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Königswürde (1806)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Der Landesherold Kajetan von Stürzer (1769-1830) ruft auf dem Münchner Marienplatz Max I. Joseph zum König von Bayern aus. Stich von Johann Michael Mettenleiter (1765-1853). (Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik/Gemälde)

von Ferdinand Kramer

Am 1. Januar 1806 verkündete der bisherige pfalzbayerische Kurfürst Max IV. Joseph (Kurfürst von Pfalzbayern 1799-1806, König von Bayern 1806-1825) in der Residenz in München, dass er sich entschlossen habe, den Titel eines "Königs von Baiern" anzunehmen und öffentlich proklamieren zu lassen. Die Königswürde war ein lange verfolgtes Ziel des bayerischen Herrscherhauses der Wittelsbacher, das zu diesem Zeitpunkt mit der Unterstützung des Kaisers der Franzosen, Napoleon I. (Erster Konsul 1799-1804, 1804-1814/15 Kaiser der Franzosen), und mit der Billigung Kaiser Franz II. (Römischer Kaiser 1792-1806, Kaiser von Österreich 1804-1835) realisiert werden konnte. Parallel zur Königswürde erhielt Bayern die volle Souveränität und Gebietserweiterungen. Die Königswürde verlor mit dem Ende der Monarchie 1918 und der folgenden Entbindung der Staatsbediensteten vom Eid auf den König ihre staatsrechtliche Bedeutung. Einen formellen Thronverzicht in Bayern hat das Haus Wittelsbach nicht erklärt.

Vorgeschichte

Die Vorgeschichte der Annahme der Königswürde durch den bayerischen Kurfürsten Max IV. Joseph (1752-1825, Kurfürst von Pfalzbayern 1799-1806, König von Bayern 1806-1825) und für das Land Bayern hat insofern eine spezifische Bedeutung, als die Krone ab dem 1. Januar 1806 auch mit dem Verweis auf eine ältere Königs-Tradition historisch legitimiert wurde. Mit der intensivierten historischen Forschung seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kannten die Zeitgenossen Quellen, die auf ein "regnum Bavariae" und einen "rex Baioariorum" im frühen Mittelalter verwiesen. Die seit 1180 mit Bayern und 1214 mit der Pfalz belehnten Wittelsbacher stellten mit Ludwig dem Bayern (reg. 1310-1347, ab 1314 dt. König, ab 1328 Kaiser), Ruprecht von der Pfalz (reg. 1398-1410 in der Pfalz, als römisch-deutscher König Ruprecht I. 1400-1410) und zuletzt mit Karl Albrecht (Kurfürst von Bayern 1726-1745, Kaiser 1742-1745) Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs. Zudem waren Wittelsbacher zeitweise u.a. in Böhmen und Ungarn, außerdem in Schweden, Norwegen sowie Dänemark Könige gewesen. Frauen aus dem Haus Wittelsbach waren mit Königen in zahlreichen europäischen Ländern vermählt worden. Entsprechend dokumentierten die Wittelsbacher ihren Anspruch auf königliche Würden in repräsentativen Bauten, wie im ausgehenden 16. Jahrhundert an der Fassade der Jesuitenkirche St. Michael oder mit der ab 1726 geschaffenen Ahnengalerie in der Residenz in München, wobei sie eine Traditionslinie zu Karl dem Großen (747-814, ab 800 Kaiser) konstruieren und Könige und Kaiser als Vorfahren darstellen ließen. Eine exponierte Stellung wies die Erinnerungspolitik des Hauses Wittelsbach Kaiser Ludwig dem Bayern zu.

Die Wittelsbacher strebten intensiviert nach der Königswürde seit neben den Habsburgern, die ab dem 15. Jahrhundert durchgehend Könige und Kaiser des Reiches stellten, dann auch das sächsische Haus Wettin 1697 für Polen, das Haus Hohenzollern 1701 für Preußen und das Haus Hannover 1714 für Großbritannien eine Krone erlangt hatten. Aussichtsreich, aber letztlich vergeblich bemühte sich Kurfürst Max Emanuel (reg. 1679-1726) für seinen Sohn um die Spanische Krone. Das in Folge der Erbfolgekrise im Haus Habsburg realisierte wittelsbachische König- und Kaisertum seines Sohnes Karl Albrecht (1742-1745) blieb ein Intermezzo. Eine mögliche Königswürde für die Wittelsbacher in den österreichischen Niederlanden oder gar in Galizien im Zusammenhang mit Ländertauschoptionen blieb letztlich eine vage Vorstellung, die während der bayerischen Erbfolgekrise bei der Vereinigung von Pfalz und Bayern (1778/79) aufkam.

Pläne für eine Königswürde für das Haus Wittelsbach und Bayern waren nicht nur Resultat dynastischer Ambitionen, sondern immer wieder auch der politischen Interessen europäischer Großmächte. In ihrer Konkurrenz versuchten sie wiederholt, Bayern und die Wittelsbacher mit der Aussicht auf eine Krone an ihre Seite zu ziehen. So lehnte Kurfürst Ferdinand Maria (reg. 1651-1679) ein entsprechendes Angebot Frankreichs zur Kaiserwahl ab, und Kurfürst Karl Theodor (1724-1799, Kurfürst von der Pfalz 1742-1777, Kurfürst von Pfalzbayern 1777-1799) ließ sich letztlich auf dergleichen Verlockungen von Seiten Österreichs 1778 ebenfalls nicht ein. Die angestrebte Königswürde war nicht ein alles andere überlagerndes Ziel. Dies galt auch 1805/06, als sich im Rahmen der Auseinandersetzungen Frankreichs und Napoleons (1769-1821, 1804-1814/15 Kaiser der Franzosen) mit dem Kaiser in Wien zugleich die Aussicht auf die Königswürde für Bayern bot.

Politischer Kontext

Im Vorfeld der Annahme der Königswürde hatte sich Pfalzbayern in den Kriegen mit dem revolutionären Frankreich nach vergeblichen Neutralitätsbemühungen zunächst an die Seite der antifranzösischen Koalition mit Österreich und Preußen gestellt. Nach mehreren Niederlagen der Koalition, dem Ausscheiden Preußens 1795 aus dem Krieg und der Abtretung linksrheinischer Gebiete, auch die der Wittelsbacher, 1797 im Frieden von Campoformio durch Kaiser Franz II. (Römischer Kaiser 1792-1806, Kaiser von Österreich 1804-1835) an Frankreich, was im Frieden von Lunéville 1801 bestätigt wurde, entschloss sich der pfalzbayerische Kurfürst Max IV. Joseph 1801 zu einem Vertrag mit Frankreich. Im Gegenzug erhielt er eine Garantie für die territoriale Existenz und die Zusage, für verlorene linksrheinische Gebiete entschädigt zu werden. Nach den großen militärischen Erfolgen Napoleons und trotz eines Angebotes des Kaiserhofes in Wien auf eine Königswürde für Bayern sowie gleichzeitig bedroht von kaiserlich-österreichischen Truppen, schloss Bayern am 25. August 1805 im Vertrag von Bogenhausen ein Bündnis mit Frankreich. In einer folgenden, am 8. Dezember 1805 in Linz getroffenen Vereinbarung stellte Frankreich die Erfüllung vorrangiger Ziele, die Souveränität und erhebliche Gebietserweiterungen für Bayern in Aussicht. Nach Napoleons siegreicher Schlacht bei Austerlitz mit Beteiligung bayerischer Truppenverbände gegen Österreich ermöglichte Frankreich im Vertrag von Brünn am 10. Dezember 1805 die Erhebung Bayerns zum Königreich. Im folgenden Frieden von Preßburg am 26. Dezember 1805 zwischen dem Kaiser von Frankreich und dem Kaiser von Österreich schrieben die Vertragspartner für Bayern und Württemberg das Ende aller Lehensabhängigkeiten und die "vollständige Souveränität", wie sie Österreich und Preußen ausübten, und die Königswürde fest. Auf Drängen Napoleons erfolgte die Königsproklamation in München und Stuttgart schon wenige Tage später.

Königsproklamation

Erste Seite des Protokolls der Annahme der Königswürde für Bayern am 1. Januar 1806. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Landtag 10189).

Zur Annahme der Königswürde versammelte sich am 1. Januar 1806 um 10 Uhr vormittags in den Appartements der Königin der Münchner Residenz ein kleiner Kreis von Ministern und Mitgliedern des Staatsrates sowie des Hofstabes um den nunmehrigen König Max I. Joseph und den Kronprinzen Ludwig (1786-1868, König 1825-1848), insgesamt nur neun Personen. Nach Ausweis des offiziellen Protokolls dieses Staatsaktes hatte "seine Majestät sie berufen, um Ihnen zu erklären, daß Allerhöchstdieselbe durch die vielen Beweiße von Treue und Anhänglichkeit der Baiern an Ihren Fürsten und Vatterland sich bewogen gefunden, Baierns Unabhängigkeit zu begründen, indeme Allerhöchst Sie in dem gegenwärtigen Zeitpunckte, wo es durch die Vorsehung Gottes dahin gediehen, daß das Ansehen und die Würde des Herschers in Baiern seinen alten Glanz und vorige Höhe zur Wohlfarth des Volkes und zum Flore des Landes wieder erreichet, den dem Regenten Baierns angestamten Titel eines Königs von Baiern anzunehmen und öffentlich proclamieren zu laßen, sich entschloßen." Anschließend trat der König in das Nachbarzimmer, wo die Königin dazu kam und Angehörige des Hofes versammelt waren, die Glückwünsche darbrachten und dem Königspaar huldigten. Dann ließ die Regierung die Königserhebung durch den Landesherold in München und im ganzen Land ausrufen und mit einer gedruckten Proklamation bekannt machen.

Auffällig an dem sehr zurückhaltenden, nur wenigen Minuten dauernden Staatsakt ist, dass weder der leitende bayerische Minister Maximilian von Montgelas (1759-1837) noch der seit dem 31. Dezember 1805 in München weilende Napoleon daran beteiligt waren.


Feierlichkeiten

Proklamation zur Annahme der Königswürde für Bayern am 1. Januar 1806. Gedruckte Fassung als Beilage zum offiziellen Protokoll. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Landtag 10189)

Die Annahme der Königswürde wurde in München unmittelbar nach dem Staatsakt in der Residenz zunächst durch den Landesherold und durch das Läuten der Glocken sowie durch 200 Kanonenschüsse bekannt gemacht. Am Abend besuchten König Max I. Joseph, seine Gemahlin Königin Karoline (1776-1841) und Kaiser Napoleon mit Gattin Josephine (1763-1814) ein Konzert bei Hofe. Die Stadt war mit Kerzen illuminiert. Im ganzen Land sollten in den folgenden Tagen und Wochen Feierlichkeiten und Gottesdienste folgen. Bayerische Fahnen und Kanonen aus Wiener Depots, die in vergangenen Kriegen in die Hände Österreichs gefallen waren, ließ Napoleon unter dem Jubel der Menschen in München einziehen. Mit einem großen Gottesdienst gedachte der Hof der Gefallenen. All dies wurde auch zu einem Symbol für den in jenen Tagen gezielt kultivierten Antiaustriazismus. Große Aufmerksamkeit fand die von Napoleon eingeforderte, dann feierlich begangene Hochzeit der Tochter Max´ I., Auguste Amalie (1788-1851), und Napoleons Stief- und Adoptivsohn Eugène de Beauharnais (1781-1821) am 14. Januar 1806, bei der Kaiserin Josephine und Königin Karoline Bräutigam und Braut zum Altar in der Hofkapelle führten. Fast drei Wochen, bis zum 17. Januar 1806, hielt sich Napoleon mit Gefolge in München auf, auch mit dem Ziel, in Abgrenzung zu Habsburg-Österreich, dem französisch-bayerischen Bündnis Nachhaltigkeit zu verleihen.

Weder an dem Tag selbst, noch später, kam es zu einer Krönung und kirchlichen Salbung des Königs. Max I. Joseph plante einen solchen Akt; offensichtlich wollte er sich mit der vollzogenen Selbstkrönung, wie dies zuletzt 1804 von Napoleon zum "empereur des Français" (Kaiser der Franzosen) praktiziert worden war, zunächst nicht zufriedengeben. Doch zu Jahresbeginn 1806 standen Insignien eines Königs und Königin, Kronen und Szepter, Reichsapfel und Schwert, nicht zur Verfügung, zu rasch hatten sich die Ereignisse im Dezember 1805 entwickelt. Sie wurden 1806 in Paris in Auftrag gegeben und sind seit März 1807 in München nachweisbar. Schließlich fehlte als Folge der Säkularisation auch ein ranghoher Bischof in Bayern, der den König hätte salben können.

Legitimierung der Königswürde

Die lange dauernde Präsenz Napoleons und seines Gefolges am Münchener Hof und in der Residenzstadt sandte Signale an die Öffentlichkeit, die zum Teil den Versuch der bayerischen Regierung konterkarierten, die Königswürde ohne Bezug auf Frankreich und Napoleon zu legitimieren. Die Verantwortlichen in München vermieden in den offiziellen Dokumenten jeglichen Verweis auf das Hl. Römische Reich und auf Frankreich, anders als bei der gleichzeitigen Königsproklamation in Württemberg. Offensichtlich sollten die in den Verträgen mit Frankreich ausgehandelte Königswürde für das Haus Wittelsbach und die Souveränität Bayerns eigenständig und aus eigener Tradition legitimiert werden.

Sowohl im offiziellen Protokoll zur Annahme der Königswürde als auch in der öffentlichen Proklamation vom 1. Januar 1806 sowie in der formellen Mitteilung im Regierungsblatt des Königreichs Bayern ist zwar von "Göttlicher Vorsehung" als eher traditioneller Legitimation die Rede. Auffällig ist jedoch, dass das Königtum darüber hinaus historisch mit der Erneuerung von alter Würde und Glanz zur "Wohlfahrt des Volkes", mit Verweis auf die neue Unabhängigkeit der "uns anvertrauten Nation", sowie mit der "Treue und Anhänglichkeit der Baiern an ihren Fürsten und Vaterland" begründet wurde. Die Rede ist auch davon, dass "der bayerische Staat sich zu seiner ursprünglichen Würde" erhoben habe. Dem Münchner Hof nahestehende Historiographen wie Felix A. Löwenthal (1742-1816) und Georg Wilhelm Zapf (1747-1810) publizierten noch 1806 Traktate über das "erneuerte Königthum Baiern" bzw. über die "Geschichte Baierns bis zur wiederhergestellten Königswürde" und verstärkten damit den öffentlichen Diskurs, der die Königswürde historisch aus eigener bayerischer Tradition legitimieren sollte.

Max I. Joseph begriff die königliche Rangerhöhung offensichtlich auch als einen symbolischen Akt, der den territorialen Machtzuwachs, die neuartige Souveränität Bayerns sowie ein neues Staatsverständnis zum Ausdruck brachte. Der König stellte Staat, Nation und Volk gleichsam neben sich. Eine erweiterte Legitimierung sollte die Königswürde zwei Jahre später durch die Bestimmungen im zweiten Teil ("Zu dem königlichen Hause") der Verfassung von 1808 erlangen, fortgeschrieben und verfestigt dann durch die Verfassung von 1818, die bis 1918 das staatsrechtliche Fundament für Bayern und das Königtum blieb. Krone und Verfassung, die Selbstverpflichtung des Königs auf eine Verfassung mit der Garantie von Grundrechten fortan für "Staatsbürger" und deren frühparlamentarische Repräsentation, sollten sich wechselseitig stützen.

Wirkung

Die Umstände der Annahme und Proklamation der Königswürde ohne Krönung wirkten letztlich stilbildend für das Königtum in Bayern. Auch für künftige Könige gab es keinen Krönungsakt. Max Josephs Nachfolger wurden als Könige proklamiert und leisteten einen Eid auf die bayerische Verfassung.

Die Königswürde hat die parallel erlangte Souveränität und Gebietserweiterung Bayerns untermauert, auch wenn sie von Anfang an mit Blick auf das faktische und dann am 6. August 1806 von Kaiser Franz vollzogene formale Ende des Alten Reiches der Kritik ausgesetzt war. Diese verstärkte sich im Zuge preußisch-kleindeutscher und deutsch-nationaler Macht- und Unitarisierungsbemühungen sowie antifranzösischer Ressentiments im 19. Jahrhundert. Ab 1806 erleichterten die Rangerhöhung und die Souveränität Bayerns die Integration und Modernisierung des territorial vergrößerten und regional vielfältigen Landes, auch über die Ära von Max I. Joseph und seines leitenden Ministers Maximilian Montgelas hinaus mit den nachhaltig wirkenden kultur- und identitätspolitischen Impulsen in der Zeit der Könige Ludwig I. und Max II. (reg. 1848-1864) in der Gründerzeit vor 1870/71. Die Reichsgründung 1871 im Sog der von Otto von Bismarck (1815-1898) provozierten Kriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich machte deutlich, wie sehr die mit der Königswürde einhergehende Souveränität Bayerns von der Stärke Frankreichs in Europa und mit dem österreichisch-preußischen Dualismus verbunden war. Als Symbol für die Staatlichkeit Bayerns gewann die Königswürde im wilhelminischen Kaiserreich auch an Bedeutung, wie sich etwa im Umfeld der mit Rücksicht auf Berliner Empfindlichkeiten zurückhaltenden öffentlichen Erinnerung zum Hundertjahr-Jubiläum 1906 zeigt.

Im Inneren gewann das 1806 etablierte Königtum unter anderem durch die Verfassung von 1818 rasch hohe und nachhaltige Akzeptanz, gleichzeitig wurde es von der Parlamentarisierung und der Industrialisierung mit der Dynamisierung des gesellschaftlichen Wandels sowie von konfessionell-kirchenpolitischen Entwicklungen herausgefordert. Die Krisen der Könige im Umfeld des Thronverzichts Ludwigs I. 1848, der Absenz und Entmachtung Ludwigs II. (1845-1886, reg. 1864-1886) 1886 und der Amtsunfähigkeit Ottos I. (1848-1916) sowie die fehlende Präsenz eines Königs in der Zeit der Regentschaft des Prinzregenten Luitpold (1821-1912, seit 1886 Prinzregent) und schließlich die fragwürdige Inthronisation Ludwigs III. (1845-1921, König 1913-1918) noch Lebzeiten des psychisch erkrankten Otto I. 1913 belasteten die Monarchie. Sie ließen auch das Ministerium und die Staatsverwaltung gegenüber dem König zunehmend erstarken.

Nachhaltig in Frage gestellt wurde das Königtum in Bayern auch in der Revolution von 1848/49 nicht, wenngleich republikanische Stimmen vorübergehend lauter wurden. Selbst in der Krise im Oktober/November 1918 beschloss der Landtag quer durch alle Parteien, auch mit den Stimmen der Sozialdemokraten und mit Billigung des Königs die volle Demokratisierung des politischen Systems in Form einer parlamentarischen Monarchie. Wenige Tage später ging die Revolution vom 7. auf den 8. November 1918 mit der Ausrufung des Freistaats (Republik) darüber hinweg. Der König verließ München und entband mit der Anifer Erklärung vom 13. November 1918 die Beamten, Offiziere und Soldaten vom Treueeid auf ihn, ohne einen Thronverzicht zu erklären.

Die Re-Etablierung der Monarchie in Bayern blieb in den Jahren der Weimarer Republik mit Kronprinz Ruprecht (1869-1955) eine politische Option, die 1921 unmittelbar nach dem Tod von König Ludwig III. und noch einmal 1933 als mögliches Instrument zur Verhinderung des Zugriffes der Nationalsozialisten auf Bayern erwogen, aber nie konsequent verfolgt wurde. Für entsprechende Bestrebungen von Monarchie-Treuen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fehlten sowohl eine reelle Basis als auch Ambitionen der vormaligen königlichen Familie.

Erinnerung

Königswürde und Königtum in Bayern haben sich nicht zuletzt durch den schon im Umfeld der Königsproklamation beginnenden massiven Ausbau Münchens zur repräsentativen königlichen Residenz- und Hauptstadt und durch Landmarken wie der Bavaria in München, der Walhalla und der Befreiungshalle an der Donau sowie dem Pompejaum in Aschaffenburg oder durch die Schlösser Ludwigs II. nachhaltig im kulturellen Gedächtnis Bayerns und dessen Wahrnehmung von außen verankert. Die königlichen Bauten wurden nach der Revolution 1918 für die Öffentlichkeit zugänglich, in der Schatzkammer der Münchner Residenz auch die Kroninsignien, von denen zuletzt die Krone bei der Trauerfeier für Kronprinz Rupprecht 1955 Verwendung für das Haus Wittelsbach fand. Eine schon von der Revolutionsregierung am 20. November 1918 eingerichtete "Verwaltung des ehemaligen Kronguts" (seit 1932 Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Seen und Gärten) und staatliche Museen sowie Archive Bayerns mit dem Wittelsbacher Hausarchiv hüteten fortan das Erbe des Königreichs. Dieses wirkte auch durch den 1923 gefundenen Ausgleich zwischen dem Haus Wittelsbach und dem Freistaat Bayern durch den Wittelsbacher Ausgleichsfonds im kulturellen Leben des Landes fort. Zahlreiche Formen von Erinnerung und Erinnerungspolitik, wie breit angelegte Ausstellungen 1980 ("Krone und Verfassung), 2006 ("Bayerns Krone 1806") und 2011 ("Götterdämmerung. König Ludwig II.") in Bayern sowie 2013 in der Pfalz ("Die Wittelsbacher am Rhein") oder ein 2011 eröffnetes "Museum der bayerischen Könige" in Hohenschwangau, große Forschungs-, Publikations- bzw. Editionsprojekte, Kinofilme und Fernsehdokumentationen, aber auch die gesellschaftliche Präsenz der Mitglieder des Hauses Wittelsbach schufen eine fortdauernde Aufmerksamkeit für das bayerische Königtum in der öffentlichen Erinnerung. Dazu beigetragen haben seit den 1970er Jahren auch satirische Assoziationen der Königswürde mit den Ministerpräsidenten des Landes.

Aspekte der Forschung

Die geschichtswissenschaftliche Beschäftigung mit Bayerns Erhebung zum Königreich war zunächst geprägt vom Vorfeld des 100-jährigen Jubiläums der Annahme der Königswürde im Jahr 1906 (Bitterauf), von Studien zur Verfassungsgeschichte des Königreichs (Doeberl), von Arbeiten zur Diplomatie im Vor- und Umfeld der Königserhebung (Zwehl, Dunan) sowie von biographischen Studien über Max I. Joseph und Eugen Beauharnais (Adalbert von Bayern) oder Kronprinz Ludwig (Spindler). Neuere Impulse gaben die Forschungen zu Reformen in Bayern in der Ära Max I. Joseph und seinem leitenden Minister Maximilian von Montgelas (Weis, Demel, Möckl), die stärker 1799 als 1806 ansetzen, aber auch zeigen, wie Königswürde und die Entfaltung eines modernen Staatsverständnisses ineinander gingen. Zudem hat sich die Forschung intensiver mit den internationalen Beziehungen (Junkelmann, Neri) und Wahrnehmungen auch in Zusammenhang mit dem Untergang des Alten Reichs und der Etablierung des Rheinbundes beschäftigt. Verstärkte Aufmerksamkeit fanden die Vortraditionen des wittelsbachischen Königtums (A. Schmid) und die politische Relevanz der Festkultur im Zuge der Königserhebung sowie deren Legitimierung in Schlüsseltexten (Kramer), außerdem die Folgen für die Erinnerungspolitik (Murr, Körner). Gestärkt wurden auch vergleichende Perspektiven (Roll, Schnettger). Die Kroninsignien (Ottomeyer, Weiß) und andere symbolhafte materielle Kultur aus den Anfängen des Königtums sind im Umfeld von Ausstellungen bzw. dazugehörigen Katalogen 1980 und 2006 (Glaser, Erichsen) intensiviert erschlossen worden.

Literatur

Quellen

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Ferdinand Kramer, Königswürde (1806), publiziert am 25.10.2024; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Königswürde_(1806)> (26.03.2025)