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Wittelsbacher (19./20. Jahrhundert)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Vier Generationen des Hauses Wittelsbach im Wintergarten der Münchner Residenz. Das Bild entstand 1862 nach einer Fotografie. Mit Ausnahme König Max I. Joseph (reg. 1799-1825) sind auf diesem Bild alle Herrscher des Königreiches Bayern versammelt. Abb. aus: Hans Reidelbach, Die Regenten der Zweibrücken-Birkenfelder Linie des Hauses Wittelsbach auf Bayerns Throne. Festschrift zum hundertjährigen Regierungsjubiläum, München 1899, 53. (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 2221 wha)
Der spätere Prinzregent Luitpold mit seiner Familie. Lithographie von 1860. Abb. aus: Hans Reidelbach, Die Regenten der Zweibrücken-Birkenfelder Linie des Hauses Wittelsbach auf Bayerns Throne. Festschrift zum hundertjährigen Regierungsjubiläum, München 1899, 84. (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 2221 wha)

von Gerhard Immler

1799 waren fast alle bisherigen Linien der Wittelsbacher ausgestorben. Volljährige männliche Vertreter der Familie waren einzig der Zweibrückner Herzog Max Joseph (1756-1825) und dessen Vetter Wilhelm (1752-1837). Von Max Joseph, der das Erbe des bisherigen Kurfürsten Karl Theodor (1724-1799) antrat und 1806 bayerischer König wurde, stammten alle bayerischen Herrscher bis 1918 sowie verschiedene heute noch blühende Seitenlinien ab. Für diesen Teil der Familie gilt nach wie vor das 1819 erlassene Familienstatut. Die auf Herzog Wilhelm zurückführende Familie der Herzöge "in" Bayern starb 1973 im Mannesstamm aus, besteht aber durch Adoption fort.

Die Erbfälle von 1777 und 1799

Im Jahre 1777 erlosch mit Kurfürst Maximilian III. Joseph (1727-1777, reg. 1745-1777) die bayerische Linie der Wittelsbacher. Die Regierung Bayerns trat zunächst der Kurfürst von der Pfalz, Karl Theodor (1724-1799, reg. in Bayern 1777-1799), an und danach, da auch dieser bei seinem Tod 1799 keinen direkten Erben hinterließ, Herzog Max Joseph aus der Linie Zweibrücken, einer Nebenlinie des pfälzischen Zweiges der Wittelsbacher. Erst sein Vater Pfalzgraf Friedrich Michael (1724-1767) war 1746 zur katholischen Kirche konvertiert, nachdem seine Vorfahren seit dem 16. Jahrhundert protestantisch gewesen waren. Die ersten drei bayerischen Könige heirateten jedoch noch Ehefrauen evangelischer Konfession - Königin Marie (1825-1889) wurde erst als Witwe katholisch -, während danach konfessionell gemischte Ehen und damit protestantische Wittelsbacherinnen erst wieder seit den 1970er Jahren begegnen.

Die politische Rolle der Wittelsbacher 1806 bis 1918

Deutsche Herrschaftsgebiete der Wittelsbacher im 17. und 18. Jahrhundert. (aus: Wilhelm Winkler, Pfälzischer Geschichtsatlas, Neustadt an der Haardt 1935, Karte 18)

Dem Kurfürsten Max IV. Joseph (1756-1825, reg. 1799-1825) gelang es, unterstützt von seinem Ersten Minister Graf Montgelas (1759-1838), Bayern sicher durch die Stürme des Zeitalters Napoleons zu steuern. 1806 wurde er als Max I. Joseph der erste König von Bayern, wobei die Wittelsbacher in Folge der verschiedenen Kriege zwar ihre Besitzungen links des Rheins verloren, dafür aber Franken und das heutige Bayerisch-Schwaben ihrem Staat eingliedern konnten. Durch den Wiener Kongress erhielt Max Joseph den linksrheinischen Teil der Pfalz, darunter seinen Stammsitz Zweibrücken, zurück. Im Jahre 1818 gab er seinem Land eine moderne Verfassung.

Sein Sohn Ludwig I. (1786-1868, reg. 1825-1848), der 1825 den Thron bestieg, betrieb sehr bewusst eine Politik der Integration der Bevölkerung der neu erworbenen Gebiete in den bayerischen Staat und machte das Königshaus so auch in Schwaben und Franken populär. In der Rheinpfalz dagegen konnten sich dynastisches Bewusstsein und bayerischer Patriotismus nur schwer zwischen pfälzischer Sonderart und aufkeimendem deutschen Nationalgedanken behaupten. Dem Kampf der Griechen um ihre Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich gewährte Ludwig I. seine ideelle und materielle Förderung, weshalb 1832 sein zweiter Sohn Otto (1815-1867) zum König von Griechenland gewählt wurde (reg. bis 1862).

Nach der freiwilligen Abdankung Ludwigs I. im Gefolge der Revolution von 1848 konnte sein ältester Sohn Max II. (1811-1864, reg. 1848-1864) trotz der Erweiterung der Rechte des Landtags die entscheidende politische Initiative für die Krone behaupten.

Unter seinem Sohn Ludwig II. (1845-1886, reg. 1864-1886) und der Regentschaft von dessen Onkel Prinz Luitpold (1821-1912, Regent 1886-1912), der für Ludwigs geisteskranken Bruder Otto (1848-1916, reg. 1886-1913) regierte, ging die Führung des Landes faktisch an den Ministerrat über. Die geheimnisvolle Aura, mit der Ludwig II. sich umgab, und dann auf ganz andere Weise das leutselige, volkstümliche Wesen des Prinzregenten trugen jedoch beide – unterbrochen nur durch die Königskrise von 1886 – dazu bei, dem Herrscherhaus die Sympathien der großen Mehrheit des Volkes zu sichern und die bayerische Sonderstellung im 1871 begründeten Deutschen Reich zu stärken.

König Ludwig III. (1845-1921, reg. 1912/13-1918), auf wirtschafts- und agrarpolitischem Gebiet interessiert und kenntnisreich, schien zunächst entschlossen, die theoretisch noch immer starke Stellung der Krone zu eigenem politischen Handeln zu nützen, ließ sich dann aber im Ersten Weltkrieg von den zivilen und militärischen Reichsstellen völlig überspielen. 1918 verzichtete er in der Anifer Erklärung auf die Regierung, vermied aber eine formelle Abdankung.

Die Rechtsstellung der Königlichen Familie

Die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Königlichen Hauses regelte Max I. Joseph durch das Königliche Familienstatut vom 5. August 1819. Es galt für alle aus rechtmäßiger, ebenbürtiger Ehe stammenden Prinzen und unverheirateten Prinzessinnen des Hauses Wittelsbach sowie für die ebenbürtigen Gemahlinnen und Witwen der Prinzen. Die Stellung des Königs als Chef des Hauses war darin scharf ausgeprägt, die hausrechtliche Gültigkeit der Eheschließung der Prinzen von dessen Zustimmung abhängig gemacht. Die Erbfolge im Königlichen Haus wurde abweichend von den Normen des bürgerlichen Rechts unter Bevorzugung des Mannesstammes geregelt. Für die Nutzungsrechte am Wittelsbacher Ausgleichsfonds gelten diese Bestimmungen noch heute.

Die Nebenlinien

Pfalzgraf Wilhelm von Birkenfeld-Gelnhausen (1752-1837) wurde 1799 zum Herzog in Bayern ernannt und zum Begründer der herzoglichen Nebenlinie der Wittelsbacher. Kupferstich von Josef Anton Zimmermann (1705-1797). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-031670)

Als Max IV. Joseph 1799 die Regierung in Bayern antrat, gab es außer ihm nur einen weiteren volljährigen Wittelsbacher, den Pfalzgrafen Wilhelm (1752-1837), der damals den Titel "Herzog in Bayern" erhielt. Der gemeinsame Stammvater beider war ihr Urur- bzw. Urgroßvater Pfalzgraf Christian I. von Birkenfeld-Bischweiler (1598-1654, reg. 1630-1654). Von Herzog Wilhelm in Bayern stammt die Herzogliche Linie ab, die 1973 im eigenen Mannesstamm erlosch.

Weitere Nebenlinien bildeten sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert in der Königlichen Linie durch Prinz Adalbert (1828-1875), den vierten und jüngsten Sohn König Ludwigs I., durch Prinz Leopold (1846-1930), den zweiten Sohn des Prinzregenten Luitpold, sowie durch Prinz Franz (1875-1957), den dritten Sohn König Ludwigs III. von Bayern.

Die Wittelsbacher und der europäische Hochadel

Die unmittelbaren Vorfahren Max I. Josephs und des Herzogs Wilhelm in Bayern waren mit protestantischen fürstlichen und gräflichen Häusern des pfälzisch-rheinisch-hessischen Raumes verschwägert gewesen. Der Übertritt zur katholischen Kirche und der Antritt des bayerischen Erbes brachten es mit sich, dass sich ihre Nachkommen nach dem Vorbild der Kurfürsten der 1777 erloschenen altbayerischen Linie ihre Ehepartner vor allem aus den großen Dynastien Europas, und zwar vorwiegend denen katholischer Konfession, suchten. Besonders intensiv gestalteten sich daher die Heiratsverbindungen mit den Häusern Habsburg, Bourbon-Spanien, Bourbon-Sizilien und Sachsen. Aber auch mit den Häusern Orléans, Savoyen, Hohenzollern-Sigmaringen, Liechtenstein, Luxemburg, Arenberg und Thurn und Taxis sowie bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts mit den evangelischen Dynastien von Preußen, Hessen-Darmstadt und Oldenburg wurden Eheverbindungen geknüpft.

Nach 1918 wurden im Rahmen der allgemeinen Abschwächung des Ebenbürtigkeitsprinzips auch Eheschließungen mit Angehörigen des niederen Adels und Frauen bürgerlichen Standes, die zur Zeit der Monarchie nur als morgantische Ehen möglich gewesen waren, häufiger.

Die Wittelsbacher nach 1918

Als König Ludwig III. 1921 starb, erklärte sein Sohn Kronprinz Rupprecht (1869-1955), in die Rechte seines Vaters einzutreten. Durch die mit dem Freistaat Bayern vereinbarte Gründung des Wittelsbacher Ausgleichsfonds sicherte er die wirtschaftliche Grundlage wie die Hausverfassung der Wittelsbacher unter den neuen politischen Verhältnissen ab.

Ein im Winter 1932/33 unternommener Versuch, unter Nutzung des hohen Ansehens des Kronprinzen durch eine Restauration der Monarchie einer "Machtergreifung" der Nationalsozialisten zuvorzukommen, scheiterte. Zu den Machthabern des "Dritten Reiches" hielt das Haus Wittelsbach im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Adelsfamilien geschlossen Distanz; mehrere Familienmitglieder mussten im Ausland (Ungarn, Italien, USA) Zuflucht suchen und wurden teilweise 1944 von dort in Konzentrationslager verschleppt.

Nach Rupprechts Tod im Jahre 1955 ging die Stellung eines Chefs des Hauses Wittelsbach auf dessen Sohn Albrecht (1905-1996) über, der den Titel Herzog von Bayern annahm. Ihm folgte sein älterer Sohn Herzog Franz von Bayern (geb. 1933). Dessen jüngerer Bruder Herzog Max in Bayern (geb. 1937) setzt durch Adoption die Tradition der Herzoglichen Linie fort. Von den Zweigen der Königlichen Linie starb der des Prinzen Leopold 1997 aus.

Aus der Nebenlinie des Prinzen Franz stammt Prinz Luitpold von Bayern (geb. 1951), Veranstalter der bekannten Kaltenberger Ritterspiele, aus der Adalbertinischen der ehemalige Rennfahrer Prinz Leopold von Bayern (geb. 1943).

Dokumente

Literatur

  • Adalbert Prinz von Bayern, Die Wittelsbacher. Geschichte unserer Familie, München 2. Auflage 1995.
  • Michel Huberty [u. a.], L'Allemagne dynastique, Band IV: Wittelsbach, Le Perreux-sur-Marne 1985.
  • Ludwig Holzfurtner, Die Wittelsbacher. Staat und Dynastie in acht Jahrhunderten, Stuttgart 2005.
  • Gerhard Immler, Die Wittelsbacher, Darmstadt 2013.
  • Hans-Michael Körner, Die Wittelsbacher (Beck'sche Reihe 2458), München 2009.
  • Hans und Marga Rall, Die Wittelsbacher in Lebensbildern, München - Zürich 2005.
  • Detlev Schwennicke, Europäische Stammtafeln NF Band I.1.: Die fränkischen Könige und die Könige und Kaiser, Stammesherzoge, Kurfürsten, Markgrafen und Herzoge des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Frankfurt am Main 1998, Tafeln 110-114.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Gerhard Immler, Wittelsbacher (19./20. Jahrhundert), publiziert am 27.06.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Wittelsbacher_(19./20._Jahrhundert)> (19.03.2024)