Judentum in Altbayern (bis 1800)
Aus Historisches Lexikon Bayerns
Josef Kirmeier (†)
Sichere Belege für eine jüdische Gemeinde in Bayern gibt es vereinzelt seit Ende des 9., in größerer Zahl erst seit Anfang des 11. Jahrhunderts. Vermutlich existierte bereits seit römischer Zeit eine jüdische Siedlung in Regensburg, dem Zentrum altbayerischen jüdischen Lebens im Mittelalter. Dort entstand ein blühendes geistiges Leben mit einer bedeutenden Talmudschule und einem wichtigen rabbinischen Gericht, das im 12. Jahrhundert von dem großen Gelehrten Rabbi Ephraim ben Isaak (gest. 1175) geleitet wurde. Weitere jüdische Gemeinden entstanden im Zuge der Stadtgründungen des 13. Jahrhunderts. Anfangs waren Juden vor allem im Fernhandel tätig, seit dem 13. Jahrhundert war es ihnen meist nur noch erlaubt, Geldleihe zu betreiben. Bereits früh nahmen die bayerischen Herzöge das kaiserliche Judenregal in Anspruch. Nach Pogromen und anschließenden Neuansiedlungen im 14. Jahrhundert wurden die Juden im 15. Jahrhundert aus Bayern vertrieben. Unter Herzog Albrecht V. wurden im 16. Jahrhundert umfassende Ansiedlungs- und Durchreiseverbote erlassen. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts konnte sich in Regensburg wieder eine kleine jüdische Gemeinde bilden. Eine wichtige Rolle spielten Juden schließlich im 18. Jahrhundert als Hoffaktoren in München.
Regensburg und die Anfänge jüdischen Lebens in Bayern
Zu den Anfängen jüdischen Lebens in Regensburg, dem jüdischen Zentrum in Bayern, fehlen konkrete Belege. Neuere Grabungsfunde lassen sogar auf eine Kontinuität einer jüdischen Siedlung seit römischer Zeit schließen. Das Judenviertel lag bis zur Vertreibung der Juden im Jahr 1519 innerhalb des alten römischen Kastells. Dieser unmittelbar am alten Stadtzentrum gelegene Platz lässt zumindest darauf schließen, dass Juden bereits seit dem 6. oder 7. Jahrhundert in Regensburg ansässig waren. Die Haupterwerbsquelle der Juden in der frühen Zeit war in Regensburg der Fernhandel. Die bevorzugte Ansiedlung an den wichtigen Handelsstraßen wie Rhein oder Donau legen dies nahe. Die Raffelstetter Zollordnung von 906/08 für den Donauhandel erwähnt sie noch vor allen anderen (christlichen) Kaufleuten. Auch im Pelzhandel mit Kiew und Russland waren Juden vertreten. Ein jüdisches Rechtsgutachten nennt im 11. Jahrhundert zwei jüdische Kaufleute aus Regensburg namentlich, die sich wegen eines Radbruchs eines Sabbatvergehens schuldig gemacht hatten.
Für eine weitere jüdische Ansiedlung im frühen Mittelalter gibt es nur einen Beleg. Ein Diplom Kaiser Arnulfs (reg. als ostfränkischer König 887-899, Kaiser ab 896) nennt im Jahr 899 bei einer Schenkung den Ort Judaheim als Besitz des königlichen Hofes Velden an der Vils im heutigen Niederbayern. Spätere Erwähnungen dieses Ortes fehlen. Eine Lokalisierung des Ortes ist deshalb nicht möglich. Es könnte sich nach Wilhelm Störmer (1928-2015) um eine Ansiedlung von Juden unter dem Schutz dieses Königshofes gehandelt haben, die dann in der Zeit der Ungarneinfälle aufgegeben worden sein könnte.
Der erste gesicherte Beleg für die Anwesenheit von Juden im mittelalterlichen Regensburg ist in einer in Rom ausgestellten Urkunde (MGH D OII 247) Kaiser Ottos II. (reg. 973-983) enthalten. Er bestätigt darin dem Regensburger Kloster St. Emmeram den Ankauf des Gutes Scierstadt in der Regensburger Vorstadt Stadtamhof, welches das Kloster von einem Juden namens Samuhel gekauft hatte. Weitere urkundliche Belege folgten erst im 11. Jahrhundert: So schenkte 1020 ein Regensburger Bürger drei Höfe bei den "Judenwohnungen" wiederum an das Kloster St. Emmeram.
Spätestens seit dieser Zeit existierte in Regensburg eine größere jüdische Gemeinde mit Synagoge, Mikwe (rituelles Taufbad), Friedhof und rabbinischem Gericht. Sie sollte sich zu einem geistigen Zentrum des europäischen Judentums mit einer bedeutenden Talmudschule entwickeln, wie zahlreiche jüdische Quellen belegen. Um 1080 wirkte etwa Rabbi Menachem ben Mechir aus Böhmen, ein Talmudist und liturgischer Dichter, in Regensburg. Im 12. Jahrhundert bestand in Regensburg ein bedeutendes rabbinisches Gericht unter der Leitung von Rabbi Ephraim ben Isaak (gest. 1175), der als einer der hervorragendsten Gelehrten seiner Zeit galt und den Beinamen "Ephraim der Große aus Regensburg" trug. 1195/96 zog Rabbi Jehuda ben Samuel be-Hasid (ca. 1150-1217) von Speyer nach Regensburg und lehrte hier für 20 Jahre. Etwa 2.000 Geschichten und Dämonenerzählungen sind allein von diesem Autor in verschiedenen Handschriften erhalten. Bereits 1174 war Rabbi Petachja ben Jakob ha-Lavan von hier zu einer Weltreise aufgebrochen. Über Polen und den Berg Ararat gelangte er in den Nahen Osten, bereiste Babylon und Palästina. Seine Reisenotizen fasste er in einem Buch über den Nahen Osten zusammen; es ermöglicht auch Einblicke in die letzte Zeit des Kreuzfahrerstaates in Palästina.
In diese Blütezeit der jüdischen Kultur in Regensburg im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts fallen auch der Neubau der Synagoge, deren frühgotisches Schiff ca. 300 Personen Platz bot, und der Ankauf eines Grundstückes für einen jüdischen Friedhof, der bis zum Ende des 14. Jahrhunderts auch für die anderen jüdischen Gemeinden Bayerns als Grabstätte dienen sollte. Eigene Friedhöfe in Landshut und München wurden erst 1380 bzw. 1416 errichtet. 1519 zählte der jüdische Friedhof in Regensburg ca. 4.200 Gräber.
Die Entstehung weiterer jüdischer Gemeinden
Belege über jüdisches Leben in anderen bayerischen Städten finden sich erst im 13. Jahrhundert. Eine erste Erwähnung von Juden findet sich in Passau im Jahr 1210. In Landshut dürften Juden bereits kurze Zeit nach der Stadtgründung 1204 ansässig geworden sein. Die erste schriftliche Erwähnung ist hier die Polizei- und Gewerbeordnung aus dem Jahr 1256, die zudem den Fleischverkauf an Juden regelt. Zu dieser Zeit lebten auch in München bereits Juden. 1227 ist ein Jude Abraham de Municha urkundlich erwähnt.
Geldleihe und Warenhandel
Seit dem 13. Jahrhundert war Geldleihe oft die einzige für Juden erlaubte Tätigkeit in Mitteleuropa. Geldleihe war eine für die chronisch finanzschwache Wirtschaft der Zeit außerordentlich wichtige und unverzichtbare Tätigkeit. Der Geld leihende Jude, der die überhöhten Zinsen einforderte, wie die christliche Obrigkeit diese festgelegt hatte, wurde zu einem maßgeblichen antijüdischen Stereotyp der Zeit.
Die Ursprünge der jüdischen Siedlungen im Herzogtum Bayern stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Städtegründungen des 13. Jahrhunderts, wobei die Juden als Geldleiher bei der Finanzierung des Städtebaus eine wichtige Rolle spielten. Die Aufnahme und der Schutz der Juden lagen bereits von Anfang an in den Händen der bayerischen Herzöge und nicht beim Kaiser, der eigentlich bis zur Goldenen Bulle 1356 das alleinige Recht zur Aufnahme von Juden innehatte. Die bayerischen Herzöge nahmen wie andere Landesfürsten auch das königliche Judenregal einfach in Anspruch. Sie hatten zudem die Gerichtsbarkeit über die Juden inne. In den Landfriedensordnungen von 1244 und 1255 wird vor allem die jüdische Geldleihe geregelt und der Jahreszinssatz auf 43 % festgelegt, was an der Grenze des üblichen Zinssatzes lag, der in Österreich bis zu 173 % betragen konnte.
Die Ansiedlung in Landshut und in vielen anderen Städten in Ober- und Niederbayern war bereits mit vielen rechtlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen verbunden. Grundbesitz und Handel wurden den Juden nun weitgehend verboten; sie waren hauptsächlich als Geldleiher geduldet. Aber noch für die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts finden sich in den herzoglichen Schutzbriefen einzelne Hinweise auf jüdischen Warenhandel. So erlaubt ein Privileg von Herzog Stephan III. (reg. 1375-1413) den Straubinger Juden ausdrücklich, ihre Waren an allen Orten im Herzogtum Bayern-Straubing anzubieten. In Schutzbriefen der anderen bayerischen Teilherzogtümer dagegen fehlt dieser Passus. In einer Regensburger Urkunde wurde hingegen bereits 1238 festgestellt, dass die Regensburger Juden nur in der Geldleihe tätig sein durften. Unberührt davon blieb, dass ein guter Teil der jüdischen Bevölkerung sich weiterhin in handwerklichen, erzieherischen und kultischen Dienstleistungen innerhalb der jüdischen Gemeinde betätigte.
Im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts dürften sich in fast allen bayerischen Städten und Märkten Juden angesiedelt haben, um dort den örtlichen Bedarf an kleinen und kleinsten Krediten zu decken, wobei die Geldnehmer - wie ein erhaltenes Schuldenregister aus Straubing (Toch) zeigt - aus allen Bevölkerungsschichten kamen. Jüdische Geldleiher sind somit als ein fester Bestandteil des damaligen Wirtschaftssystems anzusehen.
Antijudaismus
Bereits seit dem Ersten Kreuzzug (1096) verschärfte die Kirche ihre Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung. Schon seit dem 12. Jahrhundert tauchten vor allem im Westen Europas Beschuldigungen gegen Juden auf, dass sie Ritualmord an christlichen Kindern begingen. Später kam der Vorwurf der Hostienschändung hinzu. Die zunehmenden Ausgrenzungsversuche, wie die Kennzeichnungspflicht der Juden (gelber Fleck, Hut), fanden nicht zuletzt, vermittelt durch die Volkskirche, auch ihren Niederschlag in der Stimmung der Bevölkerung. In Regensburg wurden Juden etwa der Zwangstaufe unterzogen.
Diese antijüdische Haltung machte auch vor dem bayerischen Herzogtum nicht halt. Bereits im Jahr 1285 wurde die Münchner Gemeinde eines Ritualmordes angeklagt. Am 12. Oktober 1285 kam es hier zum ersten Pogrom in Bayern, nachdem eine christliche Frau "gestand", die Münchner Juden hätten ein getauftes Christenkind getötet und sein Blut getrunken. Eine aufgebrachte Volksmenge zündete die Synagoge an, wobei alle Juden, die sich in den ersten Stock geflüchtet hatten, in den Flammen umkamen. Zwei Jahre später durften die aus der Stadt verwiesenen Juden nach München zurückkehren.
Die Judenverfolgungen 1338 und 1349
Zur ersten überregionalen Verfolgung der jüdischen Gemeinden kam es im Herzogtum Bayern Mitte des 14. Jahrhunderts. Ausgehend von Deggendorf kam es 1338 in 20 Städten zu wirtschaftlich motivierten Morden an den ansässigen Juden. Die Legende eines Hostienwunders, die Deggendorf lange Zeit eine florierende Wallfahrt einbrachte, entstand erst im 15. Jahrhundert. Die bayerischen Pogrome 1338/39 erfolgten mit ausdrücklicher Unterstützung des niederbayerischen Herzogs, der selbst für das Ausmaß der Verfolgung verantwortlich zu machen ist.
Das Interesse der bayerischen Herzöge an dem Besitz der Juden trat im Jahr 1349 bei der zweiten großen Verfolgungswelle noch deutlicher hervor. In Landshut verpfändete Herzog Stephan II. (reg. 1347-1375) bereits vorab den Besitz der dortigen Juden für 600 Pfund und für die Unkosten, die er mit seinem Gefolge an Fastnacht hatte, an seinen Gefolgsmann Albrecht von Staudach, der bereits 1338 für die Abrechnung der jüdischen Besitztümer eingesetzt worden war. Wenige Wochen später wurde Albrecht von Staudach auch mit der Abrechnung der jüdischen Besitztümer in den anderen bayerischen Städten - insbesondere in München - beauftragt. Die mit großzügigen Privilegien wieder in die Städte gelockten Juden wurden in der Phase der Pestepidemie auf ausdrückliche Weisung der bayerischen Herzöge ermordet. Die Besitztümer gingen an die Herzöge.
Zaghafte Neuansiedelung und Rechtssicherheit
Bereits wenige Jahre später lebten zumindest in München, Landshut und Straubing wieder Juden. Noch waren sie für einen reibungslosen wirtschaftlichen Verlauf unentbehrlich. Der bayerische Herzog Ludwig V. der Brandenburger (reg. 1349-1361) erlaubte 1352 wieder den Zuzug. In ganz Bayern begann nun eine fast einhundertjährige Phase relativer Rechtssicherheit, wobei die Gemeinden allerdings weder an Zahl noch an Bedeutung an die Zeit vor den Pogromen anknüpfen konnten. Einer der wenigen namentlich bekannten Juden dieser Zeit war der in Landshut und später in Regensburg lebende Arzt und Geldleiher Jakob von Landshut. Dessen Behandlungsmethoden finden sich noch in christlichen Rezeptsammlungen des 16. Jahrhunderts. Jakob von Landshut war teilweise Leibarzt von Herzog Stephan III. und Albrecht II. (reg. 1387-1397 als Statthalter in Niederbayern-Straubing), der ihn nach einer Erkrankung im Jahr 1392 aus Regensburg nach Straubing kommen ließ.
Die Vertreibung der Juden im 15. Jahrhundert
Hohe Steuern und Sonderabgaben schwächten Ende des 14. Jahrhunderts die Kapitalkraft der Juden, die nun auch zunehmend auf christliche Konkurrenz trafen. Die Darlehenssummen der Juden wurden - wie die erhaltenen Belege zeigen, kleiner. Darlehensnehmer wurden nun Adelige oder Dienstleute der Herzöge, die wiederum selbst als Geldgeber auftraten bzw. gegebenenfalls bei Christen Gelder aufnahmen. Die Geschichte der jüdischen Gemeinden ging in einer Zeit zu Ende, in der die Juden als Geldleiher keine bedeutende Rolle mehr spielten. Mit dem Wegfall der wirtschaftlichen Notwendigkeit erlosch gleichzeitig auch ihre Berechtigung, hier zu leben. Die antijüdische Stimmung in der Bevölkerung wurde durch fanatische Bußprediger immer wieder aufgeheizt. Herzog Albrecht III. (reg. 1438-1460) vertrieb wenige Jahre nach seinem Regierungsantritt 1442 die Juden aus seinem Herzogtum Bayern-München. Der niederbayerische Herzog Ludwig IX. der Reiche (reg. 1450-1479) folgte diesem Beispiel im Jahr 1450 unmittelbar nach seiner Amtsübernahme. 1478 mussten die Juden nach einer Anklage wegen einer angeblichen Hostienschändung Passau verlassen.
Das Ende der Regensburger Judengemeinde
Die größte und bedeutendste jüdische Gemeinde Bayerns in Regensburg blieb von den Verfolgungen in der Mitte des 14. Jahrhunderts verschont. Teile der Regensburger Bürgerschaft, denen die Einnahmen aus der Judensteuer verpfändet waren, verteidigten die Gemeinde gegen den ausdrücklichen Willen der bayerischen Landesherren. Im 15. und 16. Jahrhundert veränderte sich die Situation. Mit dem wirtschaftlichen Verfall der Reichsstadt kam es zunehmend zu Boykottmaßnahmen und Übergriffen der Regensburger Bürgerschaft. 1476 wurde ein großer Ritualmordprozess gegen die Juden angestrengt und insgesamt 17 Mitglieder der jüdischen Gemeinde verhaftet und gefoltert. Erst Kaiser Friedrich III. (reg. 1440-1493) konnte deren Freilassung durchsetzen. Nur der durch Sondersteuer teuer erkaufte Schutz durch den Kaiser rettete in der Folgezeit die Juden vor Verfolgung oder Vertreibung. Im frühen 16. Jahrhundert verschärfte sich die Situation weiter. Vor allem der Domprediger Balthasar Hubmair (ca. 1485-1528) hetzte unablässig gegen die jüdische Gemeinde und verlangte deren Vertreibung aus der Stadt. Als im Januar 1519 Kaiser Maximilian I. (reg. 1486-1519) verstarb und die Juden damit ihren Schutzherren verloren hatten, nutzte der Stadtrat die Gelegenheit. Nach kurzer Beratung wurde die Ausweisung beschlossen und sofort umgesetzt. Das Judenviertel wurde unverzüglich abgebrochen und an die Stelle der Synagoge eine der Mutter Gottes geweihte Kapelle gesetzt.
Ansiedlungs- und Reiseverbote der Frühen Neuzeit
Nachdem sich nach der Vertreibung aus Regensburg einige Juden auf herzoglich-bayerischem Gebiet niedergelassen hatten, verfügte Herzog Albrecht V. (reg. 1550-1579) in einem Mandat von 1551 und nochmals in der Landesordnung von 1553, dass Juden hier weder wohnen noch geduldet oder aufgenommen werden durften. Die Juden, die sich aus Regensburg in das angrenzende Stadtamhof geflüchtet hatten, mussten auf Druck der bayerischen Landstände, die ihnen unter anderem auch Spionage für die Türken vorwarfen, ebenfalls das Land verlassen. Ab dem 17. Jahrhundert war es Juden offiziell verboten, durch Bayern zu reisen. Diese Verschärfung könnte damit zusammenhängen, dass sich gleichzeitig wieder Juden in der Reichsstadt Regensburg ansiedelten, deren Anwesenheit ab 1669 belegt ist. Der bedeutendste Gelehrte dieser kleinen Gemeinde war Rabbi Isaak Alexander (1722-1799/1800), der als erster Jude philosophische Werke in Deutsch publizierte.
Hofjudentum in München
Ausgenommen vom allgemeinen Aufenthalts- und Handelsverbot blieben im 18. Jahrhundert die sog. jüdischen Hoffaktoren. Auch am Fürstenhof in München wurden reiche Juden geduldet, die durch ihre Finanzierung die aufwändige Hofhaltung, die großen Feste, die Versorgung mit Luxusgütern und die Versorgung des Heeres garantierten. Im Zeitalter des Absolutismus versuchten Landesfürsten, ihre Souveränität durch opulente Prachtentfaltung zu demonstrieren, ganz nach dem Vorbild des französischen Hofes in Versailles. 1722 nahm auch der bayerische Kurfürst Max II. Emanuel (reg. 1675-1706, 1714-1726) zur Finanzierung der Hochzeit seines Sohnes Karl Albrecht (reg. 1726-1745 als Kurfürst von Bayern, 1742-1745 als römisch-deutscher Kaiser) beim Mergentheimer Juden Noe Samuel Isaac einen Kredit von fast einer Mio. Gulden auf. Notwendigerweise wurde für Noe Samuel Isaac wie auch in den folgenden Jahrzehnten für Wolf Wertheimer (1709-1762) und andere jüdische Hoffaktoren das strenge Handels– und Aufenthaltsverbot außer Kraft gesetzt. So entstand in München eine kleine jüdische Gemeinde, deren Schicksal eng an die Herrscherfamilie geknüpft war.
Ausblick auf das 19. Jahrhundert
Im Judenedikt von 1813 wurde die allgemeine rigorose Ausgrenzung aufgehoben und eine rechtliche Grundlage für jüdisches Leben geschaffen. Die rechtliche Gleichstellung erreichten die Juden aber erst mit der Eingliederung Bayerns in das Deutsche Reich im Jahr 1871.
Literatur
- Richard Bauer (Hg.), Jüdisches München. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2006.
- Michael Brenner/Renate Hoepfinger (Hg.), Die Juden in der Oberpfalz (Studien zur jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern 2), München 2009.
- Silvia Codreanu-Windauer/Heinrich Wanderwitz, Das Regensburger Judenviertel. Geschichte und Archäologie, in: Peter Schmid (Hg.), Geschichte der Stadt Regensburg. 1. Band, Regenburg 2000, 607-633.
- Manfred Eder, Die "Deggendorfer Gnad". Entstehung und Entwicklung einer Hostienwallfahrt im Kontext von Theologie und Geschichte (Deggendorfer Archäologie und Stadtgeschichte 3), Passau 1992.
- Germania Judaica. Historisch-Topographisches Handbuch zur Geschichte der Juden im Alten Reich. [bisher 7 Teilbände]
- Josef Kirmeier, Die Juden und andere Randgruppen. Zur Frage der Randständigkeit im mittelalterlichen Landshut (Sonderveröffentlichung des Historischen Vereins für Niederbayern), Landshut 1988.
- Sebastian Schott, Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Regensburg im Mittelalter, in: Martin Angerer/Heinrich Wanderwitz (Hg.), Regensburg im Mittelalter. Beiträge zur Stadtgeschichte vom frühen Mittelalter bis zum Beginn der frühen Neuzeit, Regensburg 1995, 251-258.
- Siehe, der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Eine Ausstellung veranstaltet vom Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und vom Haus der Bayerischen Geschichte im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, 25.10.1988-22.1.1989. 1. Band: Katalog, Nürnberg 1988.
- Wilhelm Störmer, Judaheim beim Königshof Velden an der Vils 899. Zu zwei Kaiserurkunden für das Pfalzstift Altötting, in: Peter Fassl/Wilhelm Liebhart (Hg.), Bayern, Schwaben und das Reich. Festschrift für Pankraz Fried zum 75. Geburtstag (Augsburger Beiträge zur Landesgeschichte Bayerisch-Schwabens 11), Augsburg 2007, 27-36.
- Manfred Treml/Josef Kirmeier (Hg.), Geschichte und Kultur der Juden in Bayern. Aufsätze (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), München 1988.
- Wilhelm Volkert, Die spätmittelalterliche Judengemeinde in Regensburg, in: Dieter Henrich (Hg.), Albrecht Altdorfer und seine Zeit (Schriftenreihe der Universität Regensburg 5), Regensburg 2. Auflage 1992, 123-149.
Quellen
- Raphael Strauß (Bearb.), Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Juden in Regensburg 1453-1738 (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte. Neue Folge 18), München 1960.
- Falk Wiesemann, Judaica bavarica. Neue Bibliographie zur Geschichte der Juden in Bayern, Essen 2007.
Weiterführende Recherche
Externe Links
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Empfohlene Zitierweise
Josef Kirmeier, Judentum in Altbayern (bis 1800), publiziert am 08.02.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Judentum_in_Altbayern_(bis_1800) (14.12.2024)