Wittelsbacher Ausgleichsfonds
Aus Historisches Lexikon Bayerns
1923 im Rahmen des Vermögensausgleichs zwischen den Wittelsbachern und dem Freistaat Bayern gegründete Stiftung des öffentlichen Rechts, die Eigentümerin der bis 1918 von der Königsfamilie genutzten Schlösser, diverser Forste, der Kunstsammlungen und des Hausarchivs der Wittelsbacher ist. Die Erlöse des Fonds dienen dem Unterhalt der Angehörigen der ehemaligen Dynastie.
Rechtsgrundlage
Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds hat seinen Ursprung in der Vermögensauseinandersetzung zwischen dem Freistaat Bayern und dem ehemaligen Königshaus. Gegründet wurde er aufgrund des privatrechtlichen Übereinkommens vom 24. Januar 1923 zwischen dem Staat und Kronprinz Rupprecht von Bayern (1869-1955) als Bevollmächtigtem sämtlicher Familienangehöriger sowie aufgrund des Landesgesetzes vom 9. März 1923. Letzteres wies dem Fonds die Stellung einer Stiftung des öffentlichen Rechts zu und regelte die Grundsätze seiner Organisation und Verwaltung.
Gründungsausstattung
In den Wittelsbacher Ausgleichsfonds wurden eingestellt:
- die früher zur Zivilliste gehörigen Schlösser in Neuburg a.d.Donau, Berg am Starnberger See, Berchtesgaden und die Villa Ludwigshöhe in der Pfalz (Rheinland-Pfalz),
- aus dem Nachlass König Ottos von Bayern (1848-1916, König 1886-1913) die Schlösser Hohenschwangau (samt Forstbesitz) und Fürstenried (München), der Park bei Feldafing (Lkr. Starnberg) mit der Roseninsel, das Hambacher Schloss (sog. Maxburg) bei Hambach (Rheinland-Pfalz), das Gärtnerplatztheater in München sowie Forstbesitz bei Ettal und Eschenlohe,
- land- und forstwirtschaftliche Flächen aus dem Staatsgut im Umfang von etwa 12.500 ha,
- Wohnrechte in Schloss Nymphenburg, im Alten Schloss Herrenchiemsee und in der Würzburger Residenz (1965 an die Schlösserverwaltung verkauft) sowie ein Barkapital von 40.000.000 Mark, das, im Januar 1923 ausgezahlt, inflationsbedingt fast keinen Wert mehr darstellte. Ein späteres Urteil des im Übereinkommen vorgesehenen Schiedsgerichts erbrachte eine Aufwertung auf 100.000 Reichsmark,
- die Kunstsammlungen aus dem ehemaligen Hausgutfideikommiss König Ludwigs I. (1786-1868, König 1825-1848); diesen unermesslich wertvollen Kunstbesitz hatte Ludwig I. zu einem Fideikommiss, d. h. einer gebundenen, unveräußerlichen, im Mannesstamm nach Erstgeburtsrecht ungeteilt vererblichen Vermögensmasse bestimmt. Durch das Fideikommissauflösungsgesetz von 1919 war er Privateigentum des Kronprinzen Rupprecht geworden, der ihn nun dem Fonds übereignete und später noch aus seinem eigenen Privatbesitz als anerkannter Kunstkenner ergänzte. Ein Großteil der Kunstwerke ist permanent an Museen, beispielsweise die Alte und Neue Pinakothek und die Glyptothek in München, ausgeliehen. Sie bilden den wertvollsten Bestandteil des Fonds, bringen aber keinen Ertrag,
- das Geheime Hausarchiv (heute eine Abteilung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs).
Das Schloss Berchtesgaden neben der Stiftskirche St. Peter. Foto von Georg Fruhstorfer (1915-2003), um 1970. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv fruh-13063)
Das unter König Maximilian II. (reg. 1848-1864) errichtete Schloss Hohenschwangau ist noch heute neben dem benachbarten Schloss Neuschwanstein ein bedeutendes touristisches Ausflugsziel. Seit 1923 befindet es sich im Eigentum des Wittelsbacher Ausgleichsfonds. Foto aus dem Jahr 1960 von Georg Fruhstorfer (1915-2003). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv fruh-16570)
"Anbetung der Hirten", Gemälde von Johann Michael Wittmer (1802-1880) um 1832. Das Gemälde wurde 1832 von Ludwig I. (1786-1868, König 1825-1848) erworben und 1927 durch die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen vom Wittelsbacher Ausgleichsfonds eingetauscht. (Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Neue Pinakothek München, Inv. 9469 , lizensiert durch CC BY-SA 4.0)
Stiftungsorgane und -zweck
Gemäß der in ihren Grundzügen im Gesetz vom 9. März 1923 festgelegten Verwaltungsordnung wird der Fonds von einem Verwaltungsrat vertreten und überwacht. Ihm gehören fünf vom Haus Wittelsbach bestellte Verwaltungsräte und zwei von der bayerischen Staatsregierung bestimmte Staatskommissare an. Die täglichen Geschäfte leitet ein vom Verwaltungsrat bestellter Vorsitzender der Geschäftsführung (früher: Generaldirektor).
Das Vermögen des Fonds ist ungeschmälert zu erhalten. Die Erlöse dienen dem Unterhalt der Angehörigen der früheren königlichen Familie, die nach dem Königlichen Familienstatut von 1819 Anspruch auf Versorgung hätten. Dementsprechend gehören nur die Prinzen des Hauses Wittelsbach sowie deren Witwen und unverheiratete Prinzessinnen zu den Versorgungsberechtigten.
Nicht zum Wittelsbacher Ausgleichsfonds gehört das reine Privatvermögen der Angehörigen des Hauses Wittelsbach, darunter auch die Schlösser Leutstetten, Tegernsee und Wildenwart sowie bis 1945 Sárvár in Ungarn, die im Laufe des 19. Jahrhunderts aufgrund privatrechtlicher Titel von einzelnen Prinzen und Prinzessinnen erworben worden waren. Diese Schlösser und die zugehörigen Ländereien waren nicht Gegenstand der Vermögensauseinandersetzung von 1923.
Entwicklung
In der Zeit des Nationalsozialismus gab es verschiedentlich Bestrebungen, teils von Adolf Hitler (NSDAP, 1889-1945, Reichskanzler 1933-1945) selbst angestoßen, den Wittelsbacher Ausgleichsfonds aufzulösen. Ursache hierfür war letztlich die bekannte oppositionelle Einstellung des Kronprinzen und die Resistenz sämtlicher Mitglieder des Hauses gegenüber der Mitgliedschaft in NS-Organisationen. Nicht zuletzt dem großen Ansehen, das Kronprinz Rupprecht (1869-1955) in der bayerischen Bevölkerung und vor allem bei den Veteranen des Ersten Weltkriegs und bei aktiven Offizieren der Wehrmacht genoss, war es zu verdanken, dass diesen Bestrebungen letztlich kein Erfolg beschieden war.
Dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds gelang es seit seiner Gründung, sich von der einseitigen land- und forstwirtschaftlichen Ausrichtung zu lösen und sich weitere Betätigungsfelder zu erschließen. Verkauft wurden unter anderem auch die nie für Wohnzwecke der Mitglieder des Hauses genutzten Schlösser in Fürstenried und Neuburg a.d.Donau sowie nach der Trennung der Pfalz von Bayern nach 1945 der dortige Grundbesitz. Das Münchner Gärtnerplatztheater, das nur einen Zuschussbetrieb darstellte, übernahm 1937 der Staat.
Der Erlös aus Veräußerungen wurde unter anderem in Mietshäusern in München angelegt, die von einer eigenen Immobilienverwaltung betreut werden. Der noch immer umfangreiche Forstbesitz untersteht der Forstdirektion in Ingolstadt. Zwischen 1975 und 2011 hatte der Wittelsbacher Ausgleichsfonds ferner die Nymphenburger Porzellanmanufaktur gepachtet. Die Schlösser in Hohenschwangau und Berchtesgaden sind heute als Museen eingerichtet und zur Besichtigung freigegeben.
Das Neuburger Schloss wurde dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds zugesprochen. Für Wohnzwecke nicht genutzt, verkaufte es der Fonds 1939 an die Heeresverwaltung (später: Bundesvermögensverwaltung), von der es 1970 der Freistaat Bayern erwarb. Foto von 1935. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-015657)
"Ideale Ansicht der Akropolis und des Areopag in Athen", Gemälde von Leo von Klenze (1784-1864), 1846. Das Gemälde wurde 1852 von Ludwig I. (1786-1868, König 1825-1848) erworben und ist 1927 vom Wittelsbacher Ausgleichsfonds tauschweise an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen übergeben worden. Heute ist es Teil der Dauerausstellung der Neuen Pinakothek München. (Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Neue Pinakothek München, Inv. 9463, lizensiert durch CC BY-SA 4.0)
"Die Einnahme von München durch bayerisch-französische Truppen", Gemälde von 1806 aus dem sog. Berthier-Zyklus von Wilhelm von Kobell (1766-1853). Der Zyklus wurde 1939 von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen aus dem Kunsthandel erworben und befindet sich seit 1952 durch Tausch im Eigentum des Wittelsbacher Ausgleichsfonds. (Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Neue Pinakothek München, WAF 1236, lizensiert durch CC BY-SA 4.0)
Seit 2011 unterhält der Ausgleichsfonds in Hohenschwangau das Museum der bayerischen Könige. Für die Verwaltung des Kunstvermögens ist im Wittelsbacher Ausgleichsfonds die Inventarverwaltung zuständig.
Quellen
Literatur
- Cajetan von Aretin, Vom Umgang mit gestürzten Häuptern. Zur Zuordnung der Kunstsammlungen in deutschen Fürstenabfindungen 1918-1924, in: Thomas Biskup/Martin Kohlrausch (Hg.), Das Erbe der Monarchie. Nachwirkungen einer deutschen Institution seit 1918, Frankfurt/New York 2008, 161-183.
- Walter Leisner, Monarchisches Hausrecht in demokratischer Gleichheitsordnung. Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds in Bayern (Erlanger Forschungen A 21), Erlangen 1968.
- Markus C. Müller / Dieter J. Weiß (Hg.), Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds. 1923 bis 2023 – von der Gründung bis in die Gegenwart, Regensburg 2023.
Weiterführende Recherche
Externe Links
- Altes Schloss Herrenchiemsee
- Antikensammlungen und Glyptothek
- Bayerisches Hauptstaatsarchiv: Abteilung III Geheimes Hausarchiv
- Gärtnerplatztheater München
- Hambacher Schloss (Maxburg)
- Haus Bayern
- Museum der bayerischen Könige
- Park Feldafing und Roseninsel
- Pinakotheken
- Residenz Würzburg
- Schloss Berchtesgaden
- Schloss Fürstenried
- Schloss Neuburg a.d. Donau
- Schloss Nymphenburg
- Schloss Villa Ludwigshöhe
- Wittelsbacher Ausgleichsfonds
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Empfohlene Zitierweise
Gerhard Immler, Wittelsbacher Ausgleichsfonds, publiziert am 27.06.2006 (aktualisierte Version 11.02.2020); in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wittelsbacher_Ausgleichsfonds> (5.12.2024)