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Kabinett Eisner, 1918/19

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Kurt Eisner, Aufnahme von Germaine Krull, Anfang 1918, als Postkarte mit Aufdruck: "Ministerpräsident des Volksstaates Bayern". (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-917)
Arbeitszimmer von Kurt Eisner im Wittelsbacher Palais, Brienner Straße 50 in München. Über dem Schreibtisch hängt das Bild des ehemaligen bayerischen Königs Ludwig III. (1845-1921, König 1913-1918). Ludwig III. nutzte das einst für den bayerischen Kronprinzen errichtete Palais als Wohnsitz. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-5134)

von Franz J. Bauer

Das Kabinett Eisner war die am 8. November 1918 von Kurt Eisner (1867-1919, USPD) gebildete Revolutionsregierung Bayerns. Ihre Mitglieder gehörten der USPD und SPD an oder waren parteilos. Die Regierung war Inhaberin der Exekutiv- und Legislativgewalt und blieb bis zur Ermordung Eisners am 21. Februar 1919 im Amt.

Ausgangslage: Der erfolgreiche Umsturz Eisners am 7./8. November 1918

Ausgehend von einer gemeinsamen Friedenskundgebung der SPD und der USPD auf der Theresienwiese in München, erstürmte eine kleine Gruppe von Demonstranten unter Führung Kurt Eisners (1867-1919) am Nachmittag des 7. Novembers 1918 die Münchner Kasernen, worauf sich anschließend im Mathäserbräu ein Arbeiter- und Soldatenrat konstituierte. Den Revolutionären gelang es bis zum späten Abend, die Ministerien und die wichtigsten öffentlichen Gebäude in ihre Hand zu bekommen.

Eine von Eisner verfasste Verlautbarung proklamierte noch in der Nacht Bayern als Freistaat und kündigte die unverzügliche Einsetzung einer vom Vertrauen der Massen getragenen Volksregierung an (Aufruf Eisners und des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrats "An die Bevölkerung Münchens", 8. November 1918, in: Bauer, Regierung Eisner, Dok. 2). Zu nennenswerter Gegenwehr der Organe der monarchisch-konstitutionellen Ordnung kam es an keiner Stelle. Die Revolution war in München im ersten Anlauf gelungen.

Entscheidung für Koalitionsregierung

Von dieser Entwicklung war auch die bayerische SPD überrumpelt worden. Ihr Landesvorsitzender Erhard Auer (1874-1945) hatte in der Nacht vom 7. zum 8. November darauf gewartet, dass es der alten Regierung doch noch gelingen werde, den Aufstand niederzuschlagen. Als diese Hoffnung sich nicht erfüllte, rang sich die SPD-Führung am Morgen des 8. Novembers in Beratungen mit den Münchner Gewerkschaften zu dem Entschluss durch, sich an der Bildung einer neuen Regierung zu beteiligen, um das Feld nicht allein den revolutionären Kräften um Eisner zu überlassen.

Eine Verhandlungskommission begab sich zu Eisner, der sich sofort zur Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten und auch mit bürgerlichen Kräften bereit erklärte unter der selbstverständlichen Voraussetzung, dass diese die neue republikanische Staatsform und die Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte als Träger der revolutionären Staatsgewalt anerkannten. Nach der grundsätzlichen Einigung über die Bildung einer Koalitionsregierung ging man daran, eine Ministerliste auszuhandeln.

Aber auch während dieser Verhandlungen blieb Auer in Kontakt mit hochrangigen Vertretern der königlichen Regierung und versicherte sie seiner Loyalität für den Fall, dass noch im Laufe des Vormittags eine konterrevolutionäre Aktion erfolgreich durchgeführt werden könnte.

Regierungsbildung

Den Verhandlungen über die Bildung einer gemeinsamen Provisorischen Regierung lag eine Ministerliste zugrunde, welche die SPD-Führer in ihrer internen Vorberatung erstellt hatten. Auf ihr figurierten mit alleiniger Ausnahme Kurt Eisners als Ministerpräsident nur Mehrheitssozialdemokraten: Erhard Auer für das Innere, Johannes Hoffmann (1867-1930) für Kultus, Albert Roßhaupter (1878-1949) für das Kriegsministerium, Johannes Timm (1866-1945) für die Justiz und Martin Segitz (1853-1927) für das neu zu schaffende Sozialministerium. Neben diesen 'politischen' Ministern waren auch zwei 'bürgerliche Fachleute' vorgesehen: Heinrich von Frauendorfer (1855-1921), ein typischer Vertreter der liberalen Ministerialbürokratie und Eisenbahnexperte, für das Verkehrsministerium, und Edgar Jaffé (1866-1921), Finanzfachmann und Professor an der Münchner Handelshochschule, für das Finanzministerium.

Eisner wollte und konnte die Ministerliste in dieser Einseitigkeit nicht akzeptieren. Er versuchte zunächst, seinen Gegner Auer von dem machtpolitisch so wichtigen Innenministerium fernzuhalten und auf diesem Posten seinen Vertrauten und Schwiegersohn Hans Unterleitner (1890-1971) zu platzieren, Mitbegründer der USPD und später deren Landessekretär. Damit konnte Eisner indes gegenüber den Mehrheitssozialdemokraten nicht durchdringen. Diese zwangen ihn vielmehr, Auer als Innenminister zu akzeptieren. Eisner erreichte im Gegenzug nur, dass nicht Auer, sondern der ihm politisch näher stehende Johannes Hoffmann sein Stellvertreter als Ministerpräsident wurde. Immerhin gelang es Eisner, mit Unterleitner als Minister für Soziale Fürsorge noch einen weiteren USPD-Vertreter ins Kabinett zu bringen. In dieser Zusammensetzung - vier SPD-Minister, zwei USPDler, zwei 'bürgerliche' Parteilose - reflektierte die Provisorische Regierung durchaus die institutionell schwache, weitgehend nur auf dessen revolutionärem Nimbus beruhende Stellung Eisners in der durch den Zusammenbruch der monarchischen Ordnung entstandenen neuen politischen Situation in Bayern.

Die Regierung der Revolution

Kurt und Else Eisner zusammen mit Minister Hans Unterleitner auf dem Weg zum Landtag, Anfang 1919. Das Foto entstand auf dem Gehsteig vor dem Landtagsgebäude in Prannerstraße vermutlich in den ersten Januartagen 1919. Es zeigt Eisner nicht, wie manchmal zulesen, kurz vor seiner Ermordung am 21. Februar 1919. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-5137)

Dieser Regierung, die Ministerpräsident Eisner am Nachmittag des 8. November 1918 dem Provisorischen Nationalrat vorstellte, gelang es in den folgenden Tagen und Wochen wie selbstverständlich, sich im Besitze der höchsten Staatsmacht zu etablieren.

Das am 15. November veröffentlichte Programm der neuen Regierung ("An das bayerische Volk!", 15. November 1918, in: Bauer, Regierung Eisner, Dok. 13) umriss die revolutionäre Verfassung des bayerischen Volksstaats als ein nicht näher bestimmtes Nebeneinander von "provisorischem Zentralparlament", "dem in der Regierung verkörperten Vollzugsausschuß" und den "beratenden Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräten". Angesichts der anhaltend scharfen politischen Gegensätze innerhalb der Regierung und insbesondere der feindseligen Haltung Auers gegenüber Eisner, die den Führer der bayerischen SPD in der so genannten Bürgerwehr-Affäre bis zum Paktieren mit den völkisch-rechtskonservativen, gegenrevolutionären Kräften um den späteren NSDAP-Fraktionsvorsitzenden im Bayerischen Landtag Rudolf Buttmann (1885-1947) trieb, bleibt es erstaunlich, dass die Regierung die erste Phase des revolutionären Übergangs vom Krieg zum Frieden in Bayern mit einigem Erfolg bewältigen konnte.

Was dieser Regierung an Autorität und politischer Macht zu Gebote stand, beruhte in letzter Instanz auf der nicht institutionalisierbaren, vielmehr stets von neuem einzuholenden, charismatisch begründeten Zustimmung, die Kurt Eisner persönlich als revolutionärer Führer bei den aus der Revolution hervorgegangenen Räten zu mobilisieren vermochte. Von daher war es historisch folgerichtig, dass die revolutionäre Regierung, die seit dem 8. November 1918 die oberste Gewalt in Bayern ausgeübt hatte, mit der Ermordung Kurt Eisners am 21. Februar 1919 aufhörte zu bestehen, auch wenn einzelne Minister geschäftsführend im Amt blieben.

Mitglieder des Kabinetts
Ministerium Minister Partei Lebensdaten Bemerkungen Porträt
Äußeres Kurt Eisner USPD 1867-1919 Als Außenminister gleichzeitig auch Vorsitzender

des Gesamtministeriums (Ministerpräsident)

Kurt Eisner, Anfang 1918. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-920)
Inneres Erhard Auer SPD 1874-1945 Innenminister Erhard Auer (ca. 1919). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-69)
Kultus Johannes Hoffmann SPD 1867-1930 Vizepräsident Johannes Hoffmann, hier als Kultusminister Anfang 1919. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv, hoff-69854)
Militärische Angelegenheiten Albert Roßhaupter SPD 1878-1949 Albert Roßhaupter (1878-1949) war von November 1918 bis Februar 1919 "Minister für militärische Angelegenheiten". (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-3289)
Justiz Johannes Timm SPD 1866-1945 Justizminister Johannes Timm (1866-1945). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-69718)
Soziale Fürsorge Hans Unterleitner USPD 1890-1971 Hans Unterleitner (1890-1971). (Reichstags-Handbuch. 1. Wahlperiode 1920, Berlin 1920, 432)
Finanzen Edgar Jaffé parteilos 1866-1921 Edgar Jaffé (Minister 1866-1921). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv hoff-2351)
Verkehr Heinrich von Frauendorfer parteilos 1855-1921 Heinrich von Frauendorfer (1855-1921), Verkehrsminister 1904-1912 und 1918-1920. Fotografie von 1907. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-024512)

Literatur

  • Bernhard Grau, Kurt Eisner 1867-1919. Eine Biographie, München 2001.

Quellen

Weiterführende Recherche

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Regierung Eisner, Revolutionsregierung

Empfohlene Zitierweise

Franz J. Bauer, Kabinett Eisner, 1918/19, publiziert am 26.06.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Kabinett_Eisner,_1918/19> (3.12.2024)