab 1947 eine dezidiert antikommunistische Ausrichtung des Programms hinzu. In der Bevölkerung waren die Amerikahäuser sehr beliebt - im Gegensatz zu anderen Maßnahmen der Reeducation-Politik wie beispielsweise der Vorführung von Filmen über die Konzentrationslager oder der Versuche, das dreigliedrige Schulsystem abzuschaffen. Die Amerikahäuser wurden meist nicht als Propagandaeinrichtungen sondern als Kulturzentren wahrgenommen, was ganz im Sinne der USA war. In vielen Städten waren sie die ersten wieder funktionsfähigen Kultureinrichtungen.

Im Zentrum ihres Angebots stand die Bibliothek, darüber hinaus gab es Vorträge, Diskussionsveranstaltungen, Konzerte, Theater- und Filmvorführungen sowie Ausstellungen. Das inhaltliche Spektrum umfasste politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Themen. "Bookmobiles" – fahrende Bibliotheken – versorgten ländliche Gebiete. Der in der Öffentlichkeit teilweise gebrauchte Ausdruck "Window to the West" verweist auf die Funktion der Amerikahäuser, die westdeutsche Bevölkerung nach dem Krieg wieder in Kontakt mit westlicher, insbesondere amerikanischer Kultur zu bringen. Die Demokratievermittlung erfolgte nicht nur über die Themensetzungen, sondern auch über die Präsentations- und Programmformate. Beispiele sind das Freihandsystem in der Bibliothek, in der sich die Besucher ihre Bücher selbst auswählen konnten, oder die hohe Zahl an Diskussionsveranstaltungen, die der deutschen Bevölkerung die Prinzipien des demokratischen Meinungsaustausches nahebringen sollten. Auch in der Architektur der teilweise eigens errichteten Bauten für die Amerikahäuser kam das demokratische Element zum Ausdruck. Sie sollten offen, transparent und zugänglich sein.

Von der Reeducation zur auswärtigen Kultur- und Informationspolitik

Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) 1949 und dem Ende des Besatzungsstatuts 1955 änderten sich die Rahmenbedingungen, unter denen die Amerikahäuser operierten. Der besiegte und besetzte Staat erlangte seine Souveränität schrittweise zurück und wurde zum Bündnispartner der USA in der NATO. Mit diesen Veränderungen ging zu Beginn der 1950er Jahre ein rascher Abbau der Amerikahäuser einher. In Bayern blieben nur die Amerikahäuser in München, Nürnberg und Regensburg bestehen, während die übrigen Häuser und Lesesäle geschlossen wurden. 1955 ging auch die Zuständigkeit für die Amerikahäuser von der amerikanischen Militärregierung auf die United States Information Agency (USIA) über. Die organisatorischen Strukturen in der Bundesrepublik glichen nun denen der amerikanischen Kulturdiplomatie in anderen Staaten.

Die Amerikahäuser wandelten sich somit von Instrumenten der Reeducation zu Einrichtungen der amerikanischen auswärtigen Kultur- und Informationspolitik in der Bundesrepublik. Unter den Vorzeichen des Ost-West-Konflikts bestand ihr Auftrag seit den 1950er Jahren vor allem darin, die Außenpolitik der USA zu flankieren und dazu beizutragen, die Bundesbürger für die westliche Allianz unter amerikanischer Hegemonie einzunehmen. Jenseits dieses grundsätzlichen Ziels richteten sich die amerikanischen Zielvorgaben für die Amerikahäuser nach den jeweils aktuellen Prioritäten der amerikanischen Regierung. So ging es zu Beginn der 1960er Jahre darum, die Bundesbürger beispielsweise für die europäische Integration, die NATO oder Entwicklungshilfe einzunehmen; später rückten Themen wie Energie- oder Sicherheitspolitik stärker in den Vordergrund. Ein weiteres Ziel war stets, den Bundesbürgern die USA auch als Kulturnation nahezubringen, sprachen viele Westeuropäer den USA diesen Status doch bis weit in die 1960er Jahre ab.

Umwandlung von Amerikahäusern in Deutsch-Amerikanische Institute

Als die USIA 1955 und vor allem 1961 ihr Budget für die Bundesrepublik kürzte und erneut Schließungen bevorstanden, sprangen in neun Städten das Auswärtige Amt, die Kultusministerien der Länder sowie die betroffenen Kommunen ein und übernahmen einen Teil der Finanzierung, um die Häuser zu erhalten. Diese Amerikahäuser wurden in binationale Institute in Form von eingetragenen Vereinen umgewandelt, die unter dem Namen Deutsch-Amerikanische Institute (DAI) firmierten. In Bayern waren die Amerikahäuser Nürnberg und Regensburg betroffen. Wie die rein amerikanisch finanzierten Amerikahäuser betrieben sie weiterhin Kultur- und Informationspolitik nach den Vorgaben der USIA. Ihre Finanzierung und Teile der Verwaltungsarbeit waren aber nun deutsch-amerikanisch organisiert.

Amerikahäuser als Teil des Kulturlebens und als Symbolorte für "Amerika"

In den Anfangsjahren ging es darum, möglichst die gesamte Bevölkerung zu erreichen, sodass sich spezielle Programme an Kinder, Frauen, Studierende etc. wandten. Ihr Ziel erreichten sie dabei nur teilweise: Ganz überwiegend besuchten gebildetere Stadtbewohner die Häuser; andere Bevölkerungsgruppen kamen weitaus seltener. Spätestens ab den 1960er Jahren fokussierten das Programm und die Einladungspraxis dann ohnehin auf ein gebildeteres Publikum und auf Multiplikatoren. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich nicht nur die Funktion der Amerikahäuser gewandelt, sondern auch ihre Bedeutung für die westdeutsche Gesellschaft. Die Amerikahäuser waren nun Teil einer längst wieder funktionierenden und sich allmählich modernisierenden westdeutschen Kulturlandschaft und hatten nicht mehr die hohe Prägekraft der ersten Nachkriegsjahre.

Die Direktoren der Amerikahäuser/DAI verkörperten als US-Bürger das amerikanische Element in ihrer Person. Sie waren dafür verantwortlich, die Vorgaben der USIA vor Ort umzusetzen, übernahmen repräsentative Aufgaben und vernetzten sich im politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Umfeld ihres jeweiligen Hauses. Die Amerikahäuser unterhielten von Anfang an enge Verbindungen mit deutschen Institutionen, Gruppen und Personen, die auf vielfältige Weise in das Programm eingebunden waren und als Kooperationspartner fungierten.

Vielerorts standen die Häuser als Symbolorte stellvertretend für "Amerika" im positiven wie im negativen Sinne. So standen nach der Ermordung John F. Kennedys (1917-1963) 1963 die Menschen vor den Amerikahäusern/DAI Schlange, um sich in Kondolenzbücher einzutragen. Während der 68er-Proteste waren die Häuser hingegen in der ganzen Bundesrepublik Ziel vieler Proteste, insbesondere gegen den Vietnamkrieg. Gerade in der Zeit der Studentenproteste wählten aber auch Politiker und Bürger die Amerikahäuser/DAI, um dort durch Gegenkundgebungen oder demonstrative Präsenz ihre Verbundenheit mit den USA zum Ausdruck zu bringen. Über Jahrzehnte hinweg nutzten Politiker, Bürger und Institutionen die Häuser, um ihre Haltung gegenüber den USA sichtbar zum Ausdruck zu bringen.

Rückzug der USA nach dem Ende des Ost-West-Konflikts

Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts zog sich die USIA schrittweise aus der Finanzierung der Amerikahäuser und DAI zurück, bis die Behörde 1999 ganz aufgelöst wurde. Das DAI Regensburg, das bereits seit 1966 ohne amerikanische Mittel auskommen musste, schloss 1999. Das Amerikahaus München sowie das DAI Nürnberg blieben jedoch – wie auch einige andere Amerikahäuser und DAI in der Bundesrepublik – als Stätten zur Pflege der deutsch-amerikanischen Begegnung unter deutscher Federführung bis heute erhalten. Dabei mussten für jeden Standort individuelle Finanzierungs- und Trägermodelle gefunden werden. Wie groß die historische Bedeutung ist, die den Amerikahäusern in der Bundesrepublik nach wie vor zugeschrieben wird, wurde in den Auseinandersetzungen um den möglichen Umzug des Amerikahauses München in den Jahren 2012/13 sichtbar. Mit Verweis auf die Bedeutung des Hauses in den Anfangsjahren sowie auf seine aktuellen Funktionen als Schnittstelle der bayerisch-amerikanischen Beziehungen setzte sich ein breites Bündnis für den Verbleib des Hauses in seinem angestammten Sitz am Karolinenplatz ein.

Dokumente

Literatur

  • Ute Bechdolf/Christiane Pyka (Hg.), Politics and Pop. People and Partnership. 50 Jahre Deutsch-Amerikanisches Institut Tübingen (Tübinger Kataloge 64), Tübingen 2002.
  • Doris Dedner/Richard Humphrey, "Ein Stück Freiheit". Das Gießener Amerika-Haus 1947-1953 (Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen. Beiheft 1), Gießen 2005.
  • Maritta Hein-Kremer, Die amerikanische Kulturoffensive. Gründung und Entwicklung der amerikanischen Information-Centers in Westdeutschland und West-Berlin 1945-1955 (Beiträge zur Geschichte der Kulturpolitik 6), Köln 1996.
  • Robert Koenig, Amerika Haus 1945-1995. The First 50 Years, Bonn 1995.
  • Reinhild Kreis, Orte für Amerika. Deutsch-Amerikanische Institute und Amerikahäuser in der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren (Transatlantische Historische Studien 44), Stuttgart 2011.
  • Reinhild Kreis, Von der Reeducation zur Partnerschaft. Amerikahäuser und Deutsch-Amerikanische Institute in Bayern, in: Christoph Daxelmüller/Stefan Kummer/Wolfgang Reinicke (Hg.), Wiederaufbau und Wirtschaftswunder. Aufsätze zur Bayerischen Landesausstellung 2009 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 57), Augsburg 2009, 186-195.
  • Markus Mößlang, 50 Jahre Amerika Haus München. Eine kurze Chronologie des Amerika Hauses München, München 1996.
  • Axel Schildt, Zwischen Abendland und Amerika. Studien zur westdeutschen Ideenlandschaft der 50er Jahre (Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit 4), München 1999.
  • Nina Verheyen, Diskussionslust. Eine Kulturgeschichte des "besseren Arguments" in Westdeutschland (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 193), Göttingen 2010.

Weiterführende Recherche

Empfohlene Zitierweise

Reinhild Kreis, Amerikahäuser, publiziert am 13.05.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Amerikahäuser> (19.03.2024)