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Wittelsbacher Ausgleichsfonds

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Kronprinz Rupprecht von Bayern (1869-1955). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-014225)

von Gerhard Immler

1923 im Rahmen des Vermögensausgleichs zwischen den Wittelsbachern und dem Freistaat Bayern gegründete Stiftung des öffentlichen Rechts, die Eigentümerin der bis 1918 von der Königsfamilie genutzten Schlösser, diverser Forste, der Kunstsammlungen und des Hausarchivs der Wittelsbacher ist. Die Erlöse des Fonds dienen dem Unterhalt der Angehörigen der ehemaligen Dynastie.

Rechtsgrundlage

Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds hat seinen Ursprung in der Vermögensauseinandersetzung zwischen dem Freistaat Bayern und dem ehemaligen Königshaus. Gegründet wurde er aufgrund des privatrechtlichen Übereinkommens vom 24. Januar 1923 zwischen dem Staat und Kronprinz Rupprecht von Bayern (1869-1955) als Bevollmächtigtem sämtlicher Familienangehöriger sowie aufgrund des Landesgesetzes vom 9. März 1923. Letzteres wies dem Fonds die Stellung einer Stiftung des öffentlichen Rechts zu und regelte die Grundsätze seiner Organisation und Verwaltung.

Gründungsausstattung

Das bei Starnberg gelegene Schloss Berg befand sich seit Kurfürst Ferdinand Maria (1636-1679, Kurfürst 1652-1676) im Besitz der Wittelsbacher und wird seit dem Umbau unter König Maximilian II. (1811-1864, König 1848-1864) als ein häufiger Wohnsitz der Wittelsbacher genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die neogotischen Anbauten, die hier auf dem Bild von Joseph Albert (1825-1886) um 1880 zu sehen sind, wieder entfernt. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-006603)

In den Wittelsbacher Ausgleichsfonds wurden eingestellt:

  1. die früher zur Zivilliste gehörigen Schlösser in Neuburg a.d.Donau, Berg am Starnberger See, Berchtesgaden und die Villa Ludwigshöhe in der Pfalz (Rheinland-Pfalz),
  2. aus dem Nachlass König Ottos von Bayern (1848-1916, König 1886-1913) die Schlösser Hohenschwangau (samt Forstbesitz) und Fürstenried (München), der Park bei Feldafing (Lkr. Starnberg) mit der Roseninsel, das Hambacher Schloss (sog. Maxburg) bei Hambach (Rheinland-Pfalz), das Gärtnerplatztheater in München sowie Forstbesitz bei Ettal und Eschenlohe,
  3. land- und forstwirtschaftliche Flächen aus dem Staatsgut im Umfang von etwa 12.500 ha,
  4. Wohnrechte in Schloss Nymphenburg, im Alten Schloss Herrenchiemsee und in der Würzburger Residenz (1965 an die Schlösserverwaltung verkauft) sowie ein Barkapital von 40.000.000 Mark, das, im Januar 1923 ausgezahlt, inflationsbedingt fast keinen Wert mehr darstellte. Ein späteres Urteil des im Übereinkommen vorgesehenen Schiedsgerichts erbrachte eine Aufwertung auf 100.000 Reichsmark,
  5. die Kunstsammlungen aus dem ehemaligen Hausgutfideikommiss König Ludwigs I. (1786-1868, König 1825-1848); diesen unermesslich wertvollen Kunstbesitz hatte Ludwig I. zu einem Fideikommiss, d. h. einer gebundenen, unveräußerlichen, im Mannesstamm nach Erstgeburtsrecht ungeteilt vererblichen Vermögensmasse bestimmt. Durch das Fideikommissauflösungsgesetz von 1919 war er Privateigentum des Kronprinzen Rupprecht geworden, der ihn nun dem Fonds übereignete und später noch aus seinem eigenen Privatbesitz als anerkannter Kunstkenner ergänzte. Ein Großteil der Kunstwerke ist permanent an Museen, beispielsweise die Alte und Neue Pinakothek und die Glyptothek in München, ausgeliehen. Sie bilden den wertvollsten Bestandteil des Fonds, bringen aber keinen Ertrag,
  6. das Geheime Hausarchiv (heute eine Abteilung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs).

Stiftungsorgane und -zweck

Das Theater am Gärtnerplatz in München, das ursprünglich eine Aktiengesellschaft betrieb, wurde 1872 von König Ludwig II. (reg. 1864-1886) aus deren Konkursmasse gekauft und als königliches Theater betrieben. Es gehörte dann zum Vermögen bzw. Nachlass König Ottos von Bayern (1848-1916, König 1886-1913) und ging daher 1923 in das Eigentum des Wittelsbacher Ausgleichsfonds über, der es zunächst verpachtete und 1937 wegen fehlender Rentabilität an den Staat verkaufte. Foto von 1876. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-002919)

Gemäß der in ihren Grundzügen im Gesetz vom 9. März 1923 festgelegten Verwaltungsordnung wird der Fonds von einem Verwaltungsrat vertreten und überwacht. Ihm gehören fünf vom Haus Wittelsbach bestellte Verwaltungsräte und zwei von der bayerischen Staatsregierung bestimmte Staatskommissare an. Die täglichen Geschäfte leitet ein vom Verwaltungsrat bestellter Vorsitzender der Geschäftsführung (früher: Generaldirektor).

Das Vermögen des Fonds ist ungeschmälert zu erhalten. Die Erlöse dienen dem Unterhalt der Angehörigen der früheren königlichen Familie, die nach dem Königlichen Familienstatut von 1819 Anspruch auf Versorgung hätten. Dementsprechend gehören nur die Prinzen des Hauses Wittelsbach sowie deren Witwen und unverheiratete Prinzessinnen zu den Versorgungsberechtigten.

Nicht zum Wittelsbacher Ausgleichsfonds gehört das reine Privatvermögen der Angehörigen des Hauses Wittelsbach, darunter auch die Schlösser Leutstetten, Tegernsee und Wildenwart sowie bis 1945 Sárvár in Ungarn, die im Laufe des 19. Jahrhunderts aufgrund privatrechtlicher Titel von einzelnen Prinzen und Prinzessinnen erworben worden waren. Diese Schlösser und die zugehörigen Ländereien waren nicht Gegenstand der Vermögensauseinandersetzung von 1923.

Entwicklung

Das ehemalige kurfürstliche Jagdschloss Fürstenried wurde 1881 aus der Zivilliste an die Wittelsbacher verkauft, um als Wohnsitz für den geisteskranken Prinzen Otto (1848-1916, König 1886-1913) verwendet zu werden. Nach seinem Tod diente das Schloss als Lazarett und wurde 1923 als Teil des Nachlasses Ottos dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds übergeben. Das Schloss dient seit 1925 als Exerzitienhaus des Erzbistums München und Freising und wurde 1929 vom Ausgleichsfonds an die Erzdiözese verkauft. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-009499)

In der Zeit des Nationalsozialismus gab es verschiedentlich Bestrebungen, teils von Adolf Hitler (NSDAP, 1889-1945, Reichskanzler 1933-1945) selbst angestoßen, den Wittelsbacher Ausgleichsfonds aufzulösen. Ursache hierfür war letztlich die bekannte oppositionelle Einstellung des Kronprinzen und die Resistenz sämtlicher Mitglieder des Hauses gegenüber der Mitgliedschaft in NS-Organisationen. Nicht zuletzt dem großen Ansehen, das Kronprinz Rupprecht (1869-1955) in der bayerischen Bevölkerung und vor allem bei den Veteranen des Ersten Weltkriegs und bei aktiven Offizieren der Wehrmacht genoss, war es zu verdanken, dass diesen Bestrebungen letztlich kein Erfolg beschieden war.

Dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds gelang es seit seiner Gründung, sich von der einseitigen land- und forstwirtschaftlichen Ausrichtung zu lösen und sich weitere Betätigungsfelder zu erschließen. Verkauft wurden unter anderem auch die nie für Wohnzwecke der Mitglieder des Hauses genutzten Schlösser in Fürstenried und Neuburg a.d.Donau sowie nach der Trennung der Pfalz von Bayern nach 1945 der dortige Grundbesitz. Das Münchner Gärtnerplatztheater, das nur einen Zuschussbetrieb darstellte, übernahm 1937 der Staat.

Der Erlös aus Veräußerungen wurde unter anderem in Mietshäusern in München angelegt, die von einer eigenen Immobilienverwaltung betreut werden. Der noch immer umfangreiche Forstbesitz untersteht der Forstdirektion in Ingolstadt. Zwischen 1975 und 2011 hatte der Wittelsbacher Ausgleichsfonds ferner die Nymphenburger Porzellanmanufaktur gepachtet. Die Schlösser in Hohenschwangau und Berchtesgaden sind heute als Museen eingerichtet und zur Besichtigung freigegeben.

Seit 2011 unterhält der Ausgleichsfonds in Hohenschwangau das Museum der bayerischen Könige. Für die Verwaltung des Kunstvermögens ist im Wittelsbacher Ausgleichsfonds die Inventarverwaltung zuständig.

Quellen

Literatur

  • Cajetan von Aretin, Vom Umgang mit gestürzten Häuptern. Zur Zuordnung der Kunstsammlungen in deutschen Fürstenabfindungen 1918-1924, in: Thomas Biskup/Martin Kohlrausch (Hg.), Das Erbe der Monarchie. Nachwirkungen einer deutschen Institution seit 1918, Frankfurt/New York 2008, 161-183.
  • Walter Leisner, Monarchisches Hausrecht in demokratischer Gleichheitsordnung. Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds in Bayern (Erlanger Forschungen A 21), Erlangen 1968.
  • Markus C. Müller / Dieter J. Weiß (Hg.), Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds. 1923 bis 2023 – von der Gründung bis in die Gegenwart, Regensburg 2023.

Weiterführende Recherche

Externe Links

Verwandte Artikel

Empfohlene Zitierweise

Gerhard Immler, Wittelsbacher Ausgleichsfonds, publiziert am 27.06.2006 (aktualisierte Version 11.02.2020); in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wittelsbacher_Ausgleichsfonds> (5.12.2024)