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Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

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Dr. Walter Becher sprach am 14. Mai 1955 in Laufen a. d. Salzach (Lkr. Berchtesgadener Land) anlässlich einer Kundgebung unter dem Motto "Das ganze Deutschland soll es sein!" zum zehnten Jahrestag des Beginns von Flucht und Vertreibung. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, sda.nl-becher_1531_0010)
Der BHE-Landesvorstand anlässlich des Landesparteitags 1956 in Deggendorf (links Walter Stain, 1954 bis 1962 Bayerischer Minister für Arbeit und soziale Fürsorge). (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, sda.nl-becher_1532_0006)
Im April 1957 fand der alljährliche Landesparteitag des BHE in Freising statt. Auch er stand unter dem Motto "Das ganze Deutschland soll es sein". Am Rednerpult steht Willi Guthsmuths der von 1953 bis 1967 als bayerischer Landesvorsitzender des BHE amtierte. (sda.nl-becher_1532_0007)

von Daniel Schönwald

Der Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE)/Gesamtdeutscher Block (GB) war als politische Vereinigung in der jungen Bundesrepublik Deutschland und insbesondere in Bayern die Interessenvertretung einer durch Krieg, Flucht und Vertreibung gezeichneten Gesellschaftsschicht. Ihre beiden wichtigsten inhaltlichen Schwerpunkte lagen auf der Sozial- und insbesondere der Flüchtlingspolitik. Die Partei war damit stark auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge und Vertriebenen zugeschnitten, die auch die überwiegende Mehrheit der Klientel stellte.

Flucht, Vertreibung und Integration in Bayern

Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangten knapp 2 Mio. Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten bzw. deutschen Siedlungsgebieten in Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa nach Bayern. Die größte Gruppe davon – etwa die Hälfte – stellten die Deutschen aus der Tschechoslowakei, die sog. Sudeten- und Karpatendeutschen, dar. Ungefähr ein Viertel waren Deutsche aus Schlesien. Das restliche Viertel verteilte sich auf Flüchtlinge und Vertriebene zum Beispiel aus Ostpreußen, Westpreußen und Pommern, aber auch aus den Staaten des Balkans. Die Eingliederung dieser enormen Zahl an entwurzelten und heimatlosen Menschen, die im Jahr 1950 mehr als 20 % der Bevölkerung in Bayern ausmachten, stellte in der Nachkriegszeit eine der größten Aufgaben des Freistaats dar.

Die politischen Parteien und die Neubürger

Wegen der zerstörten Infrastruktur und allgemeinen Wohnungsmangels gelang die Unterbringung der Menschen in den ersten Jahren nach 1945 nur sehr unzureichend. Die soziale Integration in die Nachkriegsgesellschaft begann zögerlich und stieß auf große Schwierigkeiten. Die neu gegründeten Parteien konnten die Neubürger oft nicht als Wähler gewinnen; diese fühlten sich nicht ausreichend repräsentiert. Deswegen strebten sie nach einer eigenen politischen Interessenvertretung. Bei den ersten Wahlen der Jahre 1946 und 1948 gestattete die alliierte Besatzungsmacht jedoch keine eigenständigen Flüchtlingsparteien. Die Neubürger wichen deshalb auf lose Wahlbündnisse aus und unterliefen auf diese Weise das sog. Koalitionsverbot, das erst nach und nach aufgeweicht wurde. Parallel dazu entstanden zahlreiche eigenständige Flüchtlingsorganisationen wie der "Neubürgerbund" Günter Goetzendorffs (1917-2000).

Die Gründung als Interessenvertretung der Flüchtlinge und Vertriebenen

Zur ersten Bundestagswahl 1949 ging dieser ein Bündnis mit der Wirtschaftlichen Aufbauvereinigung (WAV) ein. Damit zogen erste bayerische Flüchtlingspolitiker in den Bundestag ein, die später im Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) agierten. Nach dem endgültigen Ende des Koalitionsverbots 1950 breitete sich dieser - ausgehend vom relativ am stärksten mit Flüchtlingen und Vertriebenen belasteten Schleswig-Holstein und unter Mitwirkung des Parteigründers Waldemar Kraft (1898-1977) - über das gesamte Bundesgebiet aus. In Bayern vereinigten sich die meistens lokal entstandenen Flüchtlingsgruppen im Vorfeld der Landtagswahl im November 1950 unter Führung des Agrar- und Wirtschaftswissenschaftlers Theodor Oberländer (1905-1998), einem früheren Repräsentanten der NS-Ostforschung, zum BHE. Er war auch maßgeblich an der Gründung eines Bundesverbands Anfang 1951 beteiligt. Innerhalb Bayerns gelang die beabsichtigte flächendeckende Ausbreitung auf alle Landkreise nicht vollständig, gleichwohl aber bis in eine Vielzahl ländlicher Gemeinden. Überhaupt hatte der BHE seine Hochburgen im ländlichen Raum, wo die große Mehrzahl der Neubürger Aufnahme gefunden hatte, so insbesondere in Schwaben und Niederbayern (etwa in Neuburg a. d. Donau, Krumbach oder Griesbach im Rottal).

Name, Zielgruppe und Mitglieder

Bereits in der Namensgebung wurde die Zielgruppe der Partei deutlich: Der BHE wandte sich gezielt an die "Heimatvertriebenen", aber auch an ehemalige Nationalsozialisten ("Entrechtete"), also durch die Entnazifizierung in ihrem persönlichen und beruflichen Werdegang Beeinträchtigte, die in den etablierten Parteien keine ansprechende Interessenvertretung sahen. Um keine ausschließliche Konzentration auf die Neubürger zu suggerieren, benannte sich der BHE Ende 1952 offiziell um in "Gesamtdeutscher Block" und führte das Kürzel "BHE" nur mehr als Anhang. Ab 1961 firmierte man unter dem Namen "Gesamtdeutsche Partei" (GDP). Dennoch blieb die Partei im Wesentlichen eine Interessenvertretung von und für Neubürger. Beinahe alle führenden Repräsentanten im Landesverband Bayern stammten aus den Vertreibungsgebieten oder hatten den Großteil ihrer bisherigen Laufbahn dort verbracht.

Programmatik und Selbstverständnis

Zunächst war das BHE-Programm stark auf die Bedürfnisse der Flüchtlinge und Vertriebenen zugeschnitten. Die Partei sah sich als Sozialhelfer, als Sozial- und Interessenpartei für ihre Klientel. Mit dem (auf die einzelnen Wahltypen bezogen) kontinuierlichen Rückgang der Stimmenanteile orientierte sich der BHE um und propagierte ab Mitte der 1950er Jahre stärker außenpolitische Thesen; Hauptziel stellte nun die Vorbereitung der Rückkehr in die frühere Heimat dar.

Dr. Willi Guthsmuths (stehend) auf dem BHE-Landesparteitag 1957. Guthsmuths amtierte von 1955 bis 1967 als bayerischer BHE-/GDP-Landesvorsitzender. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, sda.nl-becher_1532_0008)

Mit zunehmender Erfolglosigkeit radikalisierten sich die Parolen: Der BHE wurde zur "Nationalpartei" – und damit erst recht zur Splittergruppe. Langfristig zahlte sich die programmatische Umorientierung also nicht aus. Generell zeigte sich der BHE hinsichtlich seines Programms radikal pragmatisch: Um Bündnisse eingehen und so aktiv mitgestalten zu können, war das Programm kaum mehr als ein Lippenbekenntnis. Immerhin beteiligte sich der BHE zwischen 1954 und 1957 sogar mit der programmatisch entgegengesetzt ausgerichteten Bayernpartei (BP) an der sog. Viererkoalition.

Die bayerischen BHE- und GDP-Landesvorsitzenden

Der ehemalige SS-Hauptsturmführer des "Reichsgau Sudetenland" Dr. Walter Hergl (1899-1999) kandidierte zur Landtagswahl 1962 im Stimmkreis Starnberg/Wolfratshausen. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, sda.kleinstnachlässe_347)

Im BHE sammelten sich viele frühere Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), die in ihren Heimatgebieten politisch engagiert und in gehobenen sozialen und beruflichen Positionen gewesen waren. Unter allen Vorsitzenden bestand die Bereitschaft, ehemaligen NS-Parteigenossen Einlass zu gewähren. Die Zahl der ehemals mehr oder weniger prominenten Nationalsozialisten im BHE war ohne Vergleich mit der in anderen Parteien. Unter seinen Abgeordneten befanden sich viele NS-Belastete, insbesondere auch bei den Kabinettsmitgliedern und anderen Führungskräften. Von den "Entnazifizierungsgeschädigten" engagierte sich nur ein kleiner Teil im BHE, dort waren sie aber überdurchschnittlich repräsentiert und besonders aktiv. Der BHE versuchte als Interessenpartei, nicht nur "Heimatvertriebene", sondern auch "Entrechtete" in die BRD zu integrieren.

Betrachtet man sämtliche bayerischen BHE-Landtags- und -Bundestagsabgeordneten 1950 bis 1962, dazu alle Wahlkreiskandidaten und diejenigen auf der Landesliste Bayern für die Bundestagswahlen 1953 und 1957, so ergibt sich eine erschreckend hohe Quote früherer NSDAP-Mitglieder: unter den 38 Landtagsmitgliedern 25; von den insgesamt 95 Personen konnten 60 als ehemalige Parteigenossen nachgewiesen werden, also knapp zwei Drittel. Um die NS-Vergangenheit von Theodor Oberländer, Willi Guthsmuths (1901-1981), Walter Becher (1912-2005), Egon Erzum (1904-1974), Rudolf Wagner (1911-2004) und Paul Sornik (1900-1982) gab es teils sehr heftige politische Kontroversen und staatsanwaltliche Ermittlungen. Diesen Personen, die Entwicklung und politisches Wirken des BHE teils maßgeblich bestimmten, ist aber gemein, dass sie sich nach 1945 offiziell auf den Boden der Demokratie stellten.

Wahlen und Wahlergebnisse in Bayern

Wahlergebnisse des Blocks der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) bei Bundestagswahlen von 1953 bis 1969 in Prozent.

Von 1950 bis 1960 beteiligte sich der BHE an allen Wahlen in Bayern; lediglich bei Kommunalwahlen trat er nicht immer allein, sondern teils in Wahlbündnissen mit anderen Gruppen oder Parteien an. Ausgehend vom Rekordergebnis mit 12,3 % der Stimmen bereits bei der Landtagswahl 1950 zusammen mit der Deutschen Gemeinschaft nahm der Stimmenanteil jedoch kontinuierlich ab. Bei Landtagswahlen waren die Ergebnisse grundsätzlich besser als bei den Bundestagswahlen. Ganz von örtlichen Gegebenheiten abhängig, gelangen auf kommunaler Ebene sehr unterschiedliche Erfolge – von mehr als 50 % in einzelnen Landgemeinden oder Flüchtlingslagern bis hin zu Gemeinden ohne eine einzige BHE-Stimme. Wenig verwunderlich war dabei, dass die Wahlergebnisse stark mit der Dichte bei der Belegung mit Flüchtlingen und Vertriebenen korrelierten. Besonders in den fünf bayerischen Flüchtlingsstädten, allen voran in Geretsried (Lkr. Bad Tölz-Wolfratshausen), war der BHE erfolgreich. Dennoch gelang es der selbsternannten "Flüchtlingspartei" zu keinem Zeitpunkt, mehr als die Hälfte der Neubürger-Stimmen auf sich zu vereinen.

Die Wahlergebnisse von Flüchtlingsgruppen/-parteien in Bayern
Wahl Kommunalwahlen (KW) 1948 Bundestagswahlen (BT) 1949 Landtagswahlen (LT) 1950 KW 1952 BT 1953 LT 1954 KW 1956 BT 1957 LT 1958 KW 1960 BT 1961 LT 1962
Ergebnis Unabhängige Gruppen 12,6 % WAV 14,4 % DG-BHE 12,3 % BHE 10,0 % GB/BHE 8,2 % GB/BHE 10,2 % GB/BHE 8,2 % GB/BHE 6,8 % GB/BHE 8,6 % GB/BHE 6,5 % GDP 3,9 % GDP 5,1 %

Regierungsbeteiligung des BHE in Bayern

Der Bayerische Landtag im Jahr 1958 während der Zeit der CSU-BHE-FDP-Koalition. In der vorderen Reihe saßen unter anderem die Fraktionsvorsitzenden, so Dr. Walter Becher (BHE, erster Eckplatz links). Zu erkennen sind außerdem die früheren bayerischen Ministrpräsidenten Dr. Wilhelm Hoegner (SPD, vorne zweiter von links) sowie Dr. Hans Ehard (CSU, vorne rechts). (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, sda.nl-becher_1531_0011)

Der BHE bzw. die GDP standen von 1950 bis 1962 in Bayern als einzige Partei durchgehend in der Regierungsverantwortung: 1950 bis 1954 als dritter Partner in Ehards großer Koalition (Kabinett Ehard III), in Hoegners Viererkoalition (SPD, BP, BHE, FDP unter Ausschluss der CSU) von 1954 bis 1957, die durch die Umorientierung des BHE erst möglich wurde, sowie von 1957 bis 1962 in den bürgerlichen Regierungen Seidel (Kabinett Seidel I, Seidel II) und Ehard (Kabinett Ehard IV aus CSU, BHE, FDP). Mit von 1950 bis 1954 nur zwei Staatssekretären (Oberländer bzw. ab 1953 Walter Stain [1916-2001] für Flüchtlingsfragen und Guthsmuths im Wirtschaftsministerium mit Zuständigkeit schwerpunktmäßig für die Landesplanung) war der Einfluss freilich gering. Ab 1954 stellte der BHE mit Stain den Minister für Arbeit und Soziale Fürsorge sowie den Wirtschafts- (weiterhin Guthsmuths) und den Landwirtschaftsstaatssekretär (Erich Simmel [1885-1974]). An dieser Besetzung änderte sich bis 1962 nichts.

Inhaltliche Schwerpunkte in Bayern

Die BHE-Fraktion im Bayerischen Landtag im Jahr 1954. Der Fraktionsvorsitzende Becher (mit Pfeife) amtierte von 1954 bis 1962. (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, sda.nl-becher_1532_0005)

Der BHE trug die politischen Initiativen seiner Koalitionspartner stets mit, auch wenn diese für ihn keine Priorität besaßen. Im Gegenzug konnte er eine Reihe sehr spezifischer Anliegen für seine Klientel durchsetzen. So lagen die inhaltlichen Schwerpunkte der BHE-Politik auf der Sozialpolitik, insbesondere der Flüchtlingspolitik, aber auch in den Bereichen Wirtschafts- und Landwirtschaftspolitik. Ein besonderes Verdienst des BHE stellten die Durchsetzung eines Landesplanungsgesetzes sowie der Einsatz für die Flüchtlingslandwirte dar. Der BHE konnte mit mehreren Gesetzen zur Beendigung der Entnazifizierung ein spezielles Anliegen seiner Mitglieder erreichen. Walter Becher (1912-2005) profilierte sich im kulturpolitischen Ausschuss, vor allem beim Einsatz für die Pflege der Kultur der Flüchtlinge und Vertriebenen sowie für ein neues Rundfunkgesetz. In der Kommunalpolitik konnte die Kleingruppe kaum entscheidende Weichenstellungen vornehmen, zumal nicht gegen die einheimische Mehrheitsbevölkerung.

Der bayerische BHE im Bund

Bereits im ersten Bundestag waren bayerische Flüchtlingspolitiker vertreten, von denen sich drei ab 1950 zum BHE bekannten. An den entscheidenden Verhandlungen zum Lastenausgleichsgesetz von 1952 - dem primären BHE-Ziel - wie anderen weitreichenden Gesetzen der ersten Legislaturperiode etwa in Bezug auf die Westintegration nahmen sie jedoch nur peripher teil. Ab 1953 gehörte der BHE der Regierung Adenauer an. Oberländer amtierte als Bundesvertriebenenminister. Damit war der bayerische BHE auf dem Zenit seiner Macht. Allerdings währte diese Phase nur bis zur sog. Kraft-Oberländer-Krise Mitte 1955, als der Parteigründer Kraft und der amtierende Bundesvorsitzende Oberländer (seit Mai 1954) und beinahe die Hälfte der Fraktion den BHE verließen und zumeist letztendlich der Union beitraten. Von den acht bayerischen BHE-Abgeordneten blieben fünf (Wilfried Keller [1918-1991], Otto Klötzer [1914-1976], Willy Reichstein [1915-1978], Paul Sornik, Johannes-Helmut Strosche [1912-1996]) der Rumpfpartei treu, die nun aber nicht mehr Teil der Koalition war. 1957 misslang der neuerliche Einzug in den Bundestag. Zwar kamen 1965 nochmals zwei bayerische GDP-Mitglieder (Walter Becher, Herbert Prochazka [1923-2007]) über die Liste der Christlich-Sozialen Union (CSU) in den Bundestag; diese traten jedoch Mitte 1967 zur CSU über.

Inhaltliche Schwerpunkte im Bund

Inhaltlich versuchte der (bayerische) BHE im Bund nach Kräften, seine Interessen in der Flüchtlings- und Außenpolitik durchzusetzen, freilich mit wenig Erfolg. Am nachhaltigsten fruchteten die Initiativen zur Novellierung des Lastenausgleichsgesetzes oder für andere soziale Verbesserungen, insbesondere für die Neubürger, aber auch der Einsatz für die nach 1945 entlassenen Beamten, die Kriegsopfer oder die DDR-Flüchtlinge. Weniger erfolgreich dagegen waren die Bemühungen in der Deutschland- und insbesondere der Ostpolitik. Trotz seiner strikt antikommunistischen Haltung konnte der BHE in der Großwetterlage der 1950er Jahre sein primäres Ziel, die Wiedergewinnung der Ostgebiete, nicht durchsetzen, da Adenauer mit der Westintegration völlig andere Prioritäten hatte. Vielmehr verstand es der Bundeskanzler, die Abgeordneten der kleinen bürgerlichen Parteien wie BHE und auch DP nach und nach auf seine Seite zu ziehen und somit den Konkurrenten das Wasser abzugraben.

Niedergang und Auflösung

Bereits kurz vor und vor allem nach dem Ausscheiden aus dem Landtag 1962 traten viele ehemalige GDP-Mitglieder zu anderen Parteien über. Besonders profitierten davon CSU und die Freie Demokratische Partei (FDP), aber auch die SPD und nicht zuletzt die Mitte der 1960er Jahre gegründete Nationaldemokratische Partei Deutschland (NPD), die einzelne radikalere Mitglieder für sich gewinnen konnte. Weder die Kooperation mit der CSU bei Wahlen der 1960er Jahre noch der Versuch, die GDP 1967 mit neuer Führung um Gerhard Schuchart wieder zu beleben, hatten nachhaltigen Erfolg. Nach längerem Siechtum als Splitterpartei blieb 1981 nur die Auflösung.

Gesamtbewertung

Mitglieder der BHE-Fraktion im Bayerischen Landtag in den 1950er Jahren v. l. n. r.: Fraktionssekretärin Friedel Kirpal, Dr. Walter Becher, Ernst Riediger (1901-1966). (Bayerisches Hauptstaatsarchiv, sda.nl-becher_1531_0008)

Insgesamt betrachtet waren der BHE und die GDP weniger Protest- als vielmehr klare Interessenparteien für eine ganz spezielle Bevölkerungsgruppe. Trotz der auch gerade durch den BHE vollzogenen Wiedereingliederung ehemaliger Nationalsozialisten in die bayerische Gesellschaft führte die anfängliche Separierung aber nicht zur Radikalisierung der Flüchtlinge und Vertriebenen, sondern vielmehr zu einer positiven Integration zumeist in die bürgerlichen Parteien. Der BHE trug also zur Konsolidierung des Parteiensystems bei. Inhaltlich setzte er in Bayern einzelne modernisierende Akzente, etwa bei der Landesplanung, die für viele der Sudetendeutschen beispielsweise, die aus weiter entwickelten und industriell geprägten Regionen stammten, freilich kaum mehr als eine Wiederherstellung des Zustandes in ihrer Heimat sein konnten.

Literatur

  • Karl-Ulrich Gelberg, Neubildung von Parteien und Verbänden, in: Max Spindler/Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. 4. Band, 1. Teil, München 2. Auflage 2003, 757-802.
  • Franz Neumann, Der Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten 1950-1960. Ein Beitrag zur Geschichte und Struktur einer politischen Interessenpartei (Marburger Abhandlungen zur Politischen Wissenschaft 5), Meisenheim 1968.
  • Daniel Schönwald, Integration durch eine Interessenpartei. Der Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten in Bayern 1950–1981 (Münchener Historische Studien: Abteilung Bayerische Geschichte 24), Kallmünz in der Oberpfalz 2014.
  • Michael Schlieben, Missglückte politische Führung. Die gescheiterten Nachkriegsparteien, in: Daniela Forkmann/Michael Schlieben (Hg.), Die Parteivorsitzenden in der Bundesrepublik Deutschland 1949-2005, Wiesbaden 2005, 349-368.
  • Matthias Stickler, "Ostdeutsch heißt gesamtdeutsch". Organisation, Selbstverständnis und heimatpolitische Zielsetzungen der deutschen Vertriebenenverbände 1949-1972 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 46), Düsseldorf 2004. [Habil.]
  • Richard Stöss, Der Gesamtdeutsche Block, in: Ders. (Hg.), Parteien-Handbuch der Parteien der Bundesrepublik Deutschland, 1945-1980. 3. Band, Opladen 1986, 1424-1459.
  • Philipp-Christian Wachs, Der Fall Theodor Oberländer (1905-1998). Ein Lehrstück deutscher Geschichte, Frankfurt am Main/New York 2000.

Weiterführende Recherche

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Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten/Deutsche Gemeinschaft (BHE/DG) , ab 1952 Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Empfohlene Zitierweise

Daniel Schönwald, Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), publiziert am 13.05.2013; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Block_der_Heimatvertriebenen_und_Entrechteten_(BHE)> (19.03.2024)