Kabinett Eisner, 1918/19
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Das Kabinett Eisner war die am 8. November 1918 von Kurt Eisner (1867-1919, USPD) gebildete Revolutionsregierung Bayerns. Ihre Mitglieder gehörten der USPD und SPD an oder waren parteilos. Die Regierung war Inhaberin der Exekutiv- und Legislativgewalt und blieb bis zur Ermordung Eisners am 21. Februar 1919 im Amt.
Ausgangslage: Der erfolgreiche Umsturz Eisners am 7./8. November 1918
Ausgehend von einer gemeinsamen Friedenskundgebung der SPD und der USPD auf der Theresienwiese in München, erstürmte eine kleine Gruppe von Demonstranten unter Führung Kurt Eisners (1867-1919) am Nachmittag des 7. Novembers 1918 die Münchner Kasernen, worauf sich anschließend im Mathäserbräu ein Arbeiter- und Soldatenrat konstituierte. Den Revolutionären gelang es bis zum späten Abend, die Ministerien und die wichtigsten öffentlichen Gebäude in ihre Hand zu bekommen.
Eine von Eisner verfasste Verlautbarung proklamierte noch in der Nacht Bayern als Freistaat und kündigte die unverzügliche Einsetzung einer vom Vertrauen der Massen getragenen Volksregierung an (Aufruf Eisners und des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrats "An die Bevölkerung Münchens", 8. November 1918, in: Bauer, Regierung Eisner, Dok. 2). Zu nennenswerter Gegenwehr der Organe der monarchisch-konstitutionellen Ordnung kam es an keiner Stelle. Die Revolution war in München im ersten Anlauf gelungen.
Entscheidung für Koalitionsregierung
Von dieser Entwicklung war auch die bayerische SPD überrumpelt worden. Ihr Landesvorsitzender Erhard Auer (1874-1945) hatte in der Nacht vom 7. zum 8. November darauf gewartet, dass es der alten Regierung doch noch gelingen werde, den Aufstand niederzuschlagen. Als diese Hoffnung sich nicht erfüllte, rang sich die SPD-Führung am Morgen des 8. Novembers in Beratungen mit den Münchner Gewerkschaften zu dem Entschluss durch, sich an der Bildung einer neuen Regierung zu beteiligen, um das Feld nicht allein den revolutionären Kräften um Eisner zu überlassen.
Eine Verhandlungskommission begab sich zu Eisner, der sich sofort zur Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten und auch mit bürgerlichen Kräften bereit erklärte unter der selbstverständlichen Voraussetzung, dass diese die neue republikanische Staatsform und die Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte als Träger der revolutionären Staatsgewalt anerkannten. Nach der grundsätzlichen Einigung über die Bildung einer Koalitionsregierung ging man daran, eine Ministerliste auszuhandeln.
Aber auch während dieser Verhandlungen blieb Auer in Kontakt mit hochrangigen Vertretern der königlichen Regierung und versicherte sie seiner Loyalität für den Fall, dass noch im Laufe des Vormittags eine konterrevolutionäre Aktion erfolgreich durchgeführt werden könnte.
Regierungsbildung
Den Verhandlungen über die Bildung einer gemeinsamen Provisorischen Regierung lag eine Ministerliste zugrunde, welche die SPD-Führer in ihrer internen Vorberatung erstellt hatten. Auf ihr figurierten mit alleiniger Ausnahme Kurt Eisners als Ministerpräsident nur Mehrheitssozialdemokraten: Erhard Auer für das Innere, Johannes Hoffmann (1867-1930) für Kultus, Albert Roßhaupter (1878-1949) für das Kriegsministerium, Johannes Timm (1866-1945) für die Justiz und Martin Segitz (1853-1927) für das neu zu schaffende Sozialministerium. Neben diesen 'politischen' Ministern waren auch zwei 'bürgerliche Fachleute' vorgesehen: Heinrich von Frauendorfer (1855-1921), ein typischer Vertreter der liberalen Ministerialbürokratie und Eisenbahnexperte, für das Verkehrsministerium, und Edgar Jaffé (1866-1921), Finanzfachmann und Professor an der Münchner Handelshochschule, für das Finanzministerium.
Eisner wollte und konnte die Ministerliste in dieser Einseitigkeit nicht akzeptieren. Er versuchte zunächst, seinen Gegner Auer von dem machtpolitisch so wichtigen Innenministerium fernzuhalten und auf diesem Posten seinen Vertrauten und Schwiegersohn Hans Unterleitner (1890-1971) zu platzieren, Mitbegründer der USPD und später deren Landessekretär. Damit konnte Eisner indes gegenüber den Mehrheitssozialdemokraten nicht durchdringen. Diese zwangen ihn vielmehr, Auer als Innenminister zu akzeptieren. Eisner erreichte im Gegenzug nur, dass nicht Auer, sondern der ihm politisch näher stehende Johannes Hoffmann sein Stellvertreter als Ministerpräsident wurde. Immerhin gelang es Eisner, mit Unterleitner als Minister für Soziale Fürsorge noch einen weiteren USPD-Vertreter ins Kabinett zu bringen. In dieser Zusammensetzung - vier SPD-Minister, zwei USPDler, zwei 'bürgerliche' Parteilose - reflektierte die Provisorische Regierung durchaus die institutionell schwache, weitgehend nur auf dessen revolutionärem Nimbus beruhende Stellung Eisners in der durch den Zusammenbruch der monarchischen Ordnung entstandenen neuen politischen Situation in Bayern.
Die Regierung der Revolution
Dieser Regierung, die Ministerpräsident Eisner am Nachmittag des 8. November 1918 dem Provisorischen Nationalrat vorstellte, gelang es in den folgenden Tagen und Wochen wie selbstverständlich, sich im Besitze der höchsten Staatsmacht zu etablieren.
Das am 15. November veröffentlichte Programm der neuen Regierung ("An das bayerische Volk!", 15. November 1918, in: Bauer, Regierung Eisner, Dok. 13) umriss die revolutionäre Verfassung des bayerischen Volksstaats als ein nicht näher bestimmtes Nebeneinander von "provisorischem Zentralparlament", "dem in der Regierung verkörperten Vollzugsausschuß" und den "beratenden Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräten". Angesichts der anhaltend scharfen politischen Gegensätze innerhalb der Regierung und insbesondere der feindseligen Haltung Auers gegenüber Eisner, die den Führer der bayerischen SPD in der so genannten Bürgerwehr-Affäre bis zum Paktieren mit den völkisch-rechtskonservativen, gegenrevolutionären Kräften um den späteren NSDAP-Fraktionsvorsitzenden im Bayerischen Landtag Rudolf Buttmann (1885-1947) trieb, bleibt es erstaunlich, dass die Regierung die erste Phase des revolutionären Übergangs vom Krieg zum Frieden in Bayern mit einigem Erfolg bewältigen konnte.
Was dieser Regierung an Autorität und politischer Macht zu Gebote stand, beruhte in letzter Instanz auf der nicht institutionalisierbaren, vielmehr stets von neuem einzuholenden, charismatisch begründeten Zustimmung, die Kurt Eisner persönlich als revolutionärer Führer bei den aus der Revolution hervorgegangenen Räten zu mobilisieren vermochte. Von daher war es historisch folgerichtig, dass die revolutionäre Regierung, die seit dem 8. November 1918 die oberste Gewalt in Bayern ausgeübt hatte, mit der Ermordung Kurt Eisners am 21. Februar 1919 aufhörte zu bestehen, auch wenn einzelne Minister geschäftsführend im Amt blieben.
Ministerium | Minister | Partei | Lebensdaten | Bemerkungen | Porträt |
---|---|---|---|---|---|
Äußeres | Kurt Eisner | USPD | 1867-1919 | Als Außenminister gleichzeitig auch Vorsitzender
des Gesamtministeriums (Ministerpräsident) |
|
Inneres | Erhard Auer | SPD | 1874-1945 | ||
Kultus | Johannes Hoffmann | SPD | 1867-1930 | Vizepräsident | |
Militärische Angelegenheiten | Albert Roßhaupter | SPD | 1878-1949 | ||
Justiz | Johannes Timm | SPD | 1866-1945 | ||
Soziale Fürsorge | Hans Unterleitner | USPD | 1890-1971 | ||
Finanzen | Edgar Jaffé | parteilos | 1866-1921 | ||
Verkehr | Heinrich von Frauendorfer | parteilos | 1855-1921 |
Literatur
- Bernhard Grau, Kurt Eisner 1867-1919. Eine Biographie, München 2001.
Quellen
- Franz J. Bauer, Die Regierung Eisner 1918/19. Ministerratsprotokolle und Dokumente (Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien I 10), Düsseldorf 1987.
- Übertragungen der kurzschriftlichen Aufzeichnungen des Staatsrates Dr. von Graßmann über die Ministerratssitzungen vom 14. November 1918 - 25. Februar 1919.
Weiterführende Recherche
Verwandte Artikel
- Bayerische Dokumente zum Kriegsausbruch und zum Versailler Schuldspruch, 1922
- Beisetzung Kurt Eisners, München, 26. Februar 1919
- Bürgerwehraffäre, 1918
- Kabinett Hoffmann I, 1919
- Kabinett Segitz, 1919
- Regierung von Jehovas Zorn, 1918
- Revolution, 1918/1919
- Sonderfriede, 1918/19
- Volksstaat Bayern
Regierung Eisner, Revolutionsregierung
Empfohlene Zitierweise
Franz J. Bauer, Kabinett Eisner, 1918/19, publiziert am 26.06.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kabinett_Eisner,_1918/19> (3.12.2024)